CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2023; 85(05): 453-460
DOI: 10.1055/a-1791-1122
Originalarbeit

Verbreitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements: Sind Gesundheitsorientierung und soziale Ressourcen bedeutsamer als Betriebsgröße? Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018

Prevalence of Operational Integration Management: Are Health Orientation and Social Resources More Critical Than Company Size? Results of the 2018 BIBB/BAuA Employment Survey
Wiebke Wrage
1   Gruppe 3.5 Evidenzbasierte Arbeitsmedizin, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Standort Berlin, Berlin, Germany
,
Alexandra Sikora
1   Gruppe 3.5 Evidenzbasierte Arbeitsmedizin, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Standort Berlin, Berlin, Germany
,
Uta Wegewitz
1   Gruppe 3.5 Evidenzbasierte Arbeitsmedizin, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Standort Berlin, Berlin, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziele und Methoden Auf Grundlage der repräsentativen BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 wird analysiert, ob die Verbreitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) mit ausgewählten strukturellen Merkmalen von Betrieben sowie Variablen aus dem Bereich sozialer Ressourcen zusammenhängt. Ein Zusammenhang mit Merkmalen, die auf eine betriebliche Priorisierung von Gesundheit und Sozialem hinweisen, wird angenommen. Zusätzlich werden die gleichen Variablen in Bezug auf die Inanspruchnahme von BEM betrachtet, ergänzt um personenbezogene Merkmale.

Ergebnisse Rund vierzig Prozent der langzeiterkrankten Beschäftigten bekamen ein BEM angeboten, wovon fast siebzig Prozent das Angebot angenommen haben. BEM wurde eher in Betrieben angeboten, in denen Beschäftigten Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) bekannt waren, in denen häufig Lob und Anerkennung durch Vorgesetzte erfolgte, in denen sich häufig ein Gemeinschaftsgefühl am Arbeitsplatz fand und ein Betriebs- oder Personalrat vorhanden war. In kleineren Betrieben sowie in Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben wurde das BEM-Angebot häufiger angenommen als in größeren Betrieben, im öffentlichen Dienst und in Betrieben der Industrie. Von den personenbezogenen Merkmalen wies nur eine längere Arbeitsunfähigkeit einen Zusammenhang mit der Inanspruchnahme auf.

Schlussfolgerungen Die Zusammenhänge mit BGF und wertschätzendem Vorgesetztenverhalten legen den Schluss nahe, dass Betriebe, in denen gute und gesundheitsförderliche Arbeit einen höheren Stellenwert hat, eher die gesetzlichen Anforderungen zum BEM umsetzen. Gleichzeitig wäre es auch denkbar, dass ein umgekehrter Effekt vorliegt, und Betriebe die Einführung eines BEM aufgrund aufgetretener Fälle zum Anlass der Überprüfung ihres sonstigen Engagements für die Gesundheit der Beschäftigten genommen haben.


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Abstract

Aims The aim of the present study was to examine whether the prevalence of the operational integration management programme in Germany (BEM) is associated with selected structural characteristics of companies and variables from the field of social resources.

Methods The study was based on the representative 2018 BIBB/BAuA employment survey. An assumption was made of the existence of an association between BEM and characteristics of companies, indicating a prioritisation of health and social resources. Furthermore, the same variables were considered with the acceptance of BEM, complemented by person-related characteristics.

Results About forty percent of employees on long-term sick leave were offered BEM, of which about seventy percent accepted the offer. BEM was more likely to be offered in companies where employees were aware of workplace health promotion (WHP) measures, where supervisors often gave praise and recognition, where there was often a sense of community in the workplace, and where there was a works or staff council. In smaller companies, in service and craft enterprises, the BEM offer was accepted more frequently than in larger companies, the public sector, and in companies in the industry. Of the personal characteristics, only a longer incapacity to work was associated with the acceptance of BEM.

Conclusions The association with WHP and appreciative supervisor behaviour suggest that companies in which good and health-promoting work is given higher priority are more likely to implement the legal requirements for BEM. At the same time, it is also conceivable that the opposite effect exists and that companies have taken the introduction of BEM as an opportunity to review their other commitment to the health of their employees because of the cases that have occurred.


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Einleitung

Maßnahmen zum Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit gewinnen an Bedeutung in einer Arbeitswelt, die zunehmend geprägt ist von älter werdenden Belegschaften mit längeren Fehlzeiten und häufigeren chronischen Erkrankungen [1]. Im Falle des Auftretens längerer Fehlzeiten und Langzeiterkrankungen ist eine zielgerichtete Unterstützung der betroffenen Beschäftigten ein wichtiger Teil der betrieblichen Gesundheitspolitik (zur Arbeitssituation von längerfristig erkrankten Beschäftigten siehe [2]). Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten (§ 167 SGB IX). Es soll hierdurch einerseits die aktuelle Arbeitsunfähigkeit (AU) überwunden und einer erneuten AU vorgebeugt werden, mit dem Ziel, den Arbeitsplatz zu erhalten. Betriebs- und Beschäftigtenbefragungen zeigen eine Umsetzungshäufigkeit des BEM zwischen 30% und 95% – letztere beschränkt auf Großunternehmen und teilweise mit einer steigenden Tendenz im Verlauf der Jahre seit Inkrafttreten des Gesetzes [3] [4] [5] [6] [7] [8].

