Zentralbl Chir 2010; 135(1): 8-9
DOI: 10.1055/s-0030-1248777
Rechtliches - Urteile und Hintergründe

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

BGH VI ZR 157/08 – Wann kann eine unzureichende Therapie- und Prognoseaufklärung ein grober Behandlungsfehler sein?

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 February 2010 (online)

 

Medizinischer Sachverhalt

Ein Kläger wurde am 25.3.1999 an einem Hypophysentumor operiert. Die Entlassung nach Hause erfolgte am 3.4.1999. Ab 5.4.1999 fiel der Ehefrau eine deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes auf.

Nach Kontaktaufnahme mit der behandelnden Klinik erschien der Kläger im Rollstuhl am 6.4.1999 in Begleitung - seiner Ehefrau wieder in der Klinik. Eine MRT-Untersuchung ergab unauffällige Operationsverhältnisse und keine sonstigen Krankheitserscheinungen im Bereich des Kopfes. Bei eindeutiger Dehydration wurde ärztlicherseits eine - Infusionsbehandlung eingeleitet sowie eine stationäre Wiederaufnahme angeraten. Diese lehnte der Kläger ab und - begab sich nach Hause. Nachts fiel er aus dem Bett und konnte nicht sprechen. Bei der erneuten Wiederaufnahme am 7.4.1999 mit Intensivbehandlung wurde als Ursache ein Schlaganfall diagnostiziert.

Eine Infusionsbehandlung bei eindeutiger Dehydration wurde eingeleitet, eine stationäre Wiederaufnahme lehnte der Patient jedoch ab. In der darauffolgenden Nacht erlitt er einen Schlaganfall (Bild: Thieme Verlagsgruppe, Fotograf Alexander Fischer).

Nicht ganz eindeutig klar war, ob der Patient ausreichend über die Problematik des Wasserverlustes ohne ausreichende Hormonsubstitution informiert worden war. Der Kläger war aufgrund dieses Schlaganfalls bis zum 30.4.2004 völlig arbeitsunfähig und danach eingeschränkt arbeitsfähig gewesen. Als Ursache des Schlaganfalls auf dem Boden einer zerebralen Durchblutungsstörung wurde vom medizinischen Sachverständigen die Dehydration angesehen.

Eine Klage wegen unzureichender medizinischer Behandlung und mangelhafter Aufklärung über die Komplikationsgefahren wurde sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandgericht letztendlich abgewiesen. In der mangelnden Hormonsubstitution und in der eingeschränkten Aufklärung wurde kein grober Behandlungsfehler gesehen.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die nach der Operation bis zur Entlassung des Klägers festgestellten Laborwerte keine Hinweise auf eine Dehydration ergeben hätten. Deshalb sei es nicht behandlungsfehlerhaft gewesen, dass dem Kläger das einer Austrocknung entgegenwirkende Medikament Minirin® (Wirkstoff: Desmopressin) weder mitgegeben noch verordnet worden sei.

Die Beklagten hätten aber gegen ihre Verpflichtung zur therapeutischen Aufklärung verstoßen und damit einen Behandlungsfehler begangen, als sie den Kläger bei seiner Entlassung am 3.4.1999 nicht in der gebotenen Form über die Gefahren einer Dehydration und auch nicht darüber aufgeklärt hätten, dass er sich bei entsprechenden Anzeichen sofort wieder in die Klinik bzw. zu seinem Hausarzt begeben müsse. Der Kläger habe jedoch nicht bewiesen, dass der fehlende Hinweis auf die Gefahr der Austrocknung und die nicht erfolgte Gabe von Minirin® für seinen eventuellen Hirninfarkt bzw. die eingetretenen Durchblutungsstörungen mit den daraus resultierenden Folgen ursächlich gewesen seien. Eine Umkehr der Beweislast finde insoweit nicht statt, da der unterbliebene Hinweis keinen groben, sondern nur einen einfachen Behandlungsfehler darstelle.

Für den Nachmittag des 6.4.1999 lasse sich ein Behandlungsfehler nicht feststellen. Die von dem Beklagten zu 3 vorgesehenen Schritte, nämlich eine sofortige Infusion und weitere diagnostische Maßnahmen, wären geeignet gewesen, der Austrocknung entgegen zu wirken und den Hormonmangel zu erkennen. Da der Kläger zu dieser Behandlung nicht bereit gewesen sei, scheide ein Behandlungsfehler aus. Das gelte selbst dann, wenn ihm und seiner damaligen Ehefrau die Risiken eines Flüssigkeitsmangels nicht deutlich gemacht worden seien. Es sei weder erforderlich noch möglich gewesen, den Kläger zur Behandlung in der Klinik zu zwingen.

Jedenfalls habe der Kläger nicht bewiesen, dass eine etwaige unzureichende Aufklärung über die Notwendigkeit einer stationären Behandlung für den eingetretenen Gesundheitsschaden ursächlich gewesen sei. Eine Umkehr der Beweislast komme auch insoweit nicht in Betracht, denn eine unzureichende Aufklärung über die Risiken eines Flüssigkeitsmangels sei kein grober, sondern allenfalls ein einfacher Behandlungsfehler.

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Prof. h.c. A Thiede

ehem. Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik Würzburg I (ZOM)

Oberdürrbacherstr. 6

97080 Würzburg

Dr. iur. Hans-Joachim Zimmermann

Mergentheimer Str. 40

97082 Würzburg

    >