Sprache · Stimme · Gehör 2010; 34(2): 114
DOI: 10.1055/s-0030-1255359
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Spasmodische Dysphonie

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Publication Date:
27 May 2010 (online)

Table of Contents #

Was ist eine spasmodische Dysphonie?

Unter spasmodischer Dysphonie (SD) versteht man eine mehr oder minder starke Stimmstörung, die durch eine unwillkürliche Muskelverkrampfung im Kehlkopf entsteht. Typischerweise ist die Stimme dann wechselweise gepresst, normal und heiser, das Sprechen ist anstrengend. Diese Phasen können im Sekundentakt wechseln. Die Stimme kann durch das unwillkürliche Zusammenpressen der Stimmlippen gepresst (Adduktortyp) oder durch die unwillkürliche Weitstellung der Stimmlippen verhaucht und kraftlos sein (Abduktortyp). Die Stimmprobleme können schleichend über Jahre entstehen, selten ist der Beginn auch plötzlich. Insgesamt ist die SD ein seltenes Krankheitsbild, allerdings werden milde, oder nur langsam voranschreitende Stimmstörungen anfangs nicht immer als SD erkannt.

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Warum bekommt man eine spasmodische Dysphonie und wie wird sie behandelt?

Die Ursache ist bisher nicht geklärt, alle Altersgruppen, Männer und Frauen können betroffen sein, allerdings ist eine solche Störung im Kindes- bis jungem Erwachsenenalter extrem selten. Die SD kommt im Erwachsenenalter isoliert vor oder besteht im Rahmen anderer neurologischer Störungen. Bis in die 80er Jahre vermutete man psychische Ursachen. Im Hinblick auf das Krankheitsverständnis ist die Behandlung mit Botulinumtoxinen heute der "Goldstandard": kein anderes Verfahren hat eine vergleichbare Wirksamkeit.

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Botulinumtoxin - was ist das?

Das Botulinumtoxin (BT) ist ein Wirkstoff, der von Bakterien produziert wird. Normalerweise kommen diese Bakterien in verdorbenen Lebensmitteln vor. Bei Verzehr dieser Nahrungsmittel kann es zu schweren Befindlichkeitsstörungen und Lähmungen kommen.

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Wie ist die Wirkung und wie lange hält sie an?

Nervenimpulse werden an bestimmten neuromuskulären Schnittstellen an den Muskel weitergeleitet. An dieser Schnittstelle (periphere cholinerge Synapse) kommt es dann zur Ausschüttung von Botenstoffen (Acetylcholin), die an bestimmte Stellen des Muskels (neuromuskuläre Endplatte) wandern, so dass der Muskel aktiviert wird. BT verhindern die Ausschüttung dieses Botenstoffes und führen zu einer Unterbrechung/Verminderung der Muskelaktivität. BT wirken nur in dem Muskel, in den sie gespritzt wurden.

Die Wirkung ist begrenzt und hält ca. 3-6 Monate an, in Einzelfällen auch länger oder kürzer. Die Wirkung verfällt durch Aussprossung neuer Nervenenden und Bildung neuer synaptischer Kontakte.

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Muss ich mir bei der Behandlung mit Botulinumtoxinen Sorgen machen?

Die Sorge ist nachvollziehbar aber unbegründet, da hier minimale Mengen verwendet und zielgerichtet verabreicht werden. Bereits seit den 80er Jahren werden BT verwendet (z.B. zur Schielbehandlung), später wurde die Behandlung auch bei SD mit Erfolg eingesetzt. Nebenwirkungen sind selten und beinhalten meistens eine anfangs verhauchte Stimme und Schluckbeschwerden, die sich jedoch innerhalb der ersten 2 Wochen zurückbilden. Sehr selten kann auch eine Schwellung im Kehlkopf entstehen, die aber meist schnell abklingt. Die positive Wirkung setzt meistens nach ca. 1 Woche ein, die Stimme wird zunehmend klarer und das Sprechen weniger anstrengend.

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Muss man diese Behandlung lebenslang machen?

Ja, da sich die neuromuskuläre Verbindung neu organisiert und die muskuläre Verkrampfung im Kehlkopf wiederkommt.

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Wie läuft die Behandlung mit Botulinumtoxinen ab?

Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei der "oralen" Methode führt man eine lange, dünne, gebogene Metallkanüle über den Mund in den Kehlkopf und spritzt in die Kehlkopfmuskeln etwas BT. Gleichzeitig erfolgt eine visuelle Kontrolle durch eine spezielle 90°-Optik. Zuvor wird der Rachen-/Schlundraum mit etwas Betäubungsmittel besprüht/beträufelt. Das "transzervikale" Verfahren bietet sich speziell für Patienten mit erhöhtem Würgreiz an. Hier wird eine feine Nadel auf Kehlkopfhöhe in die Halsweichteile eingeführt. Anhand eines Muskelelektromyogramms, dessen Elektroden mit der Nadel verbunden sind, kann der Zielmuskel aufgesucht werden. Dann erfolgt die Injektion von BT. Außer einem Stich verspürt man normalerweise keine Beschwerden.

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Was ist, wenn ich die Behandlung gerne hätte, aber Angst vor dem Eingriff habe?

Die Behandlung kann auch in einer Kurzvollnarkose erfolgen. Meist ist dies mit einem kurzen stationären Aufenthalt in der behandelnden Klinik verbunden.

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Welches Verfahren sollte ich auswählen?

Ihr behandelnder Arzt wird verschiedene Verfahren mit Ihnen besprechen, Sie werden dann gemeinsam ein Verfahren auswählen.

Dr. med. Cornelia Schwemmle, Hannover