Key words
patellofemoral joint - knee - patella - patellofemoral instability - maltracking -
MRI
Einleitung
Die patellofemorale Instabilität (PI) beschreibt ein erhöhtes Luxations- bzw. Reluxationsrisiko
der Kniescheibe. Die PI kann nach einer stattgehabten traumatischen Patellaluxation
durch Verletzungen des patellofemoralen Halteapparats auftreten und geht mit einem
erhöhten Reluxationsrisiko einher. Alternativ gründet die PI auf einem anlagebedingten,
unphysiologischen Bewegungsablauf der Kniescheibe in seinem Gleitlager (sog. Maltracking),
was zu rezidivierenden Luxationen bzw. Subluxationen der Patella führt [1]. Die Folgeschäden der PI sind Knorpelschäden an den Gelenkflächen, die meist in
der Retropatellararthrose enden [2].
Die Inzidenz der PI wird mit 7–49 pro 100 000 Einwohner angegeben [3]. Bei den Betroffenen handelt es sich häufig um junge, sportlich aktive Frauen. Als
typische Symptome gelten der vordere Knieschmerz und die rezidivierende spontane Patellaluxation,
wobei die Patienten längere Zeit auch symptomlos bleiben können. Häufig geht der klinischen
Erstmanifestation der PI ein akutes Unfallereignis am Kniegelenk voraus [4]. Ein wichtiger klinischer Befund der PI ist das sog. „J-sign“, welches die plötzliche
Lateralisierung der Patella in kranialer Streckhaltung beschreibt [5].
Wichtig für die Diagnostik und Therapieplanung der PI ist die Kenntnis der multiplen,
häufig miteinander in Wechselwirkung stehenden anatomischen Risikofaktoren. Abhängig
vom Vorhandensein eines Maltrackings und dem Vorliegen bzw. der Kombination verschiedener
Risikofaktoren werden unterschiedliche Therapiekonzepte eingeleitet [1]. Neben der klinischen Untersuchung stellt die Bildgebung einen Grundpfeiler bei
der Diagnostik und Therapieplanung der PI dar. Sie umfasst die konventionelle Radiografie,
die Magnetresonanztomografie (MRT) und die Multidetektor-Computertomografie (MDCT).
Mit der kinematischen MRT und der 4-dimensionalen Computertomografie (4D-CT) stehen
weitere innovative Untersuchungstechniken zur Verfügung, die es ermöglichen, den Bewegungsablauf
der Patella in Echtzeit abzubilden [6]
[7]. Schließlich stellt die quantitative MRT eine vielversprechende Messmethode dar,
die es erlaubt, Knorpelschäden im Rahmen eines Maltrackings frühzeitig aufzudecken.
Anatomie und Biomechanik
Anatomie
Die Artikulation zwischen Patella und der Trochlea im PFG ist ein komplexer Bewegungsablauf,
bei dem neben den knöchernen Strukturen die Sehnen der Quadrizepsmuskulatur sowie
die Gelenkkapsel mitsamt dem ligamentären Halteapparat maßgeblich zur Stabilität beitragen.
Abweichungen dieser physiologischen Anatomie stellen die Risikofaktoren für die PI
dar. Die retropatellare Gelenkoberfläche besteht aus einer prominenten lateralen Facette,
einem medianen First und einer medialen Facette. Korrespondierend ist die Trochlea
klassischerweise „konkav“ geformt. Am Oberpol durch die Quadrizepssehne inseriert,
wird die Patella von allen 4 Muskelanteilen des Musculus quadrizeps femoris umschlossen.
Muskelfasern der Quadrizepssehne reichen bis über die vordere Oberfläche der Patella
und verbinden sich als erweiterte Extensions-Aponeurose mit der Patellasehne, welche
am tibialen Tuberkel inseriert [7]. Einer der wichtigsten statischen Stabilisatoren der Patella ist das mediale patellofemorale
Ligament (MPFL) [8]. Das MPFL verläuft nahezu horizontal zum Musculus vastus medialis obliquus (VMO)
in der Tiefe zwischen dem medialen femoralen Epikondylus und dem medialen Patellarand
[9]. Das MPFL weist eine enge anatomische Lagebeziehung mit einstrahlenden Fasern zur
Gelenkkapsel, zum medialen Kollateralband sowie zum medialen Retinaculum auf. Zudem
existieren Faserzüge zwischen dem anterioren Anteil des MPFL und der Sehne des VMO,
dem wichtigsten dynamischen Stabilisator gegen die laterale Patellatranslation [10]
[11] ([Abb. 1]).
Abb. 1 a Skizze der anatomischen Strukturen und des Verlaufs des MPFL in Aufsicht von medial.
b, c MPFL (Pfeil) mit nahezu horizontaler Orientierung der Bandfasern zum VMO (Vastus
medialis obliquus) mit Ursprung am medialen femoralen Epikondylus (*) und Ansatz am
medialen Patellarand (Pfeilspitze). LP = Lig. Patellae.
Biomechanik
Während der physiologischen Kniebeugung durchläuft die Patella ein Herabgleiten in
der Trochlea begleitet von einer mediolateralen Translation. In voller Extension steht
die Patella noch proximal des Sulcus trochleae. Bei beginnender Beugung (0–40°) steht
nur der distale Anteil der Patella mit dem proximalen Anteil der Trochlea in Kontakt.
In dieser Phase der Bewegung ist maßgeblich das MPFL an der Stabilisierung der Patella
beteiligt und verhindert eine Dislokation nach lateral [12]. Bei Beugung > 40° gewinnt die Trochlea-Morphologie zunehmend an Bedeutung, da die
Patella nun weiter in den Sulcus trochleae eingleitet.
