Schlüsselwörter
Epidemiologie - Pharmakoepidemiologie - Multiple Sklerose
Keywords
Epidemiology - Multiple Sclerosis - Pharmacoepidemiology
Einleitung
Multiple Sklerose ist eine chronische Autoimmunerkrankung des zentralen
Nervensystems. Die klinischen Symptome sind heterogen, aber bei den meisten
Patienten ist das Anfangsstadium durch (teil)reversible Episoden neurologischer
Funktionsstörungen gekennzeichnet, gefolgt von irreversiblen klinischen und
kognitiven Defiziten [1].
Die Mehrzahl der MS-Patienten werden mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMD)
behandelt, um Schübe und ein Fortschreiten der Krankheit zu verhindern [2]. Der Markt für MS-Medikamente zur
Behandlung der aktiven MS hat sich rasant entwickelt. In den letzten 10 Jahren
wurden fast jährlich neue Medikamente zugelassen, so dass die
Behandlungsmöglichkeiten stetig zunehmen [3]. MS ist daher ein Beispiel für einen dynamischen Markt, der mit
bekannten Herausforderungen im Bereich der Pharmakovigilanz konfrontiert ist. Zu
letzteren gehört die Frage der Generalisierbarkeit der Ergebnisse der
Phase-III-Zulassungsstudien auf alle später behandelten Patienten mit der Krankheit,
die seit langem Gegenstand kontroverser Diskussionen zwischen klinischen Prüfern und
den Behörden ist, die neue Medikamente zulassen. Die Generalisierbarkeit umfasst
u. a. den Aspekt der Wirksamkeit des neu zugelassenen Arzneimittels bei Patienten,
die die Einschlusskriterien der entsprechenden Zulassungsstudie nicht erfüllen. Sie
werden z. B. aufgrund ihres Alters, ihrer Begleiterkrankungen oder spezifischer
Krankheitsmerkmale von Phase-III-Studien ausgeschlossen, aber in der
Regelversorgung, dem klinischen Alltag, mit dem zugelassenen Arzneimittel behandelt
[4]. Hinter der Frage der
Generalisierbarkeit steht so auch die mittel- und langfristige Sicherheit eines
neuen Medikaments, insbesondere in dynamischen Märkten, in denen die
Behandlungserfahrung mit vielen der neu zugelassenen Medikamente noch begrenzt
ist.
Phase-III-Studien liefern Informationen über die Wirksamkeit und Sicherheit für viele
häufige, unerwünschte Ereignisse (UEs) und sind daher für die Arzneimittelzulassung
unerlässlich [5]. Allerdings können in
Phase-III-Studien, seltene (schwerewiegende) (S)UEs nicht zuverlässig erkannt
werden. Darüber hinaus kann die in klinischen Phase-III-Studien mit strengen Ein-
und Ausschlusskriterien analysierte Arzneimittelsicherheit das Sicherheitsprofil in
der breiten klinischen Anwendung nach der Arzneimittelzulassung nur unzureichend
abbilden [6]. Aufgrund existierender
Ein- und Ausschlusskriterien in klinischen Studien der Phase III kann die
Übertragung der Ergebnisse in die klinische Routine eingeschränkt sein [7].
Ziel unserer Untersuchung war es, zu analysieren, wie viele MS-Patienten, die in der
klinischen Routineversorgung mit einem DMD behandelt werden, die Ein- und
Ausschlusskriterien der zur Zulassung führenden klinischen Phase-III-Studie erfüllt
hätten und somit potenzielle Studienteilnehmende gewesen wären. Ferner haben wir
Patienten, die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllen, mit denen verglichen, die
diese Kriterien nicht erfüllen und Unterschiede in soziodemographischen und
klinischen Merkmalen sowie (S)UEs analysiert.
Methoden
Für diese Studie wurden Daten des REGIMS-Registers [8] und des MS-Registers der Deutschen
Multiple Sklerose Gesellschaft [9]
ausgewertet. Es wurden MS-Patienten mit einer Behandlung durch DMDs die bis 2018
zugelassen worden waren, eingeschlossen: Ocrelizumab, Cladribin, Daclizumab,
Dimethylfumarat, Teriflunomid, Alemtuzumab, Fingolimod, Natalizumab, Mitoxantron,
Glatirameracetat, Peginterferon β-1a, Interferon β-1b.
Ethik
Patienten gaben in beiden Registern eine schriftliche Einverständniserklärung ab.
Das REGIMS-Register wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der
Universität Bochum bewilligt (Bewilligungsnummer: 4588-13). Das MS-Register der
DMSG wurde von der Ethikkommission der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
initial bewilligt (Bewilligungsnummer: 142/12).
Patienten
REGIMS
REGIMS war ein Immuntherapie-Register, dass innerhalb des krankheitsbezogenen
Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) gefördert wurde. REGIMS erfasste die Häufigkeit, Art,
Charakteristika und Auswirkungen von (S)UEs bei aktuellen und neuen
immuntherapeutischen DMDs, die in der klinischen Routineversorgung von
MS-Patienten eingesetzt werden. REGIMS war ein nationales, prospektives,
beobachtendes (d. h. nicht-interventionelles), klinisches, multizentrisches
Register. Weitere Einzelheiten zu REGIMS wurde an anderer Stelle beschrieben
[8].
In diese Analyse wurden Patienten eingeschlossen, die zwischen Oktober 2013
und September 2021 in REGIMS aufgenommen wurden und eine Behandlung mit
einen der oben genannten DMDs begonnen haben. In das REGIMS-Register wurden
keine Patienten aufgenommen die mit Interferonen oder Glatirameracetat
länger als 36 Monate behandelt wurden. Aus den 1865 REGIMS-Patienten, die
eine DMD-Behandlung erhielten, wurden aufgrund der geringen Anzahl von
Patienten mit PPMS und SPMS ausgeschlossen. Weiterhin wurden Patienten mit
unvollständigen Daten über den Beginn der DMD-Behandlung, fehlendem
EDSS-Wert (Expanded Disability Status Scale), Daten über Schübe und
unplausible Daten über die Medikationsgeschichte zusätzlich ausgeschlossen,
so dass in die Auswertung 1271 Patienten einbezogen wurden. Davon hatten
1252 mindestens eine Nachuntersuchung mit Daten zur
Arzneimittelsicherheit.
