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DOI: 10.1055/s-0031-1300726
Hepatitis D (Delta) – die vergessene Herausforderung
Publication History
Publication Date:
30 December 2011 (online)

Das Hepatitis-D-Virus (HDV), auch Delta-Virus genannt, wurde im Jahre 1977 von Mario Rizzetto, Turin, entdeckt. Es handelt sich um ein RNA-Viroid, das einer gleichzeitigen Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) bedarf, welches das Hepatitis B Surface Antigen (HBsAg) als Hülle für das HDV zur Verfügung stellt. Bei der Hepatitis D handelt es sich somit immer um eine Coinfektion mit dem HBV. Kommt es gleichzeitig zu einer Coinfektion von Hepatitis B und Hepatitis D, kommt es in bis zu 90% zu einer Ausheilung. Wird jedoch ein chronischer Hepatitis-B-Träger mit dem HDV superinfiziert, ist in über 90% eine chronische Hepatitis D die Folge. Der klinische Verlauf einer Hepatitis D ist schwerwiegender als der einer Hepatitis-B-Monoin-fektion. Wenngleich das Leberzellkarzinom auch eine Spätkomplikation der Hepatitis D ist, kommt es jedoch sehr häufig vorher zu einer Dekompensation der Leberzirrhose. Die Leberzirrhose durch Hepatitis D tritt 10 Jahre früher auf als durch die Hepatitis B-Monoinfek-tion allein.
Die Hepatitis D wird oft in ihrer Bedeutung unterschätzt. Man geht von 20–50 Millionen chronischen Hepatitis-D-Patienten weltweit aus. In Deutschland sind etwa 10% der chronischen Hepatitis-B-Träger Hepatitis-D-coinfiziert. Dies bedeutet, dass wir von 50 000 chronischen Hepatitis-D-Patienten ausgehen können, was in etwa der Anzahl der HIV-Patienten entspricht. Diagnostisch ist es daher erforderlich, dass alle HBsAg-positiven, chronischen Hepatitis-B-Träger zunächst auf Hepatitis D-Antikörper (Anti-HDV) untersucht werden. Bei einem positiven Befund ist die Bestimmung der HDV-RNA erforderlich. Diese kann heutzutage quantitativ mit PCR (Polymerase Chain Reaction)-Technologie bestimmt werden, wenngleich dieser Test nicht generell verfügbar ist. Waren in Deutschland Anfang der 90er Jahre chronische Hepatitis-D-Patienten vor allem Migranten aus südeuropäischen Ländern und i. v. Drogenabhängige, so kommen heute viele dieser Patienten aus Teilen der ehemaligen Sowjetunion.
Es gibt 8 verschiedene Genotypen des HDV. In Deutschland sind die Hepatitis-D-Patienten vor allem vom HDV-Genotyp I. Die globale Bedeutung der Hepatitis-D-Infektion wird wahrscheinlich unterschätzt. Gerade in jüngster Zeit ist die Verbreitung des HDV in Teilen von Südamerika, vor allem im Amazonasgebiet, auffällig geworden. Es gibt dort besonders schwerwiegende Verläufe. Hierbei handelt es sich um HDV vom Genotyp III bei Hepatitis-B-Genotyp F-Patienten. Die Verläufe der akuten Hepatitis D sind hier oft fulminant und auch häufig letal.
Viele Therapieversuche bei Hepatitis D waren erfolglos. So sind die Ergebnisse selbst bei Langzeittherapie durch Interferone unbefriedigend. Hepatitis B-Nukleosidanaloga, d. h. HBV-DNA-Polymeraseinhibitoren, sind als Monotherapie unwirksam. Das Kompetenznetz Hepatitis führt seit Jahren die weltweit größten internationalen Studien zur Therapie der Hepatitis D durch, die sogenannten HIDIT-Studien. Die HIDIT-I-Studie hat gezeigt, dass pegylierte Interferone allein oder in Kombination mit dem Nukleotidanalogon Adefovir signifikant die HDV-RNA senken können, bei etwa 25% der Patienten kommt es sogar zu einer sogenannten „sustained response”, d. h. negativer HDV-RNA 6 Monate nach Ende einer 1-jährigen Therapie. Bei 10% der Patienten aus der Gruppe mit Kombinationstherapie kann es sogar zum HBsAg-Verlust kommen, was einer Heilung nahe kommt. Zurzeit wird die HIDIT-II-Studie durchgeführt, bei der pegyliertes Interferon alfa 2a in Kombination mit Tenofovir für 96 Wochen eingesetzt wird, im Vergleich zur Monotherapie mit pegyliertem Interferon alfa 2 a allein. Endstadien der Hepatitis D werden einer Lebertransplantation zugeführt. Die Ergebnisse sind überwiegend gut, mit 5-Jahresüberlebensraten bis zu 90%. Dabei ist die Reinfektionsrate bei Einsatz von Hepatitis B-Hyperimmunglobulin (HBIg) und gleichzeitiger Gabe von Hepatitis B-Nukleosidanaloga besonders gering, geringer als bei Transplantation wegen Leberzirrhose durch Hepatitis B-Monofinfektion. Andererseits muss die Reinfektion durch HDV auf jeden Fall verhindert werden, da es bei einer HDV-Reinfektion im Gegensatz zur Hepatitis B-Reinfektion keine effektive Therapie gibt.
Um entscheidende Fortschritte in der Zukunft bei der Diagnostik und Therapie der Hepatitis D zu erzielen, muss die „Awareness” für diese Erkrankung nicht zuletzt dadurch gefördert werden, dass bei jedem Hepatitis-B-Patienten ein anti-HDV-Test durchgeführt wird. Bei jedem positiven anti-HDV-Befund muss die HDV-RNA bestimmt werden. Hier ist es wichtig, national wie international, die diagnostischen Tests für Hepatitis D zu standardisieren. Für die Weiterentwicklung von Therapien bei Hepatitis D kann das vom Kompetenznetz Hepatitis geschaffene internationale Hepatitis-D-Konsortium genutzt werden. Besonders hoffnungsvoll sind neue, spezifisch gegen das HDV gerichtete Therapieverfahren, wie z. B. Substanzen, die die Aufnahme des HDV in die Leberzelle hemmen, als auch Substanzen, die die Reifung der HDV-Viruspartikel vor deren Ausschleusung aus der Leberzelle inhibieren, z. B. Prenylierungsinhibitoren. Substanzen, die gegen diese neuen „Targets” des Hepatitis-D-„Lifecycle” gerichtet sind, stehen kurz vor der klinischen Erprobung.