Bei der deskriptiven Datenauswertung der gemeinsamen Befragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) – der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung – deutete sich ein Zusammenhang einer „Gesundheitsorientierung“ im Betrieb und einem gesunden sozialen Klima mit der Umsetzung eines BEM an [7]. Eine statistische Überprüfung dieser Hypothese soll im Rahmen der vorliegenden Studie vorgenommen werden. Bislang wurde davon ausgegangen, dass Unterschiede in der Verbreitung des BEM, genau wie die ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen des Arbeitsschutzes sowie freiwilligen Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), vor allem auf die Größe und den Wirtschaftsbereich des Betriebes zurückgeführt werden können. Die Häufigkeit der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und BGF steigt mit der Größe der Betriebe [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]. In Bezug auf die Branche bzw. den Wirtschaftsbereich kommen verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen, was vor allem mit der jeweils vorgenommenen Einteilung der Wirtschaftsbereiche zusammenhängt [9]. Die bereits erwähnte deskriptive Auswertung von Wrage et al. [7] und eine aktuelle Publikation von Hollederer [6] zeigen allerdings, dass andere Faktoren, wie z. B. das Vorhandensein von BGF-Maßnahmen eine bedeutendere Rolle spielen könnten. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf die Einführung von Gesundheitsmaßnahmen scheint das Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung zu sein [9]. Die Beschäftigtenvertretung gibt häufig den Anstoß für die Einführung eines BEM. Dies gilt vor allem in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten [10].

Insbesondere auf Basis von qualitativen Studien wird angenommen, dass die Einführung eines BEM mit Merkmalen einer gesundheitsorientierten Organisation einhergeht, wie beispielsweise mit dem Vorhandensein eines betrieblichen Gesundheitsmanagements oder anderer gesundheitsbezogener Strukturen, eines kooperativen Führungsstils, sozialer Unterstützung sowie eines vertrauensvollen Betriebsklimas [8] [11]. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird diskutiert, ob das BEM auch als Anstoß dient (oder dienen könnte), die betriebliche Gesundheitspolitik auszubauen [10].

Loerbroks et al. [5] und Hollederer [6] betrachteten auch personenbezogene Variablen wie beispielsweise Krankheit, Beruf, Anstellungsverhältnis und Alter als Einflussgrößen für ein BEM-Angebot und fanden lediglich schwache Zusammenhänge.

Zur Inanspruchnahme eines BEM-Angebots liegen bislang wenige Studien vor. Loerbroks et al. [5] fanden einen Zusammenhang mit der Betriebsgröße. Das angebotene BEM wurde eher in Kleinbetrieben in Anspruch genommen. Hollederer [6] fand außerdem eine geringe Inanspruchnahme, sofern keine Beschäftigtenvertretung vorhanden ist, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeiten und keine BGF-Angebote bekannt sind. Aus diesen empirischen Befunden geht allerdings keine Erklärung für diese Zusammenhänge hervor. Vor allem aus qualitativen Studien und Berichten von Expertinnen und Experten ist bekannt, dass Transparenz, Vertrauen in das Verfahren und den Datenschutz sowie generell ein vertrauensvolles Betriebsklima für die Inanspruchnahme relevant sind [12]. Da es sich bei der Frage zur BEM-Inanspruchnahme um eine individuelle Entscheidung handelt, kann angenommen werden, dass auch personenbezogene Merkmale der Beschäftigten wie Alter, Geschlecht und Dauer der AU eine Rolle spielen.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Erkenntnisse soll in der vorliegenden Studie die Rolle von gesundheitsbezogenen und sozialen Merkmalen genauer untersucht werden:

  1. Der Zusammenhang von BEM-Angebot mit den strukturellen betrieblichen Merkmalen Betriebsgröße, Wirtschaftsbereich, Vorhandensein von Betriebsrat/Personalrat, Angebot von BGF-Maßnahmen sowie den subjektiv wahrgenommenen betrieblichen Merkmalen aus dem Bereich der sozialen Ressourcen wie unterstützendes Verhalten von Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen sowie gutes Betriebsklima als Hinweise auf einen gesundheitsorientierten Betrieb.

  2. Der Zusammenhang von BEM-Inanspruchnahme mit den strukturellen betrieblichen Merkmalen Betriebsgröße und Wirtschaftsbereich sowie den subjektiv wahrgenommen betrieblichen Merkmalen aus dem Bereich der sozialen Ressourcen wie unterstützendes Verhalten von Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen sowie gutes Betriebsklima als Hinweise auf einen vertrauensvollen Umgang im Betrieb. Zusätzlich soll der Zusammenhang von BEM-Inanspruchnahme mit den personenbezogenen Merkmalen Geschlecht, Alter und Dauer der AU betrachtet werden.


