CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2019; 81(05): 391-396
DOI: 10.1055/a-0667-9499
Originalarbeit
Eigentümer und Copyright ©Georg Thieme Verlag KG 2018

Zukunft der regionalen Versorgung in Deutschland – Wohin wollen junge Zahnärztinnen und Zahnärzte?

Future of Regional Health Care in Germany: Where Do Young Dentists Want to Work?
Nele Kettler
1   Institut der Deutschen Zahnärzte, Zahnärztliche Professionsforschung, Köln
,
Nicolas Frenzel Baudisch
2   Institut der Deutschen Zahnärzte, Medizinsoziologie und Gesundheitspsychologie, Köln
,
David Klingenberger
3   Institut der Deutschen Zahnärzte, Gesundheitsökonomie und -systemforschung, Köln
,
Rainer Andreas Jordan
4   Institut der Deutschen Zahnärzte, Gesundheitsversorgungsforschung und -epidemiologie, Köln
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence

Dr. Nele Kettler
Institut der Deutschen Zahnärzte
Zahnärztliche Professionsforschung
Universitätsstraße 73
50931 Köln
n.kettler@idz.institute

Publication History

Publication Date:
01 October 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Ziel der Studie Vor dem Hintergrund des Versorgungsengpasses im allgemeinmedizinischen Sektor stellt sich die Frage, ob im zahnärztlichen Sektor eine ähnliche Entwicklung zu erwarten ist. Die vorliegende Studie untersucht präferierte Tätigkeitsorte von jungen Zahnärztinnen und -ärzten in Deutschland und ihre zukünftige Verteilung auf Stadt und Land.

Methodik Die Online-Befragung wurde im Frühjahr 2017 als zweite Befragungswelle der longitudinalen deutschlandweiten Studie „Y-Dent: Berufsbild angehender und junger Zahnärzte“ durchgeführt. Studienendpunkt waren (1) die Abbildung der gewünschten dauerhaften Tätigkeitsregion, (2) die Präferenz der Ortsklassengröße junger Zahnärzte und Zahnärztinnen für ihre zukünftige Tätigkeit und (3) der Zusammenhang zwischen der Heimatregion und der gewünschten Tätigkeitsregion. Die erhobenen Daten wurden einer deskriptiven univariaten Analyse unterzogen.

Ergebnisse 625 (51,2% aller angeschriebenen) Zahnärztinnen und -ärzte beteiligten sich an der Studie. Beliebte Kammer-/KZV-Bereiche für eine dauerhafte Tätigkeit lagen vor allem im Süden und im Westen Deutschlands. Ostdeutsche sowie kleinflächigere Bereiche wurden seltener als mögliche Beschäftigungsregion genannt (unter 10%). Etwa die Hälfte der Teilnehmenden konnte sich vorstellen, im mittelstädtischen Raum zu arbeiten, doch auch der ländliche Raum kam für einen Teil der Befragten in Betracht. Je nach Bundesland konnten sich 57–95% vorstellen, in der Heimatregion tätig zu werden.

Schlussfolgerung Ein Versorgungsengpass, der dem im ärztlichen Bereich gleichkommt, ist nach den Bekundungen des zahnärztlichen Nachwuchses zunächst nicht zu befürchten: Grundsätzlich ist ein Teil der jungen Zahnärztinnen und -ärzte gewillt, auch in weniger stark bevölkerten Regionen und Ortsgrößen tätig zu werden.


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Abstract

Study Aim In the context of a shortfall in medical care, the question arises whether a similar trend in dental care may be anticipated. This study analyses preferred working regions and future town-country distribution of young dentists in Germany.

Methods This online-survey was conducted in spring 2017. It is the second wave of the longitudinal nationwide study “Y-dent: Professional identity of future and young dentists”. Study end points were (1) favoured permanent working region of young dentists, (2) favoured future working city size, and (3) correlation between the region of origin and the favoured working region.

Results 625 (51.2% of contacted) young dentists participated in this study. Dental chambers and associations of health insurance dentists in southern and western Germany were the most favoured future working regions. Regions in eastern Germany as well as smaller regions were chosen less often (<10%). For approximately half of the participants, medium-sized cities were an option, and some young dentists were ready to work in smaller cities. Depending on the federal state, 57–95% of young dentists entertained the idea of working in their region of origin.

