Transfusionsmedizin 2022; 12(02): 86-87
DOI: 10.1055/a-1782-5944
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Kommentar

Die Arbeit von Rijnders et al. ist vor dem Hintergrund zahlreicher pseudoakademischer und inhaltlich fehlerhafter Diskussionen zum Thema Wirksamkeit von COVID-19-Rekonvaleszentenplasma (RKP) ausdrücklich zu begrüßen, weil sie den Fokus auf die entscheidende Frage legt: Welche Dosis eines unstrittig wirkstoffhaltigen Arzneimittels ist erforderlich, um eine klinische Wirkung zu erzielen?

Diese fast banal erscheinende Frage ist leider bei vielen prospektiven randomisierten klinischen Studien komplett vernachlässigt worden mit der Konsequenz, dass zahlreiche mangelhafte Studien Eingang in Metaanalysen gefunden haben und Grundlage für fehlerhafte Leitlinienentscheidungen gewesen sind.

Oder um es mit den Worten aus der Informationstechnologie zu polarisieren: If you put garbage in, you get garbage out (GIGO-Prinzip). Flawed, or nonsense (garbage) input data produces nonsense output. Bezogen auf die vielen COVID-19-RKP-Therapie-Studien bedeutet das: Wenn eine zu niedrige Wirkstoffdosis eines Arzneimittels untersucht worden ist, ist die Studie wertlos, unabhängig davon, wie elegant und sorgfältig das Studiendesign hinsichtlich der Randomisierung, Studiendauer, Patientenanzahl, Kontrollen etc. gewesen ist.

Für den klinischen Einsatz von COVID-19-RKP sind deshalb 2 Variablen von elementarer Bedeutung: RKP-Antikörpertiter + RKP-Volumen. Überträgt man die Daten aus einem tierexperimentellen Modell mit Rhesusmakaken [1] auf den Menschen, so sind für eine effektive Therapie bei einem 70-kg-Menschen mindestens 1350 ml COVID-19-RKP mit einem hohen neutralisierenden Antikörpertiter ≥ 1/1280 erforderlich. Schon diese Daten allein belegen, dass die meisten randomisierten klinischen Therapiestudien beim Menschen, in denen nur 250 – 600 ml RKP mit einem durchschnittlichen neutralisierenden Antikörpertiter von 1/160 eingesetzt wurden, mit hoher Wahrscheinlichkeit stark unterdosiert waren. In diesem Zusammenhang sei deshalb darauf hingewiesen, dass z. B. im sog. PLACID Trial [2] Patienten nur 400 ml COVID-19-RKP erhielten, wobei etwa 30% der Patienten RKP erhielt, in dem gar keine neutralisierenden Antikörper nachgewiesen werden konnten. In den Fällen, bei denen in den RKP neutralisierende Antikörper nachgewiesen werden konnten, betrug der Titer lediglich 1 : 40 (Median). Da ist es nicht überraschend, dass derartige Therapiestudien keine Effektivität von COVID-19-RKP belegen können. Die meisten Metaanalysen sollten deshalb neu geschrieben werden.



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Article published online:
12 May 2022

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