neuroreha 2017; 09(01): 47
DOI: 10.1055/s-0042-124246
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veranstaltungsbericht

Kongressbericht über den World Stroke Congress in Hyderabad, Indien, im Oktober 2016
Jan Mehrholz
1   Private Europäische Medizinische Akademie der Klinik Bavaria in Kreischa GmbH, An der Wolfsschlucht 1–2; 01731 Kreischa
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Publication Date:
13 March 2017 (online)

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Kongress-Logo (Foto.: Jan Mehrholz)

Mehr als 2500 Teilnehmer aus mehr als 60 Ländern fanden sich vom 26. bis 28.10.2016 zum 10. Schlaganfall-Weltkongress (World Stroke Congress) im Hyderabad International Convention Centre, im Herzen der Millionenstadt Hyderabad, Indien, ein.

Am ersten Tag vor Kongressbeginn wurden zahlreiche Seminare und schlaganfallspezifische Fortbildungen wie klinische Kurse zur Diagnostik des akuten Schlaganfalls oder zu bildgebenden Verfahren in der Akutphase nach Schlaganfall angeboten.

An den darauffolgenden drei Tagen wurden mehr als 80 wissenschaftliche Sitzungen und etwa 300 Vorträge sowie über 200 Poster vorgestellt und von einer Industrieausstellung begleitet. Es wären sicher noch mehr Teilnehmer gekommen und Vorträge gehalten worden, aber leider konnten ein paar der Wissenschaftler und Teilnehmer nicht nach Indien anreisen, da kein Visum für den Besuch erteilt wurde. Daher soll über einige der besonderen Tagungspunkte berichtet werden.

Frühe Mobilisation nach Schlaganfall Der erste Kongresstag begann mit einem Seminar über die frühzeitige Mobilisation nach Schlaganfall und die evidenzbasierte Dysphagiebehandlung nach Schlaganfall.

Eine wichtige Frage seit Jahren: Zu welchem Zeitpunkt nach einem Schlaganfall sollte mit der Mobilisation aus dem Bett begonnen werden? Nach einer Einführung von Dr. Deepak Arjundas, Indien, zu den US-amerikanischen Leitlinien zur Rehabilitation nach Schlaganfall referierte Professor Bo Norving aus Schweden über die möglichen und erheblichen Schäden von Inaktivität auf die Gesundheit. Er zitierte eine Studie, die vor mehr als 30 Jahren durchgeführt wurde. Gesunde Probanden bekamen drei Wochen Bettruhe verschrieben. Einerseits erholten sich die Probanden über die Monate wieder hinsichtlich der Leistungsfähigkeit (VO2 max.), andererseits konnten sogar 30 Jahre später noch die negativen Auswirkungen dieser Immobilisation auf das Herz-Kreislauf-System nachgewiesen werden. Bettruhe sollte somit zurückhaltend und nur im Notfall angeordnet werden.

Dann die Überleitung zur frühzeitigen Mobilisation durch Professor Julie Bernhardt, Australien. Sie definiert Mobilisation als eine Aktivität aus dem Bett. Im Seminar berichtete sie von weiteren Auswertungen der AVERT-Studie und zeigte Untergruppen von Patienten auf, für die sich eine sehr frühzeitige Mobilisation < 24 Stunden nicht lohnt: z. B. sehr alte und schwer betroffene Patienten nach Schlaganfall. Ihr anschaulicher und hochinteressanter Vortrag verdeutlichte aber auch, dass es auf eine Reihe von Kriterien in der Mobilisation ankommt: u. a. die Sicherheit, den Zeitpunkt, die Dauer und die Häufigkeit sowie die Steigerung der Therapie in der Akutphase. Ihre Ergebnisse zeigten, dass nicht die Dauer der Mobilisation in der Akutphase entscheidend ist, sondern vielmehr die Häufigkeit der Mobilisation (aus dem Bett in den Sitz/Stand). Das heißt, dass nicht extrem zeitig und sehr lange mobilisiert werden sollte, sondern dass nach Schlaganfall eher mit häufigen, kurzen Mobilisationen gearbeitet werden sollte.

Neue Technologien In einer weiteren Sitzung ging es um aktuelle innovative Technologien für die Rehabilitation nach Schlaganfall. Eingeladen war u. a. Professor Gert Kwakkel, Niederlande, zum Thema wissenschaftliche Evidenz zur motorischen Rehabilitation nach Schlaganfall. Er konnte jedoch aufgrund eines nicht genehmigten Visums nicht anreisen. Am Ende standen nur noch zwei Redner zur Verfügung: Professor Marion Walker aus Nottingham, Großbritannien, und Professor Jan Mehrholz, Deutschland.

Zunächst ging um den wissenschaftlichen Stand (sehr gute Evidenz) in der Robotik für die obere und untere Extremität zur Verbesserung von Funktionen und Aktivitäten nach Schlaganfall. Die wissenschaftliche Evidenz neuer mobiler Geräte zum Gehtraining (z. B. sogenannte „powered exoskeletons“) sind dagegen derzeit wissenschaftlich noch nicht gut belegt. Die Nichtverfügbarkeit moderner Technologien für Patienten nach Schlaganfall in vielen Ländern wurde diskutiert.

Anschließend sprach Professor Marion Walker darüber, wie man wissenschaftliche Evidenz in die klinische Praxis bringen kann. Sie beschrieb das Beispiel der frühzeitigen und begleiteten Entlassung („early supported discharge“) durch ein Behandlungsteam nach Hause. Die Postersitzung hatte einige wissenschaftlich gute Projekte zu bieten, u. a. randomisierte und kontrollierte Studien zur nichtinvasiven Hirnstimulation zur Verbesserung kognitiver Leistungen nach Schlaganfall oder die Anwendung der Spiegeltherapie zur Verbesserung des Gehens und der Balance nach Schlaganfall.

Fazit Der weltweit bedeutendste Kongress zum Schlaganfall brachte diesmal mehr Weiterbildung und etwas weniger Wissenschaft.

Der nächste WSO-Schlaganfall-Weltkongress findet vom 17. bis 20. Oktober 2018 in Montreal, Kanada, statt.