Schlüsselwörter
Leistungssport - Leistungssteigerung - Vitamin- und Mineralstoffpräparate - Überdosierung
- Antioxidanzien - zellulärer Stress - Proteinsupplemente
Keywords
high-performance athletics - performance improvement - vitamin and mineral preparations
- overdosage - antioxidants - cellular stress - proteinsupplements
Nahrungsergänzungsmittel wie Proteinshakes, Kreatin, Antioxidanzien & Co. werden von
Sportlern häufig mit der Erwartung eingenommen, ihre Leistung zu steigern. Zahlreiche
wissenschaftliche Studien zeigen allerdings, dass sie meistens unnötig sind beziehungsweise
nur in bestimmten Situationen Sinn machen [1]
[2]
[3]
[4]. Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine
Ernährung zu ergänzen. Sie liefern einen oder mehrere Nähr- und Wirkstoffe in konzentrierter
Form, zum Beispiel Vitamine, Provitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. In der
Regel werden sie wie Arzneimittel in Form von Tabletten, Kapseln etc. angeboten. Dennoch
unterliegen sie der Lebensmittel- und nicht der Arzneimittelverordnung. Das hat Konsequenzen:
Hersteller sind nicht verpflichtet, die Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit von Nahrungsergänzungsmitteln
nachzuweisen, zudem müssen sie nicht auf Wechselwirkungen mit anderen Präparaten geprüft
werden.
Das Australische Sportinstitut hat, basierend auf dem aktuellen Wissensstand, Nahrungsergänzungsmittel
nach ihrer Effektivität und Sicherheit in vier Klassen A – D eingeteilt ([Abb. 1]) [5]
[6]. In Gruppe A fallen Präparate, deren Wirkung wissenschaftlich anerkannt ist und
die bei adäquater Dosierung eine direkte oder indirekte Leistungssteigerung ermöglichen.
Dazu gehören klassische Sportnahrungsmittel wie Sport- und Elektrolytgetränke, Kohlenhydratgele
oder -riegel. Ihre Einnahme kann zum Beispiel während eines Triathlons oder Marathons
belastungsbedingte Nährstoffverluste ausgleichen beziehungsweise die Kohlenhydratspeicher
wieder auffüllen und damit indirekt leistungsfördernd wirken. Weiterhin werden medizinische
Produkte wie manche Vitamin- und Mineralstoffpräparate der Gruppe A zugeordnet. Bei
einem diagnostizierten Nährstoffmangel können Multivitaminpräparate oder Supplemente
mit Eisen, Calcium oder Vitamin D dazu beitragen, die Leistung zu steigern. In mehreren
Studien konnte auch die leistungssteigernde Wirkung ergogener Substanzen wie Koffein,
Kreatin oder Natriumbicarbonat gezeigt werden [7]
[8]
[9]
[10]
[11]. Grundsätzlich gilt jedoch: Kein Präparat der Klasse A ist für alle Situationen,
Personen oder Sportarten geeignet. Kreatin kann beispielsweise als schnell verfügbare
Energiequelle bei Intervallsportarten oder kurzen Sprints sowie bei einigen Spielsportarten
leistungsfördernd sein; im Bereich der Ausdauerbelastung können die meisten Studien
allerdings keinen ergogenen Effekt unter Kreatin-Supplementierung nachweisen [12]. Generell muss berücksichtigt werden, dass bei nicht adäquater Anwendung oder Dosierung
von Nahrungsergänzungsmitteln die Leistung und Gesundheit beeinträchtigt werden können.
Abb. 1 Basierend auf aktuellen Studien werden Supplemente je nach Effektivität und Sicherheit
in die Klassen A – D eingeteilt. Obwohl der Nutzen der meisten Nahrungsergänzungsmittel
fraglich ist, stehen sie bei Sportlern hoch im Kurs. Quelle: modifiziert nach AIS
Supplement Classification System 2015 und antidoping.ch 2015: http://www.ausport.gov.au/ais/nutrition/supplements, http://www.antidoping.ch/de/medizin-substanzen-und-methoden/supplementguide-nahrungsergaenzungsmittel.