Ab einer Flexion von 60° besitzen dann auch die muskulären Strukturen, allen voran
der VMO, eine stabilisierende Funktion, die Patella während Flexion im trochlearen
Sulkus zu zentralisieren.
Stabilität und Instabilität
Stabilität und Instabilität
Die Stabilität des PFG wird als „Führung der Patella innerhalb des trochlearen Sulkus“
beschrieben, welche durch passives Weichteilgewebe, die knöcherne Geometrie und aktive
Muskelkontraktion während Knieflexion und -extension gewährleistet wird. Die PI definiert
den Verlust der Führung (Patholaxizität), wenn die Patella ihre physiologische Position
durch verdrängende Krafteinwirkung, partiell oder komplett, verlässt. Solche Kräfte
können durch muskuläre Spannung, Bewegung oder äußere Krafteinwirkung erzeugt werden.
Zu den unterstützenden Faktoren der patellofemoralen Stabilität zählen das intakte
mediale und laterale Retinaculum, eine physiologische Gelenkform von Patella und Trochlea
sowie die Patellahöhe. Weiterhin bildet der M. quadrizeps femoris eine wichtige aktive
Stabilität, insbesondere wirkt der VMO der Patellalateralisierung bei Flexion entgegen
[9]. Ein gängiges Untersuchungstool zur klinischen Beurteilung des M. quadrizeps femoris
hinsichtlich eines vorhandenen Maltrackings bietet die Messung des Q-Winkels (Quadrizepswinkels)
in 25°-Flexion. Gemessen wird der Winkel zwischen 2 sich kreuzenden Linien; Spina
iliaca anterior superior – Patellazentrum sowie Patellazentrum – Tuberositas tibiae.
Werte > 20–25° gelten hierbei als relevanter pathologischer Faktor bezüglich einer
PI [13].
Ein Hauptstabilisator im patellofemoralen Gelenk bildet das MPFL. In einem MPFL-insuffizienten
Knie reduziert sich die zu benötigende Kraft zur patellaren lateralen Translation
um 50 % in Extensionsstellung und erhöht somit entscheidend das Risiko einer lateralen
PI. Weitere Risikofaktoren, wie eine Patella alta, femorotibiale Torsionsdeformitäten,
ein erhöhter TT-TG Abstand oder eine Trochleadysplasie, tragen ebenfalls zur PI bei
[3]
[14]. In Anbetracht der o. g. Faktoren, welche alle in Wechselwirkung eine Instabilität
im PFG beeinflussen können, wird deutlich, dass die PI meist auf einer multifaktoriellen
Genese basiert. Auch die Ausprägung der einzelnen Faktoren im Rahmen der PI kann individuell
stark variieren [15]. Es ist daher wichtig, diese anatomischen Parameter mithilfe der radiologischen
Diagnostik zu erfassen und wenn möglich zu quantifizieren, da ihr Vorliegen und ihre
Ausprägung Einfluss auf die Wahl der optimalen Therapie haben [16]. Im Folgenden werden die wichtigsten Risikofaktoren sowie deren Klassifikation und
Bedeutung dargestellt ([Tab. 1]).
Tab. 1
Übersicht der Risikofaktoren der patellofemoralen Instabilität.
|
Risikofaktoren
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Trochleadysplasie
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|
erhöhter TT-TG-Abstand
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Strukturdefekt des MPFL
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-
entscheidender Stabilisator des PFG
-
Verlauf im tiefen Anteil des medialen Retinaculums
-
häufigste verletzte Bandstruktur nach Patellaluxation
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|
Patella alta
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-
Insall-Salvati-Index (ISI) Range: 0,8–1,2
-
Caton-Deschamps-Index (CDI) Range: 0,6–1,2
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Genu valgum
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pathologisch: Achsenabweichung von der Mikulicz-Linie > 10 mm nach lateral bzw. valgische
Beinachse von > 5°
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pathologische Torsionswinkel der Beinachse
|
physiologische Torsionswinkel nach Strecker et al.:
-
femorale Innentorsion: 24,1 ± 17,4°
-
tibiale Außentorsion: 34,9 ± 15,9°
|
Risikofaktoren
Trochleadysplasie
Die Trochleadysplasie (TD) wird als wichtigster kongenitaler Risikofaktor zur Entstehung
einer PI betrachtet [17]. Charakteristikum der TD ist eine abgeflachte medialisierte Trochlea, welche jedoch
nicht die anteroposteriore Höhe der Kondylen betrifft. In Folge gewährt der Sulcus
trochlearis keine ausreichende Führung der Patella. Zudem flacht die Steigung der
lateralen Trochleafacette (sog. lateraler Slope) ab, die Trochlea ist dann oft nicht
nur vermindert konkav, sondern häufig flach oder gar konvex konfiguriert. Nach Dejour
et al. werden 4 verschiedene Trochleadysplasien unterschieden, welche als prädisponierender
Risikofaktor für eine PI angesehen werden [18]. Beim Typ A handelt es sich um eine niedriggradige Form der Dysplasie mit lediglich
Abflachung des Trochleawinkels (> 145°). Höhergradige Dysplasien stellen die Typen
B-D dar. Die Typ-B-Dysplasie ist durch eine abgeflachte Trochlea mit einem prominenten
supratrochlearen Sporn („spur“) bzw. einer Ausbuchtung („bump“) der Gelenkfläche charakterisiert.