Conclusion Based on young dentists’ statements on their favoured future working region, it can be concluded that there is no risk of a shortfall in dental care comparable to the shortfall in medical care. A proportion of young dentists is willing to work in thinly populated or rural areas.


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Einleitung

Im allgemeinmedizinischen Sektor ist ein seit Jahren anhaltender Versorgungsengpass zu beobachten, v. a. in ländlichen Regionen wird über einen Ärztemangel geklagt [1].

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen stellte in seinem Gutachten von 2014 „zunehmende Schieflagen zwischen Ballungsgebieten und der Fläche“ für die Versorgungssituation fest [2]. Dabei liegt kein absoluter Ärztemangel vor, doch die vorhandenen Ärztinnen und Ärzte verteilen sich zu ungünstig über die Fläche, als dass überall wohnortnah eine optimale Versorgung gewährleitet werden kann [3]. Zudem wandert eine nicht unerhebliche Zahl von ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten in versorgungsferne Berufe oder dauerhaft ins Ausland ab [1] [4] [5].

Vor dem Hintergrund des Versorgungsengpasses im allgemeinmedizinischen Sektor stellt sich die Frage, ob im zahnärztlichen Sektor eine ähnliche Entwicklung zu erwarten ist. Einerseits scheinen sowohl ein absoluter als auch ein relativer Zahnärztemangel zunächst nicht zu befürchten zu sein, neben der kontinuierlich steigenden Zahl der aktiv tätigen Zahnärztinnen und -ärzte steigt auch die Zahnarztdichte [6] [7]. Auch in einer Studie mit Zahnmedizinstudierenden ergaben sich keine Hinweise darauf, dass eine zahnärztliche Unterversorgung zu erwarten ist [8]. Für alle Regionen Deutschlands und auch sowohl für den eher ländlichen als auch den städtischen Raum gaben die Studierenden an, sich dort zukünftig eine Tätigkeit vorstellen zu können. Andererseits steigt das Durchschnittsalter aktiv tätiger Zahnärztinnen und -ärzte landesweit kontinuierlich an. Zurzeit fallen in Ostdeutschland bereits knapp die Hälfte aller Niedergelassenen in die Altersgruppe der 50- bis 60- Jährigen [6].

Um langfristig einschätzen zu können, ob weiterhin flächendeckend ausreichend zahnärztlicher Nachwuchs zur Sicherstellung der Versorgung vorhanden sein wird, kann ein Blick auf die beruflichen Pläne junger Zahnärztinnen und -ärzte und ihre Vorstellungen bezüglich des Tätigkeitsorts hilfreich sein. Erste Befragungen von Zahnmedizinstudierenden [8] konnten zunächst nur Aussagen zu weitläufig gefassten Regionen treffen, wurden inzwischen jedoch weitergeführt, so dass Angaben von berufstätigen Zahnärztinnen und -ärzten auf kleinräumigerer Ebene vorliegen. Von diesen jungen Zahnärztinnen und -ärzten präferierte Tätigkeitsorte und ihre Verteilung auf Stadt und Land wurden in der vorliegenden Studie untersucht.


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Methodik

Studiendesign

In der longitudinalen deutschlandweiten Studie „Y-Dent: Berufsbild angehender und junger Zahnärzte“ werden junge Zahnärztinnen und -ärzte über drei Befragungswellen hinweg zum Ende ihres Studiums sowie in den ersten Berufsjahren befragt.


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Setting

Die erste Erhebung (Welle 1) erfolgte im Winter 2014/15. Eine ausführliche Beschreibung der Methodik findet sich unter [9].

Die zweite Erhebung (Welle 2) erfolgte im Frühjahr 2017 als Online-Befragung. Sie gliederte sich in 31 Fragen zu den Themengebieten „Berufsbild“, „Berufswege“ und „Arbeitsbedingungen und -belastungen“ sowie soziodemografische Fragen.

Auf die Frage nach der präferierten „Region“ waren die 17 Kammerbereiche/Bereiche der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) in Deutschland als Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Diese 17 Bereiche wurden im Rahmen der Auswertung zu vier Regionen gruppiert:

  • Norden: Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen, Schleswig-Holstein;

  • Osten: Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen;

  • Süden: Baden-Württemberg, Bayern;

  • Westen: Hessen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Saarland, Westfalen-Lippe.