MS-Register
Das MS-Register wurde 2001 von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft,
Bundesverband e.V. (DMSG) initiiert, um bundesweit, einheitlich Daten von
MS-Patienten und deren Versorgungssituation zu erheben [10]. Das MS-Register baut auf
einem bundesweiten Netzwerk von DMSG-ausgezeichneten MS-Zentren auf und
erfasst gesundheitsbezogene Informationen hinsichtlich Demographie,
Krankheitsaktivität und -progression, medikamentöse und nicht-medikamentöse
Therapien, sowie Pflege der MS-Patienten. Im Jahr 2019 wurde in Kooperation
mit dem Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster
(Koordinatorin des REGIMS-Registers) ein Modul zur Dokumentation der
Pharmakovigilanz innerhalb des MS-Registers gestartet. Abgrenzend zu REGIMS
wurden die weiten Einschlusskriterien des MS-Registers auch für die
PV-Kohorte innerhalb des MS-Registers beibehalten, so dass auch Patienten
auf langjährigen Basistherapien, in Therapiepausen oder vor Therapiebeginn
(naive) eingeschlossen werden können. Patienten, die bereits zu dem
Zeitpunkt des PV-Beobachtungsstarts eine Therapie bekommen, werden mit dem
ersten PV-Follow-Up in die PV-Kohorte eingeschlossen. Weitere Einzelheiten
zum MS-Register der DMSG wurden an anderer Stelle beschrieben [9].
Das MS-Register umfasst zum Zeitpunkt der Analyse (Datenstand 4.4.2023) seit
seiner Initiierung im Jahr 2001 Daten von über 80 000 Patienten. Für den
Einschluss in die Analyse musste der EDSS-Wert, der klinische Verlauf, Daten
über Schübe und über die vorherige Medikationsgeschichte verfügbar sein. Da
das Pharmakovigilanz-Modul (NPV=4579) nachträglich in das
MS-Register integriert wurde, schloss diese Analyse nur Patienten ein, die
seit dem Beginn der Teilnahme des jeweiligen behandelnden Zentrums am Modul
therapiert wurden, wodurch insgesamt N=1191 MS-Register-Patienten einbezogen
wurden.
Datenanalyse
Die Ein- und Ausschlusskriterien wurden aus den klinischen Phase-III-Studien und
den von der Europäischen Arzneimittelagentur veröffentlichten Zusammenfassung
der Produktmerkmale für jedes DMD extrahiert. In den meisten Phase-III-Studien
wurden Patienten eingeschlossen, die zwischen 18 und 55 Jahre alt waren
(Kriterium Alter), einen klinischen Verlauf der RRMS mit mindestens zwei Schüben
innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Randomisierung oder einem Schub im Jahr
davor hatten (Kriterium Schübe) und/oder eine MRT-Untersuchung des Gehirns, die
auf MS hindeutet (z. B. mindestens eine Gadolinium-verstärkte Läsion 0 bis 6
Wochen vor der Randomisierung). Da die genaue Anzahl der T2-Läsionen weder im
REGIMS- noch im MS-Register erfasst wird, wurde das Kriterium zur
Magnetresonanztomographie (MRT) nicht in Betracht gezogen. Ein weiteres
Auswahlkriterium war ein EDSS-Score zwischen 0.0 und 5.0 (Kriterium EDSS-Score).
Das Onlinematerial 1 zeigt eine Zusammenfassung der angewandten
Einschlusskriterien. Da in dieser Arbeit nur RRMS Patienten analysiert wurden,
wurde das Kriterium MS-Verlaufsform nicht angewandt. Die Medikationsgeschichte
ist ein häufiges Ausschlusskriterium in klinischen Studien (Onlinematerial
2).
In einem ersten Schritt wurde der Anteil an Patienten analysiert, die in eine
klinische Phase-III-Studie hätten eingeschlossen werden können. Im nächsten
Schritt wurde der Prozentsatz der Patienten, die jedes Kriterium der
entsprechenden Studie erfüllten je DMD separat, berechnet. Schließlich wurden
die Patienten, die alle Ein- und Ausschlusskriterien für ein bestimmtes
Medikament erfüllten, mit denen, die diese Kriterien nicht erfüllten,
hinsichtlich klinischer und soziodemografischer Merkmale verglichen, in diesen
Vergleich wurden folgende Variablen einbezogen: Alter bei Therapiebeginn und bei
Diagnosestellung, EDSS-Score bei Therapiebeginn und die Anzahl der Schübe 24
Monate vor Therapiebeginn. Zusätzlich wurde die Häufigkeit des Auftretens von
(S)UEs unter Therapie verglichen. Die Dokumentation der (S)UEs in den Registern
erfolgt(e) in einem elektronischen Datenerfassungssystem (EDC) durch die
Registerzentren. (S)UEs wurden in beiden Registern unabhängig von der Kausalität
gemeldet. SUEs wurden sofort an die Register weitergeleitet und dem
Zulassungsinhaber gemeldet. Schübe werden nicht als UEs dokumentiert, sondern
als Krankheitsprogression bewertet. Analysiert wurden (S)UEs welche nach
Therapiebeginn neu auftraten über einen Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 30
Monaten nach Therapiebeginn für die REGIMS-Patienten und 51 Monate für
MS-Register-Patienten.
Die Patienten beider Register wurden anhand der MS spezifischen Therapie in 3
Gruppen unterteilt. Die Einteilung basiert auf der Sk2 Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie (DGN) [11]. In dieser sind DMDs in 3 Wirksamkeitskategorien in Abhängigkeit
von der relativen Reduktion der entzündlichen Aktivität unterteilt. Dabei ist
die stärkste Reduktion der entzündlichen Aktivität in der Kategorie 3 zu
beobachten. Zu beachten ist, dass es keine kontrollierten
Head-to-Head-Vergleichsstudien zwischen den unterteilten DMDs gibt und die
Kategorien nicht als Therapiesequenzen zu interpretieren sind. In dieser Analyse
wurde die Einteilung der betrachteten DMDs wie folgt durchgeführt:
Wirksamkeitskategorie 1 (Dimethylfumarat, Glatirameracetat, Interferon-beta,
Teriflunomid); Wirksamkeitskategorie 2 (Cladribin, Fingolimod);
Wirksamkeitskategorie 3 (Alemtuzumab, Natalizumab, Ocrelizumab); ohne Kategorie
(Mitoxantron). Daclizumab wird in der Sk2 Leitlinie nicht länger in Betracht
gezogen und wurde in dieser Arbeit der Kategorie 3 zugefügt.