Typ C präsentiert eine Abflachung der Trochlea mit Hypoplasie der medialen und Konvexität
der lateralen Gelenkfacette. Schließlich stellt Typ D mit kompletter Abflachung der
Trochlea und abrupter Einsenkung der medialen Facette (sog. Cliff-Zeichen) die Maximalform
der Trochleadysplasie nach Dejour dar [18] ([Abb. 2]).
Abb. 2 Trochleadysplasien nach Dejour in axialer Aufsicht. a Dysplasie Typ A, Abflachung der Trochlea (Sulkuswinkel > 145°), aber erhaltene Konkavität
(Pfeil). b Dysplasie Typ B, laterale Facette flach bis konvex konfiguriert, ggf. mit supratrochlearer
Erhebung (sog. „spur“ oder „bump“; Pfeil). c Dysplasie Typ C, Trochlea lateral konvex und medial hypoplastisch (Pfeil). d Dysplasie Typ D, komplette Abflachung der Trochlea mit abrupter Einsenkung der medialen
Facette (sog. Cliff-Zeichen; Pfeile).
Neben der Kategorisierung nach Dejour existiert eine Vielzahl geometrischer Messtechniken,
die zur Diagnostik der Trochleadysplasie eingesetzt werden können. Als gebräuchlichste
Verfahren haben sich die Bestimmung der Trochleatiefe (oder der Sulkuswinkel), der
Trochleafacetten-Asymmetrie sowie der lateralen trochlearen Inklinationswinkel etabliert
[19]. Zur Durchführung der Messungen in der MRT wird die Auswahl einer Schichtebene ca.
3 cm oberhalb der Gelenklinie empfohlen, wobei dieser anatomische Referenzpunkt durch
unterschiedliche Größe des Kniegelenks bei Patienten individuell variieren kann. In
jedem Fall sollte die gesamte trochleare Gelenkfacette mit Knorpel überzogen sein.
Zur Ermittlung der lateralen trochlearen Inklination wird der Winkel zwischen dem
subchondralen Knochen der lateralen Trochleafacette und einer Tangente entlang der
Hinterkante der Femurkondylen vermessen. Hierbei gelten Winkel < 11° als pathologisch.
Die Errechnung der Trochleafacetten-Asymmetrie ergibt sich aus der Ratio der Breite
der medialen zur lateralen Trochleafacette (Normwert > 40 %). Die Trochleatiefe wird
als Distanz von der Knorpeloberfläche bis zum tiefsten Punkt des Sulkus definiert
(Normwert > 3 mm) ([Abb. 3], [4]). Als weitere Ursache für eine TD gilt die ossäre Patellaform (Wiberg-Klassifikation
A-C), welche anhand der Konfiguration der lateralen und medialen Gelenkfacette unterteilt
wird. Sowohl Typ A (mediale und laterale Facette gleichlang sowie konkav) als auch
Typ B (abgeflachte medial leicht verkürzte Facette) gelten als nicht pathologische
Formen der Patella, wohingegen eine konvex konfigurierte, verkürzte mediale Gelenkfacette
(Wiberg-Typ C) als Risikofaktor für die Entwicklung einer patellofemoralen Instabilität
angesehen wird [20]. Als weiterer „patellarer“ Risikofaktor für eine PI und Folge eine TD wird ein pathologisch
erhöhter Patella-Tilt festgestellt (Winkel zwischen Femurkondylenhinterkante sowie
Patellaachse in axialer Ebene) ([Tab. 2]) [51].
Abb. 3 Messparameter zur Trochleamorphologie. (I) Laterale Trochleainklination: Winkel (°),
gemessen zwischen einer Linie entlang des subchondralen Knochens der lateralen Trochlea
a und der dorsalen Femurkondylenebene b. Grenzwert < 11°. (II) Trochleafacetten-Asymmetrie und Trochleatiefe. Trochleafacetten-Asymmetrie:
Verhältnis der Länge der medialen Trochleafacette d geteilt durch die Länge der lateralen Trochleafacette c in Prozent = d/c – 100 %. Normwert > 40 %. Trochleatiefe: Vom Mittelwert der Abstände
der lateralen e und medialen g Trochleafacette zur dorsalen Femurkondylenebene wird der Abstand des Sulkus f subtrahiert = (e + g)/2 – f. Normwert > 3 mm.
Abb. 4 16-jährige Patientin mit Patellainstabilität und rezidivierenden Patellaluxationen
beidseits. a Das MRT nach spontaner Patellaluxation zeigt eine Subluxationsfehlstellung der Patella
nach lateral mit einem postkontusionellen Ödem in der lateralen Femurkondyle (*).
Zudem Ruptur des MPFL (Pfeil) und des lateralen Retinaculums (gestrichelter Pfeil).
Zeichen einer Trochleadysplasie (Typ B nach Dejour) im Röntgen b und MRT d, e mit abgeflachter lateraler Trochleainklination (7°) und verminderter Trochleatiefe
(2 mm). Entscheidung zur operativen Therapie mit Durchführung einer Trochleaplastik
mit Medialisierung der Tuberositas tibiae und MPFL-Augmentation mittels autologer
Gracilissehne (postoperative Röntgenkontrolle c, f).
Tab. 2
Patella Instability Severity Score (PISS) nach Balcarek et al. 2014.
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Risikofaktoren
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Punkte
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Alter
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|
|
0
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|
1
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bilaterale Instabilität
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|
0
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|
1
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Trochleadysplasie
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|
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0
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|
1
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|
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2
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|
Patellahöhe
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|
|
0
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|
|
1
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|
TT-TG-Abstand (mm)
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|
|
|
0
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|
|
1
|
|
Patella-Tilt (°)
|
|
|
|
0
|
|
|
1
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|
maximale Punktzahl
|
7
|
Eine seltene Form der angeborenen ossären Dysplasie umschreibt das Patella-Nail-Syndrom,
welches in der Regel mit einer schweren patellofemoralen Instabilität einhergeht.
