Schlüsselwörter OP-Personal - Arbeitsbelastung - Anästhesiegase - chirurgische Rauchgase
Key words operating room personnel - work strain - anaesthetic gases - surgical smoke gases
Einleitung
Die betriebsmedizinische Betreuung der chirurgisch tätigen Beschäftigten im
Gesundheitsdienst ist nicht nur auf Infektionsprophylaxe, Hautschutz, Prävention der
Wirbelsäulenerkrankungen, Früherkennung psychischer Belastung und Ergonomie der
Gerätetechnik im Operations(OP-)saal begrenzt [1 ], [2 ], [3 ]. Ein weiteres Feld der
arbeitsmedizinischen Vorsorge und Forschung ist die Problematik der Narkose- und
Rauchgaseexposition während chirurgischer Eingriffe [4 ], [5 ].
In Krankenhäusern wird eine große Anzahl von chemischen Stoffen verwendet, die nach
dem Chemikaliengesetz (ChemG) zur Reihe „Gefahrstoffe“ einzuordnen sind und die
negative Effekte auf die Gesundheit ausüben können. Hierzu gehören Narkose- und
Rauchgase bzw. diverse Aerosole, die eine bisher nicht gebührend berücksichtigte
Rolle spielen.
In der Literatur wird immer wieder kontrovers diskutiert, ob die chronisch
subanästhetischen Konzentrationen der Narkosegase wirklich schädigende Wirkungen
hervorrufen können [6 ], [7 ], [8 ], [9 ], [10 ]. Die Belastung des OP-Personals durch chronische
Exposition von Anästhesiegasen am Arbeitsplatz wird dabei wohl unterschätzt [8 ]. Insbesondere liegen kaum Studien zu den
Inhalationsanästhetika Desfluran und Sevofluran vor, die in höheren Konzentrationen
eingesetzt werden und so eine höhere Belastung des OP-Personals zu erwarten
wäre.
Eine neuartige, weitere Belastung im OP-Bereich stellen verschiedene chirurgische
Verfahren dar, die Rauchgase erzeugen. Nur einige Verfahren sind hier
stellvertretend an dieser Stelle zu nennen: Elektrokauter, Laser,
Ultraschallskalpell u. a. [11 ]. Auch diese Gase bzw.
deren Bestandteile können potenziell aufgrund der toxischen Eigenschaften
gesundheitsschädliche Auswirkungen auf das medizinische Personal haben. Konkrete
Auswirkungen auf das OP-Personal sind auch hier bisher wenig untersucht und belegt
[12 ].
Das Ziel dieser kompakten Kurzübersicht besteht darin, basierend auf einer
selektiven Literaturrecherche und arbeitsmedizinisch zusammengefassten prinzipiellen
Aspekten zum Thema
die chirurgisch tätigen Kollegen (natürlich neben dem übrigen OP-Personal)
zur Problematik der Belastung und Gefährdung durch Anästhesiegase bzw.
chirurgische Rauchgase zu sensibilisieren (obwohl die meisten
raumlufttechnischen Anlagen [RLT] nach nationalen Vorgaben [DIN 1946 Teil 4]
in medizinischen Behandlungsräumen ausreichend sind) sowie
ein Basiswissen zu dieser Problematik zu konsolidieren.
Des Weiteren werden die Schutzmaßnahmen nach dem in der Arbeitsmedizin etablierten
STOP-Prinzip (S ubstitution, T echnische, O rganisatorische und
P ersönliche Maßnahmen) für die beiden Belastungsarten aufgeführt.
Es werden in dieser Arbeit auch heute nicht mehr verwendete Anästhetika besprochen
und die Problematik der chronischen Exposition beim OP- und Anästhesiepersonal
erläutert, da
die älteren Kollegen bei Ausübung ihrer Tätigkeit damals potenziell dieser
chronischen Belastung ausgesetzt waren,
sich der Leserkreis nicht nur auf die in Deutschland tätigen Mediziner
beschränkt und
in anderen Ländern Anästhetika wie Halothan immer noch verwendet werden.
Allgemeine Vorbetrachtungen
Allgemeine Vorbetrachtungen
Eine der wichtigsten Aufgaben der Arbeitsmedizin ist es, Arbeitsunfälle und
Berufskrankheiten der Arbeitnehmer zu verhindern, d. h. arbeitsbedingten
Gesundheitsstörungen rechtzeitig unter Anderem durch Primärprävention vorzubeugen
und diese frühzeitig durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
(Sekundärprävention) zu erkennen.
Die verschiedenen rechtlichen Vorschriften und Gesetze in Deutschland wie z. B. das
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verlangen von den Arbeitgebern, dass alle notwendigen
Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen werden müssen, um die Arbeitnehmer und deren
Gesundheit vor beeinträchtigenden und gefährdenden Einwirkungen bei der Arbeit zu
schützen. Das betrifft auch den Arbeitsplatz „(chirurgischer) OP-Bereich“. Die
Arbeitnehmer, also das chirurgische OP- und Anästhesiepersonal, sollen den
Arbeitgeber dabei unterstützen. Auch die Arbeitnehmer haben nach ArbSchG Rechte und
Pflichten, z. B. die Pflicht, alle festgestellten Mängel am Arbeitsplatz, die
Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit haben können, dem Arbeitgeber zu melden.
Wenn der Arbeitgeber nicht reagiert, ist eine Meldung an die zuständige Behörde
ratsam. Dem Arbeitnehmer dürfen nach dem ArbSchG hierdurch keine Nachteile
entstehen.