Für kategoriale Vergleiche zwischen den Gruppen der Patienten, die in eine Studie
eingeschlossen wären und die mindestens ein Kriterium nicht erfüllt haben, wurde
der Chi-Quadrat-Test durchgeführt und für kontinuierliche Variablen der t-Test.
Um den Unterschied in den Daten zur (S)UEs zwischen Patienten, die alle vier
vordefinierten Ein- und Ausschlusskriterien erfüllten, und solchen, die diese
nicht erfüllt haben, zu untersuchen, wurden logistische Regressionsmodelle
berechnet. Ein p-Wert von<0,05 wurde als statistisch signifikant
angesehen.
Ergebnisse
Demographische und klinische Charakteristika
In den beiden Registern ist eine vergleichbare Geschlechterverteilung zu
beobachten. 71% der 1271 REGIMS-Patienten und 72% der 1191 Patienten des MS
Registers sind weiblich. Das durchschnittliche Alter der Patienten zum
Beobachtungszeitpunkt ist im MS-Register etwas höher (41 Jahre vs. 37 Jahre).
Des Weiteren weisen REGIMS-Patienten im Verglich zu den Patienten des
MS-Registers eine höhere durchschnittliche jährliche Schubrate (1,5 vs. 0,3) und
einen höheren EDSS-Wert (2,6 vs. 2,5) zum Zeitpunkt der Therapieinitiierung auf.
Das Patientenkollektiv des MS-Registers hatte eine mediane Erkrankungsdauer von
13 Jahren, bei REGIMS-Patienten betrug diese 8 Jahre ([Tab. 1]).
Tab. 1 Demographische und klinische Merkmale der
Patienten.
Charakteristika
|
REGIMS
|
MS REGISTER (DMSG)
|
Total
|
Alle Kriterien erfüllt
|
Nicht alle Kriterien erfüllt
|
Total
|
Alle Kriterien erfüllt
|
Nicht alle Kriterien erfüllt
|
Patienten (N).
|
1271
|
354
|
917
|
1191
|
61
|
1130
|
Weiblich, (%)
|
70,7
|
68,4
|
71,7
|
71,8
|
73,8
|
71,7
|
Alter, Jahre, Mittelwert (SD)
|
36,9 (10.8)
|
34,1 (8,9)
|
38,0 (11,3)
|
40,9 (11,7)
|
38,3 (8,9)
|
41,0 (11,9)
|
Alter, 1. Symptome Mittelwert (SD)
|
29,3 (10,0)
|
28,0 (8,5)
|
29,8 (10,4)
|
31,0 (10,3)
|
28,0 (8,4)
|
31,2 (10,3)
|
Diagnosealter, Jahre, Mittelwert (SD)
|
31,2 (10,3)
|
29,7 (8,9)
|
31,8 (10,7)
|
33,0 (10,5)
|
29,8 (9,0)
|
33,1 (10,6)
|
Erkrankungsdauer, Mittelwert (SD)
|
7,7 (6,5)
|
5,7 (5,4)
|
8,5 (6,7)
|
12.5 (8,5)
|
13,1 (9,0)
|
12,5 (8,5)
|
EDSS-Score, Mittelwert (SD)
|
2,6 (1,6)
|
2,3 (1,2)
|
2,7 (1,7)
|
2,5 (1,7)
|
2,5 (1,3)
|
2,5 (1,8)
|
Jährliche Schubratea, Mittelwert (SD)
|
1,5 (1,6)
|
2,7 (1,6)
|
1,0 (1,3)
|
0,3 (0,7)
|
1,6 (0,9)
|
0,3 (0,6)
|
DMD: disease-modifying drug; EDSS: expanded disability status scale;
RRMS: relapsing-remitting multiple sclerosis, a Anzahl der
Schübe 24 Monate vor Therapieinitiierung.
Die Patienten des REGIMS-Registers wurden durchschnittlich mit 1,4 DMDs vor der
analysierten Therapie behandelt, darunter waren sowohl de-novo-Patienten als
auch Patienten mit bis zu 13 Vortherapien. Patienten des MS-Registers wurden vor
der untersuchten Therapie mit durchschnittlich 1,2 DMDs behandelt und im Maximum
gab es einen Patienten mit bis zu 10 Vortherapien. Zur untersuchten
Behandlungsepisode wurden 55,6% der Patienten im REGIMS-Register und 45,8% der
Patienten im MS-Register mit einem DMD der Kategorie III therapiert. Im
MS-Register erhielten 40,1% der Patienten ein DMD der Wirksamkeitskategorie I,
während 25,0% der Patienten im REGIMS-Register mit einem DMD dieser Kategorie
behandelt wurden ([Abb. 1]).
Abb. 1 Wirksamkeitskategorien der analysierten Therapien.
Wirksamkeitskategorie 1: Dimethylfumarat, Glatirameracetat; Interferone,
Teriflunomid. Wirksamkeitskategorie 2: Cladribin, Fingolimod;
Wirksamkeitskategorie 3: Alemtuzumab, Natalizumab, Ocrelizumab.
Erfüllung der Einschlusskriterien von Phase-III-Studien nach der
Zulassung
REGIMS
27,9% der 1271 analysierten Patienten des REGIMS-Registers haben die 4
vordefinierten Kriterien erfüllt und wären somit in eine
Phase-III-Zulassungsstudie aufgenommen worden ([Tab. 2]). Dabei wurde das
Kriterium Schub, mit 39,4% am seltensten erfüllt, gefolgt vom Kriterium
Medikationsgeschichte (74,4%). Umgekehrt hätten die meisten Patienten das
Kriterium EDSS und Alter (92,1%) erfüllt. Wäre das Kriterium Schub
ausgeschlossen worden, hätten 65,1% der REGIMS-Patienten die drei Kriterien
Alter, Medikationsgeschichte und EDSS-Wert erfüllt.
