Klin Monbl Augenheilkd 2009; 226(5): R75-R88
DOI: 10.1055/s-0029-1185547
KliMo-Refresher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Normaldruckglaukom – ein praxisorientierter Überblick

T. S. Dietlein1
  • 1Zentrum für Augenheilkunde der Universität zu Köln
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 June 2009 (online)

Preview

Einleitung

Ziel dieser kurzen praxisorientierten Übersicht zum Normaldruckglaukom soll es sein, dem betreuenden Augenarzt einige Anleitungen zur weiterführenden klinischen Diagnostik ([Tab. 1]), aber auch therapeutische Optionen oder – soweit möglich – klare Handlungsempfehlungen zur Therapie an die Hand zu geben.

Tab. 1 Diagnostisches Work-Up Normaldruckglaukom. Anamnese („Begleiterkrankungen“, Medikamentenanamnese, Vasospastik, ischämische Mikroangiopathie, Schlafstörungen etc.) zentraler Visus Gesichtsfeld (Computerperimetrie) im Verlauf Augeninnendruckmessungen, inkl. Tag-Nacht-Profil, Leer-/Liegendmessungen zentrale Hornhautdickenmessung Gonioskopie Papillenbeurteilung bzw. ‐morphometrie (z. B. HRT/GDX/OCT) 24-h-Blutdruckmessung, ggf. Nagelfalzkapillarmikroskopie ggf. Dünnschichtbildgebung Orbita/Chiasma und Cerebrum EKG, ggf. 24-h-EKG, Dopplersonografie der versorgenden Gefäße Differenzialblutbild, Blutgerinnungsparameter, BSG, Lipidstatus ggf. Schlaflaboruntersuchung bei V. a. Schlafapnoe ggf. weiterführende neurologische Untersuchung

Der

Es gibt keinen idealen Augendruck für alle Patienten.

Begriff „Normaldruckglaukom“ ebenso wie die früher gebräuchliche Bezeichnung „Niederdruckglaukom“ können leicht missverstanden werden. Viele Studien [2] haben gezeigt, dass es nicht einen idealen Augendruck (z. B. 10–20 mmHg) für alle Patienten gibt, sondern dass je nach individueller Situation auch ein noch „normales“ Augendruckniveau zur Verhinderung einer Krankheitsprogression nicht ausreichend sein kann (z. B. für den durch das Offenwinkelglaukom bereits weit vorgeschädigten Sehnerven, der sich auch bei einem mittleren Augendruck um 16 mmHg in der Advanced Glaucoma Intervention Study weiter signifikant verschlechterte verglichen mit einem eher tief normalen mittleren Augendruck um 12 mmHg, unter dem das Gesichtsfeld auch nach 7 Jahren stabil blieb).

Im

Eine strikte Trennung zwischen Normaldruck- und Offenwinkelglaukom ist pathogenetisch und klinisch nicht sinnvoll.

Zusammenhang mit der mittlerweile standardmäßig durchgeführten Messung der zentralen Hornhautdicke und der damit verbundenen Korrektur der applanatorisch gemessenen Tonometriewerte hat sich gezeigt, dass einige der ehemals als „Normaldruckglaukom“ klassifizierten Patienten nun doch der Gruppe des primären Offenwinkelglaukoms zuzurechnen sind. Allein diese Tatsache demonstriert die Fragwürdigkeit einer zu strikten Trennung zwischen Normaldruck- und Hochdruckglaukom.

Innerhalb

Normaldruckglaukompatienten sind eine heterogene Gruppe; auch die Häufigkeit variiert je nach Land und Behandlungszentrum.

des klinischen Kollektivs „Normaldruckglaukom“, das je nach Geografie ([Tab. 2]), Art des Behandlungszentrums, aber auch je nach den diagnostisch angelegten Kriterien einen Prozentsatz zwischen 10 und 50 % aller Glaukompatienten ausmacht [2], [3], [5], [10], [31], [37], zeigt sich ein sehr heterogenes Muster an Patienten von der jungen Frau mit Migräne und anderen vasospastischen Zeichen bis hin zum sehr alten Patienten mit arteriosklerotischer Demenz, sodass auch je nach individueller Konstellation ganz unterschiedliche Anforderungen an Diagnostik und Therapie gestellt werden müssen. Therapeutisch besteht ein praktisches augenärztliches Dilemma häufig darin, dass neben der Augeninnendrucksenkung andere krankheitsauslösende Faktoren (z. B. Blutdruckeinstellung) in der Regel nicht vom Augenarzt unmittelbar behandelt werden, z. T. aber auch von anderen Fachdisziplinen nur bedingt therapierbar sind (z. B. ischämische Mikroangiopathie).

Tab. 2 Prävalenz Normaldruckglaukom je nach Land und Alter der untersuchten Population 5, 21, 31, 37. Land Prävalenz und Alter Norditalien 0,6 % (> 40 Jahre) Polen 0,3 % (40–79 Jahre) USA 0,2 % (43–54 Jahre) 1,6 % (> 75 Jahre) Japan 2 % (> 40 Jahre)

Literatur

Prof. Dr. Thomas S. Dietlein

Zentrum für Augenheilkunde der Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Straße 9

50931 Köln

Email: thomas.dietlein@uk-koeln.de