neuroreha 2019; 11(02): 52
DOI: 10.1055/a-0891-0174
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Adaptive Schrittmachertherapie bei Neglect nach Schlaganfall

Jan Mehrholz
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Publication History

Publication Date:
02 July 2019 (online)

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, eine adaptierte Schrittmachertherapie (Cueing) bei Patienten mit Neglect nach Schlaganfall zu evaluieren.


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Methodik

Design Randomisierte und kontrollierte Studie im Überkreuzvergleich (Crossover-Design).

Ein- und Ausschlusskriterien Eingeschlossen wurden Patienten nach Schlaganfall mit linksseitigem Neglect. Ausgeschlossen wurden Patienten mit zuvor diagnostizierter Demenz oder anderen das Ergebnis beeinflussenden neurologischen Symptomen.

Interventionen Nach Randomisierung in eine von zwei Gruppen wurde in den ersten drei Wochen in Gruppe A 15 Therapiesitzungen über drei Wochen nach adaptiertem und in Gruppe B 15 Therapiesitzungen über drei Wochen lang nach herkömmlichem neuropsychologischem Behandlungsschema behandelt. Anschließend wurden die Behandlungsinhalte der Gruppen A und B für drei Wochen getauscht (Überkreuzvergleich). Das adaptierte Behandlungsschema wurde nach folgenden drei Paradigmen durchgeführt:

  • Erstens sollte die Behandlung mit einer für die Patienten wichtigen Alltagsaufgabe durchgeführt und die aufgrund des Neglects damit verbundenen Alltagsschwierigkeiten sollten beurteilt werden.

  • Zweitens sollte die Behandlung (die Schrittmacher) „langsam ausgeblendet“ bzw. verringert werden, um eine eigenständige Ausrichtung zur linken Seite zu fördern.

  • Drittens wurden vorab explizite Kriterien für den Grad der Vernachlässigung in Bezug auf Aufgabenschwierigkeit und damit einhergehende adaptive Schrittmacher (Cueing-)Verfahren definiert.

Messungen Gemessen wurde vor Übungsbeginn, nach drei und sechs Wochen. Primäre abhängige Variable war die Änderung der Wort- und Wortteilauslassungen beim standardisierten Lesen von Texten und Wortlisten. Dabei wurde einer von vier Texten, die jeweils 58–62 Wörter enthielten, von der deutschen Version des Rivermead Behavioral Memory Test (RBMT) genutzt. Sekundäre abhängige Variablen zur Messung der Neglect-Schwere waren Linien-bzw. Äpfel-Halbierungstests bzw. Durchstreichtests, der Uhr-Zeichen-Test (CDT) und die Catherine Bergego Scale (CBS).


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 26 Patienten mit linksseitigem visuell-räumlichem Neglect in die Studie im Mittel einen Monat nach Schlaganfall eingeschlossen. Zu Beginn unterschieden sich die Studiengruppen nicht hinsichtlich wichtiger prognostischer Variablen. Vor allem in der Interventionsgruppe zeigten sich Verbesserungen in der Wort- und Text-Leseleistung und in der Alltagsleistung bzw. -einschränkung gemessen mit der CBS. Auch in den Halbierungstests und dem Uhr-Zeichnen zeigten sich Vorteile in der Interventionsgruppe. Die Autoren berechneten eine überaus beachtliche Effektstärke, Number Needed to Treat (NNT) von 3–4, für die Wort- und Text-Leseleistung durch die neue Intervention im Vergleich zur Kontrollintervention.


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Schlussfolgerung

Ein neues adaptives Schrittmachertraining bei einer Leseaufgabe scheint die Neglect-Symptome von Patienten nach Schlaganfall deutlich zu verbessern.


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