Einleitung
In Deutschland ist in den letzten Jahren eine starke Zunahme aufwendiger
häuslicher Intensivpflege, insbesondere für außerklinische
Beatmung zu beobachten [1]
[2]. Im Jahr 2005 lag die Anzahl
außerklinisch beatmeter Personen noch bei ca. 5000 Fällen [3]. Auf Abrechnungsdaten der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) basierende Hochrechnungen aus dem
Jahr 2018 zeigen jedoch, dass allein die Anzahl invasiv beatmeter Personen auf
15 000 gestiegen ist [1]. Die Anzahl
nicht-invasiv beatmeter Personen wird noch deutlich höher geschätzt.
Eine genaue Prävalenz ist aufgrund fehlender Daten derzeit nicht ermittelbar
[4].
Die Gruppe der Personen mit außerklinischer Beatmung ist dabei stark
heterogen, insbesondere im Hinblick auf den Grad der Beeinträchtigung und
das damit verbundene Ausmaß an Pflegebedürftigkeit [2]
[5]. Die größte Gruppe der
nicht-invasiv beatmeten Personen stellen Menschen mit chronisch obstruktiver
Lungenerkrankung (COPD) dar, während eine invasive Beatmung v. a. bei
neuromuskulären Erkrankungen (NMD), Tetraplegie oder thorakal-restriktiven
Lungenerkrankungen zum Einsatz kommt [5].
Durch die Zunahme der außerklinischen Beatmung ist auch der Markt mit
entsprechenden Versorgungsangeboten stark angewachsen [6]. Außerklinisch beatmete Menschen
können in einer spezialisierten stationären Pflegeeinrichtung, einer
ambulant betreuten Intensiv-Wohngemeinschaft (Intensiv-WG) oder zu Hause durch einen
Intensivpflegedienst oder eine Assistenzbetreuung versorgt werden [5]. Während die Finanzierung der
außerklinischen Intensivpflege im stationären Bereich im Rahmen des
SGB XI über die Pflegeversicherung und einen Eigenanteil geregelt ist,
erfolgt die kostenintensivere Pflege im außerstationären Bereich auf
Grundlage der Regelungen des SGB V §37 ausschließlich über
die Krankenkassen ohne Eigenanteil [7].
Insbesondere in der außerstationären Intensivversorgung
führen die mit der Versorgungsform in Beziehung stehenden finanziellen
Fehlanreize, aber auch strukturelle Versorgungsdefizite, ein Mangel an
Fachkräften und das Nicht-Ausschöpfen von Weaningpotentialen zu
einer Fehlversorgung beatmeter Menschen [7].
Der im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Reha- und
Intensivpflegestärkungsgesetz (RISG) verstärkt geführte
Qualitätsdiskurs betont die Sicherstellung einer bedarfsgerechten, nach
aktuellen medizinisch-pflegerischen Standards geregelten Versorgung [4]
[7], die gleichzeitig im Sinne der
UN-Behindertenrechtskonvention das Selbstbestimmungsrecht beatmeter Menschen
gewährleistet [8].
Der vorliegende Scoping Review verfolgt daher das Ziel, den aktuellen Forschungsstand
zur Qualität der Versorgung beatmeter Menschen in der
außerstationären Intensivpflege in Deutschland darzustellen und
Forschungslücken aufzudecken.
Methodik
Um einen breiten Überblick über das Themenfeld und die vorhandene
Evidenz zur Versorgungssituation außerstationär beatmeter Menschen
zu erhalten, wurde ein Scoping Review durchgeführt [9]
[10]
[11]. Struktur und Aufbau der Publikation
orientieren sich an den Vorgaben des PRISMA Statement für Scoping Reviews
[12].
Suchstrategie
Die systematische Literaturrecherche wurde im Oktober 2019 in den Datenbanken
MEDLINE via PubMed, CINAHL via EBSCO, LIVIVO und bibnet.org
durchgeführt. Um relevante Studien zu identifizieren, wurden die
gewählten Suchbegriffe entsprechend der verschiedenen
Suchoberflächen angepasst ([Tab.
1]). Die Suchstrategie wurde breit angelegt, um alle Treffer zum Thema
Versorgung außerklinisch beatmeter Menschen in Deutschland
prüfen zu können.
Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien.
|
Einschluss
|
Ausschluss
|
Population
|
Beatmete Personen mit einer chronisch respiratorischen
Insuffizienz und Personen, die in deren Versorgung
involviert sind
|
Kinder- und Jugendliche (unter 18 Jahren)
|
Setting
|
Außerstationäre Versorgung d. h.
eigene Häuslichkeit oder Intensiv-WG,
Überleitung und außerklinische Versorgung
sofern nicht näher spezifiziert
|
Stationäre Versorgung d. h. Klinik,
Intensivstation, Rehabilitation, Früh-Rehabilitation
und Pflegeheime
|
Kontext
|
Deutschland (inklusive Europa, wenn Deutschland explizit mit
abgebildet wird)
|
Nicht Deutschland
|
Thema
|
Qualität der Versorgung beatmeter Personen (siehe
Themenbereiche 1–6)
|
Keinerlei Bezug zu den definierten Versorgungsthemen
|
Publikationsjahr
|
|
Publikationen vor 2009
|
Publikationstyp
|
|
Pressebericht, Editorial, Letter, Comment, Interview, Poster,
Fortbildungen, Konferenzbände und -beiträge,
Werbung
|
Die Handsuche fokussierte auf bisher nicht eingeschlossene Projekte zur
Versorgung außerstationär beatmeter Menschen. Sie wurde
über die Literaturlisten der eingeschlossenen Publikationen geleitet und
durch eine Suche bei Google Scholar vertieft. Die Literaturverwaltung sowie die
Suche nach Duplikaten wurde mit dem Programm Citavi, Version 6.3
durchgeführt.
Studienauswahl
Die Ein- und Ausschlusskriterien der Publikationen sind in [Tab. 2] beschrieben. Um das zu
untersuchende Kernkonzept ‚außerstationäre Versorgung
von beatmeten Personen‘ klar zu definieren und die Studien inhaltlich zu
strukturieren, wurden die verschiedenen Versorgungsbereiche thematisch
gegliedert. Von einer Relevanz für die Qualität der
außerstationären Versorgung wurde ausgegangen, wenn mindestens
einer der folgenden Themenbereiche adressiert war:
Tab. 2 Genutzte Literaturdatenbanken und Suchbegriffe.
Literaturdatenbank
|
Suchwörter
|
MEDLINE via PubMed
|
(home[All Fields] AND („respiration,
artificial“[MeSH Terms] OR
(„respiration“[All Fields] AND
„artificial“[All Fields]) OR
„artificial respiration“[All Fields] OR
(„mechanical“[All Fields] AND
„ventilation“[All Fields]) OR
„mechanical ventilation“[All Fields])) AND
(„germany“[MeSH Terms] OR
„germany“[All Fields])
|
CINAHL via EBSCO
|
(All Fields: „home N3 mechanical N3
ventilation“ ) AND (All Fields: german*)
|
LIVIVO 1
|
(home mechanical ventilation) [Open Search] AND Germany [Open
Search]
|
Bibnet.org
|
Schlagwort: „Heimbeatmung“ ODER Schlagwort:
„Außerklinische Beatmung“
|
MeSH=Medical Subject Headings (Schlagwortregister der
National Library of Medicine).
1
Exklusive: AGRICOLA, AGRIS, BVL (Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit), ehemaliges SSG Küsten- und
Hochseefischerei, ELFIS, FLI (Tiergesundheit), IPB (Pflanzenbiochemie),
IPK Gatersleben (Kulturpflanzen), JKI (Kulturpflanzen), Johann Heinrich
von Thünen – Institut (TI), MEDLINE,
Veterinärmedizinische Sammlung TiHO.
-
Organisation und Steuerung der außerklinischen Beatmung
-
Pflegerische Versorgung
-
Medizinische Versorgung
-
Therapeutische Versorgung
-
Hilfsmittelversorgung
-
Versorgung aus Sicht beatmeter Personen und ihrer Angehörigen
-
Weitere versorgungsrelevante Themen
Das Abstract- und Volltext-Screening wurde von 2 Forschenden (LG, HK) parallel
durchgeführt. Unsicherheiten wurden im Team diskutiert und
abgestimmt.
