Schlüsselwörter
Tendovaginosis stenosans im Kindesalter - Resektion FDS-Zügel - Schnellender Finger
Key words
trigger finger in children - partial FDS resection - trigger finger
Einleitung
Die operative Behandlung eines schnellenden Fingers gilt als chirurgischer Bagatelleingriff.
Sie zählt zu den häufigsten Operationen an der Hand und eignet sich gut als Anfängeroperation,
wenn sie unter sachgerechter Anleitung erfolgt. Die Spaltung des Ringbandes A1 ist
beim Erwachsenen die Therapie der Wahl und beseitigt die klinische Symptomatik fast
immer. Dass im Kindesalter die Erkrankung hauptsächlich am Daumen auftritt, wo sie
typischerweise nicht mit einem Schnappphänomen, sondern oft mit einer fixierten Beugestellung
im Endgelenk einhergeht, ist Allgemeingut. Nicht geläufig ist dagegen, dass die Erkrankung
im Kindesalter nicht nur am Daumen sondern auch an den Fingern auftreten kann. Sie
ist hier allerdings deutlich seltener. Die Literaturangaben schwanken zwischen 7 und
14% [1] im Verhältnis zum Pollex rigidus. Dieses relativ seltene Krankheitsbild weist Besonderheiten
im Vergleich zur Tendovaginosis stenosans im Erwachsenenalter auf. Seit den Publikationen
von Cardon et al. [1] sowie Tordai et al. [2] wissen wir, dass die alleinige Spaltung des Ringbandes A1 an den Fingern II bis
V im Kindesalter häufig unzureichend ist. Cardon et al. [1] geben an, dass in ihrem Krankengut bei 44% der operierten Kinder die Spaltung des
Ringbandes A1 das Schnappphänomen nicht beseitigen konnte. Sie empfahlen neben der
Spaltung des Ringbandes A1 die zusätzliche Resektion eines FDS-Zügels als definitive
Therapie mit hoher Erfolgsrate. Vor diesem Hintergrund wollten wir unser Patientengut
retrospektiv analysieren und speziell die Patienten, bei denen neben der obligaten
Spaltung des Ringbandes A1 zusätzlich eine Resektion eines FDS-Zügels oder weitere
Maßnahmen erfolgten, evaluieren. Ziel der Arbeit ist die Entwicklung eines standardisierten
Vorgehens im eigenen Bereich.
Patienten und Methoden
Im Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2014 wurden in 2 spezialisierten handchirurgischen
Zentren insgesamt 42 Kinder an 63 Fingern (davon 8 Kinder mit 11 Fingern in der Klinik
des Erstautors und 34 Kinder mit 52 Fingern in der Klinik der Co-Autoren) mit einem
Alter von maximal 10 Jahren wegen einer Tendovaginosis stenosans der Finger operiert.
Erkrankungen des Daumens wurden ausgeschlossen.
Bei insgesamt 12 dieser Kinder erfolgten aufgrund eines fortbestehenden Schnappens
nach der einfachen Spaltung des Ringbandes A1 17-mal weitere operative Maßnahmen,
wobei bei einer dieser Patientinnen, bei der 3 Finger operiert wurden, ein Finger
durch eine alleinige Spaltung des Ringbandes A1 behandelt werden konnte, obwohl auch
hier eine Verdickung der FDS-Sehne beobachtet wurde. Diese 12 Kinder bilden die Grundlage
unserer retrospektiven Nachuntersuchung [Tab. 1]. Bei einem dieser Patienten handelte es sich bereits um einen Rezidiveingriff an
2 Fingern [Tab. 1]
Tab. 1 Patientengut (Übersicht).
