Klin Monbl Augenheilkd 1999; 215(9): 186-196
DOI: 10.1055/s-2008-1034697
Kasuistiken

© 1999 Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kontinuierliche mehrtägige intraokulare Augeninnendruckmessung mit dem CODMAN-Mikrosensor - Ein Fallbericht

Continuous measurement of intraocular pressure by the CODMAN Micro Sensor for several days - A case reportHelmut Höh, Mathias Schwanengel
  • Augenklinik am Klinikum Neubrandenburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Ernst-Moritz-Arndt-Universität (Chefarzt: Prof. Dr. med. Helmut Höh)
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Publication History

Manuskript erstmalig eingereicht am 18.6.1999

in der vorliegenden Form angenommen

Publication Date:
25 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Bei irregulären Hornhautoberflächen, wie zum Beispiel bei bullöser Keratopathie, irregulärem Astigmatismus, Ödem oder Narben sowie nach perforierender Keratoplastik, ist die applanatorische Augeninnendruckmessung häufig nicht durchführbar oder die ermittelten Meßergebnisse sind mit dem klinischen Bild nicht im Einklang. Diese Konstellation erfordert zur Abklärung eine Intraokularmessung des Augeninnendruckes. Mit einer Punktion der Vorderkammer lassen sich Einzelmeßergebnisse für den kurzen Zeitraum der Punktion gewinnen, nicht aber Daten über den Verlauf des Augeninnendruckes über einen längeren Zeitraum. Hierfür besteht aber ein erheblicher Bedarf. Wir berichten retrospektiv über zwei Patienten, bei denen wir eine kontinuierlich messende Sonde über mehrere Stunden beziehungsweise Tage in die Vorderkammer implantiert haben.

Patienten und Methoden Wir haben in die Vorderkammer einen in der Neurochirurgie gebräuchlichen Mikrosensor (CODMAN, Norderstedt) über einen 1,2 mm breiten und 4 mm langen Skleratunnel eingesetzt. Über den ICP-Transducer wurden die Meßwerte auf den ICP-Express-Monitor (CODMAN, Norderstedt) übertragen und analog angezeigt. Es erfolgte ein Transfer der Meßergebnisse auf den Multifunktionsmonitor DINAMAP Plus 8720 (CRITIKON, Norderstedt). Nach digitaler Wandlung der Meßergebnisse wurden diese an einen Personalcomputer mit Pentium-Prozessor zur kontinuierlichen Erfassung der Meßwerte (Patient 1 jede Minute ein Wert, Patient 2 alle 10 Sekunden ein Wert) und Auswertung übertragen und gespeichert. Beim ersten Patienten war die Indikation zur Implantation der Meßsonde durch eine beträchtliche Abweichung der applanatorisch gemessenen Augendruckwerte (12 bis 20 mmHg) von den palpatorisch geschätzten Werten (25 bis 30 mmHg) gegeben. Die klinischen Befunde sprachen für den höheren Druckwert. Wegen einer Transplantatdekompensation war eine Re-Keratoplastik erforderlich. Im Rahmen dieser Operation wurde der Mikrosensor zur kontinuierlichen Augeninnendruckmessung implantiert. Die Sonde wurde nach einem Tag explantiert. Bei der zweiten Patientin war ein primär chronisches Offenwinkelglaukom auf beiden Augen bekannt. 1997 erhielt die Patientin wegen einer beidseitigen Hornhautdystrophie auf beiden Augen eine Hornhauttransplantation. Postoperativ kam es zur Dekompensation der Augeninnendruckwerte. Es kam rechts zu einer zentralen, druckbedingten Keratopathie im Transplantat. Der applanatorisch gemessene Augendruckwert lag stets zwischen 16 und 20 mmHg. Palpatorisch fanden sich stets Werte über 30 mmHg. Zur Feststellung des wahren Augeninnendruckes und zur Begründung einer rationalen Therapie implantierten wir die intraokulare Druckmeßsonde, weiche über 5 Tage intraokular belassen werden konnte und sowohl am Tage als auch nachts Meßwerte ermittelte. Nach Ermittlung der Ausgangsmeßwerte wurden verschiedene Antiglaukomatosa auf ihre Wirksamkeit geprüft, um nach Entfernung der Druckmeßsonde diejenigen Antiglaukomatosa mit dem höchsten drucksenkenden Effekt zu ordinieren.

Ergebnisse Die intraokulare Augeninnendruckmessung mit dem Mikrosensor konnte bei beiden Patienten bestätigen, dass die applanatorisch gemessenen Augendruckwerte falsch zu niedrig waren. Die palpatorisch höher geschätzten Werte wurden durch die intraokulare Druckmessung bestätigt. Bei beiden Patienten hat die Messung erhebiiche kunische Konsequenzen gehabt. Beide sind mittlerweile em- bis mehrmals drucksenkend operiert worden. Die Meßsonde wurde bei beiden Patienten intraokular problemlos vertragen (1 Tag bzw. 5 Tage). Es bestand kein Vorderkammerreizzustand. Beim ersten Patienten kam es zur Mobilisierung der Meßsonde mit externer Fistulation, worauf die Sondenexplantation bereits nach einem Tag erfolgte. Durch entsprechende subkonjunktivale Fixierung des Sondenkabels läßt sich die Mobilisierung vermeiden.

