Sprache · Stimme · Gehör 2011; 35(03): 121
DOI: 10.1055/s-0031-1291972
Nachruf
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zum Gedenken – Dr. Luise Springer

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Publication Date:
30 September 2011 (online)

 

Ihre Visionen, ihr eigener hoher Anspruch an Therapie und Wissenschaft, ihre nie ermüdende Beharrlichkeit und ihr unerschütterlicher Glaube an die Durchsetzbarkeit ihrer Ideen waren Motoren, sich für eine neue, wissenschaftlich fundierte Generation von LogopädInnen einzusetzen, um in deren Interesse eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu erreichen und das Berufsbild internationalen Standards anzugleichen. Zu Beginn dieses Weges stand sie vor einer großen Baustelle. Als sie ihr Lebenswerk beendete, war aus der Logopädie ein anerkannter Zweig der akademischen Wissenschaft geworden.

Am 11. August 2011 ist Luise Springer nach schwerer Krankheit im Alter von 64 Jahren gestorben.

Im Jahr 1973 schloss Luise Springer an der Lehranstalt für Logopädie in Berlin ihre Ausbildung zur Logopädin ab. Nach einer therapeutischen Tätigkeit am Klinikum Steglitz und der Mitarbeit an einigen Forschungsprojekten, gründete sie 1976 gemeinsam mit dem Neurologen Prof. Poeck die Lehranstalt für Logopädie am Klinikum der RWTH Aachen. Dort war sie bis zum Februar 2011 in leitender Funktion tätig. Wer in dieser Zeit seine Ausbildung in Aachen absolvierte, erlebte eine leidenschaftliche Therapeutin und Pädagogin, deren besonderes Anliegen es war, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in ihren speziellen Fachdisziplinen – der Diagnostik und Therapie der Aphasie, der Entwicklungsdyslexie, der Dysgraphie – fundiert und auf dem Stand der Wissenschaft an die jüngeren Generationen weiter zu geben.

Viele LogopädInnen der heutigen Zeit wurden entscheidend von ihr geprägt. 1992 gelang es ganz wesentlich auf Drängen von Luise Springer, in Aachen den Diplom-Studiengang Lehr- und Forschungslogopädie zu etablieren. So erhielt die logopädische Wissenschaft ein Forschungszentrum, das weit über Deutschlands Grenzen hinaus ausstrahlen sollte.

Viele relevante Forschungsprojekte wurden unter der Leitung von Luise Springer erfolgreich initiiert und vorangetrieben. Erinnert sei an "Mediatätsstile bei Aggramatikern", an "Störung und Repair" oder an "Transskriptive Verfahren in der Verständigungssicherung". Auch die DFG nahm unter ihrer Ägide die Logopädie als relevante Stimme auf, zum Beispiel im Projekt "Medien und kulturelle Kommunikation".

Neben ihrer therapeutischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Tätigkeit war Luise Springer intensiv in berufspolitische Diskussionen und Aktivitäten eingebunden. Sie hatte wesentlichen Anteil an der Verabschiedung des Berufsgesetzes 1980, das die Berufsbezeichnung "Logopäde" zu einem geschützten Begriff machte.

Die Debatten um Übergangsregelungen und Fristen erforderten viel Zeit und Kraft, ebenso die Tätigkeit in Fachgremien, z.B. in der Kommission für logopädisch-phoniatrische Gemeinschaftsaufgaben, in den Konferenzen leitender Lehrlogopäden oder in internationalen Ausschüssen, wo sie als Vertreterin des DBL tätig wurde.

Unter ihrer unermüdlichen Mitwirkung entstand eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung mit einem verbindlichen Curriculum, bekannt als das "gelbe Buch", dazu weitere Richtlinien für den Studiengang der Logopädie. Alle Inhalte waren interdisziplinär bestimmt, internationale Erkenntnisse flossen kontinuierlich ein. Die Akademisierung der Logopädie war ihr persönliches Anliegen. Unbeirrt ging sie diesen langen Weg, den sie am Ende mit ihrer eigenen Promotion krönte.

In einer Vielzahl von Veröffentlichungen und Vorträgen, durch die Mitherausgabe der Buchreihe "Forum Logopädie", hat uns Luise Springer ihr wissenschaftliches und persönliches Vermächtnis hinterlassen. Als Beiratsmitglied diverser wissenschaftlicher Organe, z.B. der Zeitschriften "Neurolinguistik" oder "Rehabilitation und Aphasie", wie auch als Mitherausgeberin der "Sprache – Stimme – Gehör", bereicherte sie die Diskussionen mit ihrer strukturierten, interdisziplinär übergreifenden Denkweise.

Wir trauern um Luise Springer. Wir haben durch sie eine weitsichtige wie engagierte Therapeutin, Pädagogin, Wissenschaftlerin und Botschafterin verloren. Ich empfinde es so, als würde im logopädisch-wissenschaftlichen Klangkörper plötzlich bei einem Akkord der Grundton fehlen.

Marianne Spiecker-Henke
für die Herausgeber der Zeitschrift