Patient
|
Alter bei Op
|
Follow up in Monaten
|
Intraoperativer Befund
|
Operation
|
betroffener Finger
|
Wiederauftreten TVS
|
Schmerzen
|
Funktionelle Limitierung
|
Zufriedenheit
|
Revision
|
1
|
6,4
|
14
|
TVS A1 mit kolbenartiger Auftreibung eines FDS-Zügels
|
A1-RBS, Entfernung des Knotens
|
2 re
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
2
|
10,2
|
14
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung radialen Schenkel FDS
|
A1-RBS, Resektion radialer Schenkel FDS
|
3 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
3
|
2,2
|
15
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung ulnarer Schenkel FDS
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
3 re
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
4
|
2,4
|
22
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung FDS
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
4 re
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
|
2,4
|
22
|
TVS A1 und Verdickung FDS
|
A1-RBS
|
3 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
|
2,4
|
22
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung FDS
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
4 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
5
|
1,6
|
34
|
Rezidiv TVS A1 mit Verdickung FDP
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
4 re
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
|
1,6
|
34
|
Rezidiv TVS A1 mit fibrotischem ulnarer Schenkel FDS
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
4 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
6
|
6,3
|
50
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung FDP
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
2 re
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
7
|
1,9
|
68
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung FDP
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
3 re
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
|
1,9
|
68
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung ulnarer Schenkel FDS
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
3li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
|
1,9
|
68
|
TVS A1 mit Verdickung ulnarer Schenkel FDS
|
A1-RBS, Resektion ulnarer Schenkel FDS
|
4 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
8
|
5,7
|
86
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung FDP
|
A1-RBS und partielle A2-RBS mit Erweiterungsplastik
|
5 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
9
|
0,6
|
92
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung FDP
|
A1-RBS und partielle A2-RBS mit Erweiterungsplastik
|
2 li.
|
Ja
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
10
|
3,0
|
133
|
TVS A1 und A2 mit Verdickung radialen Schenkel FDS
|
A1 RBS, Resektion radialer Schenkel FDS, A2 RB-Plastik mit FDS
|
4 li.
|
Nein
|
Nein
|
90 Grad PIP Beugekontraktur
|
Nein
|
Nein
|
11
|
2,8
|
142
|
TVS mit fixierter Blockierung
|
A1 und proximale A2-RBS
|
3 li.
|
unbekannt
|
unbekannt
|
unbekannt
|
unbekannt
|
unbekannt
|
12
|
1,7
|
22
|
TVS A1 mit Verdickung FDP-Sehne
|
A1-RBS und Synovialektomie
|
3 li
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
|
1,7
|
22
|
TVS A1 mit Verdickung FDP-Sehne
|
A1-RBS und Synovialektomie
|
3 re.
|
Nein
|
Nein
|
Nein
|
Ja
|
Nein
|
Das Alter dieser 12 Patienten (3 aus der Klinik des Erstautors und 9 aus der Klinik
der Co-Autoren) lag zwischen 0,6 und 10,2 Jahren (Mittelwert: 3,7 Jahre). Zusätzliche
Maßnahmen waren erforderlich: 3-mal am Zeigefinger, 7-mal am Mittelfinger, 6-mal am
Ringfinger und 1-mal am Kleinfinger.
Die Analyse der Ergebnisse dieser Patientengruppe erfolgte im Rahmen einer telefonischen
Befragung unter Einbeziehung der Eltern über verbliebene oder postoperativ wieder
aufgetretene Funktionsstörungen wie Schnappphänomene, Kontrakturen oder sonstige Probleme
der operierten Finger. Bei der telefonischen Befragung waren die Patienten zwischen
3,5 und 15,1 (Mittel 8,2) Jahre alt. Seit der Operation waren im Mittel 4,8 (1,2–11,8)
Jahre vergangen. Eine Patientin konnte nicht erreicht werden.
Ergebnisse
An beiden Kliniken zusammen wurde an 10 Fingern bei 6 Patienten eine A1-Ringbandspaltung
und die Resektion eines Schenkels der Sehne des Flexor digitorum superficialis durchgeführt.
Neunmal wurde der ulnare und 1-mal der radiale Zügel reseziert. Bei einem Kind erfolgte
an 2 Fingern eine A1-Ringbandspaltung mit zusätzlicher Synovialektomie. An 4 Fingern
bei 4 Patienten erfolgte neben der A1- Ringbandspaltung einmal eine partielle proximale
Einkerbung des Ringbandes A2 unter Erhalt der Stabilität sowie 3-mal eine Erweiterungsplastik
des Ringbandes A2, 1-mal in Kombination mit einer Resektion eines radialen FDS-Zügels.
Ein Patient erhielt neben der A1-Ringbandspaltung nur die Resektion eines kolbenartig
aufgetrieben Knotens der Sehne des Flexor digitorum superficalis.
