Rehabilitation (Stuttg) 2022; 61(03): 145
DOI: 10.1055/a-1832-3905
Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Helga Seel

das Erreichen größtmöglicher Selbstbestimmung, materieller Unabhängigkeit und gesellschaftlicher Nähe ist für jeden Menschen ein zentrales Anliegen. Einen Beruf auszuüben und im Arbeitsleben zu stehen, bietet viele Chancen, an allen Aspekten des Lebens teilzuhaben. Gerade deshalb hat die Teilhabe am Arbeitsleben auch und gerade für Menschen mit Behinderungen eine hohe Bedeutung. So formuliert die UN-Behindertenrechtskonvention das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben. Für Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen in ihrer Teilhabe eingeschränkt sind, braucht es entsprechende Unterstützungsleistungen. Das Bundesteilhabegesetz setzt diese Forderung in nationales Recht um und verankert zusätzlich zu den bereits bestehenden Hilfen neue Leistungen, damit möglichst viele Menschen mit Behinderungen ihren Platz am allgemeinen Arbeitsmarkt finden, hier erwerbstätig sein können und es dauerhaft bleiben.

„Teilhabe am Arbeitsleben“ ist ein Schwerpunkt dieser Ausgabe. Die Studie von Theresa Kölle et al. identifiziert Merkmale, die die Inanspruchnahme von unterschiedlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kennzeichnen. Konkret geht es um Integrationsmaßnahmen, Teilqualifizierungen und Vollausbildungen, wie sie von Berufsförderungswerken durchgeführt werden. Die Studie analysiert die Teilnehmerstruktur der einzelnen Maßnahmenarten und untersucht den Zusammenhang zwischen personenbezogenen Faktoren und der Nutzung der Maßnahmen.

Die Perspektive der Rehabilitanden nimmt der Fragebogen zur Erfassung der medizinisch-beruflichen Orientierung der Rehabilitation in den Blick, der im Beitrag von Wolfgang Bürger et al. vorgestellt wird. Um das Angebot der Deutschen Rentenversicherung Bund weiterzuentwickeln, wurde ein Fragebogeninstrument MBOR-R entwickelt, mit dem Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität speziell des erwerbsbezogenen Angebotes aus Rehabilitandensicht erhoben werden können. Im Rahmen einer Querschnittstudie wurden die Kurz- und die Langversion des Fragebogens einem Vergleich unterzogen.

Einen anderen Aspekt von beruflicher Integration greift der Beitrag von Eva Jansen und Patricia Hänel auf, in dem es um die berufliche Integration von migrierten Medizinerinnen und Medizinern geht. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Zahl von Ärztinnen und Ärzten mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft, die in Deutschland arbeiten, stetig zunimmt. Aufgrund von Fachkräftemangel werden sie immer mehr gebraucht. Je nach Herkunft treten Hürden wie etwa unzureichende Sprach- und Kommunikationskompetenzen, fehlendes Wissen über das deutsche Gesundheitssystem oder auch unterschiedliche fachliche Voraussetzungen auf. Die vorgelegte Machbarkeitsstudie geht der Frage nach, mit welchen Interventionen die berufliche Integration von migrierten Medizinerinnen und Medizinern gefördert werden kann. Im Rahmen des Projektes „Strukturierte Transition und Integration in der Rehabilitation“ wurden gemeinsam mit vier Rehabilitationskliniken in Deutschland verschiedene Maßnahmen entwickelt. Die Tests zeigen, dass diese im klinischen Alltag gut umsetzbar sind und auf hohe Akzeptanz bei den Teilnehmenden stoßen.

Zwei weitere Beiträge dieser Ausgabe befassen sich mit dem Thema Angst in der Rehabilitation. Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und beeinträchtigen die soziale und berufliche Teilhabe der betroffenen Menschen. In ihrem Beitrag stellen Sophia Chrysanthou und Volker Köllner die Vielschichtigkeit von Angststörungen dar, arbeiten die Bedeutung zielgerichteter Interventionen heraus und beleuchten unter Bezug auf die aktuelle S3-Leitlinie die Frage den Stellenwert der Rehabilitation bei der Behandlung von Angststörungen.

Der Beitrag von Anna-Lis Eilerts et al. widmet sich der Bedeutung der Herzangst für den Betreuungsbedarf und die Erwerbsprognose. Ihre Befragung zeigt: Herzbezogene Ängste können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Im Vergleich zu Patienten ohne Herzangst erweist sich das Risiko einer Frühberentung bei Patienten mit Herzangst als signifikant höher. Ein hoher Anteil der in einer Rehabilitationsklinik befragten Patientinnen und Patienten mit Herzangst äußert den Bedarf an psychologischer Betreuung.

Wir freuen uns über Ihr Interesse und wünschen Ihnen eine spannende Lektüre

Ihre Helga Seel



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Article published online:
14 June 2022

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