Schlüsselwörter
OCT-Angiografie - Artefakt - Projektionsartefakt - Fenstereffekt - Abschattungsartefakt
Key words
OCT-angiography - artifact - projection artifact - unmasking - masking
Einleitung
Mit der Einführung der optischen Kohärenztomografie-Angiografie (OCTA) in den klinischen
Alltag hat vor 2 Jahren eine neue Ära in der Retinadiagnostik begonnen. Mit diesem
hochinteressanten Bildgebungsverfahren, das eine funktionale Erweiterung des strukturellen,
intensitätsbasierten OCTs darstellt, kann nun in nur wenigen Sekunden nicht invasiv
das Mikrogefäßsystem der Netzhaut und Aderhaut hochaufgelöst und tiefenselektiv dargestellt
werden. Dies erleichtert die exakte Diagnose und die Verlaufskontrolle vaskulärer
Erkrankungen des hinteren Augenabschnitts, da wesentliche Erkenntnisse sowohl zur
Morphologie als auch zum Perfusionsstatus gleichzeitig und nicht invasiv gewonnen
werden. Dementsprechend hat diese Technologie ein sehr großes Potenzial hinsichtlich
Diagnose und Verlaufskontrolle verschiedener retinaler Erkrankungen wie z. B. diabetischer
Retinopathie (DR), altersbezogener Makuladegeneration (AMD), retinaler Gefäßverschlüsse
(RVV) und Glaukom, wie zahlreiche Arbeiten belegen [1], [2], [3]. Die OCTA liefert sehr detailreiche, 3-dimensionale Darstellungen des gesamten Mikrogefäßsystems
von Netz- und Aderhaut. Alle mikrovaskulären Veränderungen verschiedener Erkrankungen
wie Mikroaneurysmen, intraretinale mikrovaskuläre Anomalien, nicht perfundierte Areale,
Veränderung der foveal-avaskulären Zone (FAZ) und Neovaskularisationen können zuverlässig
dargestellt werden. Erste Ergebnisse sind bereits veröffentlicht worden [1].
Gleichwohl können – wie generell bei jedem bildgebenden Verfahren – auch bei der OCTA
Bildartefakte auftreten [4], [5], [6], [7], [8], [9]. Diese können im Rahmen von Datenerfassung bzw. Bildprozessierung entstehen, auf
Besonderheiten okulärer Strukturen zurückzuführen sein oder durch Augen- bzw. Körperbewegungen
während des Messvorgangs hervorgerufen werden. Grundsätzlich kann es sich bei Artefakten
um Strukturen handeln, die nicht real sind, fehlen oder die am falschen Ort zu sein
scheinen, sowie Darstellungen in falscher Helligkeit, Größe oder Form.
Werden sie nicht zuverlässig als Artefakt erkannt, so können sie zu klinischen Fehlinterpretationen
führen. Um dies zu vermeiden, gilt es daher, bei der Interpretation der Ergebnisse
bildgebender Verfahren generell zunächst sicherzustellen, dass die gewonnene Bildinformation
nicht auf Artefakte zurückzuführen ist, sondern tatsächlich die Realität abbildet.
Um OCTA-Aufnahmen klinisch korrekt interpretieren und bewerten zu können, ist daher
– neben einer genauen Kenntnis der Netzhautmorphologie – auch ein gutes Verständnis
der Entstehung und Auswirkung möglicher Artefakte unerlässlich.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, typische, im Zusammenhang mit OCTA-Aufnahmen
auftretende Artefakte hinsichtlich ihrer Entstehung und Ausprägung zu beschreiben
und eine Nomenklatur vorzustellen.