Datenextraktion und Synthese
Die Merkmale der eingeschlossenen Publikationen wurden ebenfalls von 2
Forschenden (LG, HK) parallel extrahiert, verglichen und konsentiert. Die
vorgenommene Synthese kann der Methode der „data-driven thematic
analysis“ zugeordnet werden [13].
Bei dieser Vorgehensweise werden prominente Themen aus der zu analysierenden
Literatur identifiziert, thematisch strukturiert und auf einer höheren
Ebene zusammengefasst [13]. Von den
eingeschlossenen Publikationen wurden zudem die Merkmale Autorin/Autor,
Erscheinungsjahr, Population, Setting und Publikationstyp bzw. Studiendesign
extrahiert. Die Evidenz der Publikationen wurde nach dem „National
Service Framework (NSF) for Long Term Neurological Conditions (LTNC)“
kategorisiert [14]. Das NSF bietet die
Möglichkeit, Evidenz differenziert nach Forschung und Expertenmeinungen
darzustellen. Es eignet sich deshalb zur Sichtung von Literatur inmitten einer
großen Heterogenität von inkludierten Studiendesigns [15].
Ergebnisse
Recherche und Studienauswahl
Die Recherchen in den Datenbanken wurden im Oktober und November 2019
durchgeführt. Die Suche ergab insgesamt 493 Treffer. Nach dem Entfernen
von 18 Duplikaten wurden 475 Treffer in die Vorauswahl aufgenommen. Im Titel und
Abstract Screening-Prozess wurden 375 Treffer ausgeschlossen, darunter fast die
Hälfte (n=183) aufgrund des Publikationsjahres (< 2009).
Insgesamt wurden 100 Volltexte auf ihre Eignung überprüft. 40
Volltexte wurden ausgeschlossen, 21 davon aufgrund des Publikationstyps.
Über eine ergänzende Handsuche konnten weitere 8 Publikationen
identifiziert werden, so dass insgesamt Erkenntnisse aus 68 Volltexten
extrahiert wurden. Die Studienauswahl ist in [Abb. 1] dargestellt.
Abb. 1 Studienauswahl (PRISMA Flow Chart nach Moher D, Liberati
A, Tetzlaff J, Altman DG, The PRISMA Group (2009). Preferred Reporting
Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses: The PRISMA Statement.
PLoS Med 6 (7): e1000097. doi:10.1371/journal.pmed1000097).
Charakteristika der eingeschlossenen Publikationen
Alle eingeschlossenen Publikationen (n=68) wurden in deutscher oder
englischer Sprache verfasst. Der Großteil der Publikationen wurde in den
Jahren 2015 bis 2019 veröffentlicht (n=51; 75%). In den
Publikationen wurden die Settings außerklinische Versorgung
(n=33; 49%), Überleitung, Nachsorge und Kontrolle
(n= 11; 16%), außerstationäre Versorgung
(n=8; 12%), eigene Häuslichkeit (n=13;
19%) oder Intensiv-WG (n=3; 4%) beschrieben. Die
Mehrzahl der Publikationen beschreibt eine Population, die sowohl invasiv als
auch nicht-invasiv beatmet wird (n=35; 52%), gefolgt von
ausschließlich invasiv beatmeten Personen (n=19; 28%)
oder ausschließlich nicht-invasiv beatmeten Personen (n=14;
21%).
Die Evidenz der eingeschlossenen Publikationen ist in [Tab. 3] dargestellt. Von den 68
eingeschlossenen Publikationen konnten zwei Drittel (n=45) der
forschungsbasierten Evidenz zugeordnet werden. Der expertenbasierten Evidenz
konnten 21 Publikationen zugeordnet werden. Zudem wurden 2 Leitlinien
eingeschlossen: Die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung
als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz – Revision
2017“ [5] und die S2k-Leitlinie
„Prolongiertes Weaning“, die mit der Revision von 2019 ersetzt
wurde [16].
Tab. 3 Evidenz der eingeschlossenen Publikationen adaptiert
nach der NSF Typologie [14.]