Wie in Tabelle1 dargestellt zeigten sich neben der Tendovaginosis stenosans intraoperativ
an allen 18 operierten Fingern weitere pathologische Befunde, allerdings war 1-mal
die alleinige A1-Ringbandspaltung zur Beseitigung des Schnappphänomens ausreichend
(linker Mittelfinger bei Patient 4). 3 Finger hatten eine spindelförmige Verdickung
der Sehne des Flexor digitorum superficialis. Bei 3 Fingern fand sich nur eine spindelförmige
Verdickung des ulnaren Schenkels, bei 2 Fingern eine des radialen Schenkels der Sehne
des Flexor digitorum superficialis (FDS). Ein ulnarer Schenkel der FDS war bei dem
einen Patienten mit Rezidiveingriff fibrotisch verändert und hierdurch verdickt. An
7 Fingern zeigte sich intraoperativ eine fusiforme Verdickung der Sehne des Flexor
digitorum profundus (FDP). Die kolbenartige Auftreibung eines FDS-Zügels eines Fingers
erwies sich histopathologisch als narbenartige Metaplasie traumatischer Genese. Eine
fixierte Blockierung fanden wir bei einem Patienten.
11 der 12 Patienten bzw. deren Eltern konnten telefonisch erreicht werden und standen
zu einer Befragung zur Verfügung. Hierbei wurde bei 14 von 17 Fingern (82,4%) ein
komplikationsloser Heilungsverlauf berichtet. Die Funktion der Finger war vollständig
wieder hergestellt In der aktuellen Befragung beschrieb 1 Patient ein erneutes Schnappen
ohne Bewegungslimitierung oder Schmerzen der Finger. Eine weitere Patientin stellte
sich nach der telefonischen Befragung in der Sprechstunde vor. Leider mussten wir
bei ihr eine Beugekontraktur von 90°(!) im Mittelgelenk des linken Ringfingers feststellen
([Abb. 1]). Ursächlich imponierte ein Bogensehnenphänomen nach A2-Ringbanderweiterungsplastik
und FDS-Zügelresektion. Alle Kinder verneinten aktuell Schmerzen in Ruhe sowie unter
Belastung der operativ versorgten Finger.
Abb. 1 Mittelgelenksbeugekontraktur nach TVS am Kleinfinger.
Diskussion
Das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit ist es, den Leser für die Besonderheiten
der Tendovaginosis stenosans der Finger im Kindesalter zu sensibilisieren. Dabei kann
an den Fingern sowohl ein Schnappphänomen als auch eine fixierte Fehlstellung vorliegen.
Auch mehrere Finger können ebenso betroffen sein wie beide Hände [3], wobei die Symptomatik nicht unmittelbar nach der Geburt auftritt. Der schnellende
Finger im Erwachsenenalter ist extrem häufig und kann – von seltenen Ausnahmefällen
abgesehen – zuverlässig mit einer Spaltung des Ringbandes A1 beseitigt werden. Der
naheliegende Analogieschluss auf das sehr seltene Krankheitsbild der Tendovaginose
der Finger im Kindesalter ist unzulässig und gefährlich, da hier eine komplexere Ätiologie
und Pathophysiologie zugrunde liegen. Dies schlägt sich in einer erheblichen Rezidiv-
bzw. Persistenzrate der Tendovaginose bei einfacher A1-Ringbandspaltung nieder. Wird
der Handchirurg angesichts der Seltenheit des Krankheitsbildes damit konfrontiert,
besteht die Gefahr der Bagatellisierung und Fehleinschätzung. Wird die Symptomatik
durch einen operativen Eingriff nicht beseitigt, gerät der Behandler in erhebliche
Erklärungsnot.
In unserer Untersuchung fanden wir bei einem erheblichen Anteil unserer Patienten
intraoperativ eine komplexe Pathologie, die eine einfache A1-Ringbandspaltung definitiv
unzureichend erscheinen ließ. Beobachtet wurden bspw. lokale Synovialitiden ([Abb. 2]) und knotige Verdickungen in der oberflächlichen ([Abb. 3]) und/oder tiefen Beugesehne ([Abb. 4]), wobei auch nach Spaltung des Ringbandes A1 ein Schnappen verblieben war. Alle
Patienten, bei denen neben einer Spaltung des Ringbandes A1 eine isolierte Resektion
eines FDS-Zügels erfolgte, hatten später keine weiteren Probleme mehr. Analysiert
man die 2 Patienten mit persistierender Symptomatik, so lässt sich in beiden Fällen
eine konkrete Ursache erkennen. Im einen Fall war das Missverhältnis zwischen Weite
des osteofibrösen Gleitkanals und seinem Inhalt nicht durch eine Resektion eines FDS-Zügels,
sondern durch eine Erweiterungsplastik des Ringbandes A2 therapiert worden. Bei der
anderen Patientin, die die gravierende Beugekontraktur im Mittelgelenk entwickelte
([Abb. 1]), war neben der Spaltung des Ringbandes A1 und der Resektion eines FDS-Zügels zusätzlich
eine Erweiterungsplastik des Ringbandes A2 erfolgt. Letztlich führte also die nur
ausnahmsweise vorgenommene A2-Ringbanderweiterungsplastik in unserem Krankengut bei
2 von 3 Patienten zu Problemen. Prinzipiell kann das Missverhältnis zwischen Weite
und Inhalt des osteofibrösen Gleitkanals sowohl durch eine Erweiterungsplastik des
A2-Ringbandes als auch durch eine FDS-Zügelresektion beseitigt werden. Allerdings
beinhaltet die A2-Erweiterungsplastik besondere Anforderungen an die Nachbehandlung.
