NOTARZT 2020; 36(04): 205
DOI: 10.1055/a-1203-5376
Leserbrief

Leserbrief zum Beitrag „Die Addison-Krise im Notarztdienst oder ‚der Wolf im Schafspelz‘“

UIrich Dischinger
1   Universitätsklinikum Würzburg, Medizinische Klinik 1
› Author Affiliations

Vielen Dank für die gelungene Darstellung dieses sicherlich seltenen „endokrinologischen Notfalls“ im Artikel „Die Addison-Krise im Notarztdienst oder ‚der Wolf im Schafspelz‘“ [1]. Im Einzelfall kann und wird das vermittelte Wissen hierüber jedoch Gesundheit und Überleben des Patienten sichern. Als Notarzt und Mitglied des Schwerpunktes Endokrinologie und Diabetologie des Universitätsklinikums Würzburg erlaube ich mir noch einige Anmerkungen zum Thema. Wie Sie in Ihrem Artikel auch anhand des Fallbeispiels völlig korrekt vermitteln, ist die Verdachtsdiagnose einer Nebennierenkrise gerade bei nicht ansprechbaren Patienten erschwert und oftmals nur mithilfe einer adäquaten Fremdanamnese zu stellen. Bei entsprechenden klinischen Hinweisen (Hautkolorit, RR) kann die (aus gutem Grund zurückhaltend geübte) Sichtung des Geldbeutels des Patienten/der Patientin mit Auffinden eines Notfallausweises (leider gibt es hier verschiedene Exemplare), wie von Ihnen dargestellt, den notwendigen Hinweis liefern. Wie Arbeiten unserer Abteilung zeigen konnten, führt interessanterweise das Vorzeigen des Ausweises durch den Patienten selbst leider dennoch nicht zu einer zeitnahen Applikation von Cortison. In einer prospektiven Arbeit musste an 43 nebenniereninsuffizienten Patienten ein (von den Patienten berichteter) Zeitverlust von im Median 60 min vom Vorzeigen des Ausweises bis zur Applikation wahrgenommen werden [2]. Ihr Beitrag wird diese Problematik sicherlich abschwächen, dennoch bleibt zu konstatieren, dass das Patientenwohl vermutlich auch weiterhin in hohem Maße von einer guten Patienten- und Angehörigenschulung abhängen wird. Schließlich ist festzuhalten, dass mit der Applikation von 100 mg Hydrocortison i. m., wie es den Patienten häufig als „Notfallspritze“ rezeptiert und in der Anwendung erläutert wird, bereits nach ca. 11 min ein (ausreichender) Serumcortisolspiegel von > 36 µg/dl zu erreichen ist [3]. Im Übrigen handelt es sich bei genannter „Notfallspritze“ nicht um eine Fertigspritze im eigentlichen Sinn: Im optimalen Fall liegt eine Mischampulle mit 100 mg Hydrocortison vor, das vor Anwendung in Lösung zu bringen ist, dann „konventionell“ mit Nadel und Spritze aufgezogen werden muss, um dann (evtl. mit einer weiteren Nadel) appliziert werden zu können (im Notfall für viele Patienten kein einfaches Prozedere). Dabei ist selbstverständlich auch die i. v. Gabe möglich, die bei Anwesenheit von ärztlichem Personal sicherlich zu bevorzugen wäre. Auf das Mindesthaltbarkeitsdatum sollte hier jedoch geachtet werden, die Präparate sind nach unserer Erfahrung sehr häufig „abgelaufen“. Noch eine Anmerkung zum Thema iatrogene (d. h. durch längerfristige Einnahme höherer Cortisondosen herbeigeführte) Nebennierenrindeninsuffizienz (NNI): Hier gibt es sicherlich eine sehr hohe Dunkelziffer. Unseres Erachtens bedeutet dies, dass bei Hinweisen auf diese Form der NNI (Medikamentenplan!) und entsprechender Symptomatik auch ohne Vorliegen eines Notfallausweises oder entsprechende Anamnese/Vordiagnose die Anwendung von Cortison (wie von Ihnen beschrieben kann hier auch Prednisolon genutzt werden) erwogen werden sollte. Ich hoffe, mit diesen Punkten einen weiteren Beitrag im Sinne unserer Patientinnen und Patienten geleistet zu haben, und verbleibe mit den besten kollegialen Grüßen.



Publication History

Article published online:
12 August 2020

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

 
  • Literatur

  • 1 Köser A, Gruenewald M, Schulte D. et al. Die Addison-Krise im Notarztdienst oder „der Wolf im Schafspelz“. Notarzt 2020; 36: 160-172
  • 2 Burger-Stritt S, Kardonski P, Pulzer A. et al. Management of adrenal emergencies in educated patients with adrenal insufficiency-A prospective study. Clin Endocrinol (Oxf) 2018; 89: 22-29
  • 3 Hahner S, Burger-Stritt S, Allolio B. Subcutaneous hydrocortisone administration for emergency use in adrenal insufficiency. Eur J Endocrinol 2013; 169: 147-154