Methoden
Seit Oktober 2015 verwenden wir die AngioPlex™-OCTA-Technologie von Zeiss in Kombination mit dem Spectral Domain OCT CIRRUS HD-OCT
5000 (Carl Zeiss Meditec, Inc., Dublin, USA) zur Diagnostik von Netzhaut-Aderhaut-Erkrankungen
und haben kürzlich auch mit dem Swept-Source-OCT-basierten PlexElite 9000 (Carl Zeiss
Meditec, Inc., Dublin, USA) Untersuchungen durchgeführt. Mit der Angioplex-OCTA können
Volumenscans der Größen 8 × 8, 6 × 6 und 3 × 3 mm aufgenommen werden, während mit
dem PlexElite Modell auch Volumenscans von 12 × 12 mm erstellt werden können. Die
3 × 3-mm-Volumenscans liefern die höchste Auflösung. Das CIRRUS HD-OCT 5000 arbeitet
mit Scangeschwindigkeiten von bis zu 68 KHz und ist mit einem Zeilenscanophthalmoskop
(LSO) ausgestattet. Mithilfe des FastTrac™-Eye-Tracking-Systems können auch kleine Augenbewegungen zuverlässig nachverfolgt
werden. Dies sorgt für ein sehr kontrastreiches Bild und eine gute Überlagerung verschiedener
Scans eines Auges, was zu einer Reduktion von Bewegungsartefakten beiträgt. Um den
Blutfluss anhand von zeitlichen Kontrastunterschieden der gleichen Lokalisation zu
ermitteln, werden in der AngioPlex-OCTA sog. OMAGc-Algorithmen (OMAGc: „Optical Micro
Angiography Complex“) eingesetzt, die sowohl Amplituden- als auch Phasensignale der
B-Scans vergleichend auswerten und so zu einer hohen Bildqualität beitragen [10].
Auch wenn die Ursachen verschiedener Artefakte nicht in allen technischen Details
beschrieben werden sollen, so ist es doch zur klinischen Bewertung der OCTA-Aufnahmen
wichtig, grundsätzlich das Messprinzip der OCTA zu verstehen. Prinzipiell werden in
der OCTA zeitliche Änderungen im Reflexionsverhalten von Gewebeschichten detektiert
und diese einem Blutfluss zugeordnet. Zur Erfassung dieser zeitlichen Kontrastveränderung
werden zunächst mehrfach kurz hintereinander an einer Stelle der Netzhaut OCT-Schnittbilder
(B-Scans) aufgenommen. Anschließend werden alle OCT-Schnittbilder einer Lokalisation
mithilfe spezieller Algorithmen vergleichend ausgewertet. Es ergeben sich Bereiche,
in denen eine zeitliche Veränderung des Kontrasts auftritt. Diese werden einem Blutfluss,
d. h. einem perfundierten Gefäß zugeordnet. Bereiche, in denen keine zeitliche Kontraständerung
detektiert werden kann, werden dem umliegenden Gewebe zugeordnet. Insgesamt wird so
das gesamte Mikrogefäßsystem von Netzhaut und Aderhaut innerhalb eines Volumenscans
3-dimensional erfasst. Durch eine automatische Segmentierung wird es anschließend
gewissermaßen „schichtweise“ in mehreren Projektionsdarstellungen (im Folgenden als
OCTA-Aufnahmen bzw. OCTA-Bild bezeichnet) visualisiert. Dazu werden – basierend auf
dem gesamten Datensatz eines Volumenscans – softwaregesteuert automatisch spezifische
Schichten der Netzhaut bzw. Aderhaut ausgewählt. Welche Schicht in einer bestimmten
OCTA-Aufnahme dargestellt wird, zeigen jeweils die Segmentierungslinien im korrespondierenden
OCT-Schnittbild an. Innerhalb dieses klar begrenzten Bereichs werden alle Signale
entlang der Richtung des OCT Strahls quasi aufsummiert, sodass in einer OCTA-Aufnahme
alle erfassten Gefäße innerhalb der ausgewählten Schicht dargestellt werden. Automatisch
werden voreingestellt OCTA-Aufnahmen der vitreoretinalen Grenzschicht, der gesamten
neurosensorischen Netzhaut, der Choriokapillaris und der Aderhaut erstellt. Zur detaillierten
Darstellung der retinalen Gefäße werden zudem OCTA-Aufnahmen einzelner Schichten der
neurosensorischen Netzhaut (oberflächlicher Gefäßplexus, tiefer Gefäßplexus und avaskuläre
Retina) erstellt.
Wichtig für die korrekte Interpretation ist die Kenntnis von möglichen Artefakten.
Einige Artefakte sind bereits von strukturellen OCT-Untersuchungen oder Laser-Scanning-Geräten
her bekannt. Bei der Erfassung und Beschreibung der in den OCTA-Bildern identifizierten
Artefakte haben wir uns an bereits publizierten Kategorien orientiert [5], [7].