Die Anfertigung eines funktionierenden Ringbandschutzes gestaltet sich insbesondere
bei kleinen Kinderfingern mit kräftigem Weichteilmantel als nahezu unmöglich. Außerdem
lässt sich eine differenzierte und langdauernde Nachbehandlung bei Kleinkindern nur
schwer realisieren. Von daher griffen wir die von Cardon et al. [1] angegebene Technik der Resektion eines FDS-Zügels rasch auf, die in der Nachbehandlung
unkompliziert ist. Sie führt sowohl in unserem Krankengut als auch in der Literatur
zu konstant guten Ergebnissen [1]
[3]
[4].
Abb. 2 Lokalisierte Synovialitis (Pfeil) zwischen FDS-Zügel und FDP-Sehne.
Abb. 3 Perlschnurartige Verdickungen im ulnaren FDS-Zügel.
Abb. 4 Knotige Verdickung in der FDP-Sehne (blauer Pfeil);
Resektion des ulnaren FDS-Zügels (gelber Pfeil)
Der Vergleich unserer Untersuchungsergebnisse mit der Literatur belegt die Annahme,
dass die Pathophysiologie des schnellenden Fingers im Kindesalter variabler und komplexer
als im Erwachsenenalter ist. So finden sich in der Literatur zahlreiche unterschiedliche
Pathologien, die für die Symptomatik eines schnellenden Fingers verantwortlich gemacht
werden. Neben den oben angegebenen intraoperativen Befunden werden auch abnorme Verbindungen
zwischen der oberflächlichen und der tiefen Beugesehne sowie eine abnorme Ausformung
des Chiasma tendinum beschrieben [1]
[4]
[5]. Diese ätiologischen Faktoren, die sich mit unseren Erfahrungen decken, können natürlich
auch in Kombination auftreten. [Abb. 5] zeigt beispielhaft eine knotige Verdickung in der tiefen Beugesehne proximal des
A2-Ringbandes mit fortbestehender Gleitbehinderung nach A1-Ringbandspaltung. Gehäuft
treten schnellende Finger im Kindesalter auch bei der Mucopolysaccharidose [6] und bei entzündlichen Erkrankungen wie der juvenilen rheumatoiden Arthritis oder
der kalzifizierenden Tendinitis [7] auf. Diese Vielfalt der möglichen Pathologien erfordert präoperativ eine exakte
Analyse und intraoperativ eine Beseitigung aller zur Pathologie beitragenden Faktoren.
Abb. 5 Knotige Verdickung der FDP-Sehne proximal des A2-Ringbandes mit persistierender Gleitbehinderung
nach A1-Ringbandspaltung.
Muss jede festgestellte Tendovaginosis stenosans der Finger im Kindesalter sofort
operativ behandelt werden? Die Aussagen in der Literatur in Bezug auf den Spontanverlauf
und den Ergebnissen nach konservativer Therapie sind widersprüchlich. Bei den vorliegenden
Publikationen handelt es sich um retrospektive Analysen, in denen oft der schnellende
Finger und der Pollex rigidus gemeinsam betrachtet werden. Das Krankheitsbild des
schnellenden Fingers im Kindesalter ist einfach zu selten, um valide Daten generieren
zu können. Shah und Bae stellen beim Blick auf die Literatur angesichts berichteter
Spontanheilungsraten zwischen 0 und 100% bei geringen Fallzahlen in retrospektiven
Studien den Informationsgehalt solcher Arbeiten völlig in Frage [8]. Aus den vorliegenden Arbeiten kann man ableiten, dass grundsätzlich zwar eine Spontanheilung
möglich ist. Allerdings bleibt nicht vorhersehbar, bei welchen Patienten diese tatsächlich
eintritt. Darüber hinaus ist der klinische Verlauf langwierig und Rezidive sind möglich
[9].