Tab. 2 Prozent der Patienten, die die Einschlusskriterien
der entsprechenden Phase-III-Studie erfüllten, nach
Substanz.
DMD
|
Patienten (N)
|
Einschlusskriterien
|
Alle Kriterien erfüllt (% der Patienten)
|
Drei Kriterien erfüllt (% der Patienten)a
|
Alter
|
EDSS-Score
|
Schübe
|
Medikationsgeschichte
|
REG.
|
DMSG
|
REGIMS
|
DMSG
|
REGIMS
|
DMSG
|
REGIMS
|
DMSG
|
REGIMS
|
DMSG
|
REGIMS
|
DMSG
|
REGIMS
|
DMSG
|
Alle DMDs
|
1271
|
1191
|
92,1
|
87,2
|
92,1
|
90,4
|
39,4
|
12,3
|
74,4
|
72,2
|
27,9
|
5,1
|
65,1
|
60,2
|
Ocrelizumab
|
94
|
375
|
92,6
|
89,7
|
88,3
|
80,0
|
36,2
|
12,5
|
70,2
|
54,9
|
25,5
|
2,7
|
60,6
|
44,8
|
Cladribin
|
17
|
72
|
100
|
100
|
94,1
|
87,5
|
47,1
|
23,6
|
76,5
|
45,8
|
41,2
|
5,6
|
76,5
|
37,5
|
Daclizumab
|
9
|
1
|
100,0
|
100,0
|
88,9
|
0,0
|
66,7
|
0,0
|
55,6
|
1,0
|
33,3
|
0,0
|
55,6
|
0,0
|
Dimethylfumarat
|
116
|
148
|
92,2
|
92,6
|
92,2
|
99,3
|
29,3
|
8,1
|
56,9
|
78,4
|
15,5
|
4,7
|
49,1
|
73,0
|
Teriflunomid
|
59
|
117
|
78,0
|
76,2
|
93,2
|
97,4
|
20,3
|
14,5
|
69,5
|
81,2
|
11,9
|
7,7
|
50,9
|
64,1
|
Alemtuzumab
|
166
|
44
|
98,8
|
100
|
92,2
|
93,2
|
63,3
|
13,6
|
88,6
|
88,6
|
52,4
|
9,1
|
82,5
|
81,8
|
Fingolimod
|
220
|
87
|
94,6
|
90,8
|
95,0
|
95,4
|
37,7
|
3,5
|
n/a
|
n/a
|
34,1
|
3,5
|
90,0
|
87,4
|
Natalizumab
|
447
|
125
|
89,5
|
86,4
|
89,9
|
92,8
|
34,0
|
24,0
|
57,7
|
88,0
|
16,3
|
16
|
48,1
|
73,6
|
Mitoxantron
|
n/a
|
9
|
n/a
|
44,4
|
n/a
|
66,7
|
n/a
|
100,0
|
n/a
|
66,7
|
n/a
|
22,2
|
n/a
|
22,2
|
Glatirameracetat
|
71
|
109
|
87,3
|
96,3
|
95,8
|
2,8
|
28,2
|
2,8
|
n/a
|
n/a
|
26,8
|
1,8
|
84,5
|
72,5
|
Interferone
|
72
|
104
|
97,2
|
84,6
|
97,2
|
98,1
|
65,3
|
1,9
|
80,6
|
55,8
|
56,9
|
0
|
76,4
|
51,9
|
EDSS Score: expanded disability status scale; aohne das
Kriterium Schübe
MS Register
5% der 1191 Patienten des MS-Registers hätten die 4 vordefinierte Kriterien
erfüllt und wären somit in eine Phase-III-Zulassungsstudie aufgenommen
worden ([Tab. 2]). Die
meisten Patienten des MS-Registers hätten das Kriterium EDSS Wert erfüllt
(90,4%), gefolgt vom Alter (87,2%) und Medikationsgeschichte (72,2%). Die
Analyse ohne das Kriterium Schub zeigt, dass 60,2% der Patienten des
MS-Registers die restlichen drei definierten Kriterien erfüllt hätten.
Patientenvergleich nach Erfüllung von Einschlusskriterien
Regims
Patienten, die alle Kriterien erfüllt hätten, waren durchschnittlich 3 Jahre
älter (SD: 0,7, p<,001), hatten einen um 0,4 Punkte (SD: 0,1, p<,001)
höheren EDSS-Wert und 2 Schübe (SD: 0,8, p<,001) vor Therapiebeginn
weniger. [Tab. 3] zeigt einen
Vergleich von klinischen und demographischen Charakteristika von Patienten,
die die vier vordefinierten Kriterien erfüllt hätten und der Patienten, die
eines oder mehr nicht erfüllt hätten für die häufigsten Medikamente im
REGIMS-Register. Die Analyse für die jeweiligen Medikamente (mit Ausnahme
von Cladribin und Dimethylfumarat) zeigt einen ähnlichen Trend wie die
therapieübergreifende Analyse. [Tab. 3] vergleicht Patienten, die das Kriterium Alter, EDSS-Wert
und Medikationsgeschichte erfüllt hätten mit Patienten, die eines der drei
Kriterien nicht erfüllt hätten.
Tab. 3 Differenz in Mittelwerten von
Patientencharakteristika zwischen denen, die alle
Einschlusskriterien für Phase-III-Studien erfüllen im Vergleich
zu Patienten, die mindestens ein Kriterium nicht erfüllen, nach
Substanz.