Ein Betriebsarzt im Krankenhaus sollte in enger Zusammenarbeit mit der Fachkraft für
Arbeitssicherheit eine Gefährdungsbeurteilung an den Arbeitsplätzen aller
Narkosebereiche durchführen (§ 5 „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“ und § 6
„Dokumentation“ ArbSchG). Hierdurch soll die Gefährdung unter Berücksichtigung der
jeweils arbeitsplatzspezifischen Bedingungen abgeschätzt und erforderliche Maßnahmen
des Arbeitsschutzes ermittelt werden ([Abb. 1 ] und [2 ]).
Abb. 1 Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbelastung durch Anästhesiegase
und chirurgische Rauchgase im OP-Bereich.
Abb. 2 Handlungsschritte bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
der Arbeitsbelastung durch Anästhesiegase und chirurgische Rauchgase im
OP-Bereich.
Eine der ersten arbeitshygienischen Messungen im OP-Bereich war die von dem Dresdener
Chirurgen Kelling im Jahr 1918 im Zentralblatt für Chirurgie beschriebene
Kontrollmessung der Narkosedämpfe im OP-Saal [13 ]. Zwei
weitere Wissenschaftler, Arbeitshygieniker aus Berlin, Hirsch und Kappurs,
beschäftigten sich ebenfalls mit dieser Thematik und zeigten fast 10 Jahre danach,
dass bei der Luftkonzentration in OP-Sälen durch Narkoseäther chronische Schäden
nicht auszuschließen sind [14 ].
Auch in der heutigen Zeit ist dieses Thema für Arbeitsmediziner von hohem Interesse,
da sowohl der Inhalations- als auch der Kombinationsnarkose (Anästhesiegase in
Verbindung mit intravenösen [i. v.] Analgetikamitteln) das folgende gemeinsame
Problem zugrunde liegt: Die anästhesiegasführenden Geräte weisen oft eine Leckage
auf [10 ]. Das bedeutet, dass das OP-Personal
kontinuierlich dieser Belastung ausgesetzt wird.
Die klassische Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz OP-Raum bei Exposition durch
Narkosegase und/oder chirurgische Rauchgase beginnt mit der Ermittlung der toxischen
Eigenschaften der am OP-Arbeitsplatz verwendeten Medizinprodukte und der
Beschreibung der Arbeitsverfahren sowie Arbeitsorganisation. Mittels dieser Daten
und/oder Bestimmung der individuellen Exposition eines Beschäftigten kann man die
vorliegende Exposition bewerten und notwendige Arbeitsschutzmaßnahmen festlegen als
auch die Arbeitsorganisation optimieren. In der Arbeitsmedizin hat sich das
STOP-Prinzip als Kriterium der Wahl von Schutzmaßnahmen in der Reihenfolge etabliert
([Abb. 3 ]): S – Substitution von
Gefahrstoffen, T – Technische Maßnahmen, O – Organisatorische
Maßnahmen, P – Persönliche Maßnahmen.
Abb. 3 STOP-Prinzip im OP-Bereich.
Bei der Gefährdungsbeurteilung des potenziell exponierten OP-Personals und des
Arbeitsplatzes soll der Betriebsmediziner neben den toxischen Eigenschaften einer
Substanz auch die Anzahl von zahlreichen Einflussfaktoren berücksichtigen, die die
Toxizität volatiler Anästhetika und chirurgischer Rauchgase verändern können. Dazu
gehören:
OP-Raum-Größe,
Art der Raumbelüftung,
Luftwechselrate,
Art der Patienten,
Art der OP,
Typ des verwendeten Narkosesystems (geschlossenes, halb offenes oder halb
geschlossenes),
Frequentierung der durchgeführten OPs pro Tag bzw. Woche und
Routine des Anästhesie- und des OP-Personals [1 ].
Anästhesiegase
Im Allgemeinen werden in der Chirurgie bei operativen Eingriffen Allgemeinnarkosen
oder Regionalanästhesieverfahren verwendet. Zu den wichtigsten in den letzten 30
Jahren verwendeten Narkosegasen im OP-Bereich mit einer potenziellen
Gesundheitsgefährdung gehör(t)en halogenierte Kohlenwasserstoffe (Halothan:
2-Brom-2-Chlor-1,1,1-Trifluorethan oder Fluothane) und Narkosegase aus der
Ethergruppe (Enfluran) bzw. gehören das heutzutage immer noch eingesetzte
Distickstoffmonoxid (N2 O) und Narkosegase aus der Ethergruppe (Desfluran,
Sevofluran und Isofluran). Die beiden gasförmigen Anästhetika Desfluran und
Sevofluran zeichnen sich durch niedrige Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten und sehr
gute Verträglichkeit aus. Sie gelten deshalb heute als Standardanästhetika. Halothan
hingegen wird heute in Deutschland kaum mehr verwendet, findet jedoch in der
Kinderanästhesie doch noch eine breite Anwendung. Die Vorteile der reinen
Inhalationsanästhesie liegen in der guten Steuerbarkeit und in der Elimination der
Substanzen unabhängig von Leber- und Nierenfunktion [15 ]. Als Nachteil ist allerdings eine potenzielle Organtoxizität zu nennen
[16 ].
Anästhesiegase und deren Wirkung
Es existiert eine Reihe von Publikationen, die sich mit dem Thema Belastungen
durch Anästhesiegase bei OP-(und/oder Anästhesie-)Personal befassen [6 ], [8 ], [17 ], [18 ], [19 ], [20 ], [21 ], [22 ], [23 ], [24 ], [25 ], [26 ], [27 ], [28 ], [29 ].