Umstritten ist auch der Stellenwert konservativer Therapieformen. Der positive Effekt
einer Schienenbehandlung ist in der Literatur beschrieben [10]
[11]. In einer kürzlich publizierten Studie bestätigen Shiozawa et al. [9] den positiven Effekt einer Schienenbehandlung im Vergleich zum Spontanverlauf. Man
muss allerdings bedenken, dass die Autoren die durchschnittliche Behandlungsdauer
bis zur Symptombeseitigung mit 10 Monaten (Minimum: 5 Monate, Maximum: 5 Jahre) angeben.
In der Gruppe ohne Schienentherapie trat eine beträchtliche Anzahl von Rezidiven auf.
Es mussten letztlich 29% der Patienten mit Schienentherapie und 65% der Patienten
ohne Schienentherapie doch operiert werden [9]. Mit Waters und Bae [3] favorisieren wir die operative Behandlung des schnellenden Fingers. Es spricht nichts
gegen einen konservativen Behandlungsversuch, sei es einfach durch Beobachten des
Spontanverlaufs oder durch Schienenbehandlung. In der Literatur wird die Indikation
zur operativen Therapie mehrheitlich nach 6 Monaten erfolgloser konservativer Therapie
gesehen [2]
[3]
[12]. Manche Autoren operieren grundsätzlich [1]; andere setzen kein zeitliches Limit mit dem Argument, dass durch eine konservative
Schienentherapie keine irreversiblen zusätzlichen Schäden entstehen und jederzeit
die operative Therapie durchgeführt werden kann [9]. Wir meinen, dass die Indikationsstellung zur Operation individuell mit den Eltern
nach Besprechen der Datenlage erfolgen sollte. Sie hängt stark von der Einstellung
der Eltern gegenüber operativen Maßnahmen, der Bereitschaft zu langwierigen und im
Ergebnis unsicheren konservativen Behandlungsmaßnahmen sowie von der funktionellen
Beeinträchtigung durch den schnellenden Finger ab.
Entschließt man sich zur operativen Behandlung, so haben wir gezeigt, dass die einfache
Spaltung des Ringbandes A1 im Gegensatz zur Situation beim Erwachsenen nicht immer
ausreichend ist. Bei der Planung des operativen Eingriffes kann bereits die sorgfältige
klinische Untersuchung Hinweise auf die Genese des Schnappphänomens geben. So weist
ein tastbarer Knoten im Beugesehnenverlauf proximal des A1-Ringbandes auf die klassische
Situation einer A1-Ringbandstenose hin, während ein tastbarer Knoten weiter peripher
zwischen A1- und A2-Ringband oder am distalen Rand des A2-Ringbandes eher auf eine
Problematik in Höhe des A2-Ringbandes hindeutet. Im Vorfeld der geplanten Operation
ist es wichtig, den Eltern die potentielle Komplexität der Veränderung zu erklären
und nicht den Eindruck einer Bagatellerkrankung zu erwecken.
OP-Technik: Der operative Eingriff selbst beginnt mit einer schrägen Inzision über der Region
des A1-Ringbandes, die dann im Bedarfsfall zick-zack-förmig nach peripher verlängert
werden kann ([Abb. 6]). Nach Exposition des A1-Ringbandes erfolgt die Beurteilung pathologischer Veränderungen.
Nach vollständiger Spaltung des Ringbandes A1 wird überprüft, ob die Beugesehnen frei
gleiten. Dies geschieht durch passives Durchbewegen des Fingers und durch Zug an der
oberflächlichen und tiefen Beugesehne mittels eines Sehnenhakens. Die Beugesehnen
werden auf pathologische Veränderungen überprüft. Besteht der Verdacht auf eine verbliebene
Behinderung des Gleitvorgangs muss eine Schnitterweiterung nach peripher erfolgen.
Da das Schnappen durch ein Missverhältnis zwischen dem Inhalt und der Weite des osteofibrösen
Gleitkanals unter dem A2- oder sogar A3-Ringband ausgelöst wird, muss mehr Raum geschaffen
werden, wobei eine Insuffizienz des A2-Ringbandes unbedingt vermieden werden muss.