Die untersuchten Ortsklassengrößen orientierten sich an der Einteilung des Bundesamtes für Bau- und Raumordnung [10]:

  • Landgemeinde (unter 5000 Einwohner);

  • kleine Kleinstadt (5000 bis unter 10000 Einwohner);

  • größere Kleinstadt (10000 bis unter 20000 Einwohner);

  • kleinere Mittelstadt (20000 bis unter 50000 Einwohner);

  • größere Mittelstadt (50000 bis unter 100000 Einwohner);

  • kleinere Großstadt (100000 bis unter 500000 Einwohner);

  • große Großstadt (500000 Einwohner und mehr).

Bei den Angaben zur Beschäftigungsregion und zur Ortsklassengröße war eine beliebige Anzahl von Mehrfachantworten zugelassen. Der Fragebogen kann bei den Autoren angefordert werden.

Die dritte Befragung (Welle 3) ist für das Frühjahr 2019 geplant.


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Studienteilnehmer

Die Studie war konzipiert als Vollerhebung unter allen 1972 Studierenden der Zahn-, Mund-, Kieferheilkunde im 9. und 10. Semester (WS 2014/15) in Deutschland. Von den 1367 Teilnehmenden der Welle 1 erhielten diejenigen 1220 Studienteilnehmenden per Mail je einen Link zur Teilnahme an der Onlinebefragung in Welle 2, die ihr Einverständnis zur Wiederbefragung gegeben hatten. Die longitudinale Zuordnung der Antworten der Studienteilnehmenden wurde mithilfe eines persönlichen Codes gewährleistet.


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Studienendpunkte

Primärer Studienendpunkt war (1) die Abbildung der gewünschten dauerhaften Tätigkeitsregion. Als sekundäre Endpunkte wurden untersucht, (2) welche Ortsklassengröße junge Zahnärzte und Zahnärztinnen für ihre zukünftige Tätigkeit präferierten und (3) inwiefern die Heimatregion mit der gewünschten Tätigkeitsregion zusammenhing.


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Statistische Methoden

Durchgeführt wurde die Auswertung mit IBM SPSS Statistics Version 22 am IDZ, ausgewählte Fragen wurden einer deskriptiven univariaten Analyse unterzogen. Als Signifikanzgrenze wurde p<0,05 gewählt.


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Ergebnisse

Charakterisierung der Studienteilnehmenden

Von den 1220 angeschriebenen ehemaligen Zahnmedizinstudierenden beteiligten sich 625 (51,2%) an der Befragungswelle 2. In der vorliegenden Publikation wurden ausschließlich die Antworten der 599 Teilnehmenden einbezogen, die alle für die Auswertung notwendigen Angaben gemacht hatten. Eine soziodemografische Übersicht bietet [Tab. 1].

Tab. 1 Charakterisierung der Studienteilnehmenden zum Zeitpunkt der Befragungswelle 2.

gesamt

weiblich

männlich

Geschlecht

n=599

70,8%

29,2%

Alter (MW in Jahren)

27,5

27,3

28,1

Beschäftigungsform*

 Vorbereitungsassistenz

n=508

85,1%

84,5%

 Weiterbildungsassistenz

n=43

6,6%

8,6%

 Sonstiges, Entlastungsassistenz, Angestellt, Auszeit, Studium

n=95

15,6%

16,6%

Bisherige Dauer der Beschäftigung als „Vorbereitungsassistenz“ (MW in Monaten)

11,1

10,5

12,7

Herkunftsregion

 Norden

n=88

18,0%

16,0%

 Osten

n=129

19,3%

17,7%

 Süden

n=169

29,1%

26,3%

 Westen

n=191

29,8%

37,2%

 Ausland

n=21

3,8%

2,9%

* Mehrfachantworten möglich

(1) Präferierte Beschäftigungsregion

Die bei jungen Zahnärztinnen und -ärzten beliebtesten zukünftigen Beschäftigungsregionen lagen in Süddeutschland. Während sich in den großflächigen nordwestlichen Kammer-/KZV-Bereichen Nordrhein, Westfalen-Lippe und Niedersachsen sowie in Hamburg noch mindestens jede/-r Siebte eine Tätigkeit vorstellen konnte, wurden andere, kleinflächige sowie bevölkerungsärmere Bereiche von weniger als jeder oder jedem Zehnten als Tätigkeitsregion in Betracht gezogen ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Wie viele junge Zahnärzte/-innen können sich ihre zukünftige Berufstätigkeit im jeweiligen Kammer-/KZV-Bereich vorstellen? Anzahl der Nennungen je Region (Anteil der Nennungen einer Region an der Gesamtzahl der Befragten. Mehrfachnennungen möglich, daher Summe größer als 100%) .

