Schlüsselwörter
Krebs - Ernährung - Mangelernährung - Patienten - Entlassmanagement
Keywords
cancer - nutrition - malnutrition - patient - arrangement of discharge
Einleitung
Die Entwicklung einer Mangelernährung bei Tumorpatienten ist relativ häufig, da diese
nicht nur erkrankungs-, sondern auch therapieabhängig getriggert wird [1]. Die Prävalenz einer Mangelernährung von Tumorpatienten, die in einer Klinik aufgenommen
werden, liegt bei ca. 50 % [2].
In der Regel verändert ein Krankenhausaufenthalt die Ernährungssituation eines mangelernährten
Patienten nicht [3]
[4]. 63 % der Patienten, die mindestens 7 Tage in der Klinik waren, verlassen diese
im gleichen Ernährungsstatus, bei 20 % der Patienten hat sich der Ernährungszustand
aber verschlechtert [5].
Bereits Anfang der 80er-Jahre zeigte Dewys [6], dass die Prävalenz einer Mangelernährung bei Aufnahme und während eines Krankenhausaufenthalts
sehr hoch ist. Auch nach über 40 Jahren bleibt dieses Problem bestehen [7]. Die Prävalenz liegt weiterhin bei ca. 50 %. Trotz etablierter Ernährungsscreenings
und strukturierter Ernährungsinterventionsprogramme hat sich die Situation kaum gebessert.
Betrachtet man die orale Nahrungsaufnahme von Klinikpatienten, so verwundert es nicht,
dass mit einer mittleren Energieaufnahme von ca. 750 kcal (Kilokalorien) pro Tag (759 ± 546,8 kcal
pro Tag) keine Verbesserung der ggf. bestehenden Mangelernährungssituation erfolgen
kann [7].
Betreibt man Ursachenforschung bei stationären Patienten, so geben diese vor allem
Probleme beim Essen und Appetitmangel als Grund für ihren schlechten Ernährungszustand
an [8]
[9]
[10]
[11]. Da diese Ursachen in der Regel nicht spontan bei der Entlassung verschwinden, besteht
das Risiko für ein Fortbestehen oder sogar Eskalation der Mangelernährung natürlich
weiterhin.
Dies zeigt, dass sämtliche Interventionen, die auf eine Verbesserung der Ernährungssituation
abzielen, zeitlich nicht nur während des Klinikaufenthalts stattfinden sollten, sondern
auch vor (Stichwort Prähabilitation) und nach einem Klinikaufenthalt [12].
Betrachtet man nun die ernährungstherapeutische Versorgung im Krankenhaus, zeigt sich
folgendes Bild. Während im Krankenhaus noch ca. 50 % der Patienten Ernährungsinformationen
oder eine Beratung erhielten [12]
[13]
[14], haben nur noch 7 % der Patienten im Anschluss an die Entlassung aus dem Krankenhaus
Kontakt mit einer Ernährungsfachkraft, obwohl der Ernährungszustand sich teilweise
seit der Entlassung weiter verschlechtert hatte [12].
Eine weitere Herausforderung scheint auch die Fortsetzung einer Ernährungstherapie
(z. B. orale Nahrungssupplemente, Trinknahrung) in der Häuslichkeit. Die Studie von
Ginzburg [15] zeigt, dass nur 21 % der Patienten mit einer expliziten Empfehlung für ONS (orale
Nahrungssupplemente) im Entlassungsbrief, diese auch vom Hausarzt rezeptiert bekamen.
Obwohl klinische Studien zeigen, dass Ernährungsberatung und/oder die Gabe von ONS
bei Mangelernährung positive Effekte bei den Patienten zeigt [16]
[17], bricht eine orale Ernährungstherapie in den meisten Fällen bei der Entlassung aus
der Klinik ab. Betroffen hiervon sind vor allem Patienten, die nicht dem klassischen
Bild eines mangelernährten Patienten mit einem niedrigen BMI (Body-Mass-Index) entsprechen
[15].
Auch der Zugang zu weiterer Ernährungsberatung im ambulanten Bereich wird den Patienten
nur schwer ermöglicht. Allein die Ausbildung der DiätassistentInnen oder das Studium
der Ökotrophologie qualifiziert diese als Ernährungsfachkraft, die, idealerweise in
enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, die Ernährungstherapie der Patienten von Anfang
an begleiten [18].
