Gesundheitswesen 2006; 68 - A130
DOI: 10.1055/s-2006-948686

Welcher Anteil stationärer Leistungen lässt sich ambulant erbringen? Eine Hochrechnung mit dem Leistungskatalog nach §115b SGB V

E Swart 1, BP Robra 1
  • 1Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Hintergrund / Ziele: Im April 2005 trat ein neuer Vertrag für das ambulante Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe nach § 115b SGB V in Kraft. Der Leistungskatalog basiert erstmalig auf dem detaillierten Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) und enthält mehr als 2.700 Positionen. Das Substitutionspotenzial dieses Katalogs für den stationären Sektor soll anhand von GKV-Leistungszahlen abgeschätzt werden. Methoden: Verwendet werden fallbezogene GKV-Routinedaten nach § 301 SGB V der AOK Sachsen-Anhalt aus den Jahren 2003 und 2004. Zur Identifizierung potenziell substituierbarer Leistungen wurde der exakte OPS-Kode des Leistungskatalogs verwendet; berücksichtigt wurden nur Leistungen, die laut Katalog in der Regel ambulant erbracht werden können. Es wurden alle Fälle gezählt, bei denen die Katalogleistung als erster Eintrag aus dem entsprechenden OPS-Kapitel dokumentiert war. Zusätzlich wurde danach differenziert, ob die Leistung allein oder mit anderen Maßnahmen/Operationen aus dem OPS-Katalog durchgeführt worden war. Ergebnisse: Die gefilterten Fälle konzentrieren sich auf wenige diagnostische und operative Maßnahmen. Am häufigsten werden diagnostische Maßnahmen (OPS-Kapitel 1) dokumentiert, gefolgt von operativen Maßnahmen des OPS-Kapitels 5. Häufigster diagnostischer Eingriff ist die diagnostische Koloskopie (OPS 1–6501), häufigste operative Maßnahme die perkutan-endoskopische Gastrostomie (PEG, 5–4312). Insgesamt wird ein Substitutionspotenzial zwischen 4 und 12 Prozent der Fälle und 3 und 10 Prozent der Krankenhaustage ermittelt. Die unteren Grenzen ergeben sich, wenn man Fälle mit nur einer dokumentierten Leistung berücksichtigt, die obere, wenn man auch Fälle zählt, bei denen weitere Leistungen aus dem gesamten OPS-Katalog dokumentiert sind. Das Beispiel der diagnostischen Koloskopien zeigt, dass diagnostische Leistungen aus dem Katalog überwiegend isoliert oder lediglich mit anderen diagnostischen Maßnahmen erbracht werden und oft keine weitere stationäre Prozedur folgt. Schlussfolgerungen: Der neue Leistungskatalog erlaubt differenzierter als frühere Kataloge (ZI, IGES) eine Abschätzung des Potenzials ambulant zu erbringender Leistungen. In früheren Krankenhausfallanalysen war mit dem Katalog des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Vereinigung ein der Größe nach vergleichbares Substitutionspotenzial geschätzt worden. Substitutionspotenziale sind also nicht ausgeschöpft. Modellprojekte in der ambulanten und Kurzzeitchirurgie können die Umsetzung des Potenzials konkretisieren.