Forschungsbasierte Evidenz
|
n
|
(%)
|
Primärforschung
|
|
|
P1 Primärforschung Quantitativ
|
19
|
(27,9)
|
P2 Primärforschung Qualitativ
|
10
|
(14,7)
|
P3 Primärforschung Mixed Methods
|
2
|
(2,9)
|
Sekundärforschung
|
|
|
S1 Metaanalysen existierender Datenanalysen
|
0
|
0
|
S2 Sekundäranalyse existierender Daten
|
2
|
(2,9)
|
Review-basierte Evidenz
|
|
|
R1 Systematische Reviews
|
2
|
(2,9)
|
R2 Narrative oder Zusammenfassende Reviews
|
8
|
(11,8)
|
R2+P2
|
1
|
(1,5)
|
S2+R2
|
1
|
(1,5)
|
Forschungsbasierte Evidenz Gesamt
|
45
|
(66,2)
|
Expertenbasierte Evidenz
|
n
|
(%)
|
E1 Expertise von Betroffenen oder Angehörigen
|
0
|
0
|
E2 Expertise von Gesundheitsfachkräften
|
18
|
(26,5)
|
E1+E2
|
3
|
(4,4)
|
Expertenbasierte Evidenz Gesamt
|
21
|
(30,9)
|
Leitlinienbasierte Evidenz
|
n
|
(%)
|
L-S3 Evidenz- und Konsensbasierte Leitlinie
|
0
|
0
|
L-S2e Evidenzbasierte Leitlinie
|
0
|
0
|
L-S2k Konsensbasierte Leitlinie
|
2
|
(2,9)
|
L-S1 Handlungsempfehlungen von Expertengruppen
|
0
|
0
|
Leitlinienbasierte Evidenz Gesamt
|
2
|
(2,9)
|
Versorgungsthemen
Nachfolgend werden die Versorgungsthemen beschrieben. Die zugehörigen
Subthemen sind in [Tab. 4]
dargestellt.
Organisation und Steuerung der außerklinischen Beatmung
Die Organisation und Steuerung der außerklinischen Beatmung wird in
über der Hälfte der eingeschlossenen Publikationen thematisiert
(n=43; 63%) und mit 4 Subthemen ([Tab. 4]) konkretisiert.
In Deutschland werden etwa 40% der Patientinnen/Patienten eines
Weaningzentrums mit einer dauerhaften Beatmung in die außerklinische
Versorgung entlassen [17]. Die
Überleitung in die außerklinische Beatmung, die nachgeschalteten
Versorgungsstrukturen und deren Mindestanforderungen an eine
ordnungsgemäße Durchführung sind in der S2k-Leitlinie
definiert [5]
[18].
Die tatsächlich vorhandenen Versorgungsstrukturen werden jedoch von
Expertinnen/Experten vielseitig bemängelt [4]
[7]
[18]. Lehmann et al. beschreiben in ihrer
qualitativen Studie die Realität des Überleitungsprozesses als
unstrukturiert, intransparent und für die Patientinnen/Patienten
mit hohen Risiken verbunden [19].
Regionale Versorgungsangebote werden als undurchsichtig bezeichnet, zudem
mangelt es an übergeordneten Steuerungsinitiativen und
Fachkräften [20]
[21]
[22]
[23].
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Weaningpotentiale weder ausgeschöpft
noch regelmäßig überprüft werden [7]
[17]
[24]
[25]. In einer Studie von Dellweg et al.
waren nur 43% der 812 Patientinnen/Patienten an ein
Weaningzentrum angebunden [24]. Insgesamt
wird eine Erhöhung der Transparenz zur Sicherstellung der
Versorgungsqualität gefordert [7]
[20]
[24]
[26].
Das Pilotprojekt „Bea@home“ bietet erste Lösungsansätze. Hierbei
wurden evidenzbasierte Qualitätsindikatoren für die Überleitung in die außerklinische
Beatmung entwickelt [26]. Empfehlungen für ein effizientes
Schnittstellenmanagement betonen außerdem die Bedeutung des Case
Managements zur Koordination aller beteiligten Personen und Prozesse [27]
[28]
[29]
[30].
Pflegerische Versorgung
Die Qualität der pflegerischen Versorgung wird bei einem Drittel der
eingeschlossenen Publikationen thematisiert (n=23; 34%). Dabei
konnten 4 Subthemen ([Tab. 4])
identifiziert werden.