Ernährungstherapie/Versorgung im Krankenhaus am Beispiel einer interdisziplinären
viszeralchirurgisch/onkologischen Station
Ernährungstherapie/Versorgung im Krankenhaus am Beispiel einer interdisziplinären
viszeralchirurgisch/onkologischen Station
Prekärerweise zeigt sich, dass sich die Gefahr für eine Mangelernährung bei stationären
Patienten durch eine oftmals unzureichende Ernährung und eine fehlende Ernährungsintervention
weiter verschärft. Durch ein frühzeitiges Mangelernährungsscreening können gefährdete
Patienten bei Aufnahme erfasst werden und einem auf sie zugeschnittenen Ernährungsmanagement
zugeführt werden. Gleichzeitig ermöglicht das routinemäßige Screening mit validierten
Screeningtools eine Codierung und Abbildung der Mangelernährung im DRG-System (diagnosebezogene
Fallgruppen) [7]. Um eine gleichbleibende Qualität der ernährungstherapeutischen Versorgung der Patienten
zu gewährleisten, ist es unerlässlich, den gesamten Vorgang vom Screening über das
Assessment hin zur Ernährungsintervention, des Monitorings und der abschließenden
Dokumentation verlässlich zu strukturieren [19]. Ein Prozessschema zur Therapiestruktur bei Mangelernährung findet sich auch in
[
Abb. 1
] [20].
Abb. 1 Prozessschema Mangelernährung in der Klinik (nach [20]).
Der Ablauf eines solchen Prozesses soll hier exemplarisch, wie er am Klinikum Magdeburg
abläuft, aufgezeigt werden. Als Beispielstation fungiert hier eine interdisziplinäre
viszeralchirurgisch-onkologische Station.
Erfassung von Mangelernährung anhand von Screenings
Für Krankenhauspatienten ist das auch im Klinikum Magdeburg verwendete Nutritional
Risk Screening [19] empfohlen. Die Durchführung erfolgt in der Regel innerhalb von 48 Stunden nach Aufnahme
der Patienten durch das Pflegepersonal oder das Ernährungsfachpersonal. Besteht ein
positives Screeningergebnis, wird durch die ernährungstherapeutische Fachkraft ein
Ernährungsassessment durchgeführt ([
Tab. 1
]).
Tab. 1
Mögliche Erhebungsparameter im Rahmen des Ernährungsassessments.
objektive Methoden
|
anthropometrische Verfahren
|
-
Gewicht, Größe, BMI, Gewichtsverlauf
-
Waden-, Oberarmumfang, Taillenumfang, Waist-to-Hip-Ratio
-
Hautfaltendicke (Oberarm)
|
Bestimmung der Körperzusammensetzung
|
|
Labordiagnostik
|
-
Blutuntersuchung (Protein, Eisen, Vitamine)
-
Blutbild
-
Harnuntersuchung (Protein, Glukose, Ketonkörper)
|
funktionelle Untersuchung
|
|
subjektive Methoden
|
Ernährungsanamnese, -assessment
|
-
Appetit, Trinkmenge, Lebensmittelpräferenzen
-
Abwechslung, Portionen, Probleme bei Nahrungsaufnahme (Dysphagie)
|
Ernährungsprotokolle, -dokumentation
|
-
Erfassung von Ess- und Trinkmengen, Unverträglichkeiten, akuten Problemen (Durchfall,
Verstopfung)
-
Beobachtung Ernährungsverhalten am Tisch (Vorlieben, Abneigungen, Würzen)
|
klinische Anamnese und ärztliche Untersuchung
|
-
Erkrankungen und Medikation
-
psychomentale/soziale Situation
-
allgemeines Erscheinungsbild, Haltung
-
Haut (Turgor, Blässe, Ekzeme), Schleimhaut, Wundheilung
-
Haarausfall, Nägel
-
neurologische Untersuchung
|
Durchführung eines Ernährungsassessments
Das Ernährungsassessment dient zur detaillierten Erhebung des Ernährungszustands und
betreibt Ursachenforschung bezüglich der Mangelernährung. Es dient als Basis für die
daraus folgenden Empfehlungen zur Ernährungstherapie [21]
[22]. Die erhobenen Parameter gewährleisten außerdem eine adäquate Abbildung des Ernährungszustands
des Patienten im DRG-System. Die erhobenen Parameter finden sich in [
Tab. 1
] [21]
[22]
[23]
[24]
[25].