Die Wirksamkeit der Inhalationsanästhetika bei Patienten ist gut erforscht;
unerwünschte Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen der Anästhesiegase, u. a.
die Halothanhepatitis, wurden beschrieben [9 ]. Auch
für das exponierte OP- und Anästhesiepersonal wurde über die möglichen
Gesundheitsbeeinträchtigungen und -risiken berichtet. Das OP-Personal ist zwar
deutlich niedrigeren Konzentrationen von Anästhesiegasen ausgesetzt, jedoch
dafür während eines längeren Zeitraums. Die Belastung summiert sich über den
Arbeitstag (8 h und mehr) und mehrere Arbeitsjahre. Daher muss die
Gefährdungsbeurteilung nach Änderung des arbeitsbedingten Vorgehens (Verfahren,
Technik) immer wieder neu und aktualisiert durchgeführt werden.
Bei der Anwendung des Anästhesiegases Distickstoffmonoxid (syn.: N2 O,
Lachgas, Distickstoffoxid, Stickoxydul) sind folgende Effekte beim OP- und/oder
Anästhesiepersonal durch berufliche Expositionen in der Literatur beschrieben
worden:
periphere Neuropathien [30 ],
vermehrte neurologische Beschwerden (bei Zahnärzten und
Zahnarztgehilfinnen, die einer chronischen Lachgasexposition während
mehr als 6 h pro Woche ausgesetzt waren und an deren Arbeitsplatz eine
Gasabsaugungsanlage fehlte) [31 ],
Beschwerdezunahme wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schwindel, wobei die
Beschwerdehäufigkeit des OP-Personals mit der Leistung der
Raumventilation im OP-Saal korrelierte [32 ],
Abnahme der Reaktionszeit beim OP-Personal [32 ], [33 ], wobei das in anderen
Studien nicht bestätigt werden konnte [34 ], [35 ], [36 ],
Beeinträchtigung mentaler Funktionen bei halbstündigen Expositionen bei
Lachgaskonzentrationen von 20 % [37 ],
Veränderungen im Immunsystem wie z. B. verminderte Anzahl von
B-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen beim Anästhesiepersonal [38 ], wobei in einer anderen Studie [39 ] demgegenüber keine Immunsuppression in
der Art der untersuchten Klientel nachgewiesen wurde,
erhöhte Häufigkeit von Nieren- und Leberschädigungen bei exponiertem
Personal [40 ],
Zusammenhang zwischen Exposition beim OP-Personal und Hepatitis [41 ] sowie
verminderte Fertilität durch Lachgasexposition [42 ] – über die Spontanabortraten wird kontrovers diskutiert
[9 ].
Die Untersuchungen von Zühlsdorff [29 ] zeigten, dass
die Konzentrationen von Lachgas die vorgeschriebenen Höchstwerte von 100 ppm
während einer OP deutlich überschritten. Lachgas wird auch heute noch zur
Supplementierung von volatilen und i. v. Anästhesien eingesetzt [29 ].
Man findet in der Literatur einige Hinweise dafür, dass infolge beruflicher
Belastung durch Halothan solche Beeinträchtigungen des Befindens wie Müdigkeit,
Nervosität, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Antriebsstörungen und die
Verschlechterung des Leistungsvermögens vorkommen können [37 ], [43 ]. Bei Krankenhauspersonal, das
gegenüber volatilen Gasen chronisch exponiert war, wurden Gesundheitsstörungen
wie Leberparenchymschäden, Irritationen der Atemwege, gastrointestinale
Beschwerden, Herzrhythmusstörungen u. a. beobachtet [19 ], [44 ], [45 ]. Es wurde in den Studien auch über Befindensstörungen wie
Ermüdbarkeit, Nervosität, Irritierbarkeit, Kopfschmerzen und Benommenheit
berichtet. In einer Fallbeschreibung wurde ein schweres Asthma bei einem
Anästhesisten dargestellt [46 ]. Toxischer Einfluss
auf die DNA-Synthese wird durch Conzen [7 ] berichtet.
Einige epidemiologische Studien konnten zeigen, dass beim Anästhesiepersonal
eine erhöhte Inzidenz an Leukämien, Lymphomen und anderen Malignomen aufgetreten
ist. Dem steht eine Reihe anderer Studien gegenüber, in denen kein erhöhtes
kanzerogenes Risiko beim OP-Personal gefunden wurde [9 ]. Nur wenige dieser Studien beschreiben ausführlich die
Untersuchungsbedingungen und Klimatisierungsparameter wie z. B.:
die Fläche des OP-Saales,
das Gesamtvolumen des Raumes,
die Frischluftzufuhr für diesen Raum,
Luftwechsel pro Stunde ohne Rückführung der Umluft,
die Beschreibung der Zuluftströmung oder
den Ort der Luftabsaugung.
Die Literaturrecherche zeigt, dass die Exposition durch volatile Anästhetika für
das OP-Personal ein potenzielles Risiko darstellen kann. Es ist bei ungünstigen
arbeitshygienischen Bedingungen am OP-Arbeitsplatz mit Befindlichkeitsstörungen
und leichten neuropsychologischen Beeinträchtigungen zu rechnen [9 ]. Die nationalen Institutionen verschiedener Länder
(die schweizerische Unfallversicherungsanstalt SUVA, das französische Institut
National de Recherche et de Securité IRNS und die deutsche Berufsgenossenschaft
für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege BGW) kamen jedoch zum Konsens, dass
„Schwangerschaftsrisiken und Fertilitätsstörungen eher geringer einzuschätzen
sind“ [26 ].
In dem Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 1302 „Erkrankungen durch
Halogenkohlenwasserstoffe“ sind die Gefahrenquellen aufgelistet. Zu diesen
chemischen Verbindungen mit einer gesundheitlichen Gefährdung gehören
Narkosemittel wie Enfluran und Halothan.
Die statistischen Daten zeigen aber, dass die Berufskrankheiten wie Nephropathien
durch Methoxyfluran, Asthma bronchiale durch Enfluran oder Hepatitiden durch
Halothan beim Personal im Gesundheitswesen sehr selten vorkommen [9 ].