Mittelwert Δ
|
Ocrelizumab
|
Cladribin
|
Daclizumab
|
Dimethyl- fumarat
|
Teriflunomide
|
Alemtuzumab
|
Fingolimod
|
Natalizumab
|
Mitoxantron
|
Glatiramer acetat
|
Interferone
|
REGIMS
|
Kriterien
|
Alter, Schübe, EDSS-Wert, Medikationsgeschichte
|
Patientena
|
70
|
10
|
6
|
98
|
52
|
79
|
145
|
374
|
n/a
|
53
|
31
|
Alter (Jahre)
|
+5,9*
|
–5,1
|
+6,8
|
+4,0
|
+7,7
|
+2,4
|
+4,0**
|
+4,2**
|
n/a
|
+6,2*
|
+3,8
|
Alter bei Diagnose (Jahre)
|
+3,0
|
–8,7
|
+3,7
|
+1,5
|
+5,0
|
+0,2
|
+2,6
|
+3,0*
|
n/a
|
+6,6*
|
–0,9
|
EDSS-Wert
|
+0,6
|
+0,1
|
+2,3
|
–0,1
|
+0,8
|
+0,5*
|
+0,1
|
+0,5*
|
n/a
|
+0,4
|
+0,8*
|
Schübe 24 Monate, Anzahl
|
–1,8***
|
–1,7**
|
–1,5*
|
–1,8***
|
–1,3**
|
–2,0***
|
–2,1***
|
–1,6***
|
n/a
|
–1,6***
|
–0,4
|
Kriterien
|
Alter, EDSS-Wert, Medikationsgeschichte
|
Patientena
|
37
|
4
|
4
|
59
|
29
|
79
|
22
|
232
|
n/a
|
11
|
17
|
Alter (Jahre)
|
+6,7**
|
–6,9
|
+19,3**
|
+5,0*
|
+10,4***
|
+2,4
|
+13,7***
|
+4,4***
|
n/a
|
+20,3***
|
+4,1
|
Alter bei Diagnose (Jahre)
|
–0,4
|
–10,3
|
+12,0
|
+1,7
|
+7,7*
|
+0,2
|
+7,8***
|
+3,6***
|
n/a
|
+21,4***
|
-2,0
|
EDSS-Wert
|
+1,6***
|
+7,5
|
+3,2**
|
+0,8*
|
+0,9*
|
+0,5*
|
+2,5***
|
+0,9***
|
n/a
|
+1,6****
|
+1,3***
|
Schübe 24 Monate, Anzahl
|
–0,5
|
–0,3
|
–0,2
|
–0,4
|
0,0
|
–2,0***
|
0,0
|
0,0
|
n/a
|
–0,6*
|
+0,2
|
MS REGISTER (DMSG)
|
Kriterien
|
Alter, EDSS-Wert, Medikationsgeschichte
|
Patientena
|
207
|
45
|
n/a
|
40
|
42
|
36
|
76
|
92
|
n/a
|
79
|
54
|
Alter (Jahre)
|
+8,8***
|
+1,5
|
n/a
|
+6,8***
|
+12,1***
|
+0,3
|
+14,8***
|
+15,2***
|
n/a
|
+21,4***
|
+10,8***
|
Alter bei Diagnose (Jahre)
|
+2,7***
|
–2,9
|
n/a
|
+3,4*
|
+6,4**
|
0
|
+11,0**
|
+11,6***
|
n/a
|
+16,4***
|
+5,5*
|
EDSS-Wert
|
+2,5*
|
+0,9*
|
n/a
|
+2,8
|
+1,1***
|
+2,4***
|
+2,2***
|
+1,7***
|
n/a
|
+1,1***
|
+0,6*
|
Schübe 24 Monate, Antzahl
|
+0,3***
|
0,1
|
n/a
|
+0,1
|
+0,1
|
+0,5
|
–0,3
|
+0,2
|
n/a
|
0
|
+0,1
|
aZahl der Patienten die mindestens ein Kriterium nicht
erfüllt haben; DMD: disease-modifying drug; EDSS: expanded
disability status scale; *p<0,05; **p<0,01;
***p<0,001
MS-Register
Patienten des MS-Registers die alle Kriterien erfüllt hätten waren
durchschnittlich 2.6 Jahre älter (SD: 1,5, p=0,09), hatten einen
vergleichbaren EDSS-Wert und einen Schub weniger (SD: 0,08, p<,001) vor
Therapiebeginn. Wegen der wenigen Patienten, die die vier vordefinierten
Kriterien erfüllt hätten, wurde kein DMD-spezifischer Vergleich mit
Patienten, die ein oder mehr Kriterien nicht erfüllten berechnet. [Tab. 3] vergleicht Patienten,
die die Kriterien Alter, EDSS-Wert und Medikationsgeschichte erfüllt hätten
mit Patienten, die eines der drei Kriterien nicht erfüllt hätten. Dabei ist
zu beobachten, dass die Patienten, die mindestens eines der drei Kriterien
erfüllt hätten, älter sind, einen höheren EDSS-Wert haben und eine höhere
Schubaktivität aufweisen.
Vergleich von (S)UEs
Regims
41,5% der REGIMS-Register Patienten hatten mindestens ein UE und 8,5% ein SUE
im Beobachtungszeitraum von bis zu 30 Monaten. Patienten/-innen, die die
vier vordefinierten Kriterien erfüllt hätten, berichteten mehr UEs (47,1%
vs. 39,3%) und SUEs (9,4% vs. 8,1%) als diejenigen, die nicht alle Kriterien
erfüllten. Bei der Betrachtung der UEs lässt sich dieser Trend auch für
Ocrelizumab, Alemtuzumab, Fingolimod und Natalizumab erkennen. Umgekehrt
hatten Patienten, die mit Dimethylfumarat behandelt wurden und nicht alle
vier Kriterien erfüllt hätten, mehr UEs (29,9% vs. 23,5%), während mit
Ocrelizumab (2,9% vs. 0,0%) und Alemtuzumab (14,5% vs. 11,9%) therapierte
Patienten/-innen, mehr SUEs Angaben ([Tab. 4]). In einer weiteren
Analyse, bei der Schübe nicht als Einschlusskriterium berücksichtigt wurden,
war der Anteil der Patienten mit mindestens einem UE (42,1% vs. 40,3%) bei
der Patientengruppe, die alle Kriterien erfüllt hätte, etwas höher. Bei der
Betrachtung der SUEs ist dieser Trend umgekehrt: bei Patienten, die nicht
alle der Kriterien erfüllt hätten konnte ein höherer Patientenanteil mit
SUEs (9,4% vs 8%) beobachtet werden ([Tab. 4]).
Tab. 4 Vergleich der Häufigkeit der (schwerwiegenden)
unerwünschten Ereignisse.
