Krankenhaushygiene up2date 2022; 17(03): 208
DOI: 10.1055/a-1842-6012
Studienreferate

Kommentar zu Impfempfehlungen bei Risikopatienten selten umgesetzt

Contributor(s):
Sebastian Schulz-Stübner

Die vorliegende Studie hat eine hohe Praxisrelevanz, da sie zeigt, dass die gefühlte Vollständigkeit der Impfungen nicht mit dem tatsächlichen Impfstatus übereinstimmt und daher eine ärztliche Überprüfung dringend empfohlen werden muss.

Die STIKO schreibt hierzu: „Zur Umsetzung des Impfkalenders für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene (…) sollte der Impfstatus regelmäßig überprüft und gegebenenfalls ergänzt werden; dafür sollte jeder Arztbesuch genutzt werden“[1].

Dies gilt vor allem für länger zurückliegende, vielleicht unvollständige Grundimmunisierungen und versäumte Auffrischimpfungen z.B. gegen Tetanus, Diphtherie und Polio. Die Kontrolle der Pertussis- und Pneumokokkenimpfung, aber auch der saisonalen Influenza-Impfung erscheint besonders für die Altersgruppe über 65 Jahre von Bedeutung. Bisherige Studien zur Impfadhärenz beschäftigen sich hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, beispielsweise bei Schuleingangsuntersuchungen oder Einstellungsuntersuchungen. Die vorliegenden Daten weisen aber darauf hin, dass gerade bei älteren, chronisch kranken Patienten ein hohes, ungenutztes Präventionspotential besteht, zumal die prinzipielle Bereitschaft, sich impfen zu lassen, hoch ist.

Neben der gezielten Abfrage wäre natürlich ein möglichst zeitnahes Impfangebot (ggf. schon während des gleichen Besuches) wichtig, um die Impflücken zu schließen. In der ambulanten fachärztlichen Versorgung sollte dies problemlos möglich sein, in den Kliniken müssten aber eine entsprechende Logistik aufgebaut und ggf. auch neue Abrechnungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Das Problem von Lieferengpässen bei Impfstoffen hat im Rahmen der COVID-Pandemie breite Beachtung gefunden, ist aber nicht neu und wird auch in dieser Studie als möglicher Grund für die zögerliche Varizellenimpfung diskutiert. Die STIKO weist in diesem Zusammenhang darauf hin [1], dass seit Oktober 2015 das PEI auf seinen Internetseiten über Lieferengpässe von Impfstoffen sowie die voraussichtliche Dauer der Nicht-Verfügbarkeit (www.pei.de/lieferengpaesse) informiert. Diese Informationen beruhen auf Mitteilungen der pharmazeutischen Unternehmen, die einen Lieferengpass melden, sobald die Lieferkette für die Auslieferung eines Impfstoffes für einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen unterbrochen ist. Sollten statt des vom Lieferengpass betroffenen Impfstoffes einer oder mehrere andere Impfstoffe mit vergleichbarer Zusammensetzung verfügbar sein, werden diese vom PEI entsprechend auf der Internetseite gelistet. Ist kein für die jeweilige Indikation und das Alter zugelassener Impfstoff mit vergleichbarer Antigenzusammensetzung verfügbar, gibt die STIKO Empfehlungen, wie alternativ – unter Verwendung anderer verfügbarer Impfstoffe – ein Impfschutz sichergestellt werden kann. Auffrischimpfungen können ggf. bei vollständiger Grundimmunisierung verschoben werden, da die von der STIKO empfohlenen Zeitintervalle für Auffrischimpfungen eine gewisse Flexibilität erlauben. Eine rasche Übersicht erlaubt auch die STIKO-App (www.STIKO-web-app.de).



Publication History

Article published online:
17 August 2022

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  • Literatur

  • 1 Ständige Impfkommission. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2022. Epid Bull 2022; 4: 3-66 DOI: 10.25646/9285.