Sprache · Stimme · Gehör 2015; 39(01): 38-43
DOI: 10.1055/s-0035-1545294
Expertenmeinung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dysphonien bei Kindern – Teil 1

Interdisziplinärer Konsens über Definition, Pathophysiologie und PrävalenzDysphonia in Children – Part 1Interdisciplinary Consensus about Definitions, Pathophysiology and Prevalence
S. Voigt-Zimmermann
1   Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Magdeburg AöR
,
R. Schönweiler
2   Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Campus Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
,
M. Fuchs
3   Sektion Phoniatrie und Audiologie, Cochlea-Implantat-Zentrum, Universitätsklinikum Leipzig AöR
,
U. Beushausen
4   HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen
,
J. Kollbrunner
5   Abteilung Phoniatrie/Logopädie, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Inselspital Bern
,
A. Ribeiro von Wersch
6   Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Hamburg
,
A. Keilmann
7   Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Hals-, Nasen-, Ohrenklinik und Poliklinik der Universität Mainz
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Publication History

Publication Date:
24 March 2015 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Über die Behandlung von Dysphonien im Kindesalter gibt es international aktuell keinen Konsens und keine Leitlinie. Zudem differieren die in verschiedenen Publikationen vertretenen Auffassungen über Ursachen, Entwicklung und Prävalenzen stark.

Ziel: Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, einen interdisziplinären Konsens bezüglich der Pathogenese, Ätiologie und Auswirkungen von Stimmstörungen bei Kindern herbeizuführen.

Methodik: Nominaler Gruppenprozess, interdisziplinärer Erfahrungsaustausch, Literaturrecherche und Evidenzlevelbewertung von Publikationen zu Ursachen, Häufigkeiten, Entstehung und Entwicklung von Dysphonien bei Kindern und Jugendlichen.

Ergebnisse: Die ausgewertete Literatur zur Ätiologie, Pathogenese und Prävalenz zeigte vorwiegend niedrige Evidenzlevel. Daher wurden Erfahrungen von Vertretern verschiedener Disziplinen ausgewertet, die sich mit Dysphonien bei Kindern beschäftigen. Die Konsensbildung fand im nominalen Gruppenprozess statt. Es bestand Einigkeit darüber, dass jede chronische, d. h. länger als 3 Wochen anhaltende Verschlechterung des Stimmklanges, jede Abnahme der stimmlichen Leistungsfähigkeit und/oder die Zunahme von stimmassoziierten Missempfindungen bei Kindern fachärztlich, stimmtherapeutisch und gegebenenfalls psychologisch abgeklärt werden müssen. Sind organische Veränderungen nicht ursächlich für die Stimmstörung, so müssen psychische und funktionelle Faktoren diskutiert werden. Die Ätiologie funktioneller Dysphonien bei Kindern ist meist multifaktoriell.

Diskussion und Fazit: Strukturierte Reviews und Metaanalysen zu Ätiologie, Pathogenese und Prävalenz von Dysphonien bei Kindern sind zurzeit nicht sinnvoll möglich. Deshalb sind auch Erfahrungen klinisch tätiger Behandler verschiedener Disziplinen in die Konsensbildung eingeflossen. Jede chronische Heiserkeit, Verringerung der stimmlichen Leistungsfähigkeit bzw. stimmassoziierte Missempfindungen bei Kindern müssen durch einen Spezialisten für kindliche Stimmstörungen abgeklärt werden.

Abstract

Background: At present there are no guidelines available for dysphonia in childhood. The opinions about aetiology, pathogenesis and prevalence differ strongly.

Aims: The purpose of this study was to reach an interdisciplinary consensus about the mechanism of pathogenesis of voice disorders in children.

Methods: By means of an interdisciplinary exchange of experience, nominal group technique, consensus development, discussion about treatment concepts together with a review of the current publications on concepts, prevalence, diagnostics, therapies, and their evidence this study was conducted in order to develop expert opinions.

Results: Only low evidence levels were found concerning aetiology, pathogenesis and prevalence of voice disorders in children in the evaluated literature. Therefore, the experiences of different disciplines were evaluated. The consensus was held in a nominal group process. We were in agreement that every chronic dysphonia lasting for more than 3 weeks has to be examined by an expert physician, voice therapist and, as appropriate, by a psychologist. “Dysphonia” can stand for an altered voice, reduced maximum loudness, reduced voice quality, and/or other abnormal sensations associated with voicing. When organic causes can be excluded, psychological and functional factors need to be discussed.

Discussion and Conclusion: Many of the questions on diagnosis and treatment of dysphonia in children are still not yet answered and need further research. Until this occurs, experts are challenged to conduct future research and develop an interdisciplinary flow chart. Every chronic dysphonia has to be examined by an expert for paediatric voice disorders.

Ergänzendes Material