Disease modifying drug (DMD)
|
All DMDs
|
Ocrelizumab
|
Dimethylfumarat
|
Alemtuzumab
|
Fingolimod
|
Natalizumab
|
Kriterien
|
Alter, Schübe, EDSS-Wert, Medikationsgeschichte
|
4 Kriterien sind erfüllt
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
REGIMS (Patienten [N])
|
350
|
902
|
24
|
69
|
18
|
97
|
85
|
76
|
74
|
143
|
72
|
373
|
Unerwünschtes Ereignis (UE) [%]
|
47,1
|
39,3
|
25,0
|
17,4
|
22,2
|
30,5
|
62,4
|
59,2
|
59,5
|
49,0
|
40,3
|
37,0
|
Schwerewiegendes unerwünschtes Ereignis (SUE) [%]
|
9,4
|
8,1
|
0
|
2,9
|
11,1
|
6,3
|
11,8
|
14,5
|
16,2
|
11,9
|
8,3
|
7,5
|
MS-Register (Patienten [N])
|
61
|
1130
|
10
|
365
|
7
|
141
|
4
|
40
|
3
|
84
|
20
|
105
|
Unerwünschtes Ereignis (UE) [%]
|
18,0
|
13,1
|
20,0
|
11,7
|
0,0
|
14,9
|
0,0
|
7,5
|
33,3
|
15,5
|
30,0
|
22,9
|
Schwerewiegendes unerwünschtes Ereignis (SUE) [%]
|
1,6
|
1,9
|
0,0
|
2,5
|
0,0
|
1,4
|
0,0
|
7,5
|
0,0
|
3,6
|
5,0
|
1,9
|
Kriterien
|
Alter, EDSS-Wert, Medikationsgeschichte
|
3 Kriterien sind erfüllt
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
REGIMS (Patienten [N])
|
815
|
437
|
57
|
49
|
56
|
57
|
134
|
33
|
195
|
70
|
213
|
232
|
Unerwünschtes Ereignis (UE) [%]
|
42,1
|
40,3
|
15,8
|
25,0
|
26,8
|
31,6
|
58,2
|
74,1
|
53,9
|
40,9
|
33,3
|
41,4
|
Schwerewiegendes unerwünschtes Ereignis (SUE) [%]
|
8,0
|
9,4
|
0,0
|
5,6
|
5,4
|
8,8
|
11,9
|
18,5
|
12,3
|
12,8
|
6,6
|
8,6
|
MS-Register (Patienten [N])
|
717
|
474
|
168
|
207
|
108
|
40
|
36
|
8
|
76
|
11
|
92
|
33
|
Unerwünschtes Ereignis (UE) [%]
|
15,3
|
10,1
|
16,7
|
8,2
|
14,8
|
12,5
|
8,3
|
0,0
|
17,1
|
9,1
|
27,2
|
15,2
|
Schwerewiegendes unerwünschtes Ereignis (SUE) [%]
|
1,7
|
2,3
|
1,2
|
3,4
|
1,9
|
0,0
|
2,8
|
25,0
|
4,0
|
0,0
|
3,3
|
0,0
|
MS-Register
Im Pharmakovigilanzmodul des MS-Registers hatten 13.3% der eingeschlossenen
Patienten mindestens ein UE und 1,9% ein SUE innerhalb des
Nachbeobachtungszeitraums von bis zu 51 Monaten. Medikamentenübergreifend
betrachtet war der Anteil der Patienten/-innen, die mindestens ein UE (18,0%
vs. 13,0%) berichteten in der Gruppe der Patienten, die alle vier Kriterien
erfüllt hätten, höher ([Tab.
4]) während der Trend bei SUEs (1,6% vs. 1,9%) umgekehrt war. Das
konnte auch bei Ocrelizumab-Patienten beobachtet werden. Der Anteil der
Dimethylfumarat-(14,9% vs. 0,0%) und Alemtuzumab-(7,5% vs. 0,0%) Patienten
mit mindestens einer UE, war in der Gruppe der Patienten, die mindestens ein
Kriterium nicht erfüllt hätten, höher. Dieser Trend konnte auch bei der
Betrachtung der SUEs für die häufigsten DMDs betrachtet werden, jedoch mit
der Ausnahme von Natalizumab-Patienten. [Tab. 4] zeigt den Vergleich
von UEs und SUEs von Patienten, die drei Kriterien erfüllt hätten (ohne das
Kriterium Schub) und die mindestens ein Kriterium nicht erfüllt hätten. Die
erste Gruppe hatte einen höheren Anteil der Patienten mit mindestens einem
UE (15,3% vs. 10,1%) und einen niedrigeren Anteil der Patienten mit
mindestens einem SUE (1,7% vs. 2,3%).
Regressionsmodelle zur Arzneimittelsicherheit
[Tab. 5] zeigt die Ergebnisse der
logistischen Regressionsanalyse für das REGIMS-Register und für das MS-Register
der DMSG.
Tab. 5 Odds-Ratios für das Risiko eines (schwerwiegenden)
eines unerwünschten Ereignisses ((S)UE) basierend auf den einzelnen
Einschlusskriterien. Abhängige Variable ist das (S)UE (1=mindestens
ein (S)UE; 0=kein (S)UE). Univariat adjustiert auf die Einbeziehung
eines einzigen Kriteriums als unabhängige Variable. Multivariat
adjustiert auf die gleichzeitige Berücksichtigung aller anderen
aufgeführten Kriterien.