Ernährungsberatung und Therapie
Einer Tatsache sollten sich alle, die in den Prozess der Ernährungstherapie involviert
sind, bewusst sein. Es ist immer effizienter, ein frühes Stadium der Mangelernährung
zu behandeln, als gegen eine massive Form der Mangelernährung (z. B. Kachexie) therapieren
zu müssen [26]. Die Erfahrung zeigt, dass vor allem Patienten, die zwar mit dem BMI im Normalbereich
sind, aber bereits mehr als 10 % Gewichtsverlust innerhalb der letzten 3 – 6 Monate
erlitten haben, besondere Beachtung erfahren sollten. Per definitionem [22] sind auch diese Patienten beim Vorliegen einer malignen Erkrankung mangelernährt
und bedürfen einer Ernährungsintervention. Oftmals reicht hier bereits eine ausführliche
Ernährungsberatung mit Hinweisen für eine energie- und eiweißreiche Ernährung, um
dem weiteren Gewichtsverlust Einhalt zu gebieten. Auch das Aushändigen von Kontaktdaten,
um dem Patienten einen Ansprechpartner beim Persistieren oder Verschlimmern der Ernährungssituation
zu gewährleisten, kann hilfreich sein.
Die Erfüllung der ernährungstherapeutischen Bedürfnisse der Tumorpatienten sollte
idealerweise multidisziplinär unter Beachtung des etablierten Stufenschemas ([
Abb. 2
]) [27] erfolgen. Im Mittelpunkt steht zunächst die orale Ernährung und deren Anreicherung.
Erst schrittweise finden dann orale, enterale und parenterale Nährstoffsubstrate Verwendung.
Abb. 2 Stufenschema Ernährungstherapie, Mischformen der verschiedenen Stufen sind ausdrücklich
erwünscht. Das Potenzial der oralen Ernährung sollte immer so weit wie möglich ausgeschöpft
werden. Der Ernährungszugang sollte sich immer an der natürlichsten Form orientieren
(oral vor enteral vor parenteral) [22]
[25].
Themen und Ablauf Ernährungsberatung im Krankenhaus
Themen und Ablauf Ernährungsberatung im Krankenhaus
Ein Großteil der Inhalte für die Ernährungsberatung auf der viszeralchirurgisch-onkologischen
Station hat zunächst nur indirekt mit dem Thema Mangelernährung zu tun. Die meisten
Themen fokussieren sich auf die Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten durch die
eingesetzten OP-Verfahren zur Behandlung der verschiedenen Tumorentitäten des GI-Traktes
(gastrointestinale Tumore).
-
Operationen im oberen GI-Bereich (z. B. Ösophagusresektion und Magenhochzug, Gastrektomie
partiell und total)
-
Pankreasresektionen (Kopf, Korpus, Schwanz)
-
Darmoperationen (Dünndarmresektionen, Hemikolektomie, Anlage Anus praeter in Dünn-
oder Dickdarm)
Im Idealfall verteilt sich der Beratungsablauf auf mehrere Konsultationen. Dies hat
sich im Laufe der Zeit aus mehreren Gründen als sinnvoll erwiesen, auf die im Folgenden
eingegangen wird.
Die erste Konsultation erfolgt, wenn möglich, noch vor der geplanten OP. Hier werden
dem Patienten erste Informationen zu den zu erwartenden Veränderungen bei Nahrungsaufnahme
und Essverhalten nach der OP vorgestellt. Auch Informationen zum Kostaufbau nach der
OP werden dem Patienten ausgehändigt und mit ihm besprochen.
Die zweite Konsultation erfolgt in der Regel zum Zeitpunkt der Kostaufbaustufe Weißbrot/Brei.
Vorher sind die Patienten in der Regel noch zu sehr von den Nachwirkungen der OP (Schmerzen,
Atonie, Schwäche u. Ä.) beeinträchtigt, sodass noch keine adäquate Aufnahme der Informationen
stattfinden kann. Es werden nun Themen wie Mahlzeitengröße, geeignete Lebensmittel,
Mahlzeitenfrequenz u. Ä. besprochen. Es erfolgt in der Regel die Aushändigung von
Infomaterial mit dem alles Besprochene zusammengefasst ist, die Dauer der Konsultation
ist sehr individuell und abhängig davon, wie der Zustand des Patienten ist. Meist
sind nach 15 – 20 Minuten die aktuell wichtigsten Punkte besprochen. Die Infomaterialien
sind bewusst sehr kompakt gestaltet. Eigene Erfahrungen haben gezeigt, dass zu umfangreiche
und detaillierte Informationen gerade in dieser recht frühen Phase eher zur Verwirrung
bei den Patienten geführt haben.