Pathognomonische Veränderungen dieser Erkrankung umfassen die Tetrade aus Dysplasien
der Patella, der Fingernägel, des Radiusköpfchens und typische Exostosen am Os ilium
(„iliac horns“). Charakteristische Befunde am PFG sind eine dysplastische und lateralisierte
Patella sowie eine Dysplasie des femoralen Gleitlagers, wobei hier der laterale Femurkondylus
häufig das patellare Gleitlager darstellt. Mithilfe der MRT lassen sich häufig bereits
zum Zeitpunkt der Diagnosestellung Knorpelschäden feststellen ([Abb. 5]).
Abb. 5 19-jähriger Patient mit gesichertem Patella-Nail-Syndrom und chronischer Patellainstabilität
beidseits. Die transversalen CT-Schichten a, b sowie die 3D-Rekonstruktion c zeigen den Befund einer Trochleadysplasie links (Dejour C). Der Trochleasulkus ist
stark abgeflacht und die Patella artikuliert weit lateralisiert mit dem lateralen
Femurkondylus. In der fettgesättigten protonengewichteten MRT-Sequenz finden sich
Substanzminderungen und Signalveränderungen des Knorpels an der lateralen retropatellaren
Gelenkfacette (Pfeil), die auf eine beginnende Chondropathie hinweisen d.
Mediales patellofemorales Ligament (MPFL)
Die Verletzung des medialen Retinaculums ist die häufigste Pathomorphologie nach einer
Patellaluxation. In fast allen Fällen ist das MPFL mitbetroffen [15]. Aktuelle Arbeiten belegen die patellare Insertion als die häufigste Lokalisation
(50–90 %) [21]. Das MPFL gilt als der wichtigste passive Stabilisator gegen die laterale Translation
in strecknahen Beugegraden, sodass ein struktureller Defekt des MPFL häufig zu einer
Hypermobilität der Patella führt. Folglich sollten MPFL-Verletzungen, abhängig vom
Reluxationsrisiko, operativ versorgt werden, um eine zukünftige PI zu vermeiden [8]
[12] ([Abb. 6]).
Abb. 6 30-jährige Patientin mit traumatischer Patellaluxation. a In der konventionellen Röntgenuntersuchung der Patella zeigt sich eine Subluxationsfehlstellung
der Patella nach lateral. Zudem findet sich eine kleine knöcherne Avulsion medialseitig
der Patella (Pfeil). b In der MRT (PD-Wichtung mit FS transversal) bestätigte sich der Verdacht der MPFL-Ruptur
mit knöcherner Avulsion (Pfeil). c, d Regelrechter postoperativer Befund in der Röntgenkontrolle nach ASK mit Bergung des
freien Gelenkkörpers sowie MPFL-Plastik mittels Gracilistransplantat.
Patella alta
Als relativer anatomischer Risikofaktor für die Entwicklung einer PI wird der Patellahochstand
aufgeführt [17]
[22]. Im physiologischen Zustand taucht die Patella bei zunehmender Beugung in den trochlearen
Sulkus ein und wird durch diesen stabilisiert. Ist der Abstand pathologisch erweitert,
tritt der Kontakt der Gelenkfacetten verspätet ein und verringert somit die knöcherne
Führung. Eine einfache Möglichkeit der Höhenbestimmung der Patella bietet die laterale
Röntgenaufnahme des Knies bei ca. 30°-Flexion. Mit dem Insall-Salvati-Index (ISI)
und dem Caton-Deschamps-Index (CDI) existieren 2 etablierte Messmethoden. Der ISI
bildet das Verhältnis aus der Länge der Patellasehne und dem längsten sagittalen Durchmesser
der Patella [23]. Der CDI bildet das Verhältnis zwischen der Länge der retropatellaren Gelenkfläche
und dem Abstand zwischen der kaudalen Patellaspitze und der anterioren tibialen Gelenkfläche.
Bei beiden Messmethoden wird die Patella alta mit einer Ratio > 1,2 definiert.
TT-TG Abstand
Ist die Tuberositas tibiae (TT) als Ansatzpunkt der Patellasehne im Vergleich zum
Sulkus der Trochlea (Trochlear groove, TG) lateralisiert, so besteht ein Kraftvektor
nach außen, wodurch eine PI begünstigt wird. Der TT-TG-Abstand stellt eine einfache,
reproduzierbare Methode zur Bestimmung des Valgusstresses (Lateralisierung) auf die
Patella dar. Gemessen wird der Abstand vom tiefsten Punkt des trochlearen Sulkus zum
Mittelpunkt der Tuberositas tibiae (TT) auf den axialen Schichten einer Schnittbildgebung.
Beide anatomischen Messpunkte werden auf eine 90°-Tangente zur Femurkondylenhinterkante
projiziert. Der Abstand zwischen beiden Linien repräsentiert den TT-TG-Abstand. Physiologische
TT-TG-Werte sind < 15 mm. Werte von ≥ 16 mm in Verbindung mit einem Maltracking sowie
Distanzen > 20 mm gelten als pathologisch und es besteht eine Indikation zum operativen
Tuberositas-Versatz [17]
[24] ([Abb. 7]). Seit einigen Jahren findet auch die Bestimmung des TT-PCL (Tuberositas Tibiae
– Posterior Crucial Ligament) -Abstandes vermehrt Anwendung im klinischen Bereich,
da jener im Gegensatz zum TT-TG-Abstand beugungsunabhängig messbar ist [25].