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Methodik

Datenbasis

Die Studie basiert auf den Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 (ETB 2018). Befragt wurden 20.012 Erwerbstätige ab einem Alter von 15 Jahren mit einer Arbeitszeit von mindestens zehn Stunden pro Woche in Deutschland zu Beruf, Ausbildung und Tätigkeit und der mit ihr verbundenen Belastung und Beanspruchung. Erfasst wurden weiterhin gesundheitliche Beeinträchtigungen. Es handelt sich bei diesen Querschnittdaten um eine repräsentative Stichprobe für die Erwerbstätigen in Deutschland (nach Gewichtungen auf Basis des Mikrozensus). Die Befragung erfolgte zwischen dem 02.10.2017 und 05.04.2018 über ein Computer Assisted Telephone Interview (CATI) [13]. Die Studienpopulation für die vorliegende Auswertung bildeten abhängig Beschäftigte zwischen 18 und 65 Jahren, die angegeben haben, innerhalb der vergangenen zwölf Monate insgesamt länger als 30 Arbeitstage (sechs Wochen) krankgemeldet gewesen zu sein. Selbstständige, freiberuflich Tätige, freie Mitarbeiter und mithelfende Familienangehörige wurden ausgeschlossen.


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Variablen

AU-Tage, BEM-Angebot und Inanspruchnahme

Die Teilnehmenden wurden zunächst nach den AU-Tagen der vergangenen 12 Monate gefragt („Sind Sie in den letzten 12 Monaten krank zu Hause geblieben bzw. haben sich krankgemeldet?“ nein/ja -->„Wie viele Arbeitstage waren das insgesamt?“). Sofern es mehr als 30 Tage waren (diese Personen werden im Folgenden als „Langzeiterkrankte“ bezeichnet), wurden die Teilnehmenden außerdem gefragt, ob ihnen ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten wurde („Wurde Ihnen aufgrund Ihrer längeren Krankmeldung<en>ein betriebliches Eingliederungsmanagement von Ihrem Arbeitgeber angeboten, z. B. Verringerung der Arbeitsmenge, Verringerung oder Flexibilisierung der Arbeitszeit?“ nein/ja). Falls dies der Fall war, wurden sie gefragt, ob sie das Angebot angenommen haben (nein/ja).


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Strukturelle betriebliche Merkmale

Die Betriebsgröße wurde durch die Frage „Wie viele Personen sind in dem Betrieb, in dem Sie arbeiten, in etwa beschäftigt, einschließlich Inhaber und Auszubildende?“ erhoben. Für die univariable Auswertung wurden zwei Gruppen gebildet (Betriebe mit 249 oder weniger Beschäftigten vs. Betriebe mit 250 oder mehr Beschäftigten).

Der Wirtschaftsbereich wurde durch die Frage „Wozu gehört der Betrieb, in dem Sie arbeiten? (Öffentlicher Dienst, Industrie, Handwerk, Handel, Sonstige Dienstleistungen, anderer Bereich)“ erfasst. Für die hier vorgenommene Auswertung wurden Handel und sonstige Dienstleistungen in der Kategorie Dienstleistungen aufgrund geringer Fallzahlen zusammengefasst und die Kategorie „anderer Bereich“ ausgeschlossen.

BGF-Maßnahmen wurden erfragt durch „Wurden in Ihrem Betrieb in den letzten 2 Jahren Maßnahmen der Gesundheitsförderung durchgeführt?“ (nein/ja/weiß nicht). Für die vorliegende Auswetung wurden die Kategorien „nein“ und „weiß nicht“ zusammengefasst.

Das Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung wurde durch die Frage „Gibt es in Ihrem Betrieb einen Betriebs- oder Personalrat?“ erhoben (nein/ja).


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Weitere betriebliche Merkmale: Soziale Ressourcen, Führung und Betriebsklima

Soziale Ressourcen durch Kolleginnen und Kollegen wurden erhoben, indem gefragt wurde, wie oft es vorkomme, „dass Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft fühlen?“. Außerdem wurde gefragt „Wie oft empfinden Sie die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren Arbeitskollegen als gut?“ und „Wie oft bekommen Sie Hilfe und Unterstützung für Ihre Arbeit von Kollegen, wenn Sie diese brauchen?“. Die Antwortkategorien waren jeweils „häufig, manchmal, selten, nie“.

Die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte wurde durch zwei Fragen erhoben: „Und wie oft bekommen Sie Hilfe und Unterstützung für Ihre Arbeit von Ihrem direkten Vorgesetzten, wenn Sie diese brauchen?“ und „Wie oft gibt Ihnen Ihr direkter Vorgesetzter Lob und Anerkennung, wenn Sie gute Arbeit leisten?“ (häufig, manchmal, selten, nie).

Das Betriebsklima wurde über die Zufriedenheit damit erhoben (sehr zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden, nicht zufrieden).