Arbeitshygienische Beurteilung der Exposition durch volatile
Anästhetika
Westphal et al. [8 ] kritisieren, dass zur Reduzierung
der Schadstoffbelastung das Ausweichen auf „neue“ Inhalationsanästhetika
empfohlen wird. Für diese volatilen Anästhetika gibt es aber keine vom
Gesetzgeber festgelegten Grenzwerte, da deren toxische Potenzen noch nicht
ausreichend erforscht wurden und feststehen.
Der Arbeitsmediziner und die Sicherheitsfachkraft sollten daher Wege suchen, um
dieses potenzielle Risiko suffizient zu beurteilen und ggf. zu senken, z. B.
durch die Reduzierung der Belastung durch Anästhesiegase beim exponierten
OP-Personal. Die arbeitshygienischen Grenzwerte zumindest für die Gase mit
bekannten Grenzwerten ([Tab. 1 ]) sollten dazu
peinlichst eingehalten werden. Sie bilden auch eine wichtige Grundlage zur
Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz.
Tab. 1 Aktuelle Grenzwerte für Anästhesiegase
(Grenzwertliste 2011 IFA-Report 1/2011 der DGUV [47 ]).
Anästhetika
Arbeitsplatzgrenzwert (AGW)1
Spitzenbegrenzung2
Einstufung/Bewertung3
Biologischer Grenzwert (BGW) 4
[ml/m3 ]
[mg/m3 ]
1 Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) bezieht sich auf die
Konzentration (Gewichts- bzw. Volumenanteil) eines
Gefahrstoffs in der Luft am Arbeitsplatz. AGW-Werte sind
Schichtmittelwerte bei in der Regel täglich 8-stündiger
Exposition und bei Einhaltung einer durchschnittlichen
Wochenarbeitszeit von 40 h. 2 Spitzenwert oder
Überschreitungswert: Diese Kurzzeitwerte ergänzen die AGW,
indem sie die Konzentrationsschwankungen um den
Schichtmittelwert nach oben hin sowie in ihrer Dauer und
Häufigkeit beschränken. Die Kurzzeitwertkonzentration ergibt
sich aus dem Produkt von AGW und Überschreitungsfaktor;
z. B. bei 8-facher Überschreitung des AGW 4-mal pro Schicht
über 15 Minuten darf in einer Schicht keine weitere
Exposition mehr erfolgen, da sonst das Produkt aus
Schichtlänge und AGW überschritten wird. Für die Intervalle
zwischen den Perioden mit einer Konzentration oberhalb des
AGW (Kurzzeitwertphase) ist ein Zeitraum von 1 Stunde
anzustreben. Insgesamt sind 4 Kurzzeitwertphasen innerhalb
einer Schicht zulässig. Kategorie II = resorptiv wirksame
Stoffe. Als Basiswert (15-Minuten-Mittelwert) wird ein
Überschreitungsfaktor von 2 festgelegt, der stoffspezifisch
angepasst werden kann (bis max. 8). Die betriebliche
Überwachung soll durch messtechnische Mittelwertbildung über
15 Minuten erfolgen, z. B. durch eine 15-minütige
Probennahme. Bei Stoffen der Kurzzeitwert-Kategorie II sind
auch längere Überschreitungsdauern zulässig, solange das
Produkt aus Überschreitungsfaktor (ÜF) und
Überschreitungsdauer eingehalten wird (Beispiel: Bei einem
ÜF von 8 ist auch ein ÜF 4 über 30 min oder ein ÜF 2 über
60 min möglich). 3 Einstufung/Bewertung nach der
GHS (CLP)-Verordnung 127 2/2008, Anhang VL bzw. der
Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 905); Risikogruppe
für Schwangere (TRGS 905; Anhang I GefStoffV):
RE 2-Stoffe – Stoffe, die als fruchtschädigend
(entwicklungsschädigend) für den Menschen angesehen werden
sollten, Y-Stoffe – Stoffe, bei denen ein Risiko der
Fruchtschädigung bei Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwerts
(AGW) und des biologischen Grenzwerts (BGW) nicht befürchtet
zu werden braucht. 4 Biologischer Grenzwert (BGW)
– die bei Menschen höchstzulässige Quantität eines
Gefahrstoffs bzw. eines Gefahrstoffmetaboliten oder eines
Beanspruchungsindikators, die nach dem gegenwärtigen Stand
der wissenschaftlichen Kenntnis im Allgemeinen die
Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt. Sie
bezieht sich wie AGW auf eine Arbeitszeit von 8 Stunden
täglich und 40 Stunden wöchentlich. Probennahmezeitpunkt:
Expositionsende bzw. Schichtende; bei Langzeitexposition:
nach mehreren vorangegangenen Schichten.
Lachgas (Distickstoffmonoxid)
100
180
2(II)
Y
–
Halothan
5
41
8(II)
RE 2
+ (Trifluoressigsäure 2,5 mg/l im Blut)
Enfluran
20
150
8(II)
Y
–
Isofluran
10
77
–
–
–
Desfluran
–
–
–
–
–
Sevofluran
–
–
–
–
–
Arbeitsplatzgrenzwerte sind an die frühere maximale Arbeitsplatzkonzentration
(MAK) angelehnt, die biologischen Grenzwerte auf die früheren BAT-Werte
(Biologischer Arbeitsstoff-Toleranzwert) bezogen [47 ]. In der überarbeiteten Gefahrstoffverordnung (GefStoffV vom 26.
November 2010 [BGBl. I S. 1643], geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28.
