neuroreha 2020; 12(01): 7-8
DOI: 10.1055/a-0976-1061
Gelesen und kommentiert

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Jan Mehrholz

Hochintensives Gehtraining verbessert die Gehleistung nach Schlaganfall

Hornby TG, Henderson CE, Plawecki A et al. Contributions of stepping intensity and variability to mobility in individuals poststroke. Stroke 2019; 50: 2492–2499. doi:10.1161/STROKEAHA.119.026254

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Effektivität von drei unterschiedlichen Übungsprogrammen zur Verbesserung der Gehleistung bei Patienten mit chronischem Schlaganfall zu evaluieren.


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Methodik

Design Multizentrische untersucherverblindete randomisierte und kontrollierte Studie.

Ein- und Ausschlusskriterien Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 18 bis 85 Jahren mit einem Schlaganfall, der länger als sechs Monate zurücklag, die eine selbst gewählte Gehgeschwindigkeit von weniger als 1 m/s hatten.

Interventionen Patienten nach Schlaganfall im chronischen Stadium wurden per Zufallsverfahren einer von drei Interventionen zugeteilt: Die erste Gruppe erhielt ein hochintensives Gehtraining bei 70–80 % der Herzratenreserve mit sehr variablen und damit unterschiedlichen Übungen. Die zweite Gruppe erhielt das gleiche intensive Gehtraining wie in der ersten Gruppe, allerdings nicht so abwechslungsreich, da nur weniger unterschiedliche Übungen genutzt werden durften. Die dritte Gruppe erhielt ein relativ gering intensives, aber abwechslungsreiches Gehtraining bei lediglich 30–40 % der Herzratenreserve. In allen drei Gruppen wurde in 30 Sitzungen über zwei Monate geübt.

Messungen Primär abhängige Variablen waren die Gehgeschwindigkeit und die maximale Gehstrecke. Die sekundär abhängigen Variablen umfassten die dynamische Balance, Transfers, räumlich-zeitliche Variablen und metabolische Analysen (Stoffwechselparameter). Alle Variablen wurden vor Beginn des Trainingsprogramms, nach acht Wochen und nach drei Monaten erhoben.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 97 Patienten im mittleren Alter von 58 Jahren und zwischen 30 und 60 Monaten nach Schlaganfall in die Studie eingeschlossen. Im Ergebnis zeigte sich, dass sich zwar alle Gruppen verbesserten, aber es war vor allen Dingen das hochintensive Gehtraining – unabhängig von der Variation der Übungen –, das zu deutlichen und klinisch bedeutsamen Verbesserungen der Gehgeschwindigkeit und der Gangausdauer führte. Insbesondere die Intensität in den einzelnen Übungseinheiten (Anzahl der Schritte pro Minute) korrelierte gut mit den Verbesserungen hinsichtlich der Gehgeschwindigkeit und der Gangausdauer. Die Autoren beschreiben hierfür eine moderate positive lineare Korrelation von r = 0,57–0,58.


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Schlussfolgerung

Die Autoren schlussfolgern, dass sich insbesondere das hochintensive Üben eignet, um bei chronischen Patienten nach Schlaganfall Verbesserung des Gehens zu erreichen.


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Kommentar

Diese Studie ist gerade für Patienten, die bereits viele Monate nach Schlaganfall noch Einschränkungen der Gehfähigkeit haben, sehr vielversprechend. Die Ergebnisse bedeuten, dass vor allen Dingen der hohe Belastungsanspruch hinsichtlich des Herz-Kreislauf-Systems bedeutende Verbesserungen erzielen lässt. Die Variation der Übungsgestaltung ist weniger entscheidend als die eigentliche Intensität als wichtigster Zielparameter innerhalb der Therapie.

Das besonders Bemerkenswerte an der Studie ist jedoch, dass es eine gewisse Mindestintensität (Mindestanzahl an Gehschritten pro Minute) zu geben scheint. Es zeigte sich nach Analyse der grafischen Darstellung, dass ein Mindestmaß von 70 Schritten pro Minute erreicht werden muss, um überdurchschnittliche Ergebnisse hinsichtlich der Gangausdauer und der Gehgeschwindigkeit zu erreichen. Für die Praxis könnte somit neben der Herz-Kreislauf-Belastung die Anzahl an Schritten pro Minute ein hervorragender, obgleich simpler Marker zur Intensitätssteuerung sein.

Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass nur leichte bis moderate Intensitäten keine wirklich bedeutsamen Verbesserungen beim Gehtraining erwarten lassen. Wenn keine Kontraindikationen bestehen, sollte der Trainingsanspruch hoch sein. In dieser Studie war es vor allen Dingen die hohe Intensität bei 70–80 % der Herzratenreserve im Gehtraining.

Fazit Eine gerade für Patienten mit chronischem Schlaganfall sehr bedeutsame Studie mit einer deutlichen Botschaft: Die Intensität bei Gehübungen sollte sehr hoch sein.


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Publication History

Article published online:
17 March 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York