Zeitschrift für Komplementärmedizin 2014; 06(06): 52-56
DOI: 10.1055/s-0034-1396358
zkm | Wissen
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Multimodale Lauftherapie bei psychischen Erkrankungen

Weniger Angst, verbesserte Stimmung und Konzentration, positiveres Körpererleben – Körperliche Aktivitäten bessern das Befinden bei Depression und Angststörungen
Sabine Mertel
Further Information
HAWK-Hochschule für angewandte
Wissenschaft und Kunst
Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
Hohnsen 131134 Hildesheim

Publication History

Publication Date:
11 December 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Depressionen und Angststörungen zählen zu den lebensbedrohlichen und schwersten Erkrankungen, die mit großen Belastungen für Betroffene und Angehörige einhergehen. Neben Psychotherapie und Pharmakotherapie sollten zukünftig vermehrt spezifische bewegungsorientierte Verfahren wie Lauf-therapien genutzt werden. So konnten in zahlreichen Metaanalysen moderate bis große Effekte in der Behandlung ermittelt werden. In der aktuellen S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen” wird körper-liches Training bei depressiven Patienten empfohlen. Der Beitrag stellt die Multimodale Lauftherapie als bewegungs-therapeutisches Behandlungskonzept zur (komplementären) Behandlung von Depressionen und Angststörungen vor.


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Die Multimodale Lauftherapie (MML) ist eine spezifische Interventionsform für den klinisch-therapeutischen Bereich im Sozial- und Gesundheitswesen. Sie lässt sich im stationären und ambulanten Setting für die Behandlung, Prävention und Nachsorge bei Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie bei psychosozialen Problemlagen anwenden.


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MML als Behandlungsmethode bei psychischen Erkrankungen

MML ist ein bewegungstherapeutisches Verfahren mit dem Ziel, bio-psycho-soziale Veränderungen der Patienten zu unterstützen. Sie basiert auf einem ausdauerbezogenen Konzept, in dem aerobes dynamisches Laufen über eine festgelegte Zeit und Intensität erfolgt und kontrolliert wird. Die multimodale Therapie lässt sich gut fallspezifisch mit anderen Therapieverfahren kombinieren und in einen Gesamtbehandlungsplan integrieren. Die MML besteht aus 5 Therapiebausteinen, die in Gruppen- oder Einzeltherapien arrangiert sein können.

Baustein 1: Setting

Beim Laufen lernen die Betroffenen, sich mit ihrem Körper und ihrer Körperbiografie auseinanderzusetzen. Bei Depression oder auch Angststörungen wird der Körper oftmals als fremd, starr oder gehemmt erlebt. In der Bewegung entstehen aktuelle Körperwahrnehmungen, die zumindest situativ die Selbstbewertung positiv beeinflussen können. Lebensgeschichtliche Körper- und Bewegungserfahrungen lassen sich thematisieren und ressourcenorientiert nutzen. Auch sind krankheitsspezifische Verhaltensweisen, die sich in Bewegungsmustern widerspiegeln, bearbeitbar [4]. In der Laufgruppe können soziale Beziehungen geknüpft, Isolation abgebaut und Selbstbewusstsein gestärkt werden.

Gerade Patienten mit Depressionen oder Angststörungen profitieren von körperlichen Aktivitäten, bei denen die Kondition in einem wettbewerbsfreien Raum gesteigert wird. Patienten erfahren, neue Lauf-anforderungen zu bewältigen und etwas geschafft zu haben (Selbstwirksamkeit). Lauftherapie eignet sich, kognitive Bewertungen zu verändern, sich selbst einschätzen zu lernen und Kontrollempfinden einzuüben. Lauf-therapeutische Angebote werden generell erfolgreich eingesetzt, um Überlastungsgefühle, Stress, Konzentrationsmangel, Verspannungen sowie Ängste zu reduzieren.

Nach heutigen Befunden ist die MML in 3 Laufeinheiten und über 8 Wochen für den stationären bzw. für den ambulanten Bereich über 12–14 Wochen zu organisieren. Dabei wird eine Beanspruchung unter Einsatz von ⅙ der gesamten Körpermuskulatur mit einer Belastung unterhalb von 70 % der individuellen Höchstleistungsfähigkeit vorgeschlagen. Der Gesamtenergieverbrauch ist mit 7–14 kcal/kg/Woche niedrig dosiert. Die Laufübungen im Wechsel von Laufen und Gehen werden patientenorientiert angepasst und zielen auf eine minimale Erhöhung des Umfangs pro Laufeinheit. Die Gruppengröße von 10 Personen hat sich bewährt. Insgesamt dauern die Übungen zwischen 35–50 Minuten (s. Kasten).