Bei Präparaten der Gruppe B ist die Datenlage unzureichend, hierunter fallen Polyphenole
wie Curcumin, Antioxidanzien und weitere Substanzen. Bei Gruppe C sind positive Effekte
unwahrscheinlich beziehungsweise ist hier die Wirksamkeit nicht wissenschaftlich belegt.
Hierzu gehören verschiedene Pflanzenextrakte wie zum Beispiel Ginseng, körpereigene
Stoffe, energieliefernde Nährstoffe und Mikronährstoffe (Coenzym Q10, Pyruvat usw.).
In Gruppe D eingestufte Präparate sind im Sport verboten. Sie können die Leistung
und/oder Gesundheit beeinträchtigen oder stehen auf der Dopingliste. Dabei handelt
es sich zum Beispiel um Stimulanzien, Wachstumshormone oder Prohormone – allesamt
Substanzen, die im Sport verboten sind.
Mehrere Präparate pro Tag sind die Regel
Mehrere Präparate pro Tag sind die Regel
Insgesamt konsumieren 67 – 91 % der Leistungssportler Nahrungsergänzungsmittel, am
häufigsten Vitamin- und Mineralstoffpräparate [13]. Von 2758 Sportlern, die bei den Olympischen Spielen in Sydney zur Dopingkontrolle
gebeten wurden, gaben knapp 79 % an, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen: 51 % nannten
Vitamine, 21 % Mineralstoffe, 12,5 % Aminosäuren und 22,5 % andere Nahrungsergänzungsmittel.
Die meisten konsumierten 1 oder 2, fast 20 % aber 5 und eine Person sogar 26 Präparate
pro Tag [14]
[15]. Diese Praxis ist bereits bei jungen Athleten Usus, wie eine Befragung von 1138
Nachwuchsleistungssportlern verschiedener Disziplinen im Alter von 14 – 18 Jahren
ergab: 91 % nimmt mindestens ein Nahrungsergänzungsmittel pro Monat, knapp 27 % mindestens
eins pro Tag. Die Einnahme ist insbesondere bei älteren Sportlern und bei männlichen
Athleten verbreitet. Zu den „daily usern“ gehören vor allem Ausdauersportler: 34 %
nehmen täglich Nahrungsergänzungsmittel, im Vergleich zu 17 % der Athleten, die eine
technische Sportart ausüben [16].
Der Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln ist aus mehreren Gründen problematisch. Neben
einer möglichen Kontamination mit unerlaubten Substanzen besteht die Gefahr der Überdosierung
mit einzelnen Nährstoffen. Außerdem fördert die Einnahme ergogener Substanzen generell
die Dopingmentalität und den Glauben an die Machbarkeit sportlicher Leistung durch
Präparate [17]. Im Rahmen der GOAL-Studie [16] wurden Nachwuchssportler mit regelmäßigem Konsum verschiedener Produkte nach ihrer
Einstellung zu Nahrungsergänzungsmitteln gefragt. Über 20 % der Befragten glauben,
ohne Supplemente öfter krank zu werden, 27 % sind überzeugt, ihre Leistung mit Nahrungsergänzungsmitteln
verbessern zu können, und 66 % sehen keine Gesundheitsgefahren durch die regelmäßige
Einnahme von Präparaten.
Viele Athleten nehmen Nahrungsergänzungsmittel, um einem Nährstoffmangel vorzubeugen
oder ihn zu behandeln. Andere nennen praktische Gründe, zum Beispiel, wenn die Aufnahme
über normale Lebensmittel nicht ausreicht oder unpraktisch ist. Solche Situationen
können kurz vor, während und direkt nach dem Wettkampf auftreten, im Trainingslager
oder auf Reisen. Manche erhoffen sich auch eine Leistungssteigerung, eine schnellere
Regeneration oder Unterstützung der Trainingsanpassungen [16]. Und auch ein gewisser Gruppenzwang spielt eine Rolle: Konsumieren andere Sportler
im eigenen Umfeld Nahrungsergänzungsmittel, ist dies für viele eine Motivation, es
auch zu tun – aus Angst, sonst sportliche Nachteile zu haben.
