neuroreha 2015; 07(02): 49
DOI: 10.1055/s-0035-1555099
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gasteditorial: Zukunftsvisionen

Erwin Scherfer
1   Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e.V./German Association for Physiotherapy, Deutzer Freiheit 72-74; D-50679 Köln, URL: www.physio-deutschland.de
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Jan Mehrholz
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Martin Lotze
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Klaus Starrost
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
09 June 2015 (online)

Der medizinische und therapeutische Fortschritt ist rasant. Da stellt sich die Frage: Wie wird die Heilmittelerbringung in der neurologischen Rehabilitation in zehn Jahren aussehen? Die Frage sollte aus meiner Sicht treffender lauten: Wie schaffen wir es, dass therapeutische Weiterentwicklung unseren Patienten zugute kommt?

Die Evidenzlage in der neurologischen Rehabilitation entwickelt sich gut und zugunsten neuer therapeutischer Verfahren. Wir wissen heute mehr über Frequenz, Intensität und Dauer von effektiven Interventionen in der neurologischen Rehabilitation. Hilfsmittel entwickeln sich stetig weiter. Dieses neue Wissen kommt bislang nur zeitverzögert in der Patientenversorgung an. Es wird über Kommunikation und Koordination unter den Leistungserbringern sowie über eine bessere Einbindung und Begleitung Betroffener diskutiert.

Die Herausforderung scheint dabei in der Rehabilitationsphase E zu liegen. Das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) und die Behindertenrechtskonvention bieten hier noch viel Gestaltungsspielraum. Zuständigkeiten und Organisation sind fragmentiert, Betroffene und Leistungserbringer oft überfordert. Die Forderung nach unabhängigen Fallmanagern ist zwar nicht neu, aber weiter sehr aktuell. Projekte wie beispielsweise der Schlaganfalllotse in Ostwestfalen und ähnliche in anderen Regionen sowie Positionspapiere der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation zur Phase E zeigen auf, wo Innovationsbedarfe und -möglichkeiten, gerade im organisatorischen Bereich, liegen.

Aber wie wird denn nun die Heilmittelerbringung im Jahr 2025 aussehen? Ich bin davon überzeugt, dass sich Teilhabe- und Patientenorientierung durchgesetzt haben werden. Patienten und deren Angehörige werden die Rehabilitationsziele insbesondere auf der Teilhabeebene definieren. Wir „Experten“ unterstützen diesen Prozess, indem wir unsere Kenntnisse und Kompetenzen zur Verfügung stellen. Die Heilmittelerbringer werden wesentlich größere Freiräume haben und dabei evidenzbasiert(er) vorgehen. Alle Leistungserbringer werden, auch mithilfe moderner Technologien, mehr miteinander kommunizieren, mehr voneinander und ihrem Tun wissen, um miteinander statt nebeneinander für die Ziele des Patienten zu arbeiten. Unabhängige Fallmanager und -begleiter sind flächendeckend eingeführt. Reformen in der Regulierung der Leistungserbringung erleichtern vernetztes, patientenorientiertes und evidenzbasiertes Arbeiten.

Die Herausforderungen auch in der neurologischen Rehabilitation werden im Zuge des demografischen Wandels zunehmen. Rückgewinn und Erhalt von Funktion, Autonomie, Partizipation und Lebensqualität, Verbleib im Wohnumfeld werden an Bedeutung gewinnen.

Eine patienten- und partizipationsorientierte Leistungserbringung durch alle Phasen der Rehabilitation ist eine Aufgabe, die letztlich nur von allen beteiligten Berufen gemeinsam koordiniert und nur mit Reformen der Leistungserbringung erreicht werden kann.

Ich wünsche den Lesern dieser Ausgabe viele interessante Anregungen für die Weiterentwicklung der therapeutischen und rehabilitativen Versorgung von Menschen mit neurologischen Störungen. Ich wünsche Ihnen außerdem viel Kraft und Mut, um an der Weiterentwicklung der neurologischen Rehabilitation aktiv mitzuwirken.

Dr. Erwin Scherfer
Generalsekretär des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK) e.V.