Merke: Eine Laufeinheit ist innerhalb einer Woche immer zu wiederholen, um die Betroffenen zu stabilisieren. Mit einer weiteren erhöhten Laufeinheit wird ein Reiz gesetzt, um die körperliche Anpassung zu steigern.


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Baustein 2: Compliance

Damit Patienten gut mitwirken können und sich beim Laufen konsolidieren, ist eine umfassende Information über das Konzept erforderlich. Dazu gehören Anleitungen zu den Laufeinheiten, zur Laufstrecke und zu Dehn- und Kräftigungsübungen; weiterhin lernen die Patienten ein Lauftagebuch zu führen, um ihre Lauferfahrungen zu reflektieren.

MML mit depressiv Erkrankten im stationären BereichEin Beispiel – G = Gehen/L = Laufen

Woche 1

2L-3G-2L-3G-2L-3G-2L-3G-2L-3G-2L = 12 min Laufzeit/gesamt 27 min

2L-3G-2L-3G-2L-3G-2L-3G-2L-3G-2L = 12 min Laufzeit/gesamt 27 min

2L-2G-2L-2G-2L-2G-2L-2G-2L-2G-2L-2G-2L = 14 min Laufzeit/gesamt 26 min

Woche 7

5L-2G-5L-2G-5L-2G-5L-2G-5L-2G-5L = 30 min Laufzeit/gesamt 40 min

5L-2G-5L-2G-8L-5G-5L-2G-5L-2G-5L = 33 min Laufzeit/gesamt 46 min

5L-2G-5L-2G-8L-5G-5L-2G-5L-2G-5L = 33 min Laufzeit/gesamt 46 min

Entscheidend bei Depression und Angsterkrankung ist, Furcht vor dem Laufen abzubauen, denn es handelt sich um eine massive Intervention, die eine vielfältige somatische und psychische Vitalisierung in Gang setzt. Vor allem sollen Versagensängste vermindert wie auch körperliches Selbstvertrauen erhöht werden. Besonders bei Antriebsstörungen der Betroffenen ist es wichtig, das Therapieelement unter dem Aspekt der Aktivierung und Vermeidung von Überforderung anzubieten.

Eine Herausforderung ist, dass die MML immer im Freien stattfindet. Sie wirkt somit Rückzugstendenzen der Patienten massiv entgegen und nutzt den Vorteil im öffentlichen Raum, bei einer gesellschaftlich anerkannten sportlichen Aktivität gesehen zu werden.

Laufbegleitende Gespräche sind wichtig, um Vertrauen aufzubauen, Patienten zu motivieren, aber auch Bewegungsabläufe zu korrigieren. Ebenso wichtig ist es, über medizinische, psychologische und psychosoziale Diagnostik aufzuklären. Dadurch lassen sich Kontraindikationen vermeiden. Der Therapieverlauf wird für Betroffene im Dialog veranschaulicht und zielt auf psychoedukative Effekte.

Die MML bedient sich quantitiver und qualitativer Erhebungen, um Veränderungen im Krankheitsverlauf darzustellen. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere spezielle Lauffeedbackbögen den Betroffenen helfen, eine Selbsteinschätzung vorzunehmen und die Laufeinheiten zu beurteilen [5]. Dabei wird bspw. danach gefragt, wie die Einheiten und das Tempo erlebt wurden, wie die Stimmung vorher und nachher war, ob es einen Austausch in der Gruppe gab oder wie die Gespräche mit den Lauftherapeuten verliefen. Die Lauftherapeuten wiederum verfassen wöchentlich eine Bewegungsbeobachtung. Die Ergebnisse beider Erhebungen werden in Einzelgesprächen mit den Betroffenen erörtert (Tab. 1).