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Personenbezogene Merkmale der Beschäftigten

Als personenbezogene Merkmale wurden Geschlecht, Alter und Dauer der AU ausgewertet.


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Statistische Analyse

Für alle Auswertungen wurden die nach Mikrozensus gewichteten Daten verwendet. Die Unterschiede zwischen den Gruppen wurden mit Chi-Quadrat-Test bzw. T-Test geprüft und als Maß für die Effektstärke wurden phi bzw Cramer’s V und Cohens d herangezogen (Interpretation bei allen:≥0,1: klein;≥0,3: mittel;≥0,5: groß). Der Einfluss der verschiedenen betrieblichen Faktoren darauf, ob ein BEM-Angebot erfolgte, wurde mittels binärer logistischer Regression analysiert. Die Aufnahme der unabhängigen Variablen in das Regressionsmodell erfolgte dabei mit der Einschlussmethode auf Basis der in der Einleitung dargestellten Annahmen. Als Schätzer wurden Odds Ratios (OR) mit 95%-Konfidenzintervallen (KI) und p-Werten (α=0,05) berechnet. Die Beurteilung der Modellgüte basiert auf dem Bestimmtheitsmaß Pseudo R² (Nagelkerkes bzw. Cox und Snell). Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS (Version 26) durchgeführt.


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Ergebnisse

Von den 17.324 abhängig Beschäftigten, die Angaben zu ihren AU-Tagen gemacht haben, berichteten 1.382 (8%) Personen von mehr als 30 AU-Tagen. Von dieser Gruppe machten 1.356 Personen Angaben zu einem BEM-Angebot. Im Mittel waren die Langzeiterkrankten im betrachteten 12-Monats-Zeitraum 82 Tage arbeitsunfähig. Mit rund 9% (n=689) waren mehr Frauen unter den Langzeiterkrankten vertreten als Männer (7%; n=693). Im Vergleich zu kürzer Erkrankten, waren die längerfristig Erkrankten mit 48 Jahren im Durchschnitt fünf Jahre älter.

Vierzig Prozent der potenziell berechtigten Beschäftigten wurde ein BEM angeboten, welches von 68% dieser Gruppe angenommen wurde. Somit hat letztlich etwas mehr als ein Viertel der Beschäftigten, die für ein BEM in Frage kamen, tatsächlich ein BEM in Anspruch genommen. Männern und Frauen wurde gleich häufig ein BEM-Angebot unterbreitet und sie haben es auch etwa gleich häufig in Anspruch genommen. Die 548 langzeiterkrankten Beschäftigten, denen nach eigener Aussage ein BEM angeboten wurde, waren allerdings im Schnitt 2,5 Jahre älter als jene, die kein Angebot erhielten. Sie waren außerdem im Mittel mit 93 Tagen länger erkrankt als Langzeiterkrankte, die kein BEM-Angebot erhielten (siehe [Tab. 1]).

Tab. 1 BEM-Angebot und Inanspruchnahme – Personenbezogene Merkmale.

BEM-Angebot: ja

BEM-Angebot: nein

M /%

N

M /%

N

t (df); p; Cohens d / χ2 (df); p

Alter *** 

49,52

548

47,01

808

t=4,23 (1259); p<0,001; d=0,23

AU-Tage***

92,78

548

74,07

808

t=6,22 (1135); p<0,001; d=0,35

Geschlecht

 Männer

39,6

269

60,4

411

χ2 (1)=0,41; p=0,520

 Frauen

41,3

279

58,7

397

Inanspruchnahme: ja

Inanspruchnahme: nein

M  /%

N

M  /%

N

t (df), p; Cohens d  / χ 2 ( df); p

Alter

49,65

367

49,23

170

t=6,22 (292); p=0,673,

AU-Tage** 

97,47

367

83,35

170

t=2,85 (359); p=0,005; d=0,26

Geschlecht

 Männer

67,6

180

32,4

87

χ2 (1)=0,19; p=0,667

 Frauen

69,1

186

30,1

83

p<0,050*; p<0,010** ; p<0,001***.

BEM-Angebot und betriebliche Merkmale

In der univariablen Analyse zeigten sich signifikante Zusammenhänge mit der Häufigkeit eines BEM-Angebots für die Variablen Betriebsgröße, Wirtschaftsbereich, BGF-Maßnahmen, Beschäftigtenvertretung sowie mit den erhobenen sozialen Ressourcen (siehe [Tab. 2]).

Tab. 2 BEM-Angebot und Inanspruchnahme – Betriebliche Merkmale.