Juli 2011 [BGBl. I S. 1622]) sind die Einstufung und Kennzeichnung von
Gefahrstoffen vorgeschrieben sowie die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz
festgelegt. Grenzwerte für diese Stoffe spiegeln das gesundheitliche Risiko für
den Arbeitnehmer wider.
In Deutschland werden die Grenzen für bestimmte Schadstoffe von der
MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft festgelegt. Die Grenzwerte
für Narkosegase sind in [Tab. 2 ], vergleichend zu
den internationalen Grenzwerten, aufgelistet.
Tab. 2 Internationale Grenzwerte in ppm (parts per
million) für volatile Anästhetika.
Land
Halothane
Enflurane
Isoflurane
Sevoflurane
Lachgas
Desflurane
1 Aufstellung eines MAK-Wertes wird diskutiert
(DFG 2011). Quelle:
http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/senat/arbeitsstoffe/barbl11.pdf
Dänemark
–
–
–
–
–
Frankreich
50
75
–
–
–
–
Deutschland
5
20
10
–
100
–
Italien
2,5
5
–
–
–
–1
Norwegen
5
2
2
2
100
–
Schweden
5
10
10
–
–
Schweiz
5
10
10
–
100
–
USA NIOSH
2
2
2
2
–
–
Österreich
5
–
–
–
–
–
Belgien
50
75
–
–
50
–
Finnland
1
–
–
–
–
–
Ziel der arbeitshygienischen Messungen und messtechnischen Überwachung an
Anästhesiearbeitsplätzen ist die Einhaltung von Grenzwerten nach TRGS
(Technische Regeln für Gefahrstoffe) 900, TRGS 402 und die Einhaltung von
Bewertungsindizes für Schadstoffgemische nach TRGS 403. Richtlinien und
Anforderungen zur Untersuchung von Gefahrstoffen in geschlossenen Räumen sind in
den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 440) aufgelistet. Nach TRGS 403
erfolgt eine Arbeitsplatzanalyse. Die Bewertung von Arbeitsplätzen mit einer
Gefahrstoffexposition unterliegt der GefStoffV (§ 16 „Ermittlungspflicht“). Nach
TRGS 402 ist der Arbeitgeber verpflichtet, regelmäßige Kontrollmessungen in
Abhängigkeit von der Höhe des Expositionsindexes durchzuführen. Messungen der
Narkosegaskonzentrationen bei Vorliegen eines Expositionsindexes > 0,1
(Schwellenwert der MAK; TRGS 402, TRGS 403) sollten in regelmäßigen
Zeitabständen veranlasst werden.
Bei der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes OP-Raum wird eine
messtechnische Überwachung der Räume durchgeführt ([Abb. 4 ]); aber vor allem gerade dann, wenn das OP-Personal
gesundheitliche Beeinträchtigungen äußert.
Abb. 4 Arbeitshygienische Messungen im OP-Bereich.
Die Raumluftmessungen können personen- oder arbeitsplatzbezogen vorgenommen
werden. Mithilfe des Gasmonitors und der Gaschromatografie kann man gleichzeitig
mehrere Gase in der Raumluft (Multigasmessung) analysieren. Zu den Methoden der
Raumluftmessungen gehören:
direktanzeigende Verfahren (bei Lachgas, Isofluran und Enfluran),
Sammelverfahren (PAS-System) auf Aktivkohle-Phasen mit Gaschromatografie
(bei Lachgas, Halothan, Isofluran, Enfluran, Desfluran, Sevofluran) bzw.
Infrarot-Analyse (IR) und
Diffusionssammler auf Aktivkohle-Basis mit anschließender Desorption und
IR-Analyse (bei Lachgas) [10 ].
Das biologische Monitoring ist eine weitere Möglichkeit, die zur
quantitativen Bestimmung der Belastung durch Schadstoffe eingesetzt werden kann.
Bei Einhaltung der arbeitshygienischen Maßnahmen ist es jedoch nicht notwendig.
Beim Vorliegen von gesundheitlichen Beschwerden soll der Betriebsarzt diese
Messung in Erwägung ziehen.
Ein biologisches Monitoring beim OP-Personal nach erfolgter Exposition gegenüber
volatilen Anästhetika ist nur für Halothan sinnvoll. Hier gibt es nach TRGS 903
einen BGW: 2,5 mg/l Trifluoressigsäure im Vollblut. AGW liegt bei 5 ppm Halothan
in der Luft am Arbeitsplatz. Aus den anderen volatilen Anästhetika – Enfluran,
Isofluran, Sevofluran, Desfluran – bilden sich nur geringfügig Metaboliten.
Deshalb ist die Rückschlussmethodik der MAK-Bestimmung (jetzt BGW) nicht möglich
[45 ]. Eine Übersicht über experimentelle
Untersuchungen zum Anästhesiegasmonitoring im Blut und Urin des exponierten
Personals findet man bei Rüegger et al. [9 ]. Von
personenbezogenen Messungen wird nur vereinzelt berichtet [8 ]. Für Lachgas gibt es Hinweise, dass eine Korrelation zwischen der
Raumluftbelastung mit N2 O und der Urinbelastung besteht [10 ].
Arbeitsschutzmaßnahmen bei Expositionen durch volatile Anästhetika
Die Reihenfolge der Arbeitsschutzmaßnahmen orientiert sich an der Rangfolge der
Schutzmaßnahmen gemäß § 19 GefStoffV.
Zu einer Arbeitsplatzbewertung gehören eine aktuelle Literaturrecherche,
zuverlässige Expositionsberechnungen, Raumluftmessungen sowie biologisches
Monitoring [10 ].
Neben der Einhaltung der Grenzwerte für Anästhesiegase und Reduktion der
Emissionsbelastung auf das technisch mögliche Minimum [48 ] am OP-Arbeitsplatz sowie Substitution von Gefahrstoffen (z. B.