Tab. 1 Beispiel für Testverfahren bei Patienten mit Depression in stationärer Behandlung

Testverfahren

Zielsetzung

Erhebungszeitpunkte

0

4

8

16

Laborwerte

Cholesterin, Triglyzeride, Glukose und Blutdruck

x

x

x

Motorische Fähigkeiten/Ausdauer/Bewegungsverhalten

Standardtest IPN® – Fahrradergometer

x

x

x

Bewegungsbeobachtungen [6]

x

x

x

Lauffeedbackbogen [5]

x

x

x

Psychologische Tests

Symptom-Checkliste Derogatis [7]

x

x

x

BDI-II – Beck-Depression-Inventar [8]

x

x

x

x

DKB-35 – Dresdner Fragebogen zum Körperbild [9]

x

x

x

Bf-SR – Befindlichkeits-Skala [10]

x

x

x

x

Psychosoziale Diagnostik

Integrative Grundlagendiagnostik [11]

x

x

x

Qualitative Interviews

Problemzentrierte Interviews [12]

x

In eigenen Untersuchungen zur MML bewährte sich darüber hinaus ein qualitatives Follow-up nach 2 Monaten mit einem problemzentrierten Interview. Exemplarisch fasst nachfolgend ein 38-jähriger Patient seine Erfahrungen zusammen: „Ich fand die Kombination zwischen Gehen und Laufen und nicht Laufen, was auf Schnelligkeit geht, sondern dass man einfach halt die beiden Beine eine Zeit lang in der Luft hat, das fand ich für meine körperlichen Verhältnisse genau passend. Ich hab halt gemerkt, dass so mein Ansporn immer stärker getrieben ist, weil danach hatte ich dann immer halt so ein Hochgefühl, ja, das haste jetzt geschafft und das nächste Mal wird es ein bisschen mehr und das wirst du auch schaffen” [13].


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Baustein 3: Psychosoziale Beratung

Die MML zielt darauf, dass Patienten ihre Handlungsmächtigkeit sowie Handlungschancen und -perspektiven (Agency) verändern lernen, um die Selbstwirksamkeit zu stärken [14]. Im Beratungssetting werden neben der Reflexion lauftherapeutischer Erfahrungen auch Unterstützungen zur Stabilisierung der Lebensführung angeboten. Es geht hauptsächlich darum, Ressourcen der Person und der Umwelt zu nutzen und zu erweitern. Besonders bei psychischen Erkrankungen sind Ressourcen oftmals unsicher und bedroht oder es sind Verluste zu verzeichnen [15]. Die Beratung dient dazu, sowohl materielle Ressourcen, wie bspw. Existenzsicherung und berufliche Rehabilitation, als auch persönliche Ressourcen, wie Selbstwert, soziale Kompetenzen und soziale Netze zu bearbeiten. Aussichtsreich dabei ist, mit den Betroffenen auch biografisch zu arbeiten, um Beziehungs- und Bewältigungsmuster lebensgeschichtlich, v. a. hinsichtlich der Körperbiografien nachzuvollziehen [16]. Bei der sozialen Netzwerkarbeit ist es zum einen möglich, Bindungen aufzubauen, die oftmals aufgrund der Krankheit brüchig geworden sind. Zum anderen ist Versorgungsarbeit zu leisten, damit den Betroffenen soziale und gemeindepsychiatrische Dienstleistungen gut zugänglich sind. Dazu zählen auch die Vermittlung in Selbsthilfegruppen, Angehörigenberatung und eine integrierte Behandlungsplanung [17].


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Baustein 4: Entspannungsverfahren

Ebenfalls fester Bestandteil der MML ist das Erlernen eines Entspannungsverfahrens. Bei Störungsbildern wie Depression und Angststörung bietet sich die progressive Relaxation an, um eine verbesserte psychische und körperliche Entspannung zu erzeugen. Patienten erleben, wie sie sich selbstverantwortlich und selbstgesteuert entspannen und Stress abbauen. In einem Wechsel von Anspannung und Entspannung eignen sie sich eine bewusste Wahrnehmung der Muskulatur an, um dann Spannungen in einzelnen Muskeln zu registrieren und zu vermindern.


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Baustein 5: Kombinationsbehandlungen

Die multimodale Lauftherapie ist bei Depression und Angst eine komplementäre Therapie zu herkömmlichen Angeboten, v. a. der Psychotherapie und Pharmakotherapie wie auch der Physio-, Ergo- und Sozialtherapie. Damit die verschiedenen Therapieansätze optimal genutzt werden können und erfolgreich sind, ist ein guter interprofessioneller Austausch entweder im Stationsalltag oder mit niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten zu empfehlen. Als bewegungstherapeutische Behandlungsform empfiehlt es sich, die systematische Lauf-therapie in die stationäre Behandlung zu integrieren.