BEM-Angebot: ja

N

%

χ2 (df); p

Phi/Cramers V

Gesamt

548

40,4

Strukturelle betriebliche Merkmale

Betriebsgröße***

 bis 249 Beschäftigte

310

36,1

χ2(1)=24,48; p<0,001

Phi=0,14; p<0,001

 250 oder mehr Beschäftigte

230

50,0

Wirtschaftsbereich***

 Öffentlicher Dienst

190

50,2

χ2(3)=31,76; p<0,001

Cramer’s V=0,16; p<0,001

 Industrie

130

45,3

 Handwerk

55

33,6

 Dienstleistung

133

32,2

BGF-Maßnahmen***

 BGF-Maßnahmen bekannt

329

56,7

χ2(1)=111,23; p<0,001

Phi=0,29; p<0,001

 Keine BGF-Maßnahmen bekannt/„Weiß nicht“

219

28,3

Betriebs- oder Personalrat***

 Betriebs- oder Personalrat vorhanden

400

45,5

χ2(1)=18,31; p<0,001

Phi=0,12; p<0,001

 Kein Betriebs- oder Personalrat vorhanden

128

32,8

Soziale Ressourcen, Führung und Betriebsklima

„Zufriedenheit mit dem Betriebsklima“***

 Sehr zufrieden

149

46,7%

χ2 (3)=21,71; p<0,001

Cramer’s V=0,13; p<0,001

 Zufrieden

266

41,7%

 Weniger zufrieden

97

39,0%

 Nicht zufrieden

36

24,2%

„Am Arbeitsplatz Teil einer Gemeinschaft“***

 häufig

437

45,0%

χ2 (3)=41,50; p<0,001;

Cramer’s V=0,18; p<0,001

 manchmal

67

35,7%

 selten

31

31,4%

 nie

12

13,4%

„Gute Zusammenarbeit mit Kollegen“***

 häufig

467

44,1%

χ2 (3)=24,59; p<0,001;

Cramer’s V=0,14; p<0,001

 manchmal

63

31,8%

 selten

13

23,0%

 nie

4

18,2%

„Hilfe/Unterstützung von Kollegen“** 

 häufig

425

43,9%

χ2 (3)=17,04; p=0,001;

Cramer’s V=0,12; p=0,001

 manchmal

80

34,0%

 selten

34

33,6%

 nie

10

21,3%

„Hilfe/Unterstützung vom direkten Vorgesetzten“***

 häufig

291

46,7%

χ2 (3)=33,65; p<0,001;

Cramer’s V=0,16; p<0,001

 manchmal

129

39,6%

 selten

92

36,9%

 nie

33

21,6%

„Lob und Anerkennung vom direkten Vorgesetzten“***

 häufig

169

53,5%

χ2 (3)=67,21; p<0,001;

Cramer’s V=0,22; p<0,001

 manchmal

188

46,0%

 selten

130

35,6%

 nie

56

22,0%

Inanspruchnahme: ja

N

%

χ 2 (df); p

Phi/Cramers V

Gesamt

367

68,3

-

Strukturelle betriebliche Merkmale

Betriebsgröße** 

 bis 249 Beschäftigte

220

73,2

χ2(1)=7,21; p=0,007

Phi=0,12; p=0,007

 250 oder mehr Beschäftigte

141

62,0

Wirtschaftsbereich***

 Öffentlicher Dienst

108

57,4

χ2(3)=22,59; p<0,001

Cramer’s V=0,21; p<0,001

 Industrie

86

66,7

 Handwerk

46

86,1

 Dienstleistung

98

76,4

Soziale Ressourcen, Führung und Betriebsklima

 Keine signifikanten Unterschiede

p<0,050*; p<0,010** ; p<0,001***.

In Betrieben mit 250 oder mehr Beschäftigten wurde häufiger ein BEM angeboten als in kleineren Betrieben. Beschäftigte im öffentlichen Dienst erhielten am häufigsten ein BEM-Angebot. Beschäftigte, die berichteten, dass in ihrem Betrieb in den letzten zwei Jahren BGF-Maßnahmen durchgeführt wurden, erhielten häufiger ein BEM-Angebot als Beschäftigte, bei denen keine BGF-Maßnahmen durchgeführt wurden bzw. dies nicht bekannt war. In Betrieben, in denen ein Personal- oder Betriebsrat existierte, wurde häufiger ein BEM angeboten als in Betrieben ohne Beschäftigtenvertretung. (siehe [Tab. 2])

Bezüglich der sozialen Ressourcen zeigte sich der stärkste Zusammenhang mit dem Verhalten der Vorgesetzten: Von den Personen, die berichteten, nie Lob und Anerkennung von direkten Vorgesetzten zu erhalten, bekam weniger als ein Viertel ein BEM angeboten, während von denjenigen, die häufig Lob erhielten, mehr als die Hälfte ein BEM-Angebot bekam. Personen, die sich häufig als ein Teil einer Gemeinschaft am Arbeitsplatz erlebten und Personen, die über häufige soziale Unterstützung durch Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzte sowie ein Gefühl von guter Zusammenarbeit berichteten, erhielten überdurchschnittlich häufig ein BEM-Angebot. Gleiches galt für Beschäftigte, die mit dem Betriebsklima sehr zufrieden waren (siehe [Tab. 2]).

