Zusammenfassung
Das Konzept der prä- und neonatalen Programmierung basiert auf der Erkenntnis umweltabhängiger
Prägung fundamentaler Lebensprozesse in kritischen Entwicklungsphasen. Relativ gut
untersucht ist der Einfluss mütterlich-fetaler Überernährung und damit assoziierte
hormonelle Veränderungen beim Feten sowie dessen langfristige Disposition für Übergewicht
und Stoffwechselstörungen. Mittlerweile ist in Industrieländern etwa jede dritte Schwangere
übergewichtig oder adipös, was zu einer Verdopplung des Makrosomierisikos des Kindes
führt. Besteht zusätzlich ein Schwangerschaftsdiabetes, steigt das Risiko auf das
5-Fache. Neben einem erhöhten Risiko für Geburtskomplikationen ist bei makrosomen
Neugeborenen im späteren Leben auch das Übergewichtsrisiko verdoppelt. Ursache dieser
„Fehlprogrammierung“ sind vermutlich epigenomische Modifikationen im Gehirn. Perinatale
Überernährung führt zu einer dauerhaften Aktivierung orexigener zentralnervöser, hypothalamischer
Regelkreise bzw. zu einer dauerhaften Supprimierung anorexigener Regelkreise. Dies
bewirkt einen dauerhaft erhöhten adipogenen Tonus von Hyperphagie und Übergewicht.
Praxisrelevante Konsequenzen dieser Erkenntnisse sind: Generelles Glucoseinoleranz-Screening,
Vermeidung von Überernährung in der Schwangerschaft und konsequentes Stillen. Alle
drei Faktoren vermögen offenbar, das dauerhafte Übergewichtsrisiko des Kindes signifikant
zu senken.
Abstract
The concept of fetal and neonatal programming is based on the observation that the
environment shapes fundamental life processes in critical developmental phases. The
influence of maternal-fetal overnutrition and associated hormonal changes in the fetus,
as well as the fetus’s long-term disposition for overweight and metabolic disorders,
have been thoroughly investigated. In industrialized nations, one in three pregnant
women is overweight or obese, which doubles the risk of macrosomia in the offspring.
If in addition the mother develops gestational diabetes, this risk quintuples. In
addition to an increased risk for birth complications, the risk of overweight later
in life is also doubled for macrosomic neonates. This faulty programming is probably
caused by epigenomic modifications in the brain. Perinatal overnutrition leads to
permanent activation of orexigenic central nervous hypothalamic circuits and permanent
suppression of anorexigenic circuits. This triggers a permanently raised obesogenic
tendency of hyperphagia and overweight. Consequences of these insights that are relevant
to clinical practice are general screening for glucose intolerance, avoidance of hyperphagia
in pregnancy, and rigorous breast feeding. All three factors seem to be able to significantly
lower the child’s permanent risk of overweight.
Schlüsselwörter Adipositas - Gestationsdiabetes - Makrosomie - Übergewicht - epigenetische Mechanismen
- POMC - Glucoseintoleranz-Screening - Stillen - primäre Prävention
Keywords obesity - gestational diabetes - macrosomia - epigenetic mechanisms - POMC - glucose
intolerance screening - breast feeding - primary prevention