Suchttherapie 2024; 25(04): 175-183
DOI: 10.1055/a-2413-5179
Schwerpunktthema

Einflussfaktoren auf die Bereitschaft von Psychologie-Studierenden für eine Tätigkeit in der Versorgung von Substanzkonsumstörungen: Welche Rolle spielen stigmatisierende Einstellungen?

Factors influencing the willingness of psychology students to work in substance use disorder care: What role do stigmatizing attitudes play?
Lara Christiansen
1   Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 20246 Hamburg, Germany
,
Angela Buchholz
1   Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 20246 Hamburg, Germany
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Zusammenfassung

Ziel der Studie Maßnahmen zur Entstigmatisierung von Substanzkonsumstörungen (SKS) sollten möglichst frühzeitig in Ausbildung und Studium adressiert werden. Bisherige Studien zeigten einen positiven Einfluss von Berufserfahrungen auf die spätere Arbeitsbereitschaft im Zusammenhang mit SKS. Diese Studie untersucht, inwieweit stigmatisierende Einstellungen gegenüber Menschen mit SKS die Berufsinteressen von Studierenden der Psychologie beeinflussen und welche weiteren Faktoren mit einer Bereitschaft für eine spätere Tätigkeit im Suchtbereich assoziiert sind. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße der eigene Alkoholkonsum stigmatisierende Einstellungen gegenüber Menschen mit einer Alkoholkonsumstörung (AKS) beeinflusst.

Methodik Es wurde eine Online-Befragung mit 157 Psychologiestudierenden in Deutschland durchgeführt. Die Stichprobe umfasst Bachelor- und Masterstudierende jeglicher Studiengänge, die der Psychologie zugeordnet werden können und wurde im Schneeballverfahren in sozialen Medien erhoben. Die Rekrutierung dauerte 3 Wochen. In einem von den Autorinnen zusammengestellten Fragebogen wurden bisherige Berufserfahrung und –Interessen erhoben. Als potenzielle Einflussfaktoren wurden praktische und private Erfahrungen mit SKS. Der Alkoholkonsum wurde mit dem AUDIT-C und das Ausmaß stigmatisierender Einstellungen mit dem OMS-HC erhoben.

Ergebnisse Eigener Alkoholkonsum (AUDIT-C; p=,021) hatte einen positiven, während das Ausmaß stigmatisierender Einstellungen (OMS-HC; p<,001) einen negativer Einfluss auf die Bereitschaft zeigte, später im Suchtbereich zu arbeiten. Der AUDIT-C zeigte sich zudem als signifikanter Prädiktor für die Stigma-Ausprägung (p<,001). Die Studiendauer, Vorliegen und Dauer praktischer Erfahrung, Erfahrung mit SKS im engeren Umfeld zeigten keinen signifikanten Einfluss auf die Bereitschaft. Die Psychologie-Studierenden der vorliegenden Untersuchung wiesen im Mittel eine höhere Stigma-Ausprägung auf als eine Vergleichsstichprobe von Psycholog*innen und Medizinstudierenden in der Literatur zur OMS-HC.

Schlussfolgerung Sowohl der eigene Alkoholkonsum als auch das Ausmaß stigmatisierender Einstellungen konnten als signifikante Prädiktoren für eine Tätigkeit in der Versorgung von SKS identifiziert werden. Zudem wurde festgestellt, dass der Alkoholkonsum der Studierenden ein signifikanter Prädiktor für die stigmatisierende Einstellungen ist. Maßnahmen zur Entstigmatisierung sollten frühzeitig adressiert werden, da die Stichprobe bereits zum Zeitpunkt der Erhebung ein erhöhtes Maß an stigmatisierenden Einstellungen aufweisen.

Abstract

Purpose Measures for destigmatisation regarding substance use disorders (SUD) should be addressed early in education and training of health care professionals. Previous research suggests a positive influence of work experience on the willingness to work with SUD in the future. This study aims to examine the extent to which stigmatizing attitudes towards people with SUD affect the professional interests of psychology students. It also focuses on which other factors are associated with a willingness to work in the addiction field (e. g. own consumption behavior, prior experiences). Additionally, the study explores whether and to what extent one's own alcohol consumption influences stigmatizing attitudes towards people with an alcohol use disorder (AUD).

Methods An online survey was conducted with 157 psychology students in Germany. The sample includes Bachelor's and Master's students from all degree programs that can be classified as psychology (e. g. business psychology) and was collected using a snowball method on social media. Recruitment took 3 weeks. Previous professional experience and interests were recorded in a questionnaire compiled by the authors. Practical and private experiences with SCS were recorded as potential influencing factors. Alcohol consumption was assessed with the AUDIT-C and the extent of stigmatizing attitudes with the OMS-HC.

Results Alcohol consumption (AUDIT-C; p=,021) had a positive influence, while the extent of stigmatizing attitudes (OMS-HC; p<,001) showed a negative association to the willingness to work in the addiction field. The AUDIT-C was also found to be a significant predictor of the stigma level (p<,001). The duration of study and practical experience as well as the presence of experience with SUD in the personal environment showed no significant influence on willingness. On average, the psychology students in this study have a higher level of stigma than the subsample of psychology and medical students in the OMS-HC literature.

Conclusion Alcohol consumption and stigma level were identified as significant predictors for a career in SUD care. Furthermore, it was found that students' alcohol consumption is a significant predictor of their stigma level. Measures to destigmatize should be addressed early, as the sample already showed a high level of stigmatizing attitudes at the time of the survey.



Publication History

Article published online:
18 November 2024

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