Abb. 7 17-jähriger Patient mit Z. n. rezidivierenden Patellaluxationen beim Fußballspielen.
a Im Röntgenbild Nachweis knöcherner Avulsionen an der Patella medialseitig (Pfeil).
b–d In der MRT-Untersuchung (PD-Wichtung mit FS, transversal) Nachweis einer Ruptur des
MPFL (*). Der ermittelte TT-TG-Abstand ist mit 24 mm pathologisch erhöht c, d. Entschluss zur Durchführung einer offenen chirurgischen MPFL-Plastik (autogene Gracilissehne)
sowie einer medialisierenden Tuberositasosteotomie nach Elmslie (8 mm) mit regelrechtem
Befund in der postoperativen Kontrolle e, f.
Genu valgum
Auch das Genu valgum wird als Risikofaktor für eine patellofemorale Instabilität aufgeführt
[26]. Hierbei kommt es durch ein Valgus-Alignment der Beinachse zu einer Lateralisierung
der Patella sowie zu einem veränderten Patellatilt. In biomechanischen Untersuchungen
konnte zudem gezeigt werden, dass eine Valgus-Deformität der Beinachse einen signifikanten
Einfluss auf das Patellatracking hat. Hierbei wird eine valgische Beinachse von > 5°
bzw. eine Lateralisierung der Beinachse > 10 mm von der Mikulicz-Linie in Kombination
mit entsprechenden klinischen Beschwerden als chirurgisch behandlungswürdige Valgusdeformität
diskutiert [27].
Torsionsdeformitäten
Die Torsionsdeformität ist als weiterer Risikofaktor für eine PI beschrieben. Der
Begriff für die typische Fehlstellung – das „inwardly pointing knee“ – wurde durch
Cooke et al. 1990 erstmals beschrieben [28]. Bei ca. 12 % aller Patienten mit einem Maltracking konnte eine Torsionsabweichung
als Ursache nachgewiesen werden. Als Normwerte für die femorale Torsion wird in der
Literatur eine Innentorsion von 24,1° (± 17,4°) und für die Tibia eine Außentorsion
von 34,9° (± 15,9°) beschrieben [29]. Exakte Werte, ab wann Torsionsabweichungen durch eine operative Korrektur behoben
werden sollten, sind in der Literatur bislang nicht definiert. Diskutiert werden bei
entsprechender klinischer Symptomatik Torsionsabweichungen ab 10° oder mehr [29] ([Abb. 8]).
Abb. 8 29-jährige Patientin mit starken linksseitigen Knieschmerzen bei bekannter patellofemoraler
Instabilität und rezidivierenden Patellaluxationen. a Die MRT-Untersuchung des Kniegelenks zeigt eine regelrechte Stellung der Patella
mit unauffälligem Knorpelbefund. b In der Patella-Zielaufnahme zeigt sich eine Torsionsdeformität mit Überlagerung der
Tibia und der Femurkondylen. c In der CT zur Torsionswinkelbestimmung zeigt sich eine pathologisch erhöhte Außentorsion
der Tibiae beidseits, rechts mit einem Winkel von 56° und links von 51°. Bei ausschließlicher
linksseitiger Symptomatik Entschluss zur unilateralen Korrektur-Operation. Durchführung
einer Innentorsionsosteotomie der Tibia (proximal der Tuberositas tibiae) mit einer
winkelstabilen Platte sowie einer MPFL-Plastik mit ipsilateraler autologer Gracilissehne.
Regelrechter postoperativer Befund in der Röntgenkontrolle d.
Patellar Instability Severity Score (PISS)
Patellar Instability Severity Score (PISS)
Abhängig von anatomischen und demografischen Risikofaktoren, die der Patient präsentiert,
kann das Rezidivrisiko nach erstmaliger Patellaluxation erheblich variieren. Entsprechend
kann der voraussichtliche Erfolg konservativer oder operativer Behandlungsansätze
maßgeblich von der Kombination verschiedener Faktoren abhängig sein [52]. Prädiktive Scoring-Systeme wie der Patella Instability Severity (PISS) Score sind
hilfreiche klinische Tools, die auf Grundlage vorliegender Risikofaktoren eine Einschätzung
des Reluxationsrisikos nach erstmaliger Patellaluxation erlauben. Für den PIS-Score
werden das Patientenalter, bilaterale Instabilitäten, Trochleadysplasie, TT-TG, Patella
Tilt und Patellahöhe berücksichtigt und in Abhängigkeit ihrer Ausprägung in einem
Punktesystem summiert. Ein Punktewert von ≥ 4 Punkten geht demnach mit einem bis zu
5-fach erhöhten Reluxationsrisiko einher ([Tab. 2]) [53].
Therapiemöglichkeiten
Zur Unterstützung eines ganzheitlichen, strukturierten Therapieablaufs kann die Klassifikation
zur Unterscheidung von PI und/oder dem Vorliegen eines Maltrackings in einzelne Subtypen
nach Frosch et al. herangezogen werden [30]. Zu berücksichtigen ist, dass die PI und das Maltracking zwar sich beeinflussende,
aber dennoch unterschiedliche Pathologien darstellen, die auch in der Therapie differenziert
betrachtet werden sollten. Bereits nach erstmaliger Patellaluxation ist aufgrund des
hohen Risikos einer Reluxation und der oftmals begleitenden chondralen Folgeschäden
eine operative Therapie der zugrunde liegenden Pathologie indiziert. Neben der Refixierung
bzw. Bergung abgescherter Knorpel- oder Knorpel-Knochen-Fragmente ist die Rekonstruktion
des MPFL ein häufig gewählter Therapieansatz. Hierdurch kann die PI (nicht jedoch
das Maltracking) therapiert und eine erneute Luxation der Patella verhindert werden.