In die logistische Regression wurden neun Variablen per Einschluss einbezogen. Das Modell war statistisch signifikant mit χ2 (11, N=1126)=168,9, p<0,000, erklärte zwischen 13,8% (Cox und Snell R2) und 18,6% (Nagelkerke R2) der Varianz im BEM-Angebot und klassifizierte 66,7% der Fälle korrekt, wobei vier der neun Variablen einen signifikanten Beitrag zu dem Modell leisteten. Der stärkste Prädiktor war BGF mit einer OR von 2,3. Die Wahrscheinlichkeit eines BEM-Angebots wurde außerdem dadurch erhöht, Lob und Anerkennung von direkten Vorgesetzten zu erhalten, das Gefühl zu haben, am Arbeitsplatz ein Teil einer Gemeinschaft zu sein sowie bei dem Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung. [Tabelle 3] zeigt für alle einbezogenen Variablen den Regressionskoeffizienten (B), Standardfehler (SE), Wald-Statistik, Signifikanz (p) Odds Ratio (OR) und 95% Konfidenzintervall (KI).

Tab. 3 BEM-Angebot – Logistische Regression.

B

SE

Wald

p

OR

95%-KI für OR

BGF-Maßnahmen***

0,83

0,14

35,67

0,000

2,30

1,75–3,02

Lob und Anerkennung vom direkten Vorgesetzten***

0,47

0,08

33,93

0,000

1,60

1,36–1,87

Am Arbeitsplatz Teil einer Gemeinschaft*

0,25

0,10

6,01

0,014

1,28

1,05–1,57

Betriebs- oder Personalrat*

0,42

0,19

5,00

0,025

1,52

1,05–2,20

Wirtschaftsbereich: Dienstleistung

0,19

5,00

0,487

Wirtschaftsbereich: Öffentlicher Dienst

0,20

0,19

5,00

0,257

1,22

0,86–1,73

Wirtschaftsbereich: Industrie

0,29

0,19

5,00

0,136

1,33

0,91–1,95

Wirtschaftsbereich: Handwerk

0,13

0,19

5,00

0,567

1,14

0,73–1,79

Hilfe/Unterstützung vom direkten Vorgesetzten

−0,05

0,08

0,31

0,579

0,96

0,82–1,12

Anzahl Personen im Betrieb

−0,02

0,04

0,18

0,669

0,98

0,92–1,06

Gute Zusammenarbeit mit Kollegen

0,16

0,16

0,96

0,327

1,17

0,85–1,62

Hilfe/Unterstützung von Kollegen

−0,05

0,11

0,17

0,678

0,96

0,77–1,19

Zufriedenheit mit dem Betriebsklima

−0,02

0,09

0,04

0,840

0,98

0,83–1,17

Konstante

−3,38

0,67

14,49

0,000

0,03

p<0,050*; p<0,010** ; p<0,001***.


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BEM-Inanspruchnahme und betriebliche sowie personenbezogene Merkmale

In der univariablen Analyse zeigten sich signifikante Zusammenhänge mit der Häufigkeit der Inanspruchnahme des BEM-Angebots für die Variablen Betriebsgröße und Wirtschaftsbereich. In Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten wurde das BEM-Angebot häufiger angenommen. Am ehesten wurde das BEM in Handwerksbetrieben angenommen und am seltensten im öffentlichen Dienst (siehe [Tab. 2]).

Hinsichtlich der sozialen Ressourcen und in der Zufriedenheit mit dem Betriebsklima unterschieden sich die Arbeitsbedingungen von Personen, die das BEM-Angebot angenommen haben kaum von denen, die es abgelehnt haben.

Zwischen Langzeiterkrankten, die das BEM-Angebot angenommen haben und jenen, die es abgelehnt haben, fanden sich keine signifikanten Unterschiede bei Geschlecht und Alter. Unterschiede gab es nur in Bezug auf die Dauer der AU. Beschäftigte, die das Angebot angenommen haben, waren im Durchschnitt 14 Tage länger krankgeschrieben (siehe [Tab. 1]).


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Diskussion

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank, müssen ihnen ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein BEM anbieten. Obwohl Studien der vergangenen Jahre einen moderaten Anstieg im Angebot des BEM erkennen lassen [4], konnte auch die vorliegende Studie zeigen, dass die flächendeckende Umsetzung des BEM in Deutschland noch nicht annähernd vollständig erfolgt ist. Während laut Betriebsbefragungen zwischen 56% und 95% der Betriebe ein BEM anbieten [4], gaben bei dieser Erwerbstätigenbefragung nur 40% der langzeiterkrankten Beschäftigten an, ein BEM-Angebot erhalten zu haben.