Die professionelle pflegerische Versorgung außerklinisch beatmeter
Menschen erfordert ein hohes Maß an Verantwortung und beinhaltet, neben
der Durchführung der Grund- und Behandlungspflege, Maßnahmen zur
Unterstützung und Begleitung der Patientinnen/Patienten in ihrem
Alltag [5].
Huttmann et al. stellten in ihrer Studie mit 25 außerklinisch beatmeten
Patientinnen/Patienten fest, dass fast 80% der Befragten mit
ihrer pflegerischen Versorgung zufrieden sind [31]. Eine Studie mit insgesamt 37 Pflegediensten kommt zu dem
Schluss, dass bei einzelnen Anbietern Standards zu spezifischen pflegerischen
Maßnahmen fehlen, die Organisationsformen der Pflegedienste jedoch
insgesamt den Empfehlungen der S2k-Leitlinie entsprechen [24].
Die von der S2k-Leitlinie geforderten Ausbildungsstrukturen, die neben der
staatlichen Anerkennung der Pflegefachpersonen eine Zusatzqualifikation im
Beatmungsbereich fordern [5], sind
erkennbar [24]. Dennoch werden eine
fehlende Qualifikation der Pflegefachpersonen und die daraus resultierenden
Risikosituationen häufig bemängelt [20]
[32]
[33]
[34]
[35].
Pflegewissenschaftliche Studien betonen die Bedeutung einer partnerschaftlichen
Grundhaltung für eine gelingende Kommunikation und Interaktion zwischen
Patientinnen/Patienten und Pflegenden sowie die Wichtigkeit der
Einhaltung von Grenzen und klaren Rollen [20]
[33]
[36]. Darauf basierend wird eine
Vereinheitlichung der Qualifizierungsangebote mit klaren gesetzlichen Vorgaben
gefordert [21].
Medizinische Versorgung
Über die Hälfte der eingeschlossenen Publikationen thematisiert
die medizinische Versorgung (n=39; 57%) in 6 verschiedenen
Subthemen ([Tab. 4]).
Studien im außerklinischen Bereich untersuchen dabei häufig
medizinische Outcomes wie das Langzeitüberleben [37]
[38]
[39]
[40] oder die Schlafqualität [41]
[42]. Einige Studien beschäftigen
sich speziell mit den Vorteilen der nicht-invasiven Beatmungstherapie [42]
[43]
[44]
[45]. In einer Studie mit 206
Ärzten aus 8 europäischen Ländern werden eine
Verringerung der Krankenhauseinweisungen, eine Verbesserung der
Lebensqualität und eine Erleichterung der Atemnot als wichtigste
Vorteile der nicht-invasiven Beatmung bei COPD im außerklinischen
Bereich berichtet [44].
Bei stationären Behandlungen außerklinisch beatmeter
Patientinnen/Patienten konnte zwischen 2006 und 2016 eine deutliche
Zunahme der Behandlungen (von 24 845 auf 86 117) bei einer
gleichzeitigen Abnahme der Krankenhausmortalität (von 13 auf 6%)
festgestellt werden [2]. Während
die Häufigkeit von Notfallsituationen das Überleben beeinflusst
[39], wirken sich
regelmäßige Schulungen und Prüfungen positiv auf das
Hygiene- und Notfallmanagement von ambulanten Intensivpflegediensten aus [46].
Obwohl die ambulante medizinische Behandlung durch
Ärztinnen/Ärzten mit Erfahrung auf dem Gebiet der
außerklinischen Beatmung erfolgen sollte [5], halten Expertinnen/Experten die
fachärztliche Versorgung für verbesserungswürdig [28]. Zudem finden stationäre und
ambulante Kontrollen nur selten statt [24]
[25]. Im Modellprojekt „Praxis
für außerklinische Beatmung“ koordinieren ein Pneumologe
und eine Atmungstherapeutin die Versorgung außerklinisch beatmeter
Patientinnen/Patienten mit dem Ziel, die medizinische
Versorgungssituation zu verbessern [30].
Therapeutische Versorgung
Zur therapeutischen Versorgung konnten 3 Subthemen ([Tab. 4]) und 7 eingeschlossene
Publikationen (10%) identifiziert werden.