Zum nächsten Termin werden dann konkrete Fragen des Patienten beantwortet. Meist entstehen
diese durch Probleme oder Beobachtungen beim Essen aber auch beim Studieren der Infomaterialien.
Es wird dann gemeinsam mit dem Patienten überprüft, ob die benötigte Energiemenge
durch orale Kost auch in der Häuslichkeit erreicht werden kann. Ist dies nicht der
Fall, wird überprüft, ob der Energiebedarf durch gezieltes Anreichern der Nahrung
(etwa mit dem Ersetzen energiearmer Lebensmittel mit einem energiereicheren Pendant,
z. B. fettarme Milch mit Vollmilch oder Sahne) erreicht werden kann, ggf. erfolgt
die Organisation der Versorgung mit ONS/Trinknahrung oder auch enteraler/parenteraler
Ernährung. Dieser Termin ist in der Regel der zeitintensivste Beratungszeitpunkt.
Wir rechnen hier, gerade wenn zusätzlich Angehörige dazu kommen und eine Organisation
der häuslichen Versorgung notwendig ist, mit ca. 60 – 90 Minuten Beratungs- und Bearbeitungszeit.
Die Anwesenheit von Familienmitgliedern, z. B. dem Ehepartner oder Kindern, ist zu
jedem Zeitpunkt der Ernährungsberatung möglich und erwünscht. Oft macht dies ganz
besonders Sinn, wenn der Patient nicht derjenige im Haushalt ist, der das Essen zubereitet
oder einkauft.
Kurz vor Entlassung findet dann noch eine Abschlussvisite statt. Die Patienten erhalten
am Klinikum Magdeburg zusätzlich die Telefonnummer der Ernährungstherapie, die sie
bei Fragen telefonisch weiterhin berät.
Monitoring der Ernährungsintervention
Die Effektivität der Ernährungsintervention wird über Gewichtskontrollen, Messung
der Körperzusammensetzung, Ernährungsprotokolle, ggf. Laborkontrollen und das Beobachten
von eventuellen Nebenwirkungen dokumentiert. Sinnvolle, zu erhebende Parameter sind:
Gewicht, BMI, Tellerprotokoll, Körperzusammensetzung (BIA-Messung [bioelektrische
Impedanzanalyse: Körperzellmasse (BCM), Verhältnis ECM (extrazelluläre Masse)/BCM;
Phasenwinkel]), Labor (Albumin, Protein).
Eine Anpassung und Modifikation der Ernährungstherapie aufgrund veränderter Parameter
sollte jederzeit möglich sein. Im Durchschnitt führt eine Ernährungstherapie bei mangelernährten
Patienten zu einer Verkürzung des Krankenhausaufenthalts von ca. 2,5 Tagen. Dies reduziert
natürlich auch die Kosten. [28]
[29]
[30].
Situationen in der Klinik, die Mangelernährung verschärfen können und mögliche Lösungsansätze
Situationen in der Klinik, die Mangelernährung verschärfen können und mögliche Lösungsansätze
Diagnostik
Vor allem Patienten mit Kopf- Hals- oder GI-Tumoren haben ein überdurchschnittlich
hohes Risiko für die Entstehung einer Mangelernährung [31].