UE
|
Univariat
|
Multivariat
|
REGIMS
|
Einschlusskriterien
|
OR
|
95% CI
|
p- Wert
|
OR
|
95% CI
|
p- Wert
|
Alter
|
0,818
|
0,54 0–1,23
|
0,34
|
0,81
|
0,53–1,23
|
0,32
|
EDSS-Wert
|
0,854
|
0,57–1,29
|
0,45
|
0,86
|
0,56–1,31
|
0,48
|
Medikationsgeschichte
|
1,134
|
0,88–1,47
|
0,34
|
1,11
|
0,86–1,45
|
0,43
|
Schübe
|
1,523
|
1,21–1,92
|
<0,01
|
1,50
|
1,21–1,92
|
<0,01
|
SUE
|
Univariat
|
Multivariat
|
Einschlusskriterien
|
OR
|
95% CI
|
p- Wert
|
OR
|
95% CI
|
p- Wert
|
Alter
|
0,59
|
0,32–1,09
|
0,09
|
0,64
|
0,34–1,22
|
0,18
|
EDSS-Wert
|
0,53
|
0,29–0,98
|
0,04
|
0,57
|
0,30–1,06
|
0,07
|
Medikationsgeschichte
|
1,12
|
0,70–1,79
|
0,64
|
1,56
|
0,72–1,86
|
0,55
|
Schübe
|
1,25
|
0,84–1,87
|
0,28
|
1,26
|
0,84–1,89
|
0,26
|
MS REGISTER (DMSG)
|
UE
|
Univariat
|
Multivariat
|
Einschlusskriterien
|
OR
|
95% CI
|
p-Wert
|
OR
|
95% CI
|
p-Wert
|
Alter
|
2,38
|
1,22–4,62
|
0,01
|
2,03
|
1,04–3,96
|
0,04
|
EDSS-Score
|
9,49
|
2,32–38,79
|
<0,01
|
8,54
|
2,07–35,23
|
<0,01
|
Medikationsgeschichte
|
1,16
|
0,79–1,70
|
0,45
|
0,87
|
0,70–1,53
|
0,86
|
Schübe
|
0,91
|
0,54–1,54
|
0,72
|
1,08
|
0,63–1,84
|
0,79
|
SUE
|
Univariat
|
Multivariat
|
Einschlusskriterien
|
OR
|
95% CI
|
p-Wert
|
OR
|
95% CI
|
p-Wert
|
Alter a
|
n/a
|
n/a
|
n/a
|
n/a
|
n/a
|
n/a
|
EDSS-Score
|
0,70
|
0,20–2,39
|
0,57
|
0,62
|
0,17–2,23
|
0,47
|
Medikationsgeschichte
|
0,59
|
0,25–1,38
|
0,23
|
0,61
|
0,26–1,47
|
0,27
|
Schübe
|
1,08
|
0,32–3,66
|
0,90
|
0,98
|
0,28–3,43
|
0,98
|
a SUE wurden nur bei Patienten beobachtet, die das
Einschlusskriterium Alter erfüllen (daher in den Regressionen
exkludiert)
Die Ergebnisse der multiplen binären logistischen Regression zeigen, dass
Patienten des REGIMS-Registers, die das Kriterium Schübe erfüllt hätten, eine
höhere Wahrscheinlichkeit hatten, dass UE auftreten, als diejenigen, die dieses
Kriterium nicht erfüllten (OR: 1,5; 95% KI: 1,2–1,9; p<0,001).
Die Analyse zeigte eine statistisch signifikante Assoziation zwischen den UEs und
den Kriterien Alter und EDSS-Score bei Patienten des MS-Registers der DMSG.
Patienten die das Kriterium Alter (OR: 2,0; 95% KI: 1,0–4,0; p=0,039) und das
Kriterium EDSS-Score (OR: 8,5; 95% KI: 2,0–35,2; p<0,003) nicht erfüllt
hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, dass UEs auftreten.
Diskussion
In dieser Studie wurden die Auswirkungen der Übertragung von Ein- und
Ausschlusskriterien aus klinischen Studien der Phase III auf MS-Patienten, die in
der klinischen Regelversorgung mit DMDs behandelt werden, analysiert. Dafür wurden
die demographischen und klinischen Merkmale bei Therapiebeginn zwischen Patienten,
die alle Kriterien erfüllt hätten und denen, die mindestens ein Kriterium nicht
erfüllt hätten, verglichen. Ferner wurden Unterschiede in der Häufigkeit von (S)UEs
zwischen den zwei Gruppen untersucht.
Die Mehrheit der untersuchten MS-Patienten aus der klinischen Routine hätten nicht
alle vordefinierten Einschlusskriterien der jeweiligen klinischen Phase-III-Studie
erfüllt. 72% der REGIMS-Register Patienten und 95% der betrachteten Patienten im
MS-Register der DMSG wären nicht in eine Phase-III-Studie aufgenommen worden. Diese
niedrige Übereinstimmung zwischen den Studienpopulationen und Patienten im
klinischen Alltag ist ein Ausdruck dafür, das potenzielle Patienten von klinischen
Phase-III-Studien, die zur Zulassung von Medikamenten führen, einer strengen
Selektion unterliegen.
Schub war das Kriterium, das am seltensten erfüllt wurde. Ohne das Kriterium Schub,
steigt der Anteil der Patienten, die alle anderen Kriterien erfüllen, auf
durchschnittlich 65% im REGIMS- und 60% im MS-Register der DMSG. Diese Ergebnisse
stimmen mit ähnlichen Studien überein, die sich mit der Generalisierbarkeit
klinischer Studien in anderen Indikationsfeldern befassen [12].
Die oben genannten Erfüllungsraten von Phase-III-Zulassungsstudien unterscheiden sich
stark zwischen den beiden Registern. Patienten des REGIMS-Registers zeigten eine
fast 20% höhere Erfüllungsrate als die Patienten im MS-Register der DMSG. Vor allem
das Kriterium Schub würde von den meisten Patienten des MS-Registers der DMSG nicht
erfüllt (12,3%). Der Unterschied in der Erfüllung der Kriterien weist auf
unterschiedliche demographische und klinische Charakteristika der Patienten/-innen
beider Register hin. Die REGIMS-Register-Patienten waren jünger, hatten einen
höheren EDSS-Wert und zusätzlich deutlich mehr Schübe, was auf eine höhere
Krankheitsaktivität hindeutet. Entsprechend zeigt sich ein höherer Anteil
derjenigen, die mit einem hochwirksamen DMD der Kategorie 3 behandelt wurde. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass in das REGIMS-Register keine Patienten aufgenommen
wurden die mit Interferonen oder Glatirameracetat länger als 36 Monate behandelt
wurden. Ferner ist zu beachten, dass das Pharmakovigilanz-Modul im MS-Register der
DMSG später eingeführt wurde, während die Dokumentation dieser Daten im
REGIMS-Register von Beginn durchgeführt wurde. Die aufgeführten Punkte könnte auch
die geringere Anzahl von (S)UEs im MS-Register erklären.