Die Vermutung, dass ein BEM-Angebot eher in Betrieben angeboten wird, in denen das Thema Gesundheit insgesamt eine größere Relevanz hat, wird bestärkt dadurch, dass Beschäftigte, denen ein BEM angeboten wurde, auch häufiger als andere Langzeiterkrankte berichteten, dass in ihrem Betrieb BGF-Maßnahmen durchgeführt wurden. Dieser Zusammenhang war in der durchgeführten Auswertung am stärksten. Die wichtige Rolle der Vorgesetzten konnte ebenfalls durch diese Analyse bestätigt werden, da der zweitstärkste Zusammenhang mit Lob und Anerkennung durch Vorgesetzte gefunden wurde. Diese Variablen können, gemeinsam mit dem Gemeinschaftsgefühl in der Belegschaft und dem Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung – die ebenfalls signifikant mit dem BEM-Angebot zusammenhingen – als Indikatoren guter Arbeitsbedingungen betrachtet werden. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass Betriebe, in denen Gesundheitsförderung, Wertschätzung und Gemeinschaftsgefühl einen höheren Stellenwert haben, die gesetzlichen Anforderungen zum BEM eher umsetzen. Gleichzeitig ist es denkbar, dass ein umgekehrter Effekt vorliegen könnte, und Betriebe die Einführung eines BEM aufgrund von Langzeiterkrankungen zum Anlass der Überprüfung ihres sonstigen Engagements für die Gesundheit der Beschäftigten genommen haben.

Nicht betrachtet wurde der Einfluss von belastenden Arbeitsbedingungen auf ein BEM-Angebot, da hier kein direkter Einfluss plausibel schien und unklar wäre, in welche Richtung ein Zusammenhang weisen würde. Denkbar wäre, dass ein Betrieb mit belastenden Arbeitsbedingungen dem Thema Gesundheit wenig Priorität einräumt und somit eher kein BEM einführt. Es wäre allerdings auch möglich, dass Betriebe belastendende Arbeitsbedingungen oder einen hohen Krankenstand zum Anlass nehmen, ein BEM einzuführen. Auch personenbezogene Variablen wie Alter, Beruf und Anstellungsverhältnis wurden in dieser Auswertung nicht als Einflussgrößen für ein BEM-Angebot betrachtet, da davon ausgegangen wird, dass ein einmal eingeführtes BEM-Prozedere alle Beschäftigten eines Betriebes gleichermaßen berücksichtigt und nicht nach Alter oder Beruf unterscheidet.

In Bezug auf die Inanspruchnahme von BEM zeigt sich – vergleichbar zu Studien zum Zusammenhang von Betriebsgröße und Wirtschaftsbereich mit BGF-Angebot und Inanspruchnahme [14] – auch hier ein umgekehrter Effekt zum Angebot. In Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben, sowie in kleineren Betrieben wurde das BEM-Angebot häufiger angenommen als in größeren Betrieben, im öffentlichen Dienst und in Betrieben der Industrie. Eine mögliche Erklärung für den Betriebsgrößeneffekt könnte sein, dass gerade in sehr kleinen Betrieben durch eine größere Nähe der Beteiligten zueinander mehr Vertrauen vorhanden ist und das Angebot als „persönlicher“ wahrgenommen wird. Gleichzeitig ist es denkbar, dass auch der Druck, das Angebot anzunehmen, größer ist. Das BEM wurde außerdem eher von Beschäftigten mit einer längeren AU-Dauer angenommen. Es könnte sein, dass sich bei den längerfristig Erkrankten zusätzlich das Gefühl verstärkt, bei der Wiedereingliederung Unterstützung zu benötigen.

Die Stärke der vorliegenden Studie liegt vor allem in der Repräsentativität der Datengrundlage und in der Fokussierung auf die Frage der Rolle Gesundheitsorientierung und sozialen Ressourcen. Die Befragung wurde allerdings nicht primär mit dem Ziel der Prüfung der Umsetzung des BEM durchgeführt. Hierdurch ergeben sich für die Auswertung einige Limitationen. Sowohl die Angabe der AU-Tage als auch die Angabe zum BEM-Angebot erfolgten retrospektiv als Selbstangabe der Beschäftigten. Der Anteil Langzeiterkrankter ist allerdings vergleichbar mit Daten aus anderen Veröffentlichungen, die teilweise auf Krankenkassendaten oder Daten der Gesundheitsberichterstattung beruhen [15] [16] [17]. Es ist möglich, dass Beschäftigte sich nicht an ein BEM-Angebot erinnern oder es nicht als ein solches erkannt haben. Dieser Effekt sollte allerdings relativ gering ausfallen, da in der Frage zum BEM-Angebot bereits exemplarische Maßnahmen genannt wurden. Die Genauigkeit der Aussagen zu den Einflussgrößen auf ein BEM-Angebot wird ebenfalls dadurch begrenzt, dass die verwendeten Variablen nicht primär zu diesem Zweck, z. B. zur Beschreibung einer gesundheitsorientierten Organisation, erhoben wurden. Weiterhin wird die Aussagekraft dadurch begrenzt, dass es sich um eine Querschnittsbefragung handelt und somit keine Aussagen zur Kausalität möglich sind. In Bezug auf die Frage nach BEM-Angebot und Vorhandensein von BGF-Maßnahmen ist eine Verzerrung durch „Common Method Bias“ bzw. „Single Source Bias“ denkbar [18]. In der Befragung wurden zunächst nur Personen mit der entsprechenden Anzahl von Krankheitstagen nach dem Angebot eines BEM sowie nach der Inanspruchnahme gefragt. Direkt danach folgte die, wieder an alle Befragten gerichtete Frage, nach dem Vorhandensein von BGF-Maßnahmen im Betrieb. Diese zeitliche Nähe und die Ähnlichkeit der Frageformulierung begünstigen womöglich eine Verzerrung im Sinne einer „Ja-Sage-Tendenz“ (Acquiescence). Andererseits sind die Fragen eindeutig formuliert und die Frage nach dem BEM-Angebot ist sehr spezifisch und bezieht sich auf eine bestimmte Phase im Leben der Befragten. Dies macht die Fragen eindeutig beantwortbar und gut unterscheidbar und könnte somit einer Ja-Sage-Tendenz entgegenwirken [18].