Ein ggf. vorliegendes Maltracking hingegen hat meist knöcherne Ursachen und bedarf
der sorgfältigen Analyse. Bei pathologischem TT-TG-Abstand kann als therapeutische
Option mithilfe der Tuberositasosteotomie sowohl die Distanz des TT-TG als auch die
Patellahöhe beeinflusst werden [31]. Maßgeblich ist hierbei eine „Normalisierung des TT-TG“, wobei eine Überkorrektur
unbedingt vermieden werden sollte. Bei nicht abgeschlossenem Längenwachstum und offenen
Epiphysenfugen kann ein weichteiliger Versatz des Patellasehnenansatzes angestrebt
werden [31]. Bei Patienten mit chronischer PI liegt in bis zu 96 % der Fälle eine Trochleadysplasie
vor [32]. Während bei Patienten mit einer leichtgradigen Dysplasieform (Dejour-Typ A) meist
eine Therapie mittels MPFL-Plastik ausreicht, wird bei den schwereren Dysplasieformen
(Typ B–D) häufig zusätzlich eine Trochleaplastik notwendig [31]
[33].
Wenn eine Achsdeformität in Form eines Genu valgum oder eine Torsionsdeformität als
Ursache einer PI vorliegt, stellen Umstellungsosteotomien die Methode der Wahl dar
[31]. Als validiertes Verfahren bei der Behandlung eines symptomatischen Genu valgum
beim ausgewachsenen Patienten hat sich die distale Femurosteotomie bewiesen [27] ([Abb. 9]). Hier ist allerdings zu beachten, dass die knöcherne Deformität nicht immer im
Femur, sondern in bis zu 20 % der Fälle in der Tibia zu finden ist. Dies würde dann
folglich auch eine tibiale Achskorrektur zur Folge haben. Eine exakte planerische
Analyse der Beingeometrie ist deshalb präoperativ unabdingbar.
Abb. 9 24-jähriger Patient mit Zustand nach MPFL-Augmentation extern bei habitueller Patellaluxation
vor ca. 8 Jahren. Vorstellung mit persistierenden Beschwerden im rechten Kniegelenk.
Die Ganzbein-Röntgenaufnahme zeigt eine Genu-valgum-Fehlstellung mit Verlauf der Mikulicz-Linie
ca. 25 mm lateral des Kniegelenkzentrums a. In der MRT Nachweis einer Subluxationsfehlstellung der Patella mit Chondropathie
des retropatellaren Gelenkknorpels (Pfeil) b. Die sagittale T1-Wichtung der MRT zeigt einen Patellahochstand mit einem Caton-Deschamps-Index
(CDI) von 1,3 c. Zudem erhöhter TT-TG-Abstand (23 mm). Daraufhin Durchführung einer MPFL-Re-Plastik
mit lateraler Open-wedge-Femurosteotomie bei pathologischer Beinlängendifferenz (rechts
< links) sowie medialisierender Tuberositasosteotomie. Postoperative konventionelle
Bildgebung mit vollständiger Aufhebung des vormaligen Genu valgum d, jedoch Nachweis einer Lockerung der Tuberositasosteotomie (Pfeilspitzen) bei mangelnder
Compliance (verfrühte Belastung) e. Erneute Kontrolle nach Revision mit regelrechter Lage der Osteosyntheseplatte an
der Tuberositas f und achsengerechter Position der Patella im Gleitlager g. Anmerkung: Aufgrund des fortgeschrittenen Knorpelschadens wurde von einer Tuberositas-Distalisierung
Abstand genommen.
Bildgebende Diagnostik
Konventionelle Röntgendiagnostik
Traditionell stellen die konventionelle Röntgenuntersuchung des Kniegelenks in 2 Ebenen
(a. p. und seitlicher Strahlengang) und eine axiale Patellazielaufnahme (jeweils in
30–45 %-Flexion) zum Frakturausschluss das Standardverfahren in der Bildgebung dar.
Allerdings konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass die Beurteilung hinsichtlich
der anatomischen Risikofaktoren aufgrund nicht exakt durchgeführter Aufnahmeeinstellungen
limitiert ist [34]. So können Torsionsdeformitäten in einer nicht streng seitlich eingestellten Röntgenaufnahme
oder eine Flexion > 45° in der axialen Zielaufnahme Trochleadysplasien maskieren oder
vortäuschen [34]. Folglich wird die konventionelle Bildgebung, insbesondere der präoperativen Planung,
zunehmend durch die Schnittbildverfahren wie CT und MRT ergänzt.
Im Rahmen der Diagnostik des Genu valgum wird die anterior-posteriore nativradiologische
Ganzbeinstandaufnahme genutzt. Die häufigste Indikation für Ganzbeinaufnahmen ist
die Achsbestimmung der unteren Extremität in der Koronarebene vor operativer Korrektur
der Beinachse [35]. Hierzu wird eine Abweichung der Beinachse von der physiologischen Tragachse des
Kniegelenks (Mikulicz-Linie; Verbindungslinie zwischen Zentrum des Femurkopfes und
Zentrum des OSG mit Verlauf 4 ± 2 mm medial des Kniegelenkzentrums) registriert ([Abb. 10]). Zur weiteren Analyse einer aufgrund einer Achsfehlstellung vorliegender Deformität
können weitere sog. Gelenkwinkel (z. B. mechanischer lateraler distaler Femurwinkel
(mLDFW) ect.) bestimmt werden. Im postoperativen Verlauf kann die Lage des Osteosynthesesmaterials
hinsichtlich eines Materialdefekts oder einer Materiallockerung kontrolliert werden
([Abb. 9]). Als essenzielles Qualitätsmerkmal bei der Anfertigung einer Ganzbeinaufnahme ist
auf die Zentrierung der Patellae zwischen den Femurkondylen sowie eine strenge Streckhaltung
im Kniegelenk zu achten, was für gewöhnlich mit einer Außenrotationsstellung der Füße
von 8–10° einhergeht [54].