Ersetzung gefährlicher Stoffe wie Halothan durch Sevofluran oder Isofluran)
sollen für die komplette Durchführung der Maßnahmen der Primärprävention weitere
STOP-Maßnahmen zum Schutz des OP-Personals getroffen werden.
Zu diesen STOP-Maßnahmen der Verhältnis- und Verhaltensprävention gehören [8 ], [9 ], [24 ]:
T echnische Maßnahmen
lüftungstechnische oder technisch-raumorientierte Maßnahmen:
Raumventilation im OP-Saal (in Neubauten: Optimal wäre pro
Stunde die Zuführung von mindestens 1200 m3
Außenluft [DIN 1946 Teil 4 Punkt 5.6], d. h. aufbereitete
Frischluft ohne Umluftzusatz; in bereits bestehenden Räumen:
mindestens ein 5- bis 6-facher Luftwechsel
[Frischgas/Stunde]; es ist vorgeschrieben, eine einmalige
jährliche Kontrolle der Lüftungsanlage im OP-Saal [Zu- und
Abluftmessungen] durchzuführen)
Bei Neubauten ist die Installation von
RLT-(raumlufttechnischen-)Anlagen [49 ] in OP-, Ein- und Ausleiträumen sowie in
Aufwachräumen erforderlich.
Ermittlung des technischen Raumstatus (Pflicht im
OP-Bereich); hier wird regelmäßig, d. h. einmal jährlich
außerhalb des OP-Programms die Grundbelastung des Raumes
durch Lachgas bestimmt.
gerätetechnische Maßnahmen, damit die Außenluftbelastung durch
Anästhesiegase reduziert wird:
Dichtigkeitsprüfungen zur Verminderung von Leckagen
(regelmäßige Wartung durch sachkundiges Fachpersonal wird
empfohlen); das Ergebnis der Prüfung auf Dichtigkeit des
Hochdruckleitungssystems ist schriftlich festzuhalten (DIN
13 260 und § 22 der Unfallverhütungsvorschrift [UVV] „Gase“,
Berufsgenossenschaftliche Vorschrift [BGV] B 6 [ehemalige
VBG 61])
aktive Anästhesiegasabsaugung (regelmäßige Prüfung der
Absaugleistung und Dichtigkeit der Verbindungsstücke und
Schläuche des Anästhesiegeräts)
Niedrigflussanästhesie („Low-Flow“-Anästhesie) und
Minimal-Flow-Anästhesie; es ist zu empfehlen, Geräte ohne
entsprechende Einrichtung nicht mehr zu bestellen
Lokalabsaugung nahe an einer Gasaustrittsstelle und
Verwendung der Doppelmaske
Nutzung von Intubationsnarkosen
Verzicht auf die Verwendung von Anästhesiegasfiltern
(Verwendung nur im Sinne einer Notlösung)
Optimierung der Anästhesietechnik
Wartung der Geräte (halbjährliche sicherheitstechnische
Kontrolle der Geräte nach Medizingeräteverordnung
[MedGV])
messtechnische Überwachung (Feststellung durch
Arbeitsbereichsanalysen nach TRGS 402 und TRGS 403) zur Einhaltung
der Grenzwerte bzw. des Bewertungsindexes für Gemische:
Durchführung der Arbeitsbereichsanalyse (Erfassung der
Gefahrstoffe, Expositionsmessungen, Beschaffung des
Grundwissens)
Dauerüberwachung mit einem kontinuierlich messenden
N2 O-Messgerät (die Messergebnisse sind 30
Jahre aufzubewahren).
O rganisatorische Maßnahmen
Hinweise und Informationen für die Mitarbeiter
Einweisung und Ausbildung neuer Mitarbeiter
Durchführung der regelmäßigen Unterweisungen (§ 20 [2 ] GefStoffV, TRGS 555) vor Aufnahme der
Tätigkeit und danach mindestens einmal jährlich mündlich; Inhalt und
Zeitpunkt der Unterweisung sind schriftlich festzuhalten und von den
Eingewiesenen durch Unterschrift zu bestätigen. Die Nachweise sind 2
Jahre aufzubewahren.
Festlegung der Überwachung, Gerätekontrollen und
Dichtigkeitsprüfungen.
P ersönliche Maßnahmen
Die Wirksamkeit aller angeführten Schutzmaßnahmen muss entsprechend § 18
GefStoffV, TRGS 402 und TRGS 403 überwacht werden.
Arbeitsmedizinische Vorsorge unter dem Aspekt der
Anästhesiegasbelastung
In Deutschland werden beim OP-Personal arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
nach G42 „Tätigkeit mit Infektionsgefährdung“ durchgeführt. Eine gezielte
Vorsorge wegen Anästhesiegasexposition ist nicht vorgeschrieben. Es existiert
kein Grundsatz für die arbeitsmedizinische Vorsorge beim Umgang mit
Anästhesiegasen. Deshalb ist zu empfehlen, dass sich jeder/jede Mitarbeiter/-in
des OP- und Anästhesiebereichs durch den Personalarzt unter dem Aspekt der
Anästhesiegasbelastung untersuchen lässt.
Anästhesiegasexposition und Schwangerschaft ist ein Thema, mit dem die
Arbeitsmediziner ständig konfrontiert werden. Es ist zu empfehlen, dass
schwangere OP-Mitarbeiterinnen so schnell wie möglich einen Betriebsarzt
aufsuchen und sich zu Fragen von Schwangerschaft und Exposition durch
Anästhesiegase informieren lassen. Die betroffenen Mitarbeiterinnen sollten nur
in OP-Sälen arbeiten, in denen
die Grenzwerte bei Narkoseverfahren unterschritten sind und
kein Halothan verwendet wird.