Die S2k-Leitlinie empfiehlt ein multimodales Therapiekonzept bestehend aus
Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie, wobei die
Therapeutinnen/Therapeuten über Erfahrungen mit beatmeten
Personen und/oder eine entsprechenden Zusatzqualifikation
verfügen sollen [5].
In ihrer gesundheitsökonomischen Analyse zeigen Lehmann et al., dass von
29 eingeschlossenen Patientinnen/Patienten 26 Physiotherapie erhalten,
während je 16 Patientinnen/Patienten Logopädie
und/oder Ergotherapie erhalten [47]. Bedeutsam in diesem Versorgungsfeld ist auch die Atmungstherapie
[5]
[30]. Nach Huttmann et al. sind je nach
Therapieform 60–90% der beatmeten Patientinnen/Patienten
zufrieden mit ihrer therapeutischen Behandlung [31].
Hilfsmittelversorgung
Ein Drittel der eingeschlossenen Publikationen (n=24; 35%)
thematisiert Aspekte der Hilfsmittelversorgung, die sich in 5 Subthemen ([Tab. 4]) untergliedern lassen.
Geräteprovider sind für die Ersteinweisung zum Umgang mit dem
Beatmungsgerät verantwortlich und primäre Ansprechpersonen bei
technischen Problemen [5]. Neben einem
Beatmungsgerät werden außerklinisch beatmete
Patientinnen/Patienten in der Regel mit zahlreichen anderen Hilfsmitteln
versorgt, die individuell angepasst und unmittelbar zur Verfügung stehen
müssen [5]
[26]
[47]. Die Hilfsmittelberatung stellt dabei
ein wesentliches Element der Hilfsmittelsicherheit dar [20] und wird im Modellprojekt
„Familiale Pflege unter den Bedingungen der G-DRG“ von
Pflegetrainerinnen/Pflegetrainern der beteiligten Kliniken in den ersten
6 Wochen nach Entlassung durchgeführt [29].
Eine gesundheitsökonomische Analyse zeigt, dass neben
beatmungsspezifischen Hilfsmitteln insbesondere Pflegebetten, Spezialmatratzen,
Kommunikationshilfen und Elektro-, Aktiv- oder Passivrollstühle in
Anspruch genommen werden [47]. In einer
Studie zur Lebensqualität bei außerstationärer Beatmung
schwanken die Angaben der 25 inkludierten Patientinnen/Patienten in
ihrer Zufriedenheit mit den jeweiligen Hilfsmitteln zwischen
95–30% (persönliche Hygiene=95%,
Absaugung=90%, Mobilisation=65%,
Kommunikation=30%) [31].
Studien im Bereich der technischen Ausstattung von Beatmungsgeräten,
Interfaces oder Geräteeinstellungen untersuchen
beispielsweise die Vorteile verschiedener Beatmungsmasken (Nasal, Full-Face, Oro-Nasal)
bei nicht-invasiver Beatmung [43]
[44]
[45]. Masefield et al. beschreiben in ihrer Studie Einstellungen und Präferenzen
von beatmeten (n=687)
und betreuenden (n=100) Personen
zur Ausstattung von Beatmungsgeräten in der außerklinischen
Versorgung [53].
Versorgung aus Sicht beatmeter Personen und ihrer Angehörigen
Eine wesentliche Perspektive stellt die Versorgung aus Sicht beatmeter Personen
und ihrer Angehörigen dar. Fast die Hälfte (n=33;
49%) der eingeschlossenen Publikationen beschäftigen sich mit
mindestens einem der 7 identifizierten Subthemen (siehe [Tab. 4]).