Etwa ein Drittel (35,1%) nannte nur einen in Frage kommenden Bereich, etwa ein weiteres Drittel (29,3%) gab hier genau 2 Bereiche an. Nur 4,7% (n=27) der Befragten waren bereit, in einem beliebigen Kammer- oder KVZ-Bereich dauerhaft tätig zu werden.

Den Wunsch, dauerhaft ins Ausland zu gehen, äußerten 1,8% der Teilnehmenden. Eine Tätigkeit in versorgungsfernen Berufen konnten sich 1,6% vorstellen.


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(2) Präferierte Ortsklassengrößen

Als zukünftige Tätigkeitsräume kamen für die jungen Zahnärztinnen und -ärzte v. a. kleinere Großstädte sowie größere Mittelstädte in Frage. Dem gesamten mittelstädtischen Raum wurde der Vorzug gegenüber Groß- und Kleinstädten gegeben. Dennoch konnte sich jede/-r vierte bis fünfte Studienteilnehmende vorstellen, auch im ländlicheren Raum dauerhaft tätig zu sein. Der Anteil derjenigen, die sich durch nur eine Nennung auf eine Ortsklassengröße festgelegt hatten, überstieg in keinem Fall den Anteil der Wohnbevölkerung, die sich in 2015 auf die entsprechende Ortsklassengröße verteilte [10] ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Anzahl der Nennungen je präferierter Ortsklassengröße durch junge Zahnärzte/-innen und Verteilung der Wohnbevölkerung auf die Ortsklassengrößen.

Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden (53,1%) gab maximal 2 von 7 möglichen Ortsgrößen als präferierten Arbeitsraum an. 3,0% war die Ortsgröße gleichgültig.


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(3) Abhängigkeit der Präferenz von der Heimatregion

Mindestens die Hälfte der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte aus je einem Kammer-/KZV-Bereich gab an, sich zukünftig auch dort wieder eine Tätigkeit vorstellen zu können. Die überregionale Mobilität war wenig ausgeprägt, in Frage kamen neben der Heimatregion alternativ oft nur benachbarte Kammer- und KZV-Bereiche ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Prozentuale Häufigkeiten der Teilnehmer/-innen, die sich vorstellen können, zukünftig in ihrem Heimatbundesland tätig zu werden. Pfeile markieren Bekundungen, in anderen Regionen tätig zu werden, von≥25% der Teilnehmenden aus der jeweiligen Heimatregion heraus.

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Diskussion

Beliebte Kammer-/KZV-Bereiche bei jungen Zahnärztinnen und -ärzten für eine dauerhafte Tätigkeit liegen v. a. im Süden und im Westen Deutschlands. Ostdeutsche sowie kleinflächigere Bundesländer werden seltener als mögliche Beschäftigungsregion genannt. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden kann sich vorstellen, im mittelstädtischen Raum zu arbeiten, doch auch ländliche Gebiete kommen für einen Teil der Befragten in Betracht. Die Mehrheit kann sich vorstellen, in der Heimatregion tätig zu werden.

Die aktuellen Bekundungen der Studienteilnehmenden zeigen, dass für jeden Kammer- und KZV-Bereich potenziell interessierter zahnärztlicher Nachwuchs vorhanden ist. Das Interesse für die nordöstlich gelegenen Bereiche ist dabei geringer als bspw. für die süddeutschen Bereiche. Doch verringert sich in östlichen Bereichen zugleich die Wohnbevölkerung: Trotz geringer zahnärztlicher Zugänge stieg die Zahnarztdichte auch dort in den letzten Jahren [7].

