Sprache · Stimme · Gehör 2009; 33(3): 107
DOI: 10.1055/s-0029-1241776
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Neugeborenenhörscreening - Einfluss auf Lese- und verbale Kommunikationsfähigkeiten

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Publication Date:
12 October 2009 (online)

 

Bei der Einführung des Neugeborenenhörscreenings in Deutschland stellte sich die Frage nach dem Nutzen dieser Maßnahme, da keine entsprechenden Untersuchungen verfügbar waren. Inzwischen gibt es erste Studien zur Verbesserung von Sprachentwicklung, Lernfähigkeit und Bildungschancen bei schwerhörigen Kindern durch Frühbehandlung in Folge des Hörscreenings. Arch Dis Child 2008;94: 293-297

In der vergangenen Diskussion über die Einführung des universellen Neugeborenenhörscreenings in Deutschland wurde der mögliche Nutzen thematisiert. Es wurde kritisiert, dass zu damaliger Zeit keine Studien verfügbar waren, die die postulierte Verbesserung durch Frühbehandlung von Sprachentwicklung, Lernfähigkeit und Bildungschancen von schwerhörigen Kindern nachweisen konnte. In der Erwartung, dass es in naher Zukunft solche Studien geben würde, befürwortete man das Neugeborenenhörscreening. Die ersten der damals ersehnten Studien sind nun publiziert (sog. Wessex-Studie aus England) und die hier zu besprechende Arbeit ist eine davon. Sie ist deshalb besonders wichtig für alle Leser der Zeitschrift Sprache – Stimme – Gehör, weil sie nicht nur einen verbesserten primären Spracherwerb durch Frühversorgung nachweist, sondern auch die Langzeiteffekte einer besseren Lesefähigkeit und verbalen Kommunikationsfähigkeit. Beides gilt als Schlüssel für gute Schulleistungen und gute Bildung.

Von 168 Kindern mit angeborenen Schwerhörigkeiten wurden 120 ausgesucht, um sie mit knapp 8 Jahren nachzuuntersuchen. Diese Kinder wurden in eine Gruppe aus der Zeit ohne Hörscreening und Versorgungsalter über 9 Monaten (59 Kinder) und eine Gruppe aus der Zeit mit Hörscreening und Versorgungsalter bis zu 9 Monaten unterteilt (61 Kinder). Diese Gruppen wurden mit einer Kontrollgruppe von 63 normalhörigen Kindern verglichen. Die Kinder aller Gruppen wurden hinsichtlich des Geschlechts und soziodemografischer Daten gematcht. Gemessen wurden die Leseleistung und verbale Kommunikationsfähigkeit mit 2 Standardtests. Die schwerhörigen Kinder blieben etwa 10-20% unter den Lese- und Kommunikationsleistungen normalhöriger Kinder. Die Gruppe mit Hörscreening war aber etwa eine halbe Standardabweichung besser als die Gruppe ohne Hörscreening. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass der Vorteil des Hörscreenings sogar noch unterschätzt wurde, da es sich um die ersten Kinder mit Hörscreening in England handelte und sich das Versorgungsalter inzwischen weiter abgesenkt hat. Außerdem konnte aufgrund der geringen Patientenzahl nicht der Einfluss des Hörverlustsgrades untersucht werden, wobei für die mittel- und hochgradig schwerhörigen Kinder ein noch größerer Vorteil als aktuell festgestellt vermutet wird.

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