Für die Durchsetzung des Mutterschutzes sind in jedem Bundesland
Gewerbeaufsichtsämter oder Ämter für Arbeitsschutz zuständig. Leider werden die
Gefährdungen durch volatile Anästhetika in verschiedenen Bundesländern nicht
homogen beurteilt [10 ].
Chirurgische Rauchgase
Chirurgische Rauchgase oder Gasgemische entstehen bei Anwendung verschiedener
chirurgischer Verfahren, bei denen z. B. „gelasert“ oder „gekautert“ wird im Sinne
der Thermokoagulation, beim Schneiden, zum Verschließen von Gefäßen, bei der
Vaporisation oder bei Fotoablation [11 ]. Sie stellen
eine komplexe Mischung von biologischen und zellulären Inhaltsstoffen, gas- und
dampfförmigen sowie partikulären Schadstoffen dar. Bei der thermischen Zersetzung
der Gewebe können außerdem neue Abbrandprodukte in Form von Rauch und Dämpfen
entstehen. Die Substanzen können sich auf der Partikeloberfläche einlagern. Oft
können diese auch in den Tröpfchen gelöst sein. Das alles vermischt sich mit der
Luft zu einem Aerosol (engl.: Laser Generated Airbone Contaminants). Die
Zusammensetzung des Rauches ist je nach eingesetztem Verfahren und behandeltem
Gewebe unterschiedlich [50 ].
Chirurgische Rauchgase und deren Wirkung
Von der Arbeitsgruppe der Sektion Gesundheitswesen der Internationalen
Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) wurde eine Gefährdungsbeurteilung der
Tätigkeiten mit Exposition gegenüber chirurgischen Rauchgasen vorgenommen [51 ], [52 ]. Die Datenlage
zur potenziellen Gefährdung durch chirurgische Rauchgase ist miserabel. Die
Partikel in dieser Mischung sind von unterschiedlicher Größe: von < 10 nm bis
zu mehr als 200 µm; das hängt vom chirurgischen Verfahren und von der Intensität
der Energieeinwirkung ab. Ganz kleine Partikeldurchmesser < 0,1 µm entstehen
bei Einsatz von Elektrokautern, bei Laserbehandlung zur Gewebeabtragung beträgt
der Durchmesser der Rauchpartikel ca. 0,3 µm, beim Ultraschallskalpell ist der
mittlere Partikeldurchmesser 0,35 bis 6,5 µm. Die Partikel dieser Größenordnung
können eingeatmet werden und sind alveolengängig. Mit 95 % gehört der
Wasserdampf zum Hauptbestandteil. Die chemische Analyse der Mischung zeigt, dass
organische Pyrolyseprodukte (aromatische Kohlenwasserstoffe, Cyanwasserstoffe,
Formaldehyd und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) vorhanden sein
können. Außerdem entstehen bei elektrochirurgischen Verfahren anorganische
Schadstoffe (z. B. Kohlenstoffoxide wie CO und CO2 , Schwefel- und
Stickoxide, Ammoniak u. a.).
Bei den biologischen Inhaltsstoffen können u. a. Viren (z. B. Humanes
Papilloma-Virus [HPV]) bzw. virale DNS-Fragmente, lebensfähige Bakterien, aber
auch lebensfähige Zellen vorkommen.
Damit birgt die Exposition durch chirurgische Rauchgase potenzielle Gefährdungen
toxischer und infektiöser Natur. Die beim Einsatz des Elektrokauters
entstehenden Abbrandprodukte entsprechen in ihrem Gefährdungspotenzial dem
Laser-Aerosol. Beim Kautern entsteht fast doppelt so viel Rauch pro Gewebemenge
wie beim Lasern [53 ].
Einige der chemischen Komponenten besitzen eine schleimhautreizende, zell- und
gentoxische sowie mutagene oder allergene Potenz [53 ]. Die Frage, ob ihre Dosis im Laser-Aerosol ausreicht, um diese
Wirkungen bei Exponierten wirklich zu erzeugen, ist nicht geklärt und bedarf
einer weiteren Forschung.
Unter Lasereinwirkung sollen Fluorchlorkohlenwasserstoff(FCKW)-haltige
Anästhesiegase ihre Halogensubstituenten abspalten, was ein zusätzliches
Gefährdungspotenzial darstellen kann. Diese Radikale können mit organischem
Material der Gewebe reagieren, dabei entstehen die extrem schleimhautreizenden
Halogenwasserstoffsäuren [53 ].
Die Bestandteile der Rauchgase können dosisabhängig neurologische Beschwerden
hervorrufen wie z. B. Kopfschmerzen, Schwächegefühl, Übelkeit usw. Auch starke
Geruchsbelästigung und Reizreaktionen der Atemwege oder der Augen können
vorkommen. Ein erhöhtes Krebsrisiko bei chronischen Wirkungen ist nicht
auszuschließen.
Calero et Brusis [54 ] berichten über die erstmalige
Anerkennung der Larynxpapillomatose als Berufskrankheit bei einer
OP-Schwester.
In der Literatur sind nur wenige deutsche Quellen zum Thema Laser-Aerosol zu
finden [55 ], [56 ]. Die
Daten der STILMED-Studie [57 ] bilden die Basis für
die arbeitsmedizinische Bewertung der Gefährdungspotenziale für das Personal im
OP-Bereich.
Arbeitshygienische Beurteilung der Exposition durch chirurgische
Rauchgase
Laser-Aerosol aus Humangewebe ist ein Bioaerosol i. S. der Technischen Regeln für
Biologische Arbeitsstoffe TRBA 500 (TRBA 500 vom 01. 05. 1999, BArbBl Nr. 6/99,
Seite 81). Die sind nach der Biostoffverordnung und nach der
EU-Biostoff-Richtlinie 2000/54/EG der Risikogruppe 2 zuzuordnen.