Zu beachten ist, dass die Daten sich auf die Ebene der gesamten Kammer/KZV beziehen und nicht auf kleinere Bezirke übertragbar sind. Darüber hinaus gaben einige Teilnehmende mehrere in Frage kommende Kammern/KZVen an, werden sich jedoch bei ihrer späteren Tätigkeit nur für eine der Regionen, oder eventuell sogar eine ganz andere, entscheiden.

Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass bis zu 97% aller ausgebildeten Zahnärztinnen und -ärzte auch in der Versorgung in Deutschland ankommen.

Im Vergleich dazu können sich mehr als ein Drittel der Medizinstudierenden bereits vor dem Einstieg in die Praxis eine versorgungsferne Tätigkeit grundsätzlich vorstellen. Eine Tätigkeit im Ausland planen etwa 5% der Medizinstudierenden definitiv und sie ist für nahezu die Hälfte eine attraktive Option [11]. Die Beliebtheit der Regionen in Deutschland unterscheidet sich dagegen zwischen jungen Zahnärztinnen und -ärzten und Medizinstudierenden kaum: Von beiden wird der Süden, Nordrhein-Westfalen sowie Hamburg präferiert. Eine Tätigkeit im Osten wiederum können sich etwa 20% der Medizinstudierenden vorstellen, ähnliche Bekundungen waren auch von den Teilnehmenden der vorliegenden Studie zwei Jahre zuvor gemacht worden, als sie im Studium waren [8].

Der Wunsch sehr vieler junger Zahnärztinnen und -ärzte ist, in kleineren Groß- sowie größeren Mittelstädten tätig zu werden. Die Verteilung der angegebenen möglichen Tätigkeitsräume entspricht somit in Teilen nicht der Verteilung der Wohnbevölkerung [10]. Die jungen Zahnärztinnen und -ärzte sind frei in der Ortswahl, denn seit 2007 die Zulassungsbeschränkung für Zahnärztinnen und -ärzte aufgehoben wurde (§103 Abs. 8 SGB V), ist die Niederlassung auch in ausreichend versorgten Gebieten möglich und kein Ausweichen auf weniger gut versorgte Gebiete notwendig.

Betrachtet man nur die Angaben derjenigen Teilnehmenden, bei denen durch eine Einfachnennung bereits eine eindeutige Präferenz vorliegt, kann zunächst für keine Ortsklassengröße von einer ausreichenden zahnärztlichen Versorgung ausgegangen werden. Ob es dadurch mittelfristig zu einer zahnärztlichen Unterversorgung bspw. im ländlichen Raum kommt, ist aus den vorliegenden Daten jedoch nicht ableitbar: Würden alle Teilnehmenden, die bekundet haben, in ländlicheren Regionen tätig zu werden, dies auch realisieren, würde es dort anteilsmäßig sogar zu einer Überversorgung kommen.

Während das Interesse der Teilnehmenden am ländlichen Raum im Studienverlauf steigt (vgl. [8]), scheint im Vergleich der ländliche Raum für Mediziner wesentlich unattraktiver zu sein: Bei einer Studie unter Medizinstudierenden schwankte die Attraktivität einzelner Räume in Rheinland-Pfalz zwischen 23% im sehr ländlich geprägten Raum und 77% im stärker urbanisierten Raum [12]. Medizinstudierende streben oft eine Tätigkeit in Großstädten an [13], etwa ein Drittel kann sich definitiv keine Tätigkeit in kleineren Kleinstädten oder Landgemeinden vorstellen [11]. Und auch für nicht einmal jeden zehnten Arzt und jede zehnte Ärztin käme eine Tätigkeit auf dem Land infrage [14], wobei diejenigen, die in einer ländlichen Region aufgewachsen sind, sich noch eher vorstellen können, aufs Land zu gehen [15].

Die Beliebtheit der Herkunftsregion als zukünftiger Arbeitsstandort hat sich mit dem Berufseinstieg kaum geändert, schon in der ersten Befragungswelle wurde diese von den Zahnmedizinstudierenden mehrheitlich präferiert [8]. Auch bei Medizinstudierenden ist eine „Heimatorientierung“ erkennbar. Je über 70% der Befragten gaben in einer 2014 durchgeführten Studie an, in der Heimatregion und auch im Heimatbundesland arbeiten zu wollen, wenn doch außerhalb, dann in benachbarten Regionen [11].