Was bringen Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich?
Was bringen Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich?
Basis einer optimalen Sporternährung ist die ausgewogene, bedarfsorientierte Ernährung.
Sie beeinflusst nicht nur die aktuellen Leistungen, sondern ist auch für die Vorbereitungs-
und Erholungsphase von herausragender Bedeutung [18]. Wenn die allgemeine Ernährung nicht optimal ist, kann dies auch nicht über Präparate
kompensiert werden [19]. Grundsätzlich bringen die wenigsten Präparate einen Vorteil.
-
Vitamin- und Mineralstoffpräparate: Bei einer ausgewogenen Ernährung und ausreichender Energiezufuhr sind sie überflüssig.
Berücksichtigt werden muss bei Sportlern dagegen die Gefahr von gesundheitsgefährdenden
Überdosierungen durch bestimmte Präparate. Insbesondere Athleten im Hochleistungssport,
die hochkalorische Kost essen und gegebenenfalls angereicherte Lebensmittel konsumieren,
nehmen bereits viele Vitamine und Mineralstoffe auf. Mit zusätzlicher Supplementierung
kann die von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) definierte tolerierbare
Höchstmenge (UL) schnell überschritten werden [13]. Grundsätzlich sind solche Präparate nur in Situationen empfehlenswert, in denen
die Vitamin- und Mineralstoffversorgung über Lebensmittel kritisch ist. Eine Einnahme
über den Bedarf hinaus hat keinen leistungssteigernden Effekt.
-
Antioxidanzien: Sie sind bei Sportlern beliebt, weil sie Zellschutz und eine schnellere Regenerierung
versprechen, Infekten und Sportverletzungen vorbeugen sollen [20]. Tatsächlich verstärkt erhöhte körperliche Aktivität die Nährstoffoxidation, was
mehr oxidativen Stress und eine vermehrte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies nach
sich zieht [21]. Die Einnahme von Antioxidanzien soll dem entgegenwirken. Obwohl die wichtige protektive
Rolle nutritiver Antioxidanzien gegenüber oxidativem Stress gesichert ist, ist der
wirkliche Nutzen einer zusätzlichen Einnahme von Antioxidanzien im Sport bisher nicht
belegt [1]. Zum einen haben Sportler eine erhöhte antioxidative Kapazität. Zum anderen fördert
ein gewisser zellulärer Stress die Adaptation, indem er zur Freisetzung von Wachstumsfaktoren
und zur Bildung bestimmter Proteine in den Mitochondrien führt [1]
[21]. Insgesamt deuten aktuelle Studien darauf hin, dass durch Antioxidanzien-Supplementation
nicht nur die Trainingsadaptation und Regeneration gestört, sondern auch die Gesundheit
und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden kann [22]
[23]
[24]
[25]. Daher ist die zusätzliche Gabe von Antioxidanzien im Sport umstritten.
-
Proteinpulver und -supplemente: Sportler hoffen, mit der Einnahme von Protein mehr Muskelmasse aufbauen zu können.
Dabei wird das Wirkungspotenzial von zusätzlichen Eiweiß- und speziellen Aminosäuregaben
bezüglich des Muskelaufbaus häufig überschätzt. Denn Muskelwachstum basiert immer
auf Belastungsreizen durch das Training. Da Proteine zum Aufbau und Erhalt der Muskelmasse
und zudem energetisch genutzt werden, haben Sportler einen höheren Proteinbedarf als
Nichtsportler (0,8 g Protein pro Kilo Körpergewicht). Daher empfiehlt das American
College of Sports Medicine [26] für Sportler am Tag eine Proteinzufuhr von 1,2 – 1,7 g pro Kilogramm Körpergewicht.