Die außerklinische Beatmung soll neben der Erfüllung der
medizinischen Erfordernisse den Wünschen und Bedürfnissen der
Betroffenen entsprechen [5]. Themen wie
Selbstbestimmung und Lebensqualität spielen eine wichtige Rolle in
verschiedenen Expertenberichten [30]
[48]
[49] und Studien [31]
[50]. Huttmann et al.
zeigten in ihrer Studie mit 25 invasiv beatmeten Patientinnen/Patienten,
dass Lebensqualität und Lebenszufriedenheit nach erfolglosem
Weaning stark beeinträchtigt sind [31]. Im Vergleich vom
Leben in der eigenen Häuslichkeit zum Leben in einer Pflegeeinrichtung
konnten keine Unterschiede in der Lebensqualität festgestellt
werden [50]. Eine Pilotstudie
beschreibt das Setting Intensiv-WG als sinnvolle Ergänzung zu
bestehenden Versorgungsformen, allerdings bestehe der Bedarf, die
medizinisch-pflegerische Versorgung zu standardisieren [51].
Einige Expertenberichte beschreiben anschaulich, wie die Pflege sozialer
Kontakte, Teilhabe und Inklusion trotz Beatmung verwirklicht werden
können [30]
[49]. Die Bedeutung der pflegerischen
Qualifikation sowie eine partnerschaftliche Grundhaltung der Pflegenden wurde in
verschiedenen Studien als entscheidend für eine erfolgreiche Beziehung
zwischen Patientinnen/Patienten, Angehörigen und Pflegenden
betont [20]
[32]
[33]
[34]
[35]
[52]. Im Rahmen der SHAPE-Studie wurde
festgestellt, dass eine Vernachlässigung von Kommunikation, Interaktion
und Beziehung das Entstehen von Risikosituationen begünstigt [20]
[32]
[33]
[34]
[35]
. Insbesondere in der
häuslichen Versorgung ist die Zusammenarbeit mit den Angehörigen
sowie deren Beratung und Schulung bedeutsam, da diese eine tragende Rolle in der
Versorgung einnehmen [35]
[36].
Weitere versorgungsrelevante Themen
3 weitere Subthemen ([Tab. 4]) konnten in
13 (19%) der eingeschlossenen Publikationen identifiziert werden. Die
Subthemen beinhalten die Telemedizin und das Telemonitoring [26]
[53]
[54]
[55], die Finanzierung [47]
[51]
[56] sowie das Thema Hygiene [46]
[51].
Diskussion
Der vorliegende Scoping Review bietet einen systematisch erfassten Überblick
zum Forschungsstand der Qualität der Versorgung beatmeter Menschen in der
außerstationären Intensivpflege in Deutschland. Unterteilt in 7
verschiedene Versorgungsthemen konnten Kernthemen herausgearbeitet und
Forschungsdesiderate aufgedeckt werden. Die identifizierten Subkategorien, die
häufig miteinander interagieren, verdeutlichen die Komplexität der
Versorgung beatmeter Menschen in der außerstationären
Intensivpflege.
Insgesamt konnten 68 Publikationen zu 7 Versorgungsthemen identifiziert werden, die
ein breites Spektrum an Expertenwissen und forschungsbasierter Evidenz
präsentieren. Dabei wird das Setting der außerstationären
Versorgung mit den Bereichen eigene Häuslichkeit und Intensiv-WG nur in etwa
einem Drittel der eingeschlossenen Publikationen explizit untersucht. Die
auffällig hohe Publikationsdichte zur Versorgung beatmeter Personen in den
letzten 5 Jahren korreliert mit den zunehmenden Fallzahlen in der
außerklinischen Beatmung [2]
[7].
Zur Organisation und Steuerung der außerklinischen Beatmung lässt
sich zusammenfassen, dass Weaningpotentiale nicht ausgeschöpft werden [17], die Wege in die verschiedenen
Versorgungsformen hochgradig zufallsabhängig und risikoreich sind [19] und Patientinnen/Patienten
poststationär nur selten an ein Weaningzentrum angebunden sind [24]. Einzelne Initiativen wie das Modellprojekt
„Bea@home“ versuchen die bestehenden Probleme in der
Versorgungspraxis anzugehen [26].
Studien zur Qualität der pflegerischen Versorgung fokussieren die Wahrnehmung
der Rolle der Pflegenden sowie deren Verhältnis zu Angehörigen und
Patientinnen/Patienten [36]. Dabei
werden auch Fragen zum Sicherheitsempfinden und zu Risikosituationen in der
außerklinischen Intensivpflege behandelt [32]
[33]
[34]
[35]. Herauszustellen ist hier die Erkenntnis,
dass viele der risikobehafteten Situationen aus einer mangelnden Qualifikation der
Pflegenden sowie aus Schwierigkeiten in der Kommunikation und Interaktion zwischen
den Beteiligten resultieren [33]
[34].
