Alles nur EPaNIC?

Prof. Dr. Stephan C. Bischoff

Kaum eine Studie zur künstlichen Ernährung kritisch Kranker hat so viel Aufmerksamkeit und kontroverse Diskussion hervorgerufen wie die im August vergangenen Jahres publizierte Studie von Casaer et al. aus der Arbeitsgruppe um Greet van den Berghe in Leuven, Belgien. Dabei ging es um die einfache Frage, wann beim kritisch Kranken, der nicht ausreichend enteral ernährt werden kann, mit einer zusätzlichen parenteralen Ernährung begonnen werden soll.

• Casaer et al. Early versus late parenteral nutrition in critically ill adults. N Engl J Med 2011; 365: 506 – 517.

Die Arbeit hat im November 2011 in derselben Zeitschrift und in diversen anderen renommierten Zeitschriften bereits zahlreiche Leserbriefe und Kommentare mit Antworten der initialen Autoren ausgelöst, welche die Schattierungen in der Diskussion um das Thema wiedergeben. Einerseits sollte mit dieser Studie eine Lücke bzw. Kontroverse in den Leitlinien geschlossen werden, andererseits ist bei vielen der Eindruck entstanden, dass dies trotz eindeutiger Resultate nicht gelungen ist. Warum diese Studie mehr Fragen hervorruft als Antworten gibt, zeigen die aufgeführten Kommentare, darunter einer aus Deutschland von Felbinger et al., der sowohl im N Engl J Med als auch in einer ausführlicheren Version in der Med. Klinik (2011; 106: 218 – 220) erschienen ist. Casaer et al. haben auf diese Kommentare geantwortet (N Engl J Med 2011; 365: 1841 – 1842).

• Ziegler TR. Nutrition support in critical illness – bridging the evidence gap. N Engl J Med 2011; 365: 562 – 564.

• Heyland DK. ACP Journal Club. Late initiation of parenteral nutrition reduced length of intensive care unit stay. Ann Intern Med 2011; 155: JC5 – 11.

• Felbinger TW, Weigand MA, Mayer K. Early or late parenteral nutrition in critically ill adults. N Engl J Med 2011; 365: 1839.

• O’Leary MJ, Ferrie S. Early or late parenteral nutrition in critically ill adults. N Engl J Med 2011; 365: 1839 – 1840.

• Bistrian BR. Early or late parenteral nutrition in critically ill adults. N Engl J Med 2011; 365: 1840.

• Marik PE. Early or late parenteral nutrition in critically ill adults. N Engl J Med 2011; 365: 1840 – 1841.

Diese lebhafte Diskussion, die auch auf einer Reihe von nationalen und internationalen wissenschaftlichen Tagungen fortgesetzt wurde, war Anlass für uns, das Thema für den deutschsprachigen Leserkreis aus unterschiedlichen Blickwinkeln darzustellen. Ausgangspunkt waren Präsentationen während der DGEM-Tagung in Irsee am 28. – 29. Oktober 2011 (siehe S. 326), wo nicht nur der Erstautor des Originalartikels, Herr Dr. M. P. Casaer (siehe Interview S.19), sondern auch Herr Prof. Dr. Ockenga aus internistischer Sicht (siehe Beitrag S. 22) referierten. Wir freuen uns besonders, dass wir nicht nur Herrn Prof. Dr. Felbinger, den Autor einer der o. g. Leserbriefe, sondern auch den amtierenden Präsidenten von ESPEN, Herrn Prof. P. Singer aus Tel Aviv, sowie das Vorstandsmitglied der DGEM, Herrn PD Dr. M. Adolph aus Tübingen, zu Stellungnahmen gewinnen konnten. Wir hoffen, dass wir Ihnen damit genug Material zusammengestellt haben, damit Sie sich ihre eigene Meinung zu dem Thema bilden können.

Stephan C. Bischoff, Editor