Unsere Analyse zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit eines UE bei Patienten des
REGIMS-Registers, die das Kriterium Schub erfüllen, höher ist als bei Patienten, die
dieses Kriterium nicht erfüllen. Die Verringerung der jährlichen Schubrate ist ein
häufiger Endpunkt in klinischen Studien und dient als Indikator für die
Krankheitsaktivität. Klinische Studien der Phase III schließen Patienten ein, die
mindestens einen Schub innerhalb eines Jahres oder mindestens zwei Schübe innerhalb
von zwei Jahren vor der Randomisierung hatten und damit eine deutliche
Krankheitsaktivität aufweisen. Das Kriterium Schub war das Kriterium mit dem
höchsten Prozentsatz an Nichterfüllungen in beiden Registern. Da eine niedrige
Schubrate auf eine geringe Krankheitsaktivität hindeutet, kann die Nichterfüllung
dieses Kriteriums auf eine konstant erfolgreiche Behandlung hindeuten und wird nicht
als potenzielles Sicherheitsrisiko für die Arzneimitteltherapie angesehen.
Neben dem Kriterium Schub zeigten die Patienten die geringste Übereinstimmung mit
dem
Kriterium Medikationsgeschichte. Washout-Perioden, wie sie in den meisten klinischen
Studien der Phase III gefordert werden, sind in der klinischen Routineversorgung
kaum zu erreichen. Wenn Patienten nicht auf die aktuelle Behandlung ansprechen oder
mindestens einen Schub erleiden, wird in den Leitlinien empfohlen, auf eine
Zweitlinientherapie umzusteigen [13].
Sepulveda et al. zeigten außerdem, dass das Absetzen einer Behandlung mit Fingolimod
ohne eine geeignete Folgetherapie oft mit einem Auftreten von Krankheitsaktivität
assoziiert ist [14]. Diese
Verschlechterung wurde ebenfalls beobachtet, wenn die Behandlung mit Natalizumab
ohne eine geeignete Folgetherapie beendet wird [15]. Die meisten Patienten werden im
Verlauf ihrer Erkrankung mit mehreren DMDs behandelt, sodass insbesondere bei
Therapien der Kategorien 2 und 3 de-novo-Patienten selten sind. Unsere Analyse hat
gezeigt, dass das nicht erfüllen des Kriteriums Medikationsgeschichte nicht mit
einem höheren Risiko in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit assoziiert ist.
Limitationen der Studie: Der Ausschluss von Patienten ohne vollständige Daten hat
eine kleinere Stichprobengröße für einige DMDs zur Folge, was ein limitierender
Faktor dieser Studie ist. Eine weitere Limitation dieser Studie ist, dass die
MRT-Daten innerhalb der Register nicht die nötige Granularität aufweisen, so dass
dieses Kriterium in der Analyse nicht aufgenommen werden konnte. Dies spiegelt
jedoch den klinischen Alltag wieder, da MRTs in der Versorgungspraxis oft nicht
standardisiert sind und nur bedingt mit einer Studiensituation verglichen werden
können, bspw. Bilder von unterschiedlichen Radiologen ausgewertet werden und
longitudinal unterschiedliche Scanner und Protokolle zum Einsatz kommen [16]. COVID Infektionen, die eher bei
jüngeren Patienten auftraten, könnten einen Einfluss auf die Regresssionsanalyse der
UEs im MS-Registerkollektiv haben. Eine weitere Limitation unserer Studie ist, dass
die Erfassung/Dokumentation von Nebenwirkungen setztvoraus, dass diese den Patienten
und den dokumentierenden Arzt bekannt sind und war genommen wurden. Des Weiteren
werden Ereignisse ungleichmäßig erfasst, da nicht alle Neurologen gleich detailliert
beim Patienten nachfragen. Eine Unterschätzung und fehlende Erfassung von (S)UEs ist
in PV-Studien häufig und kann auch in dieser Studie nicht ausgeschlossen und als
limitierender Faktor interpretiert werden. Eine weitere Limitation dieser Studie
ist, dass nur nach AE und SAE unterschieden wurde, aber keine weitere
Feingranulierung von verschiedenen Arten von Ereignissen gemacht wurde (z. B.
COVID/Infektionskrankheiten gesondert).
Die überwiegende Mehrheit der Patienten mit Multipler Sklerose (MS), die routinemäßig
mit einer DMD behandelt werden, wären nicht in die klinischen Studien aufgenommen
worden, die zur Zulassung der jeweiligen Medikamente geführt haben. Diese Studie
zeigt, dass Patienten, die die rigorosen Auflagen einer Zulassungsstudie nicht
erfüllt hätten, idR. kein höheres Risiko haben eine (S)UE zu erleiden. Nur Patienten
in einer Datenquelle (MS-Register) die das Kriterium Alter plus das Kriterium
EDSS-Score nicht erfüllt hätten weisen eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass UEs
auftreten auf. Es könnte sinnvoll sein, dass die Zulassungsbehörden und die
Studienprüfer ihre Herangehensweise bei der Gestaltung und im Design von Studien neu
definieren, damit Studienpopulationen besser die Routineversorgung widerspiegeln.
Allerdings können heterogenere Studiendesigns, die ein breiteres Spektrum von
Patienten einschließen, eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, signifikante
Ergebnisse zu erzielen, was entsprechend größere Stichproben erfordert und die
Kosten der Studien erhöht. Dies wiederum könnte zu Verzögerungen bei der Entwicklung
neuer Medikamente führen. Um diesen Effekten zu begegnen, könnten (pragmatische)
(Plattform)Studien auf Basis von Patientenregistern den Aufwand bei der Rekrutierung
und Nachverfolgung reduzieren und werden [17] bspw. in Skandinavien bereits regelhaft umgesetzt [18].
A-priori-Studien zur Generalisierbarkeit auf der Grundlage von Registerdaten und
Informationen zum Studiendesign könnten eine Möglichkeit für Prüfer sein, Studien
vor Beginn anzupassen. Post-market surveillance Studien und Posteriori-Studien zur
Generalisierbarkeit wie die vorliegende können von einer Datenverknüpfung
profitieren, bei der primäre Registerdaten und sekundäre Daten (z. B. Daten von
Krankenversicherungen) zusammengeführt werden, um die klinische Versorgungsroutine
und die behandelte Bevölkerung noch besser zu beschreiben. Eine Integration von
Ergebnissen randomisierter klinischer Studien mit primärer erhobenen Registerdaten
und Sekundärdatenquellen könnte zu einer Verbesserung des Lebenszyklus von
Arzneimitteln im Hinblick auf eine sichere und effiziente Arzneimitteltherapie
führen.