Im ambulanten Bereich ist das Potenzial lauftherapeutischer Angebote nicht ausgeschöpft. Gerade die MML bietet für die Nachsorge und Prävention ein strukturiertes Programm, um den Betroffenen die Fortführung körperlicher Aktivitäten zu ermöglichen und Verhaltensweisen zu stabilisieren. Gegenwärtig stellt sich für die Weiterbehandlung das Problem, dass Sportangebote oftmals für psychisch Kranke zu leistungsbezogen, wenig identitätsstabilisierend und sozial integrativ ausgerichtet sind. Hinzu kommt, dass es den Betroffenen schwer fällt, sich ohne gezielte Anleitung ausreichend zu motivieren und Anschluss an eine Gruppe zu finden. In einer eigenen Untersuchung mit 26 depressiven Patienten hat sich gezeigt, dass 4 Monate nach Entlassung lediglich noch 4 Personen Laufen gehen [13: 78].


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Therapieablauf der MML

Der Therapieablauf umfasst eine mehrdimensionale Diagnostik, die Formulierung von Therapiezielen, die Anwendung der Therapiebausteine sowie eine Evaluation mit unterschiedlichen Instrumenten zu planmäßigen Zeitpunkten (Abb. 1). Angehende Lauftherapeuten arbeiten interprofessionell in psychiatrischen und psychosozialen Versorgungssystemen. Dies kann durch die Implementation der MML in Klinken erfolgen oder im ambulant kurativen Bereich.

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Abb. 1 Therapieablauf der MML.

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Wirkmechanismen bei körperlicher Aktivität und psychischer Erkrankung

Es lassen sich neurobiologische und psychologisch-soziale Effekte bei körperlicher Aktivität unterscheiden. Unter neurobiologischen Gesichtspunkten geht es zunächst um die Monamin-Mangel-Hypothese, die besagt, dass bei Depression ein Mangel an Serotonin und Noradrenalin (Neurotransmitter) im synaptischen Spalt besteht. Körperliches Training verändert den Serotoninlevel, weil große Muskelgruppen aktiviert werden, und führt zu einer Stimmungsverbesserung. Nach der Neuroplastizitätstheorie ist die Um- und Neubildung (Neuroneogenese) von Nervenzellen bei Depressionen begrenzt. Auch ist der Nervenwachstumsfaktor (BDNF) vermindert. Die Betroffenen sind in ihren kognitiven Prozessen eingeschränkt und begehen Denkfehler oder verzerren die Realitätswahrnehmung. Sportliche Aktivitäten sorgen für einen vorübergehenden Anstieg der BDNF-Konzentra-tion [18].

Die Endocannabinoidtheorie erklärt die Verringerung von Schmerzempfinden und situativen Ängsten. Danach kann Laufen verschiedene Neurotransmittersysteme aktivieren und verändern, was dann auch zu Wohlbefinden führt. Schließlich erhöht sich bei körperlichem Training die neuronale Aktivität des motorischen und sensorischen Kortex. Gleichermaßen werden aber die Aktivitäten in höheren kognitiven Zentren und der emotionalen Informationsverarbeitung längerfristig herunterreguliert (Transiente Hypofrontalitätstheorie). Entsprechend neigen depressiv Erkrankte weniger zum Grübeln.

Weiterhin besagen psychologische Modelle wie die Ablenkungshypothese, dass sportliche Aktivitäten die internen Verarbeitungskapazitäten beanspruchen. Neutrale und positive Emotionen nehmen quasi den Platz negativer Gedanken ein, da die Betroffenen beim Laufen hoch konzentriert sind, um die Bewegungsabläufe abzustimmen [19]. Hingegen erklärt die Selbstwirksamkeitshypothese besonders bei Angsterkrankungen spezifische Lernerfahrungen beim Sport, die zu subjektiven Kontrollerfahrungen und Orientierung führen. Die Betroffenen erleben sich als weniger gestresst und verwirrt, das Vertrauen in den Körper wird gestärkt, das Selbstbild verbessert sowie die Selbstaufmerksamkeit erhöht [20].


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Wirkungsstudien bei körperlicher Aktivität und psychischer Erkrankung

Körperliche Aktivität bei Depression

Die empirische Studienlage zur Wirkung körperlicher Aktivitäten bei Depression ist im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern gut. Allerdings sind die Untersuchungen, die aktuell von Stoll und Ziemainz zusammengetragen werden, ausgesprochen heterogen, beziehen sich auf unterschiedliche körperliche Trainingsmaßnahmen und erfassen eher mäßig diagnostisch klar definierte Patientenkollektive. Im Besonderen ist die Datenlage über lauftherapeutische Wirkungen nicht zufriedenstellend. Es existieren zahlreiche internationale Studien, aber mit methodischen Mängeln und geringen Probandenzahlen, oder sie basieren auf Tierversuchen und weisen eine schwache Evidenz-basierung auf. Exemplarisch präsentieren die in Tab. 2 angeführten Studien den momentanen Stand.