Publikationen zur Qualität der medizinischen Versorgung zeigen, dass die
Strukturen der ärztlichen Versorgung nur oftmals defizitär und nicht
bedarfsgerecht sind [24]
[25]. Außerdem weist die
fachärztliche Versorgung, die ambulante Kontrollen und Nachsorge umfassen
sollte, erhebliche strukturelle Schwächen auf [28]. Im Zuge der zunehmenden Urbanisierung und
großen flächendeckenden Versorgungslücken im
ländlichen Raum [21] wird der Einsatz
von telemedizinischen Lösungen als zukunftsweisend gehandelt [26]
[53]
[54]
[55].
Studien zur Qualität der Versorgung von Physiotherapie, Ergotherapie oder
Logopädie konnten nicht identifiziert werden. Die Klärung von
Zuständigkeiten hinsichtlich der Einweisung und Wartung sowie die
Verfügbarkeit und Bereitstellung von Hilfsmitteln im Allgemeinen stellen
zentrale Aspekte der Frage nach der Qualität der Hilfsmittelversorgung dar
[5]
[26]
[47], werden jedoch ebenfalls selten
untersucht.
Expertenberichte zur Qualität der Versorgung aus Sicht beatmeter Personen und
Angehöriger beschäftigen sich mit Themen wie Selbstbestimmung,
Lebensqualität, Inklusion und Teilhabe [27]
[30]
[48]
[49]. Die Bedeutung pflegerischer
Qualifikationen und Kompetenzen wird mehrfach als entscheidend für eine
gelungene Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, aber auch
für das Sicherheitsempfinden von beatmeten Menschen und ihren
Angehörigen beschrieben [20]
[32]
[33]
[34]
[35].
Die Ergebnisse unseres Scoping Reviews zeigen Handlungsfelder für weitere
Studien auf. In Anbetracht divergierender Angaben zu Prävalenzen scheint
eine Ist-Analyse der derzeitigen Versorgung von beatmeten Personen anhand von
Routinedaten angezeigt. Außerdem sollten prä- und
poststationäre Schnittstellenproblematiken stärker in den Blick
genommen werden, um Optimierungsbedarfe konkret benennen zu können. Ein
bisher kaum untersuchter Bereich ist die Schnittstellenproblematik in der
notärztlichen Versorgung. Die ambulante ärztliche, therapeutische
und pflegerische Versorgung bedarf neben einer Beschreibung der
tatsächlichen Versorgungssituation einer multiperspektivischen Darstellung
mit dem Ziel, Hindernisse und Förderfaktoren für eine gelingende
Versorgungspraxis zu identifizieren. Aus Perspektive der beatmeten Personen und
Angehörigen sind Fragestellungen zu Selbstbestimmung und Teilhabe in
Abhängigkeit individueller Wohn- und Versorgungsformen offen. Neben klar
definierten Versorgungsstandards werden außerdem Instrumente zur
Qualitätsmessung benötigt.
Limitationen und Stärken
Unsere Ergebnisse basieren auf einer breit angelegten Suchstrategie mit geringen
Limitationen, durchgeführt in 4 Datenbanken und ergänzt durch
eine Handsuche, mit dem Ziel, alle relevanten Versorgungsbereiche abzudecken.
Des Weiteren wurde sowohl die Studienauswahl als auch die Datenextraktion von 2
unabhängigen Forschenden durchgeführt. Um der
Heterogenität der eingeschlossenen Studiendesigns gerecht zu werden,
fand unter Anwendung der NSF Typologie eine möglichst breite
Differenzierung zwischen forschungs- und expertenbasierter Evidenz statt [14]
[15].
Unsere Ergebnisse unterliegen auch Limitationen, die sich unter Umständen
durch die geografische Eingrenzung auf die Versorgungssituation in Deutschland
ergeben. Obwohl dies nicht Gegenstand unserer Forschungsfrage war,
könnten auch internationale Studien übertragbare Ergebnisse
für die Versorgungssituation in Deutschland beinhalten.