Gesundheitswesen 2008; 70(11): 696-701
DOI: 10.1055/s-0028-1100405
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävention von Kindeswohlgefährdung auf der Basis früher Hilfen und interdisziplinärer Kooperation am Beispiel des Modellprojekts „Guter Start ins Kinderleben”

Prevention of Risks to Children on the Basis of Early Intervention and Interdisciplinary Cooperation in the Example of the Model Project “A Good Start to Life”S. Schwanda 1 , S. Schneider 1 , A. K. Künster 1 , C. König 1 , A. Schöllhorn 1 , B. Ziesel 1 , A. Mark 1 , J. M. Fegert 1 , U. Ziegenhain[1] 1
  • 1Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie
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Publication Date:
27 November 2008 (online)

Zusammenfassung

Die Gefahr von Kindeswohlgefährdung ist bei Säuglingen und Kleinkindern am höchsten, da sie in besonderem Maße auf die Fürsorge und den Schutz der Eltern angewiesen sind. Kinderschutz kann nur dann gelingen, wenn frühe und präventive Angebote für Eltern und ihre Säuglinge und Kleinkinder bereitgestellt werden. Das Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben” dient der frühen Förderung elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen in prekären Lebenslagen und Risikosituationen insbesondere zur Prävention von Vernachlässigung und Kindeswohlgefährdung im frühen Lebensalter. Interdisziplinäre Vernetzung zwischen den beteiligten Systemen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür. Im Rahmen des Projekts werden deshalb Kooperationsformen und Vernetzungsstrukturen zwischen der Jugend- und Gesundheitshilfe und ihrer Angebote in acht Kommunen von vier Bundesländern in Form Runder Tische etabliert und erprobt. Neben dem praxis-orientierten Schwerpunkt des Projektes wird in diesem Beitrag von der Evaluation berichtet. Ziel dieser Evaluation ist einerseits die Analyse und Nachhaltigkeit der Vernetzungsrealität und erprobten Kooperationen mittels quantitativer und qualitativer Methoden, andererseits auf der fallbezogenen Ebene die längsschnittliche Prüfung der hypostasierten positiven Wirksamkeit früher Hilfen auf die Erziehungs- und Beziehungskompetenzen von Eltern und die Entwicklung von Kindern.

Abstract

Infants and toddlers are at high risk of neglect and maltreatment, as they are especially dependent on the care and the safeguard of their parents. Child protection can only succeed if early and preventive support for families at risk and their infants is provided. The project “A good start to life“ helps to promote parental sensitive behaviour and care giving competence of parents in precarious life settings and in high risk situations and is aimed to prevent child neglect and abuse at an early age. A relevant prerequisite for child protection is interdisciplinary networking between the involved systems. The main focus of the project is the establishment of collaboration and network structures between the infant and youth welfare system and the health-care system and their services in eight communities in four states in Germany by using so-called round tables as communication platforms. Preliminary results of the round tables are reported in this article together with the results of the evaluation process.

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1 Wissenschaftliche Kooperationspartner sind Dr. Thomas Meysen und Lydia Schönecker, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, für die Erstellung einer sozial- und datenschutzrechtlichen Expertise, Dr. Heinz Kindler, Deutsches Jugendinstitut, für die Erstellung einer Expertise zur Entwicklung eines einheitlichen und gleichermaßen wissenschaftlich begründeten und praxisnahen Inventars zur Risikoabschätzung sowie Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe und Dipl. oec. troph. Inga Evers, Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft, Justus-Liebig-Universität Gießen für die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse.

Korrespondenzadresse

PD Dr. U. Ziegenhain

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie

Universitätsklinikum Ulm

Steinhövelstraße 5

89075 Ulm

Email: ute.ziegenhain@uniklinik-ulm.de

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