Abb. 10 Ganzbeinaufnahmen (jeweils rechts) zur Ermittlung der Beinachse: a Patient mit normaler mechanischer Beinachse (Mikulicz-Linie verläuft durch das Kniegelenkzentrum).
b junge Patientin mit einer pathologischen valgischen Beinachse (Lateralisierng der
Mikulicz-Linie 25 mm vom Kniegelenkzentrum). cPatient mit fortgeschrittener Gonarthrose und einer varischen Beinachse (Medialisierung
der Mikulicz-Linie 38 mm vom Kniegelenkzentrum).
MDCT
Das Multi-Detektor-CT (MDCT) ist eine etablierte Untersuchungsmodalität, welche v. a.
eine Charakterisierung der Knochenstruktur und eine detailliertere Beurteilung knöcherner
Verletzungsmuster ermöglicht. MDCT besitzt einen hohen Stellenwert hinsichtlich der
Diagnostik und Therapieplanung von Rotations- und ossären Torsionsdeformitäten. Durch
Anfertigung selektiver axialer CT-Schichten auf Höhe der Hüfte, Knie- und Sprunggelenke
gelingt eine relativ einfache und dosisreduzierte Diagnostik zur Vermessung einer
Torsionsdeformität. Zur Bestimmung des femoralen Anteversionswinkels wird der Winkel
zwischen dem Zentrum des Hüftkopfes und dem Zentrum einer Ellipse um den Trochanter
major gemessen [36]. Der tibiale Torsionswinkel beschreibt den Winkel zwischen einer dorsal des proximalen
Tibiaplateaus gezogenen Linie und der axialen Querachse der distalen Malleolengabel
([Abb. 8]). Die Messmethode ist äquivalent auch mithilfe der MRT möglich und sollte, wenn
möglich, bei jungen Patienten als strahlungsfreie Alternative angewandt werden [37].
MRT
Heutzutage wird die MRT in der Bildgebung als validiertes Verfahren für die Diagnosestellung
und Charakterisierung der PI angesehen [21]. Sie ermöglicht eine präzise Evaluation des Verletzungsumfangs nach stattgehabter
patellofemoraler Dislokation. Ein klarer Vorteil besteht darin, Begleitverletzungen,
allen voran des MPFL und des Gelenkknorpels, darzustellen [21]
[38]. Ein patellofemorales Maltracking kann zudem durch Einklemmungen bzw. Fehlbelastungen
zu Flüssigkeitseinlagerungen im umliegenden Weichgewebe führen. So kann eine Ödembildung
im superolateralen Hoffa-Fettkörper indirekt auf ein Maltracking hinweisen [39].
Bei der Beurteilung des Schweregrads einer Trochleadysplasie bietet die MRT eine höhere
Interobserver-Übereinstimmung im Vergleich zur konventionellen Röntgendiagnostik [40]
[41]. Für die Unterscheidung von leichtgradigen Dysplasien (Typ A nach Dejour) und den
höhergradigen Dysplasieformen (Typ B-D), die häufig eine OP-Indikation darstellen,
kann mit der MRT eine Interobserver-Übereinstimmung von über 90 % erzielt werden [38]. Hierbei kann die zusätzliche Ermittlung quantitativer Messungen (Sulkuswinkel,
Trochleatiefe, Trochleainklination und Trochleafacetten-Asymmetrie) den Untersucher
bei der Differenzierung der Schweregrade unterstützen [38].
Die MRT wird heute als die Methode der Wahl zur Bestimmung der TT-TG-Distanz angesehen.
Im Vergleich zur CT konnten in der MRT ähnlich hohe Reproduzierbarkeiten der TT-TG-Distanzmessungen
nachgewiesen werden [37]. Allerdings muss bei einem intermodalen Vergleich berücksichtigt werden, dass Abweichungen
des TT-TG-Abstands abhängig vom Beugungsgrad bei der Lagerung des Kniegelenks in der
MR-Spule bestehen. Wenn möglich ist hierbei auf eine maximale Streckhaltung im Kniegelenk
zu achten, da aktuelle Arbeiten eine Verringerung der TT-TG-Werte bei erhöhtem Beugungsgrad
beschreiben [15]
[24].
Ein weiterer Vorteil der MRT gegenüber dem konventionellen Röntgen und der CT ist
die Möglichkeit der Beurteilung des Gelenkknorpels und hierdurch der „wahren“ geometrischen
Gelenkkonfiguration [6]. Knorpelschäden im PFG gelten als eine der häufigsten Komplikationen der PI [15]. Neben strukturellen Defekten konnten T2-Signalanhebungen an der lateralen Gelenkfacette
als mögliche frühe degenerative Knorpelveränderungen bei Patienten mit einer PI nachgewiesen
werden [42]. Neben den morphologischen Sequenzen wurden in den letzten Jahren auch quantitative
MR-Untersuchungstechniken im Knorpelgewebe des PFG untersucht [43]
[55]. Es konnten Zusammenhänge zwischen veränderten T2 / T1rho-Relaxationszeiten und
patellofemoralem Maltracking nachgewiesen werden [43]
[44]. Ziel dieser Untersuchungsform ist die Aufdeckung initialer degenerativer Knorpelveränderungen
infolge eines patellofemoralen Maltrackings ([Abb. 11]). Zukünftige Studien müssen zeigen, welchen Stellenwert die quantitative MRT besitzt,
um Knorpelveränderungen im prä- und postoperativen Verlauf (z. B. nach MPFL-Plastik)
bei Patienten mit einer PI zu kontrollieren.