Schlußfolgerung Mit dem beschriebenen Druckmeßsystem ist es möglich, kontinuierlich den Augeninnendruck zu messen und zu registrieren. Indiziert ist diese Messung, wenn die Applanationstonometrie keine zuverlässigen oder gar falsche Meßwerte liefert. Über einen langen Skleratunnel ist eine wasserdichte Implantation in die Vorderkammer möglich. Da kein postoperativer Reizzustand zu verzeichnen war, gehen wir davon aus, dass der Augeninnendruck durch die Sonde allenfalls geringfügig verfälscht wird. Die Sonde erlaubt nicht nur die Messung des Augeninnendruckniveaus, sondern darüber hinaus auch das individuelle Ansprechen auf unterschiedliche Antiglaukomatosa. Für die Glaukomforschung eröffnet die kontinuierliche intraokuiare Druckmessung über Tag und über Nacht ungeahnte Möglichkeiten. Wir gehen davon aus, dass mit Hilfe der Meßsonde die Bedeutung des intraokularen Augeninnendruckes erheblich intensiver als bisher untersucht werden kann und für die Zukunft richtungweisende Erkenntnisse erwarten läßt. Für die routinemäßige Anwendung sind Optimierungen, wie zum Beispiel eine Verkleinerung der Meßsondenspitze, erforderlich. Das Verbindungskabel zum Transducer soll dünner und flexibler gestaltet werden. Dennoch stellt das Meßsystem bereits jetzt für ausgewählte Patienten eine wertvolle und segensreiche Bereicherung des diagnostischen Spektrums dar. Die kontinuierliche Augeninnendruckmessung läßt für die Zukunft bahnbrechende Erkenntnisse zum Glaukom erwarten.

Summary

Background In eyes with irregular corneal surface (e.g. following bullous keratopathy, irregular astigmatism, edema or scars and following perforating keratoplasty), applanation tonometry often cannot be performed or results do not correlate with the clinical findings. In these cases, intraocular measurement of intraocular pressure is necessary. By puncturing of the anterior chamber, single measurements can be done for a short time period. Data of the course of intraocular pressure for a long period of time can not be assessed by this method. We report on two patients whom we implanted a continuously measuring probe into the anterior chamber for up to 96 hours instead of puncturing the anterior chamber.

Patients and methods A neurosurgical micro sensor (CODMAN, Norderstedt) was placed into the anterior chamber via a 1.2 mm wide and 4 mm long scleral tunnel. The data were transmitted to the ICP Express Display Monitor (CODMAN, Norderstedt) and displayed. From there, the data were transmitted to the multifunctional monitor DINAMAP Plus 8720 (CRITIKON, Norderstedt). After analog-digital transformation, the data were recorded on a personal computer with Pentium processor for analysis (patient #1: one measurement per minute, patient #2: one measurement per 10 seconds). In the first patient, implantation of the probe was indicated by enormous deviation of applanation tonometric measurements (12 to 20 mmHg) from the measurement results with the finger tips (25 to 30 mmHg). Clinical findings correlated to the higher intraocular pressure. Due to a decompensation of the corneal transplant, a re-keratoplasty was necessary. Within this operation, the micor sensor for continuous measurement of the intraocular pressure was implanted. The probe was explanted the next day. In the second patient, an primary chronical open-angle glaucoma in both eyes was known. In 1997, corneal transplantation has been performed in both eyes due to corneal dystrophy. Postoperatively, intraocular pressure stayed high. Applanation tonometry gave measurements of 16 to 20 mmHg although the measurement results with the finger tips exceeded 30 mmHg. To find out the real intraocular pressure and to have a basis for a rational therapy, we implanted the intraocular measurement probe for five days to determine the intraocular pressure at night and day. After measuring the baseline values, the efficiency of several antiglaucomatous drugs was tested to find out the drugs with the highest effect to prescribe it to the patient after the removal of measuring probe.

Results The intraocular measurement with the CODMAN micro sensor could confirm in both patients that the measurements by applanation tonometry were wrongly too low. The measurement results with finger tips were confirmed by the intraocular measuring. The date had essential implications for the patients. Meanwhile, in both patients pressure lowering surgery was performed. The probe did not cause intraocular problems (1 day respectively 5 days). An irritation of the anterior chamber dit not appear. In the first patient, the measuring probe moved from its position with following external filtration. So the probe was explanted only the next day. A movement of the probe tip can be avoided be appropriate subconjunctival suture fixation.

Conclusion Continuous measuring and recording of the intraocular pressure may be indicated, if applanation tonometry gives unreliable or even wrong results. Via a long scleral tunnel, a water-proof implantation into the anterior chamber is possible. Because a postoperative irritation could not be seen, we think that the probe only causes a minor falsification of the intraocular pressure. The described pressure measuring system allows measuring intraocular pressure continuously and assessing the individual effect of different antiglaucomatous drugs. Before using the probe as routine procedure, some improvements are necessary, eg. smaller tip of the probe. The transmission wire to the transducer shall be thinner and more flexible. Already now, the measuring system means a precious enrichment of the ophthalmological spectrum in carefully selected patients. For glaucoma research, the continuous measurement of the intraocular pressure at night and day will be a well of new data. We think that by means of this probe the importance of the intraocular pressure can be investigated more intensively and new guiding experiences can be gained.

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