Zusammenfassung
Hintergrund: Die Prävalenz der HIV-Infektion in Deutschland wird durch das staatliche Robert Koch-Institut
geschätzt. Die vorliegende Untersuchung hat das Ziel, die Anzahl Personen und Kosten
mit HIV-Diagnose in Krankenkassendaten zu ermitteln und Aussagen über deren Alter
und Geschlecht zu treffen. Ferner soll eine Abschätzung der möglichen Auswirkungen
potenziell fehlerhafter Kodierungen auf den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich
(Morbi-RSA) für HIV/AIDS erfolgen.
Methode: Es wurden Daten verschiedener Datenbanken mit mehreren Millionen Versicherten aus
den Jahren 2008 – 2011 ausgewertet und auf die Gesamtpopulation hochgerechnet.
Ergebnisse: Die Anzahl Patienten mit HIV-Diagnose variierte zwischen den Krankenkassen erheblich.
Es wurde eine auffällig hohe Fallzahl von Patienten mit HIV-Diagnose im Jahr 2008
festgestellt, die maßgeblich auf die Fehlkodierung einer HIV-Diagnose (ICD-10 B23.8)
bei Augenärzten durch einen Softwarefehler zurückzuführen ist. Nach Elimination des
Fehlers nahmen die HIV-Diagnosen bis 2010 deutlich ab. In der Stichprobe des Jahres
2011 war kein weiterer Rückgang mehr feststellbar. Zu diesem Zeitpunkt waren bei 60,7 %
der Patienten mit HIV-Diagnose eingelöste Verordnungen antiretroviraler Medikamente
(ARM) dokumentiert. In der Gruppe der Patienten mit HIV-Diagnose ohne ARM erfolgte
die Diagnose HIV-Krankheit bei 38,7 % der Patienten allein durch den ICD-Code B23.8.
Von dieser Diagnose waren statistisch signifikant häufiger Frauen betroffen (56,2 %
mit B23.8).
Schlussfolgerung: In der Vergangenheit hat es Fehlkodierungen einer HIV-Diagnose gegeben, die mutmaßlich
auch Fehlallokationen über den Morbi-RSA an die Krankenkassen ausgelöst haben. Die
auch über das Jahr 2010 fortbestehende, in Deutschland unerwartete Häufung der ICD-10
B23.8 bei Frauen spricht dafür, dass auch nach dem Jahr 2010 noch HIV-Fehlkodierungen
im GKV-System vorhanden waren.
Abstract
Background: The objective of this study is to determine the number and costs of patients with
HIV-diagnoses and their dependence on age and gender by evaluating German statutory
health insurance data.
Methods: We analyzed various databases of several million customers of various statutory sickness
funds operating independently nationwide and extrapolated the results to the overall
population.
Results: The number of HIV-positive patients varied considerably between the particular statutory
sickness funds analyzed. The prevalence of HIV diagnoses in the year 2008 was significantly
higher than reported by the governmental Robert Koch-Institute. After elimination
of a coding error in the administration software of German ophthalmologists the number
of HIV-diagnosis decreased from 2008 to 2010. In the year 2011 no further decline
was notable. At that time 60.7 % of documented HIV-positive patients had prescriptions
for antiretroviral medications. 38.7 % patients without prescriptions for ARM had
a diagnosis by the B23.8 ICD-code only. Unexpectedly for Germany women had a higher
proportion of B23.8 diagnoses than men (56.2 % with B23.8 versus 38.4 % all other
HIV-codes).
Conclusions: False coded HIV-diagnosis presumably triggered financing the statutory sickness funds
in Germany. Even after the decline of false coded diagnoses, our results show a high
prevalence of HIV diagnoses. The disproportional high numbers of ICD-10 B23.8 for
women in the year 2011 are notes for remaining false coded B23.8 diagnoses in the
statutory health care system.
Schlüsselwörter
HIV - AIDS - Versorgungsforschung - Fehlkodierungen - morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich
- Kosten
Keywords
HIV - AIDS - outcome research - false coded diagnosis - costs - statutory sickness
funds