Zusammenfassung
In Hessen wurden alle während der Pandemie 2009/10 vom Öffentlichen Gesundheitsdienst
(ÖGD) und von niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen durchgeführten Impfungen zentral
erfasst. Die vorliegende Arbeit betrachtet den Nutzen der Impfaktion im Hinblick auf
die erreichte Reduktion der Krankheitslast gemessen als Reduktion von Arztkonsultationen
aufgrund von akuten respiratorischen Infekten (AK-ARI). Zahlen zu AK-ARI wurden durch
das bundesweite Sentinel der Arbeitsgemeinschaft Influenza erhoben. Untersucht wurde
der Einfluss der Faktoren „Timing der Impfung“ und „Verteilung der Impfung auf die
Altersgruppen“ auf den Nutzen der Impfaktion. Dazu wurde die erreichte zeitliche-
und altersgruppenspezifische Verteilung der Impfungen mit weiteren hypothetisch Verteilungen
verglichen, wie z. B. einem idealen Impf-Zeitraum 2 Wochen vor der Erkrankungswelle
oder einer ausschließlichen Impfung der Altersgruppe der 5–14-Jährigen. Legt man den
tatsächlichen zeitlichen Ablauf der in Hessen durchgeführten Impfkampagne zugrunde,
wurden nur etwa 1,4% (Deutschland) bzw. 1,1% (Hessen) des Gesamtexzesses verhindert.
Wäre der tatsächlich verimpfte Impfstoff vor Beginn der Erkrankungswelle in der besonders
betroffenen Altersgruppe der 5–14-Jährigen verimpft worden, wäre 13,9% bzw. 18,2%
des Gesamtexzesses zu verhindern gewesen. Die simulierten Szenarien erlauben eine
Einschätzung, was theoretisch in der A(H1N1)pdm09-Pandemie in Deutschland erreichbar
gewesen wäre. Durch die verzögerte sukzessive Vakzine-Verfügbarkeit, als auch eine
nicht optimale Altersgruppenverteilung der durchgeführten Impfungen wurden somit jeweils
nur etwa 30% des Optimums erreicht. Der beispielhafte Vergleich der verschiedenen
Szenarien unterstreicht das Potenzial einer hinsichtlich Zeit und Priorisierung optimierten
Impfkampagne wenngleich lediglich ein Parameter für die Krankheitslast berücksichtigt
wurde. Es erscheint es ratsam die Unsicherheiten zur Ausarbeitung einer sinnvollen
Priorisierung zu minimieren, z. B. durch eine gute und zeitnahe Surveillance. Eine
hohe Flexibilität der Applikationsstrategien ermöglicht Anpassungen der Kampagne durch
unerwartete Erkenntnisse oder Veränderungen, z. B. im Epidemieverlauf oder der Impfakzeptanz.
Abstract
In the state of Hesse (Germany) all vaccinations were administered either by the public
health-care (ÖGD) or private health-care facilities and were registered by week and
age group. In the following article, the benefit of the vaccination campaign will
be looked at in terms of preventable consultations due to acute respiratory tract
infections (AK-ARI). AK-ARI were registered with the nation-wide sentinel of the AGI.
Scenarios regarding timing and age-specific coverage are modelled. The achieved timing
and age distribution was compared to assumed ideal distributions, e. g., having achieved
the final coverage 2 weeks before epidemic start or having applied the used vaccine
exclusively for the most affected age group 5–14 years. The timing and coverage actually
achieved (7% overall) prevented an estimated 1.4% or, respectively, 1.1% of the total
consultation excess. With the same amount of vaccine but ideally applied at least
2 weeks before the begin of the epidemic and exclusively to the age group of the
5- to 14-year olds, an estimated 13.9% or, respectively, 18.2% of the total excess
could have been prevented. The simulated scenarios give estimations as to what benefit
potentially could have been achieved during the A(H1N1)pdm09 pandemic. Both the delayed
successive access to vaccine and the not ideal age distribution reduced the benefit
to about 30% of the optimum. These exemplary estimates underline the importance of
timeliness and valid prioritising of vaccination campaigns, although footing on just
one outcome. It appears beneficial to reduce uncertainties for a solid prioritisation
by, e. g., timely extended surveillance. Short-term decisions and adoptions are likely
for future campaigns, e. g., due to unexpected changes in the epidemic, demanding
flexibility in the application management.
Schlüsselwörter
Pandemie - Impfen - Effektivität - Nutzen
Key words
pandemic - vaccination - effectiveness - benefit