neuroreha 2016; 08(03): 104
DOI: 10.1055/s-0042-113535
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Elektrische Stimulation des Motorkortex zur Verbesserung der Aphasie nach Schlaganfall

Jan Mehrholz
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Publication Date:
09 September 2016 (online)

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Effekte einer anodalen transkraniellen elektrischen Hirnstimulation (A-tDCS) des motorischen Kortex zur Verbesserung der Aphasie nach Schlaganfall zu evaluieren.


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Methodik

Design. Randomisierte und placebokontrollierte doppelblinde Studie.

Ein- und Ausschlusskriterien. Eingeschlossen wurden rechtshändige deutschsprachige Patienten mit chronischer Aphasie mit mehr als zwölf Monaten Schlaganfalldauer.

Messungen. Der Aphasietyp und die Schwere der Aphasie wurden mit dem Aachener Aphasie-Test (AAT) gemessen. Sprechapraxie wurde mit hierarchischen Wortlisten geprüft.

Primärer Zielparameter war nach Angaben der Autoren der Behandlungserfolg für spezifische geübte Items. Es wurde aus verschiedenen, in 3 Sekunden präsentierten Bildern in randomisierter Reihenfolge das korrekte Benennen dieser Bilder geprüft. Sekundäre Zielparameter beinhalteten den Transfer zu ungeübten Items und zu Alltagskommunikationsfähigkeiten. Gemessen wurde unmittelbar nach der Therapie und nach sechs Monaten.

Interventionen. Die Patienten erhielten ein etabliertes computerassistiertes Benenntraining nach der aus dem Gedächtnistraining bekannten Methode „vanishing cues“ (verschwindende Hilfestellung). Die Therapie wurde in fünf Stufen/Level gesteigert und über zwei Wochen, vier Tage pro Woche, zweimal anderthalb Stunden pro Tag durchgeführt.

Die eine Hälfte der Gruppe erhielt A-tDCS (1 mA; genaue Dauer wird im Text als nach aktuellen Empfehlungen beschrieben), die andere Hälfte der eingeschlossenen Patienten erhielt eine Schein-tDCS-Behandlung (1 mA für lediglich 30 Sekunden) des linken M1-Hirnareals (Anode). Die Katode wurde über der rechten supraorbitalen Region platziert. Der Behandlungszeitraum umfasste insgesamt zwei Wochen.


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Ergebnisse

Von 89 initial untersuchten Patienten erfüllten 26 die Einschlusskriterien und nahmen zwischen August 2013 bis Mai 2015 in Berlin an der Studie teil. Alle Patienten glaubten daran, dass sie eine aktive tDCS erhalten hatten.

In beiden Gruppen verbesserte sich die Benennleistung von trainierten Items innerhalb der Therapie mit großen Effekten. Die Benennleistung von trainierten Items war in der A-tDCS-Gruppe jedoch größer als in der Placebogruppe.

Unmittelbar nach der Therapie verbesserte sich die Benennleistung von untrainierten Items in beiden Gruppen. Allerdings war der Transfereffekt sehr gering. Im Vergleich war die Benennleistung untrainierter Items in der A-tDCS-Gruppe größer als in der Placebogruppe.

Je mehr sich die Patienten bei den trainierten Items unmittelbar nach der Therapie verbesserten, umso mehr verbesserte sich die Benennleistung bei den untrainierten Items.

In der Alltagskommunikation verbesserten sich wiederum beide Gruppen, aber auch hier war der Effekt in der A-tDCS-Gruppe deutlich größer im Vergleich zur Placebogruppe.

Es gab keinen Zusammenhang zwischen den Verbesserungen bei den trainierten Items mit der Fähigkeit zur Alltagskommunikation. Allerdings gab es einen Zusammenhang zwischen den Verbesserungen bei den untrainierten Items mit der Alltagskommunikation.

Alle Zwischengruppeneffekte hielten auch bis zur Nachbeobachtung nach sechs Monaten an.


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Schlussfolgerung

Eine Kombination von anodaler tDCS und Benenntraining scheint die Benennleistung und auch die Alltagskommunikation von Patienten mit chronischer Aphasie zu verbessern.


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  • Meinzer M, Darkow R, Lindenberg R et al. Electrical stimulation of the motor cortex enhances treatment outcome in post-stroke aphasia. Brain 04/2016; 139 (Pt 4) 1152-1163 DOI: 10.1093/brain/aww002. Epub 2016 Feb 16