Arbeitsschutzmaßnahmen bei Expositionen durch chirurgische Rauchgase
Auch bei dieser Gefährdung sind Arbeitsschutzmaßnahmen angesagt, deren
Reihenfolge, wie schon oben beschrieben wurde, nach der S ubstitution mit
den T echnischen Arbeitsschutzmaßnahmen beginnt (Vermeidung einer
Gefährdung, Einsatz technischer Schutzmaßnahmen wie z. B. Quellen- bzw.
Lokalabsaugungen chirurgischer Rauchgase [möglichst dicht an der Quelle],
chirurgische Absaugsysteme mit Einmalfilter, mobile Rauchgasabsaugungen,
angepasstes Handstück mit integrierter Absaugdüse; technische Raumlüftungen
[RLT-Anlage nach DIN 1946 Teil 4]), dann O rganisatorische Schutzmaßnahmen
(z. B. Einsatzpläne, Überwachung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen,
Information für die Beschäftigten, regelmäßige Unterweisung der Handelnden), und
P ersönliche Schutzmaßnahmen (bei chirurgischen Eingriffen z. B.
Atemschutzmaske wie partikelfiltrierende Halbmasken gemäß EN 149: 2001 + A1:
2009 [mindestens Filterklasse FFP 2] [58 ], bei
Wartungsarbeiten z. B. Filterwechsel mit üblichen hygienischen
Schutzmaßnahmen).
Auch in diesem Fall soll die Überwachung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen bei
Belastungen durch chirurgische Rauchgase entsprechend § 18 der GefStoffV
erfolgen.
Die Exposition des OP-Personals durch chirurgische Rauchgase ist von dem
verwendeten OP-Gerät, der Rauchgasabsaugung, der RLT-Anlage, von der Wechselrate
der Allgemeinbelüftung, den organisatorischen Maßnahmen sowie den Fähigkeiten
und Fertigkeiten des Operateurs abhängig. Die Prüfung der quantitativen
Zusammensetzungen der chirurgischen Rauchgase sollte in regelmäßigen
Zeitabständen veranlasst werden. Individuelle Expositionsmessungen sind jedoch
nicht hilfreich [12 ].
Arbeitsmedizinische Vorsorge unter dem Aspekt der Belastung durch
chirurgische Gase
Eine gezielte spezifische arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung bei
OP-Personal mit den Arbeitsbelastungen chirurgischer Rauchgase ist z. Z. nicht
vorgesehen und wird routinemäßig nicht durchgeführt. Es sind auch keine
Vorsorgeprogramme bekannt, wobei bei der allgemeinen Vorsorgeuntersuchung bzw.
bei der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung nach G42 „Tätigkeit mit
Infektionsgefährdung“ eventuelle Vorerkrankungen erfasst werden sollten.
Fazit
Eine weitere enge Zusammenarbeit der Betriebsmediziner und des leitenden OP-Personals
ist wünschenswert. Der „fachkundige Arzt“ bzw. ein „beauftragter Arzt für
Arbeitsschutz am anästhesiologischen Arbeitsplatz“ soll von dem Betriebsarzt und der
Sicherheitskraft informiert werden, ob die Luftgrenzwerte eingehalten und die
Vorgaben der Technischen Regeln für Gefahrstoffe umgesetzt sind, sowie über die
Überwachung von Arbeitsbereichen beraten werden. Er soll über allgemeine Regeln des
Arbeitsschutzes, arbeitsschutzrelevante Kenntnisse von Narkosetechnik,
Narkosegeräten und Lüftungstechnik verfügen. Außerdem soll er über die Durchführung
und Befunderhebung der Arbeitsbereichsanalyse informiert sein. Trotz des vielleicht
initial nicht unbedingt erkennbaren Risikos sollen die arbeitshygienischen
Grenzwerte eingehalten werden, damit weder eine Gefährdung für das OP-Personal
besteht noch gesundheitliche (auch wenn nur evtl. subjektive) Beeinträchtigungen
eintreten.
Schlussfolgernd hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Arbeits- und
Betriebsmedizin sowie der operativen (und insbesondere auch der chirurgischen)
Fächer bzw. der Anästhesie eine große Bedeutung. Eine wichtige gemeinsame Aufgabe
der Führungskräfte und Hochschullehrer in der Chirurgie, Anästhesie und
Arbeitsmedizin für die Zukunft ist es, schon bei der Ausbildung des chirurgischen
OP- und Anästhesiepersonals die Fragen des Arbeitsschutzes zu implementieren, um die
potenziellen Belastungen durch Anästhesie- und chirurgische Rauchgase für die
Beschäftigten zu verdeutlichen. Auch das Personal ist auf angezeigte präventive
Verhaltensweisen aufmerksam zu machen.
Die Anästhesie- und chirurgischen Rauchgase können potenziell aufgrund der toxischen
Eigenschaften gesundheitsschädliche Auswirkungen auf das medizinische Personal
haben, wenn die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz ungenügend sind. In Deutschland
werden die Arbeitsschutzmaßnahmen streng eingehalten. Deswegen, aber auch weil eine
anhaltende arbeitsmedizinische Sensibilisierung in Zusammenarbeit mit den o. a.
relevanten Fächern auf die vorgetragene Thematik erfolgt sowie in den letzten 10–15
Jahren neue Entwicklungen im Rahmen technisierter operativer Eingriffe inauguriert
wurden, sind die potenzielle Belastungen durch Anästhesie- und chirurgische
Rauchgase in Deutschland eher reduziert worden.