Gesundheitswesen 2006; 68 - A56
DOI: 10.1055/s-2006-948612

Ist die Sterblichkeit von Frauen nach Krankenhausaufnahme wegen akutem Myokardinfarkt erhöht? Eine bundesweite Analyse mit Routinedaten

G Heller 1, B Babitsch 2, M Möckel 3
  • 1Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Bonn
  • 2Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin / Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 3Medizinische Klinik m. S. Kardiologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin

Hintergrund: Zahlreiche Studien haben den Zusammenhang zwischen Geschlecht und der Sterblichkeit von Krankenhauspatienten/-innen mit akutem Myokardinfarkt (AMI) mit widersprüchlichen Ergebnissen untersucht. Ziel: Da für Deutschland bislang keine bundesweiten Analysen zu dieser Thematik vorliegen, war es das Ziel, diesen Zusammenhang an einem bundesweiten Datensatz zu analysieren. Methoden: Dazu wurden Abrechnungsdaten von AOK-Krankenhauspatienten/-innen mit der Hauptdiagnose akuter Myokardinfarkt der Jahre 2003–2004 genutzt. Als Endpunkte wurden Tod während des initialen Krankenhausaufenthaltes, die 90-Tages- und die 1-Jahres-Sterblichkeit untersucht. Ergebnisse: 119.331 Patienten und Patientinnen wurden eingeschlossen. In rohen Analysen ergaben sich deutlich erhöhte Sterblichkeiten für Herzinfarktpatientinnen (RR=1,58, 95-%-CI=1,54–1,61). Nach einer Altersadjustierung (in Dezentilen) fanden sich dagegen praktisch identische Sterbewahrscheinlichkeiten im Vergleich zu den Männern (OR=1,01; 95-%-CI=0,97–1,04). Einzig für die vergleichsweise kleine Gruppe der Patienten und Patientinnen <50 Jahren (n=9,593) ließen sich im analysierten Zeitintervall erhöhte Sterblichkeiten für Frauen nachweisen (OR=1,40; 95-%-CI=1,08–1,82). Alle hier genannten Zusammenhangsmaße beziehen sich auf den Endpunkt Tod während des initialen Krankenhausaufenthaltes. Diskussion: Die vorgelegte Arbeit stellt unseres Wissens die erste bundesweite flächendeckende Analyse des Zusammenhangs zwischen Geschlecht und Überleben nach Krankenhausaufnahme wegen eines akuten Myokardinfarktes dar. Die mitunter anders lautenden Ergebnisse früherer regionaler Studien sind möglicherweise durch die Selektivität bestehender Register, oder durch eine nicht ausreichende Risikoadjustierung zu begründen. Schlussfolgerungen: Eine Übersterblichkeit von Frauen mit AMI besteht nur bei den unter 50-jährigen. Mögliche Erklärungsansätze könnten der (nach Altersadjustierung) schlechtere Gesundheitszustand bei Aufnahme oder die a priori zu wenig in Betracht gezogene Herzinfarktdiagnose bei Frauen dieser Altersgruppe sein.