Der erhöhte Bedarf lässt sich allerdings in den meisten Fällen problemlos über die
Nahrung decken. Eine zusätzliche Proteinzufuhr über die Empfehlung hinaus nutzt der
Körper nicht zum Aufbau von Muskulatur, sondern als zusätzliche Energiequelle zur
Umwandlung in Kohlenhydrate und Fette [27]. Gute Proteinquellen sind Fleisch, Käse, Quark, Eier, Milch, aber auch Mandeln,
Tofu, Roggenbrot und Haferflocken ([Tab. 1]). Bei einem Proteinbedarf von 1,5 g pro Kilo Körpergewicht sollte ein 70 kg schwerer
Athlet 105 g Protein aufnehmen. Ein dickes Filetsteak oder eine Putenbrust von 300 g
liefern bereits 75 g, ein kleiner 250-g-Becher Quark ca. 30 g, eine 200-g-Portion
Kidneybohnen 18 g Protein. Studien zeigen: Muskelregeneration und Muskelaufbau werden
am besten unterstützt, wenn Sportler direkt nach der Belastung geringe Mengen Protein
in Kombination mit Kohlenhydraten zu sich nehmen [3]
[28]
[29]. Ideal ist dabei ein Verhältnis von 0,8 g Kohlenhydraten pro kg Körpergewicht und
0,2 – 0,4 g Protein/kg Körpergewicht [3]. Dazu sind jedoch keine speziellen Präparate notwendig. Haferflocken mit Joghurt
und Banane oder Vollkornbrot mit Quark und Käse oder einfach Kakao sind nach der Belastung
optimale Lebensmittelkombinationen zur Förderung der Regeneration [19]
[30].
Tab. 1
Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Nüsse sind gute
Eiweißquellen (Nährwertangaben in Anlehnung an den Bundeslebensmittelschlüssel Version
3.01).
Proteingehalt ausgewählter Lebensmittel (Angaben pro 100 g)
|
tierische Quellen
|
Protein (g)
|
pflanzliche Quellen
|
Protein (g)
|
Filetsteak
|
30
|
Mandeln
|
24
|
Putenbrust
|
25
|
Tofu
|
15,5
|
Schweinekotelett
|
27
|
Kidneybohnen
|
9,5
|
Bergkäse
|
29
|
Kichererbsen
|
7
|
Cheddar Käse
|
25
|
Roggenbrot
|
7
|
Thunfisch
|
24
|
Haferflocken
|
13
|
Lachs
|
20
|
Naturreis (gekocht)
|
3
|
Quark
|
13
|
Nudeln (roh)
|
12,5
|
Ei
|
12
|
Kartoffeln
|
2
|
Milch
|
3,5
|
Sojamilch
|
3,5
|
Wann können Proteinpräparate sinnvoll sein?
Wann können Proteinpräparate sinnvoll sein?
Es gibt Situationen, in denen Proteinpräparate empfohlen werden können. Dies sollten
Sportler aber nicht selbst entscheiden, sondern mit einer Fachkraft im Rahmen einer
professionellen Ernährungsberatung besprechen. In Phasen der Gewichtsreduktion sind
Präparate möglicherweise sinnvoll, etwa bei Gewichtssportarten, bei denen Athleten
nur wenig Energie zuführen, um ihr Wettkampfgewicht zu erreichen. Auch bei speziellen
Kostformen, Lebensmittelunverträglichkeiten oder bei Reisen in Länder mit eingeschränkter
Lebensmittelauswahl können Proteinpräparate eine Option sein. Steht beispielsweise
eine Reise in ein Land wie China oder Mexiko an, in dem Fleisch mit Anabolika belastet
sein kann, sollten Sportler zur Sicherheit ein Proteinpräparat mitnehmen, das aus
Quellen mit minimalem Dopingrisiko stammt. In Deutschland ist eine solche Quelle die
Kölner Liste®. Hierauf werden Nahrungsergänzungsmittel geführt, die auf Dopingsubstanzen getestet
wurden (www.koelnerliste.com).