Abb. 11 MRT-Aufnahmen einer 20-jährigen Patientin mit patellofemoraler Instabilität bei Vorliegen
einer Trochleadysplasie (Typ C nach Dejour) und erhöhtem TT-TG-Abstand (23 mm). Die
protonengewichtete MRT a zeigt einen morphologisch intakten Gelenkknorpel ohne Substanzdefekte. In den quantitativen
T1rho- b und T2*-Messungen c fallen pathologisch erhöhte Relaxationszeiten auf, insbesondere an der trochlearen
Gelenkfläche, die auf mögliche frühe degenerative Veränderungen im Knorpel hinweisen.
Kinematik-Bildgebung
Sowohl die kinematische MRT als auch die 4D-CT (4D-Computertomografie) ermöglichen
eine Beurteilung des Bewegungsablaufs peripherer Gelenke [45]
[46]. Hierzu werden Bilddaten während der Flexion-Extension-Bewegung in hoher zeitlicher
Auflösung akquiriert. Die erste kinematische MRT zur dynamischen Darstellung des PFG
gelang Shelock et al. im Jahr 1988 [45]. Durch Akquisition sequenzieller axialer Bilder während passiver Knieflexion konnte
eine MR-tomografische Visualisierung des Maltrackings erreicht werden. Im Jahr 2000
beschrieben McNally et al. eine dynamische Echtzeituntersuchung des PFG im MRT unter
Nutzung eines aufblasbaren Plastikballons, welcher unter aktiver Knieextension kontinuierlich
deflatiert wurde [47]. In aktuellen Machbarkeitsstudien zur kinematischen MRT unter physiologischer Kniebeugung
und -streckung konnte der klinische Nutzen der dynamischen Bildgebung zur Evaluation
des patellofemoralen Maltrackings aufgezeigt werden [48]
[49]. So wurden mithilfe der Kinematik signifikante Unterschiede der mediolateralen Translation
der Patella zwischen gesunden Probanden und Patienten mit einem Maltracking nachgewiesen.
Weiter konnten mithilfe der Untersuchungstechnik die Einflüsse der anatomischen Risikofaktoren
bei physiologischer Bewegung und Muskelkontraktion auf das Maltracking aufgezeigt
werden [45]
[56].
Darüber hinaus stellt die kinematische MRT eine robuste und objektive Untersuchungsmethode
dar, um den Therapieerfolg einer Operation zu evaluieren ([Video 1, 2]). Auch hinsichtlich eines rezidivierenden Maltrackings, welches in den meisten Fällen
zunächst klinisch asymptomatisch verläuft, stellt die dynamischen Bildgebung zum jetzigen
Zeitpunkt die sensitivste Untersuchungstechnik dar [49]
[50].
Dennoch bleibt zu berücksichtigen, dass, obwohl ein Großteil der Fälle des Maltrackings
allein mithilfe der kinematischen Bildgebung diagnostiziert werden kann, die konventionelle
MRT zur Bestimmung objektiver radiologischer Messungen (z. B. TT-TG-Abstand, Torsionswinkel,
TD) als Basisdiagnostik stets durchgeführt werden sollte [49]. Auch finden zum jetzigen Zeitpunkt (noch) keine standardisierten Untersuchungsbedingungen
und etablierten Auswertekriterien für eine bildgebende Kinematik-Untersuchung des
Kniegelenks Zugang in die radiologische/klinische Routinediagnostik.
Zusammenfassung
Zur Abklärung der patellofemoralen Instabilität und der prädisponierenden anatomischen
Ursachen stellt die MRT heute die Methode der Wahl dar. Neben der genauen Darstellung
und Quantifizierung der anatomischen Risikofaktoren ermöglicht die MRT begleitende
strukturelle Verletzungen sowie Folgeschäden des Maltrackings, z. B. am Gelenkknorpel,
aufzudecken. Komplementierend zur MRT findet die MDCT Einsatz bei der Beurteilung
knöcherner Strukturen.
Mithilfe moderner kinematischer Untersuchungstechniken im MRT und CT kann der Bewegungsablauf
der Patella in Echtzeit dargestellt werden. Dynamische Untersuchungen erweisen einen
diagnostischen Mehrwert, indem sie das patellofemorale Maltracking präzise und zeitaufgelöst
visualisieren und Einflussfaktoren wie z. B. die Quadrizepskontraktur während der
Bewegung berücksichtigt werden können.
Insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen mehrerer Risikofaktoren hilft der radiologische
Befund, die dominante, ursächliche Pathologie der patellofemoralen Instabilität aufzudecken,
und stellt somit einen wichtigen Baustein für die weitere Therapieplanung dar.
Video 1 Zeitlich hochaufgelöste Multi-Slice-GRE-Sequenz einer 20-jährigen Patientin mit patellofemoralem
Maltracking bei pathologisch erhöhtem TT-TG-Abstand (21 mm), Vorliegen einer Trochleadysplasie
Typ C und Insuffizienz des medialen Haltebandapparats. Entscheidung zur operativen
Therapie mit MPFL-Plastik und Tuberositas-Tibiae-Versatz.
Video 2 Postoperative Kontrolle mit erfolgreicher Korrektur der vormals pathologischen lateralen
Translation der Patella im Gleitlager.