Für einige präoperative Standarduntersuchungen ist Nüchternheit und eine vorausgehende
Darmreinigung unerlässlich. Da die Untersuchungen teilweise aus organisatorischen
Gründen an verschiedenen Tagen stattfinden, sind oftmals mehrere Tage Nüchternheit
für diese Patienten trotz bereits vor Aufnahme bestehender verschärfter Ernährungssituation
keine Seltenheit. Folgende Möglichkeiten können hier ergriffen werden, um die Energielücke
zu minimieren:
-
parenterale Ernährung, ggf. mit peripheren Rezepturen
-
energiereiche Trinkkonzentrate ohne Auswirkungen auf den Darm (z. B. fettfreie Trinknahrung)
-
gute Koordination der Untersuchungen, um den Nüchternzeitraum zu minimieren
Perioperative Ernährung
Das Fast Track- oder ERAS (Enhanced Recovery after Surgery) -Konzept [32] führt das Prinzip der Vermeidung der im Klinikalltag häufig zu großzügig angeordneten
Nahrungskarenz weiter. Gerade im Bereich der Eingriffe am Darm verhindern postoperative
Symptome wie Übelkeit, Völlegefühl, Erbrechen, Darmatonie, Schmerzen oder Fatigue
eine frühe Rekonvaleszenz. Es hat sich gezeigt, dass diese Komplikationen unter anderem
durch die bis Anfang der 2000er-Jahre traditionelle orale Nahrungskarenz nach solchen
Eingriffen noch verstärkt wurden [33]. Das oberste Prinzip zur frühen Rekonvaleszenz nach abdominellen Eingriffen ist
die Verminderung von perioperativem Stress [34]. Zusätzlich empfehlen die Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Klinische
Ernährung und Metabolismus [34]
[35]:
-
die Vermeidung von längeren präoperativen Nüchternheitsperioden
-
eine postoperativ frühestmögliche orale Kostzufuhr
-
die Einbeziehung der Ernährung in das perioperative Therapiekonzept
Entlassmanagement
Wie eingangs erwähnt, zeigt sich gerade der Übergang von der stationären Krankenhausversorgung
in eine weitergehende ambulante Versorgung auch im ernährungstherapeutischen Bereich
als sehr kritisch [15]. Seit dem 1.10.2017 ist das Entlassmanagement für deutsche Krankenhäuser verbindlich
[36] und umschließt auch eine Versorgung der Patienten mit weiterführender häuslicher
Ernährungstherapie. Hier liegt es sicherlich auch in den Händen der Klinik, diesen
Übergang durch möglichst konkrete Empfehlungen für die Ernährungstherapie zu unterstützen.
Je konkreter die Empfehlungen zur Ernährungstherapie der Patienten im Entlassungsbrief
gefasst sind, desto besser können die übernehmenden Haus- und Fachärzte diese umsetzen.
Auch eine direkte Anbindung in eine spezialisierte ernährungstherapeutische Praxis
wäre sinnvoll.
Eine zusätzliche Unterstützung ist hier auch das Vermerken von ernährungsrelevanten
Daten der Patienten. Als minimal sinnvoll wären das:
-
Größe, Gewicht, BMI, Gewichtsverlust in den letzten 3 – 6 Monaten
-
Portionsgröße
-
Informationen über Lebensmittelunverträglichkeiten
-
individuelle Ernährungsempfehlungen
Als zusätzliche Daten sinnvoll, wenn erhoben, sind die Ergebnisse von Körperzusammensetzungsmessungen
(BIA-Messung), Laborparameter wie Albumin, Protein und auch der relevante Mangelernährungscode
(z. B. E44.0).
Ernährungstherapie/Versorgung im Ambulanten Bereich am Beispiel eines onkologischen
MVZ
Ernährungstherapie/Versorgung im Ambulanten Bereich am Beispiel eines onkologischen
MVZ
Im Januar 2015 entschied der gemeinsame Bundesausschuss, dass es keinen Beleg für
den Nutzen einer alleinigen Ernährungsberatung hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte
bei unterschiedlichen ernährungsabhängigen Erkrankungen gibt. Hierzu zählen auch die
onkologischen Erkrankungen. Somit besteht formal keine medizinische Notwendigkeit
für eine ambulante Ernährungsberatung und sie wurde nicht als Heilmittel in den Leistungskatalog
der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen.
Der existierende Zuschuss der Krankenkassen für eine Ernährungstherapie deckt in der
Regel nur einen Teil der entstehenden Kosten und ist auch regional und von Krankenkasse
zu Krankenkasse unterschiedlich. Insofern ist die Höhe der Kostenerstattung von Patient
zu Patient sehr unterschiedlich und sollte im Vorfeld jeweils individuell abgeklärt
werden [37].
Während die multiprofessionelle Betreuung von Tumorpatienten durch onkologische Zentren
und die Zertifizierung dieser zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, zeigt
die Studie von Erickson [18], dass nur 70 % dieser Zentren eine Ernährungsfachkraft besitzen. Ein damit einhergehendes
strukturiertes Programm zur Ernährungsberatung liegt dann nur noch in ca. 50 % der
Zentren vor. Somit bleiben viele Patienten beim Thema Ernährung sich selbst überlassen.