Tab. 2 Exemplarische Studien zur Wirkung körperlicher Aktivitäten bei Depression

Autoren

Forschungsdesign

Forschungsfrage

Ergebnisse

Dunn et al. 2005

5-armiges RCT 80 Patienten mit mild-moderaten Depressionen 12 Wochen 3–5 Trainingseinheiten Laufband/Ergometer 60 Minuten

Ist körperliche Aktivität eine effiziente Behandlungsmethode?

In allen Gruppen Rückgang der Werte (50 % Reduzierung der Symptome)

Haffmanns et al. 2006

3-armiges RCT 41 Patienten in Tagesklinik 12 Wochen 2 Trainingseinheiten 45 Minuten Laufen/Physiotherapie

Welche Form der körperlichen Aktivität ist effektiver RT oder PT?

Nach 12 Wochen signifikante Verbesserung der PT-Gruppe (Reduzierung der Symptome)

Blumenthal et al. 2007

4-armiges RCT 202 Patienten mit mild-moderaten Depressionen 16 Wochen 2 Trainingseinheiten Laufen/Walken 45 Minuten

Vergleich körperliche Aktivität und Behandlung mit Antidepressiva

Kein signifikanter Unterschied zwischen Aktivität und Sertraline (47 % Reduzierung der Symptome) [19: 32–34]


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Körpertraining bei Angststörung

Auch die Studien zu Angststörungen und Körpertraining sind nicht hinlänglich erforscht. Es zeigt sich aber, dass Ausdauertraining eine Symptomreduzierung bedingen kann. Die Betroffenen nehmen körperliche Reaktionen wie Schwitzen und schnelles Atmen als normal an, Reaktionen, die sonst mit Angstattacken verbunden sind [21]. Ebenso kommt die jüngste Cochrane-Metaanalyse aus 2013 zu dem Schluss, dass körperliche Aktivitäten die Depressionssymptome zu verbessern scheinen. Bewegung hat demnach eine antidepressive Wirkung [22].

Trotzdem fehlen derzeit differenzierte Studien, die die optimale Dosierung (Frequenz, Dauer, Intensität) bei Lauftherapien unter Berücksichtigung unspezifischer Wirkfaktoren wie Wetter und Therapeutenverhalten untersuchen. Es fehlen Untersuchungen, die quantitative und qualitative Methoden kombinieren sowie geschlechtsspezifische Aspekte hervorheben. Schließlich ist zu fragen, wie Überschneidungen unterschiedlicher Wirkmechanismen bei der Lauftherapie methodisch in den Griff zu bekommen sind. Nicht von der Hand zu weisen ist auch, die Multimodale Lauftherapie mit anderen Therapien zu verknüpfen. Forschungen, die dann dem sog. Goldstandard (kontrollierte randomisierte Studien) entsprechen, sind ausgesprochen auf-wendig.

Ausbildungsmöglichkeit: Multimodale Lauftherapie

MML wird als hochschulzertifizierte, berufsbegleitende Weiterbildung über 3 Semester an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim angeboten.

Ausbildungsinhalte

Lehre

  • Präsenzstudium/Selbststudium

  • Module: MML-Therapiebausteine; Beratungs- und Behandlungsmethoden; Bewegungs- und Trainings-wissenschaft; Anatomie und Physiologie des Laufens; Psychologie; Gesundheitsprävention; Forschungsmethoden

Praxis

  • Inszenierung eigener multimodaler Lauftherapien

  • Dokumentation und Evaluation der Settings

  • Supervision – Lerntagebuch

  • Lauftherapeutisches Forschungs-projekt

  • Posterpräsentation

  • Publikation


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Prof. Dr. Sabine Mertel

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Sabine Mertel ist Professorin für Empirische Sozialforschung und leitet die Hochschulweiterbildung – Multimodale Lauftherapie (MML) – am Standort Hildesheim. Nach praktischer Tätigkeit in forensischen Handlungsfeldern sowie freiberuflicher psychosozialer Beratungspraxis, Promotion 2001 an der Leuphana Universität, Lüneburg; 2002 erste Berufung an die Hochschule Zittau/Görlitz. In Hildesheim lehrt und forscht sie zu Biografizität, Gender und Körper.Sie ist Lauftherapeutin und bietet lauftherapeutische Interventionen für Einzelne und Gruppen an. Beim Bündnis gegen Depression Hildesheim, Peine, Gifhorn gestaltet sie ehrenamtlich einen offenen Lauftreff.

Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

  • Literatur

  • 1 Wittchen HU, Jacobi F, Rehm J et al The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010. Eur Neuropsychopharmacol 2011; 21: 655-679
  • 2 Conn VS. Depressive symptom outcomes of pysical activity interventions: meta-analysis findings. Ann Behav Med 2010; 39: 128-138
  • 3 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Berlin: Springer; 2013: 147-148
  • 4 Hölter G. Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen. Grundlagen und Anwendung. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2011: 189-200
  • 5 Mertel S. Lauffeedbackbogen. Unveröffl. Manuskript. Hildesheim: 2014; 1-6
  • 6 Simons J.. Zielgerichtete Beobachtung des Bewegungsverhaltens in der Psychiatrie. In: Motorik, Schorndorf 12, Heft 2. 1989: 66-71
  • 7 Franke GH.. Erste Studien zur Güte des Brief Symptom Inventory (BSI). Zeitschrift für medizinische Psychologie 1997; 6: 159-166
  • 8 Hautzinger M, Keller F, Kühner C. Beck Depressions-Inventar (BDI-II). Revision. Frankfurt Main: Pearson Assesment; 2006
  • 9 Küchenhoff J, Agarwalla P. Körperbild und Persönlichkeit. Die klinische Evaluation des Körpererlebens mit der Körperbildliste. Berlin: Springer; 2012
  • 10 Von Zerrsen D, Petermann F.. Bf-SR. Die Befindlichkeits-Skala, Manual. Göttingen: Hofgrefe; 2011
  • 11 Heiner M.. Bausteine einer diagnostischen Grundausstattung für die Soziale Arbeit. In: Gahleitner SB, Hahn D, Glemser R, Hrsg. Psychosoziale Diagnostik. Köln: Psychiatrie; 2013: 135-154
  • 12 Witzel A. Das problemzentrierte Interview.[25 Absätze] Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research 2000; 1 (1), Art. 22, http://ubn-resolving.de/um:ubn:de: 0114-fqs 0001228
  • 13 Mertel S.. Multimodale Lauftherapie bei Depression. Forschungsbericht. Hildesheim: Hochschulschriften; 2014
  • 14 Franzkowiak P, Homfeldt AG, Mühlum A. Lehrbuch Gesundheit. Weinheim, Basel: Juventa; 2011
  • 15 Nestmann F.. Ressourcenorientierte Beratung. In: Nestmann F, Engel F, Sickendiek U, Hrsg. Das Handbuch der Beratung. Band 2: Ansätze, Methoden und Felder. Tübingen: dgvt; 2004: 725-734
  • 16 Mertel S.. Biografiearbeit. In: Rätz R, Völter B, Hrsg. Wörterbuch Rekonstruktive Sozialarbeit. Opladen: VS Verlag; 2014: 28-30
  • 17 Von Kardorff E. Sozialpyschiatrische Beratung. In: Nestmann F, Engel F, Sickendiek U, Hrsg. Das Handbuch der Beratung. Band 2: Ansätze, Methoden und Felder. Tübingen: dgvt; 2004: 1097-1109
  • 18 Schulz KH, Meyer A, Langguth N. Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit. Bundesgesundheitsbl. 2012. 55. 56-59
  • 19 Stoll O, Ziemainz H.. Laufen psychotherapeutisch nutzen. Berlin, Heidelberg: Springer; 2012: 24-27, 31
  • 20 Landers DM, Petruzello S.. Physical activity, fitness, and anxiety. In: Bouchard C, Shepard RJ, Stevens T, eds. Physical activity, fitness, and health. Champaign, IL: Human Kinetics; 1994: 868-882
  • 21 Herring MP, O'Connor PJ, Dishman RK. The effect of exercise training on anxiety symptoms among patients: a systematic review. Arch Intern Med 2010; 170: 321-331
  • 22 Cooney GM et al. Exercise for depression. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Sep 12;9:CD004366.doi:10.1002/14651858.CD004366.pub6

HAWK-Hochschule für angewandte
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Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
Hohnsen 131134 Hildesheim

  • Literatur

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Abb. 1 Therapieablauf der MML.