Die Mobilität der jungen Zahnärztinnen und -ärzte hat nach dem Berufseinstieg abgenommen und beschränkt sich auf klar umrissene Regionencluster. Damit könnte sich die Rekrutierung zahnärztlichen Nachwuchses aus weiter entfernten Regionen gerade für weniger beliebte Standorte als schwierig erweisen. Erfolgversprechender wäre voraussichtlich die gezielte Ansprache von Zahnärztinnen und -ärzten, die einen Bezug zu der Region haben. Neben dem Heimatbezug sind jungen (Zahn-)Ärztinnen und -ärzten andere Faktoren, wie ein familienfreundliches Umfeld und eine Arbeitsstelle für den Lebenspartner, wichtig; beides wünschen sich besonders diejenigen, die eine Niederlassung auf dem Land in Erwägung ziehen [15] [16]. Doch konnte bisher allein die Existenz von Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit keine nachweisbare Verbesserung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum erwirken [17]. Kenntnisse über die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der (zahn-)ärztlichen Tätigkeit als sogenannter „Land(zahn)arzt“ könnte eine zielgerichtete Rekrutierung ermöglichen [18].

Eine Stärke der Studie ist die longitudinale Konzipierung als Vollerhebung, ein Gesamtjahrgang wird über verschiedene berufliche Phasen hinweg begleitet. Bei der Interpretation der Daten ist jedoch zu beachten, dass es sich bisher um bekundetes Verhalten handelt. Durch die Möglichkeit, Mehrfachantworten zu geben, wird eine präzise Vorhersage erschwert. Andererseits wurde so kein Antwortverhalten „erzwungen“, welches die Realität nur teilweise widerspiegelt. Für welchen Standort sich die Studienteilnehmenden im Laufe ihres Berufslebens schließlich entscheiden werden, bleibt zu beobachten, ist aber durch das longitudinale Studiendesign grundsätzlich möglich.

Die in der Studie geäußerten Präferenzen zum zukünftigen Tätigkeitsstandort sind als „Seismograf“ hilfreich: Die Daten können einen ersten Ansatzpunkt liefern, in welche Richtung sich die Verteilung der Zahnärztinnen und -ärzte auf Tätigkeitsräume und -regionen entwickeln kann. Vorhersagen auf Planungsbereichsebene sind nicht möglich, hierfür wird auf das Projekt „Zahnärztlicher Versorgungsatlas 2030“ [19] verwiesen, welches zurzeit im Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) durchgeführt wird. Um die Frage nach dem Sicherstellungsauftrag beantworten zu können, ist die Betrachtung auch der Bedarfsseite vonnöten. Die beruflichen Entscheidungen junger Zahnärztinnen und -ärzte werden in einer dritten Befragungswelle weiter beobachtet, um zukünftig Entscheidungsprozesse zur Standortwahl noch besser nachvollziehen zu können.

Ein Versorgungsengpass, der dem im ärztlichen Bereich gleichkommt, ist nach den Bekundungen des zahnärztlichen Nachwuchses zunächst nicht zu befürchten: Grundsätzlich ist ein Teil von ihnen gewillt, auch in weniger stark bevölkerten Regionen und Ortsgrößen tätig zu werden. Die jungen Zahnärztinnen und -ärzte an die entsprechenden Orte zu binden, ist eine Herausforderung an die Zahnärzteschaft und Kommunen gleichermaßen.


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Interessenskonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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Correspondence

Dr. Nele Kettler
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n.kettler@idz.institute

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Abb. 1 Wie viele junge Zahnärzte/-innen können sich ihre zukünftige Berufstätigkeit im jeweiligen Kammer-/KZV-Bereich vorstellen? Anzahl der Nennungen je Region (Anteil der Nennungen einer Region an der Gesamtzahl der Befragten. Mehrfachnennungen möglich, daher Summe größer als 100%) .
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Abb. 2 Anzahl der Nennungen je präferierter Ortsklassengröße durch junge Zahnärzte/-innen und Verteilung der Wohnbevölkerung auf die Ortsklassengrößen.
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Abb. 3 Prozentuale Häufigkeiten der Teilnehmer/-innen, die sich vorstellen können, zukünftig in ihrem Heimatbundesland tätig zu werden. Pfeile markieren Bekundungen, in anderen Regionen tätig zu werden, von≥25% der Teilnehmenden aus der jeweiligen Heimatregion heraus.