Noch problematischer werden die Möglichkeiten auf eine ernährungstherapeutische Weiterbehandlung
der Patienten nach der Entlassung aus der Klinik. Nur bei einem Viertel der Zentren
ist diese auch für ambulante Patienten gewährleistet. Ungeklärt ist dabei in der Regel
die Finanzierung. Eine ernährungstherapeutische Versorgung im ambulanten Bereich,
gerade auch im Rahmen einer Beratung ist danach noch seltener, da hier, wie zuvor
geschildert, die Finanzierung durch die Krankenkassen in der Regel nicht gesondert
gedeckt wird, sondern in der onkologischen EBM-Ziffer enthalten ist. Es bleibt also
dem Engagement der einzelnen onkologischen Facharztpraxen überlassen, ob und in welcher
Form eine ernährungstherapeutische Versorgung der Patienten fortgeführt wird.
Erfassung der Mangelernährung/Screening
In der onkologischen Facharztpraxis am Klinikum Magdeburg entfällt ein isoliertes
Screening auf Mangelernährung, dieses wird im Rahmen des Anamnesegesprächs vom Arzt
durchgeführt und dieser entscheidet, ob eine Vorstellung bei der Ernährungsfachkraft
erfolgt oder nicht. Als Entscheidungskriterien fungieren hier zusätzlich zum BMI der
Gewichtsverlust über einen definierten Zeitraum (> 5 % innerhalb von 3 Monaten) und
die Portionsgröße (< 75 % für mehr als 2 Wochen) ([
Abb. 3
]). Auch hier wird bewusst nicht der BMI alleine als Kriterium angesetzt, da dieser
nur eine eingeschränkte Aussagekraft besitzt [38]. Zusätzlich spielt die langjährige ernährungsmedizinische Erfahrung des Onkologen
eine wichtige Rolle.
Abb. 3 Prozessschema Ernährungsberatung und Therapie des MVZ Onkologie am Klinikum Magdeburg
(Farbcode für die jeweils verantwortliche Person: rot: Patient; blau: Ernährungsfachkraft;
grün: Arzt).
Durchführung des Ernährungsassessments
Der Ablauf von Ernährungsscreening und -anamnese in der Praxis unterscheidet sich
zunächst nicht von dem in der Klinik. Im Unterschied zu den Krankenhauspatienten wird
hier ein 24-h-Recall zur Überprüfung der aufgenommenen Nahrungsmenge durchgeführt.
Im Krankenhaus sind solche Recalls oft schwierig, da sich viele Patienten nicht mehr
an die Mahlzeiten vor Aufnahme erinnern.
Themen der Ernährungsberatung
In der Regel unterscheiden sich die Themen der Ernährungsberatung für onkologische
Patienten im ambulanten Bereich deutlich von denen im stationären Bereich. Während
im Krankenhaus Themen wie Kostaufbau, Ernährung nach Eingriffen am GI-Trakt, verträgliche
Lebensmittel, Mahlzeitenfrequenz, Einnahme von Enzympräparaten und Mahlzeitengröße
im Vordergrund stehen, interessieren sich Patienten einer onkologischen Facharztpraxis
oft für Themen wie gesunde Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und Krebsdiäten [13]
[18]
[39]
[40]. Ebenfalls im Fokus des Interesses der Patienten stehen der Umgang mit Nebenwirkungen
der Chemotherapie wie Appetitverlust, Übelkeit und Erbrechen. Auch die Nachwirkungen
eines onkologisch-chirurgischen Eingriffs am GI-Trakt (z. B. Gastrektomie, Operationen
am Darm) sind weiterhin Thema der Ernährungsberatung.
Ein weiteres Thema, welches weniger von den Patienten vorgegeben wird, aber aufgrund
der hohen Prävalenz der Mangelernährung oft von Arzt oder Ernährungsfachkraft in einem
zweiten Schritt thematisiert wird, ist die adäquate Energiezufuhr im häuslichen Umfeld,
oftmals bereits begleitet von Gesprächen über die Möglichkeiten der künstlichen Ernährung
(ONS, heimenteral oder heimparenteral). Der Grund hierfür ist, dass auch im ambulanten
Bereich versucht werden sollte, eine Mangelernährung so früh wie möglich zu behandeln
[41]. Die Erfahrung zeigt leider, dass viele Patienten zu lange zögern, einer frühzeitigen
ambulanten Ernährungstherapie zuzustimmen. Damit entgeht dem Patienten leider oft
die Chance, frühzeitig einer Verschlechterung des Ernährungsstatus entgegenzuwirken
und dabei zunächst nur relativ geringe zusätzliche Einflüsse durch die Ernährungstherapie
in Kauf nehmen zu müssen (z. B. Mengen an ONS oder künstlicher Ernährung, ggf. auch
die Frequenz der künstlichen Ernährung, die dann zunächst nicht täglich erfolgen müsste).
