Gesundheitswesen 2013; 75(04): 184-189
DOI: 10.1055/s-0033-1341444
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der EHEC O104:H4 Ausbruch 2011 in Deutschland – Lektion gelernt?!

The EHEC O104:H4 Outbreak in Germany 2011 – Lessons Learned?!
J. Rissland
1   Institut für Virologie/Staatliche Medizinaluntersuchungsstelle, Universitätsklinikum des Saarlandes
,
J. T. Kielstein
2   Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Medizinische Hochschule Hannover
,
K. Stark
3   Fachgebiet 35, Robert Koch-Institut
,
H. Wichmann-Schauer
4   Fachgruppe Prävention und Aufklärung lebensmittelbedingter Ausbrüche, Bundesinstitut für Risikobewertung
,
F. Stümpel
5   Gesundheitsamt, Landkreis Rotenburg (Wümme)
,
M. Pulz
6   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt
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Publication Date:
10 April 2013 (online)

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Zusammenfassung

Der EHEC O104:H4 Ausbruch 2011 hat verschiedene Aspekte deutlich gemacht, die für die Erkennung und Bekämpfung solcher Krisen bedeutsam sind. Lebensmittelbedingte Ausbrüche können aufgrund der damit potentiell verbundenen Dynamik eine außergewöhnlich hohe und ggf. auch überfordernde Belastung des medizinischen Versorgungssystems auslösen. Eventuelle Schwierigkeiten in der mikrobiologischen Diagnostik bei neuen oder deutlich veränderten Erregern verzögern die Ausbruchserkennung und führen somit zu einer verspäteten Einleitung von Maßnahmen. Neben einer frühzeitigen Übermittlung von Informationen zwischen den Versorgungseinrichtungen und dem örtlichen Gesundheitsamt, bei der ein komplett elektronischer Meldeweg hilfreich sein kann und zusätzliche Sentinel- oder Surveillance-Systeme (z. B. in Notaufnahmen in Krankenhäusern) die Routineüberwachung ergänzen können, liegt der Schlüssel für eine effektive Eindämmung solcher Krisensituationen in einer interdisziplinären Zusammenarbeit der Gesundheits- und Lebensmittelüberwachungsbehörden vor Ort. Landes- und Bundeseinrichtungen können neben der entsprechenden Labordiagnostik weitere wichtige Hilfestellungen bei der epidemiologischen Analyse und Lebensmittelrückverfolgung geben. Erfolgreiche Krisenkommunikation schließlich beruht darauf, dass in der akuten Phase einer Krise nur „mit einer Stimme“ gesprochen werden sollte (heißt aber nicht zwangsläufig: nur eine Person). Unverzügliche, transparente, sachgerechte und wahrheitsgetreue (Medien-) Berichterstattung und Informa­tion der Bevölkerung über Ursachen, Auswirkungen und (Gegen-) Maßnahmen einer Krise sind die besten Mittel, um das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten und den sonst unvermeidlichen Spekulationen entgegenzuwirken.

Abstract

The EHEC O104:H4 outbreak 2011 in Germany provided numerous insights into the recognition and control of such epidemic situations. Food-borne outbreaks and their related dynamics may lead to a critical burden of disease and an eventual capacity overload of the medical care system. Possible difficulties in the microbiological diagnostics of new or significantly altered infectious agents may result in a delayed detection of the outbreak as well as the launching of interventional measures. Besides an early notification of the local public health office by the affected institutions, in which a complete electronic procedure and additional sentinel or surveillance instruments (e. g., in emergency departments of hospitals) may be of great help, an interdisciplinary cooperation of the local public health and food safety agencies is the key to an effective outbreak control. Corresponding organizations on the state and federal level should support the investigation process by microbiological diagnostics and advanced epidemiological analysis as well as examination of the food chains. Finally, successful crisis communication relies on “speaking with one voice” (not necessarily one person). Immediate, transparent, appropriate and honest information of the general public concerning the reasons, consequences and (counter-) measures of a crisis are the best means to keep the trust of the population and to counteract the otherwise inevitable speculations.