Trotz der großen Gesamtstichprobe ist die Gruppe der Langzeiterkrankten eher klein. Noch geringer fällt die Gruppe der Personen aus, die ein BEM-Angebot in Anspruch nehmen. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass kaum signifikante Zusammenhänge für die Inanspruchnahme gefunden wurden. Eine weitere Ursache dürfte sein, dass im Rahmen dieser Sekundärdatenanalyse keine Auswertung der für die Inanspruchnahme als relevant angenommenen Variablen (wie bspw. Vertrauen in den Rückkehrprozess und Vertrauen in die BEM-Akteurinnen und -Akteure) möglich war, da diese nicht erhoben wurden. Aufgrund der begrenzten Studienlage erscheinen hierzu zunächst explorative, qualitative Befragungen sinnvoll.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nach wie vor großen Nachholbedarf hinsichtlich der Umsetzung des BEM gibt und möglicherweise andere Faktoren als Betriebsgröße und Branche bedeutsam sind. Der Fokus auf die Gesundheit aller Beschäftigten und somit die Integration von Maßnahmen zur Prävention von Belastungen und Erkrankungen mit solchen zur Wiederherstellung der Gesundheit und zur Gesundheitsförderung scheint auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Analyse am sinnvollsten.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Hasselhorn HM, Müller BH. Arbeit und Gesundheit – Eine Bilanzierung aus 25 Jahren arbeitsepidemiologischer Forschung. In: Richter G, Hrsg. Arbeit und Altern – Eine Bilanz nach 20 Jahren Forschung und Praxis. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 2021. DOI: 10.5771/9783748909378
  • 2 Wrage W, Sikora A, Stegmann R. et al. Die Arbeitssituation von längerfristig erkrankten Beschäftigten. In: Stressreport Deutschland 2019: Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; 2020: 146-157 DOI: 10.21934/baua:bericht20191007
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  • 8 Loerbroks A, Scharf J, Angerer P. et al. Arbeitnehmer*innen mit Anspruch auf betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Prävalenz und Determinanten eines angebotenen BEM und dessen Inanspruchnahme. DRV Schriften, Band 117, 28. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium (04/19).
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  • 11 Vater G, Niehaus M. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement: Umsetzung und Wirksamkeit aus wissenschaftlicher Perspektive. In: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Deutschland. AOK-BV, BKK BV, DGUV, vdek Hrsg. iga. Report 24. Berlin: 2013: 13-19
  • 12 Knoche K, Sochert R. BEM in Deutschland: Verbreitung, Erfahrungen und Perspektiven – ein Fazit. In: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Deutschland. AOK-BV, BKK BV, DGUV, vdek Hrsg. iga. Report 24. Berlin: 2013: 52-55
  • 13 Rohrbach-Schmidt D, Hall A. BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. BIBB-FDZ Daten- und Methodenbericht 1/2020. Bonn: 2020
  • 14 Beck D. Lenhardt. Betriebliche Gesundheitsförderung in Deutschland: Verbreitung und Inanspruchnahme. Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2006 und 2012. Gesundheitswesen 2016; 78: 56-62
  • 15 Robert Koch Institut. (Hrsg) Krankheitstage. Faktenblatt zu GEDA 2012: Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2012“. Berlin: RKI; 2014
  • 16 Marschall J, Hildebrandt S, Zich K. et al. DAK-Gesundheitsreport. Hamburg DAK 2018
  • 17 Grobe T, Steinmann S, Gerr J. Gesundheitsreport 2018 – Arbeitsunfähigkeiten. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2018
  • 18 Podsakoff PM, MacKenzie SB, Lee J-Y. et al. Common method biases in behavioral research: A critical review of the literature and recommended remedies. Journal of Applied Psychology 2003; 88: 879-903

Korrespondenzadresse

Wiebke Wrage
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Standort Berlin
Gruppe 3.5 Evidenzbasierte Arbeitsmedizin
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Nöldnerstraße 40-42
10317 Berlin
Germany   

Publication History

Article published online:
23 June 2022

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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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  • 18 Podsakoff PM, MacKenzie SB, Lee J-Y. et al. Common method biases in behavioral research: A critical review of the literature and recommended remedies. Journal of Applied Psychology 2003; 88: 879-903