Situationen in der Arztpraxis, die Mangelernährung verschärfen können und mögliche
Lösungsansätze
Situationen in der Arztpraxis, die Mangelernährung verschärfen können und mögliche
Lösungsansätze
Kontaktaufnahme
Die personelle Abdeckung der Ernährungstherapie im ambulanten Bereich ist deutlich
schlechter als in der Klinik. Aufgrund der fehlenden, vollständigen Finanzierung der
Ernährungstherapie durch eine Ernährungsfachkraft ist die Abdeckung der Sprechzeiten
im ambulanten Bereich lückenhaft. Gleichzeitig ist die Bereitschaft der ohnehin finanziell
schwer belasteten Patienten zu einer weiteren, wenn auch nur teilweisen Übernahme
der Beratungskosten sehr gering.
Eine Verbesserung könnte hier die konsequentere Nutzung von telefonischer Kontaktaufnahme
und Beratung im Rahmen der poststationären Betreuung bringen. Eine Studie in Australien
zeigte, dass die Patienten es durchaus schätzen, eine Ernährungsberatung, auch wenn
sie telefonisch erfolgt, zu erhalten [42].
Revisiten
Die oben beschriebene Problematik setzt sich fort bei der unerlässlichen Wiedervorstellung
der Patienten. Dies ist zum einen besonders kritisch zu sehen bei Patienten, die wegen
eines positiven Mangelernährungsscreenings aufgefallen sind, eine Ernährungsberatung
erhielten aber keine Ernährungssupplemente akzeptieren. Die eigentlich notwendige,
engmaschige Überwachung ist hier kaum durchzuführen. Dasselbe gilt für Patienten,
die eine künstliche Ernährung im ambulanten Bereich erhalten. Gerade zu Beginn der
Versorgung ist eine engmaschige Kontrolle (alle 4 Wochen) empfohlen [41]. Die Überwachung erfolgt hier in der Regel über den niedergelassenen, rezeptierenden
Haus- oder Facharzt. Am Klinikum Magdeburg meldet außerdem das betreuende Homecareunternehmen
monatlich den Ernährungszustand des Patienten rück. Treten hier Auffälligkeiten oder
Veränderungen auf (Patient nimmt weiter ab, kann besser/schlechter essen etc.), erfolgt
die Rückmeldung auch außerhalb der Reihe.
Resümee
Mit der Ernährungstherapie gibt es im Rahmen einer multidisziplinären Behandlung von
Krebserkrankungen eine wichtige Komponente, die zu allen Therapiezeitpunkten eine
unterstützende Wirkung haben kann. Dieses Potenzial bleibt leider allzu oft ungenutzt.
Verbessern würde sich diese Situation durch eine Optimierung der Zusammenarbeit von
Onkologen und Ernährungsfachkräften, gerade auch mit Fokus auf das Leistungsangebot
von onkologischen Schwerpunktpraxen. Auch die Stärkung der Kommunikation zwischen
allen in die Versorgung von Krebspatienten involvierten Professionen könnte die Gesamtsituation
der Betroffenen verbessern. Ebenso bedroht der Übergang von stationärer in die ambulante
Versorgung die konsequente Fortführung einer Ernährungstherapie. Die Stärkung dieser
Schnittstellen durch strukturierte Programme und die Verbesserung der Kommunikation
innerhalb dieser Bereiche könnte dazu führen, dass begonnene Ernährungstherapien auch
in der Häuslichkeit fortgeführt werden. Dies könnte die bereits gesicherten Effekte
der Ernährungstherapie wie geringere Mortalität und Morbidität, weniger Wiederaufnahmen
und letztendlich auch Kostenersparnis noch weiter verstärken.
Erstveröffentlichung: Dieses Manuskript wurde modifiziert nach Auszügen aus dem Vortrag „Bedürfnisse von
Tumorpatienten in der Ernährungstherapie – Was kommt in der Praxis an?“ der anlässlich
der 17. DGEM-Jahrestagung 2018 in Kassel gehalten wurde.