Dies ist bei einer Synovialitis durch die Synovialektomie möglich. Kann die Gleitbehinderung
nicht behoben werden, bevorzugen wir wie Cardon et al. [1] die Resektion eines Zügels der oberflächlichen Beugesehne. Dabei resezieren wir
bei pathologischen Veränderungen in einem FDS-Zügel natürlich den pathologisch veränderten,
anderenfalls einen etwaig hypoplastischer ausgebildeten, ansonsten den ulnaren Zügel.
Die Spaltung des A3-Ringbandes erscheint im Bedarfsfall unproblematisch, wird von
van Heest sogar generell zusätzlich zur Spaltung des Ringbandes A1 und der Resektion
des ulnaren FDS-Zügels empfohlen [12]. Auch eine begrenzte Einkerbung am A2-Ringband erscheint in besonderen Situationen
vertretbar, sofern die Funktion des A2-Ringbandes im Wesentlichen erhalten bleibt.
Bei der Therapie versuchen wir die von Schaverien et al. [5] erwähnte Erweiterungsplastik des A2-Ringbandes so irgend möglich zu vermeiden, um
der Gefahr eines klinisch relevanten Bogensehnenphänomens vorzubeugen. Genau auf diesem
Phänomen beruht auch der einzige krasse Misserfolg bei unseren Patienten. Bei der
Patientin, die eine Beugekontraktur im Mittelgelenk von 90° ([Abb. 1]) entwickelte, war neben der Spaltung des Ringbandes A1 und der Resektion eines FDS-Zügels
eine komplette Spaltung des Ringbandes A2 mit anschließender Rekonstruktion mit dem
FDS-Anteil erfolgt.
Abb. 6 Inzision zur Spaltung des Ringbandes A1 (durchgezogene Linie) mit.
zick-zack-förmiger Erweiterungsmöglichkeit im Bedarfsfall (gepunktete Linie)
Am Ende des Eingriffes muss sich der Operateur nochmals von der freien Gleitfähigkeit
beim passiven Durchbewegen und der Prüfung mit dem Sehnenhaken überzeugen. Unser Therapiekonzept
ist grafisch im Flussdiagramm 1 zusammengefasst.
In der Nachbehandlung sollte man sich von der freien Funktion und normalem Einsatz
des Fingers überzeugen. Bei Tendenz zur Schonung ist auch bei kleinen Kindern eine
kurzzeitige Anleitung durch einen Handtherapeuten hilfreich.
Die vorliegende Arbeit hat Limitierungen. Die Datenerhebung erfolgte retrospektiv
mit Erfassung von Patienten in 2 handchirurgischen Zentren über einen Zeitraum von
mehr als 10 Jahren. Die Nachuntersuchung konnte nur in Form einer telefonischen Befragung
durchgeführt werden. Allerdings war es nur so möglich, bei diesem seltenen Krankheitsbild
Daten einer vernünftigen Zahl an Patienten auswerten zu können.
Flussdiagramm 1 Operatives Vorgehen bei der Tendovaginosis stenosans der Finger im
Kindesalter
Schlussfolgerung
Der schnellende Finger im Kindesalter ist selten und weist sowohl im Vergleich zum
schnellenden Finger des Erwachsenen als auch zum wesentlich häufigeren Pollex rigidus
therapierelevante Besonderheiten in Form einer variablen Pathophysiologie auf. Therapeutisch
sind konservative Maßnahmen langwierig und im Ergebnis unsicher. Die Ergebnisse nach
operativer Therapie sind gut. Allerdings ist die alleinige Spaltung des Ringbandes
A1 in einem beträchtlichen Prozentsatz unzureichend. Intraoperativ müssen die Sehnen
auf pathologische Veränderungen überprüft werden. Ein fortbestehendes Schnappphänomen
nach A1-Ringbandspaltung liegt im Missverhältnis zwischen Inhalt und Weite des osteofibrösen
Gleitkanals begründet. Kann das Schnappen nicht durch Spaltung des Ringbandes A1 behoben
werden, ist die Resektion eines FDS-Sehnenzügels effektiv, um mehr Raum im osteofibrösen
Gleitkanal zu schaffen. Mit diesem Behandlungskonzept sollte die Funktionsstörung
dauerhaft zu beseitigen sein.