neuroreha 2015; 07(04): 186
DOI: 10.1055/s-0041-107070
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leider kein Schnäppchen, aber auch nichts für die „Tonne“

Contributor(s):
Claudia Pott
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Publication Date:
04 December 2015 (online)

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Der Titel „Evidence Based Practice (EBP) in der neurologischen Rehabilitation“ weckt positive Erwartungen, denn auch Physiotherapeuten hören den verstärkten Ruf nach Good Clinical Practice (GCP) und Evidenzbasierter Therapie (EBT). Da scheint das Buch eine wichtige Lücke zu füllen. Doch das Buch beinhaltet nicht „die EBP“ in der neurologischen Rehabilitation. Teil 1 des Buches setzt sich mit der Evidenz von 16 ausgewählten motorischen Interventionen für Schlaganfallbetroffene im Erwachsenenalter auseinander. Teil 2 beschreibt die Ergebnisse einer Fragebogenerhebung, die sich mit dem Thema „Wissenstransfer“ beschäftigt.

Bei dem Buch handelt es sich um eine Masterarbeit, die im sogenannten Book- bzw. Print-on-Demand-Verfahren gedruckt wurde.

Im vorderen Teil des Buches beschriebt Anke Hengelmolen-Greb die 16 Interventionen: Repetition, Laufbandtraining (wird nicht als „gerätegestützt“ klassifiziert), CIMT, Aufgabenorientiertes Training, Üben im realen Kontext, Gerätegestützte Therapie (Gangtrainer, Lokomat, Armtrainer, MIT-Manus, Bi-Manu-Track, funktionelle Elektrostimulation, EMG-initiierte funktionelle Elektrostimulation, EMG-Biofeedback, repetitive transkranielle Magnetstimulation), Spiegeltherapie, Einsatz von Orthesen und das Bobath-Konzept.

Der erste Teil wirft Fragen bzgl. des methodischen Vorgehens auf: Wie ist das Klassifikationssystem entstanden? Warum fehlen Metaanalysen? Warum wurde eine Hilfsmittelgruppe ein-, aber andere ausgeschlossen? Warum wurde nicht nach spezifischen Interventionen, sondern nach „Therapie“ gesucht? Es fehlen grafisch hervorgehobene Zusammenfassungen in Form von Kernaussagen zur Evidenz, die dem Leser das Auffinden der relevanten Informationen erleichtern.

Der zweite Buchteil beleuchtet „Barrieren und Stimuli“, um „aktuelle Evidence-Based Practice (EBP) in den Arbeitsalltag von Therapeuten zu implementieren“. Eine Fragebogenerhebung mit Daten aus 329 Bögen, durch Physio- und Ergotherapeuten ausgefüllt, bildet die Grundlage. Der Leser findet Aspekte zum Thema „Knowledge Transfer“, wie z. B. die Diskrepanz zwischen Bekanntheits- und Anwendungsgrad einer Intervention oder den Hauptgrund „mangelnde Informationen“ für das Nichtanwenden einer als sinnvoll erachteten Therapiemethode. Das Thema und die Präsentation sind geeignet für eine Bachelor- oder Masterarbeit. Ob sich die Inhalte und die Gestaltung in der vorgelegten Weise für ein Fachbuch eignen, kann kritisch hinterfragt werden.

Fazit Das Buch erfüllt leider nicht das, was der Titel verspricht. Der erste Teil wirft eher Fragen auf, als dass er Antworten liefert. Im zweiten Teil verbergen sich jedoch einige gute Anregungen, die hilfreich für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema „Wissenstransfer“ sein könnten. Der Preis von 44,95 Euro scheint unter strengen Kriterien einer Kosten-Nutzen-Rechnung sehr hoch zu sein.