Ergebnisse
Im Folgenden werden typische, in OCTA-Aufnahmen identifizierte Artefakte beschrieben
und deren Ursachen erläutert. Um eine Zuordnung zur englischsprachigen Nomenklatur
zu ermöglichen, wird jeweils auch die englische Bezeichnung in Klammern aufgeführt.
Eine tabellarische Übersicht der Artefakte einschließlich ihrer Definition ist in
[Tab. 1] dargestellt.
Tab. 1 Typische, in der OCTA auftretende Artefakte und ihre Definitionen.
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Artefakt
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Definition
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systemimmanente Artefakte der OCTA
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Projektionsartefakt (projection artifact)
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Gefäßstrukturen oberflächlicher Schichten werden fälschlicherweise auch in tiefer
gelegenen Schichten dargestellt.
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Abschattungsartefakt (masking)
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Dichte Medien können zu Signalverlust in darunter liegenden Schichten führen und deren
Visualisierung erschweren.
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Fenstereffekt (unmasking)
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Ausfall bestimmter Bereiche (z. B. Atrophie) führt zu Signalverstärkung in darunter
liegenden Schichten.
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Verlust des Scanfokus (loss of signal)
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Verlust des Scanfokus in bestimmten Netzhautbereichen, z. B. durch Tumor, hohe Myopie.
Gut erkennbar im OCT-Schnittbild.
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Artefakte durch Bildprozessierung
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Segmentierungsartefakt (segmentation artifact)
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Fehler in der (automatischen) Segmentierung kann zu auffälligen OCTA-Befunden führen.
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Duplikation von Gefäßen (duplication of vessels)
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Gefäße werden infolge von Bildprozessierung innerhalb einer Schicht direkt nebeneinander
doppelt dargestellt.
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Artefakte durch Bewegung
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Bewegungsartefakt (motion artifact)
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Sehr dünne weiße, horizontale Linien, die zu einer scheinbaren Unterbrechung oder
Verschiebung der Gefäße führen, hervorgerufen durch Augenbewegungen.
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Blinzelartefakt (blink artifact)
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Vertikale und horizontale schwarze Linien in OCTA-Aufnahmen jeder Schicht, hervorgerufen
durch Blinzeln.
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Bandenbildung (banding)
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Nebeneinander liegende horizontale Streifen unterschiedlicher Helligkeit.
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Randduplikation/Stretch-Artefakt (edge duplication/stretch artifact)
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Kurze Streifen unterschiedlicher Helligkeit im Randbereich von OCTA-Aufnahmen.
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Hinsichtlich der OCTA können im Wesentlichen 3 Gruppen von Artefakten unterschieden
werden:
-
Artefakte, die der Methode an sich geschuldet sind und die daher unabhängig vom eingesetzten
Gerätetyp auftreten. Hierzu zählen Projektions- und Abschattungsartefakte ebenso wie
Fenstereffekte und der Verlust des Scanfokus.
-
Artefakte, die durch Algorithmen zur Datenverarbeitung und Bildprozessierung hervorgerufen
werden und deren Häufigkeit bzw. Ausprägung daher vom eingesetzten Gerätetyp abhängt
und variieren kann. Hierzu zählen Segmentierungsartefakte und Duplikationen von Gefäßen.
-
Artefakte, die durch Bewegungen hervorgerufen werden. Auch diese können je nach eingesetztem
Gerätetyp in unterschiedlicher Häufigkeit und Ausprägung auftreten, da je nach Gerät
unterschiedliche Methoden (z. B. leistungsfähiger Eye-Tracker) eingesetzt werden,
um diese zu reduzieren. Nicht zuletzt sind die Artefakte auch abhängig von der Kooperation
der Patienten, der Klarheit der optischen Medien und der Pathologie der Netzhaut.
Systemimmanente Artefakte der OCTA
Projektionsartefakt (projection artifact)
Wie bereits beschrieben, stellt die OCTA zeitliche Änderungen im Reflexionsverhalten
von Gewebeschichten dar. Allerdings kann der Blutfluss in einem oberflächlichen Gefäß
auch eine Signalveränderung in einer tiefer liegenden Gewebestruktur hervorrufen.
Dies geschieht, weil der Blutfluss in einem oberflächlichen Gefäß auch in darunter
liegenden Schichten zu zeitlich veränderlichen Abschattungen führen kann. Diese Signalveränderung
in der tieferen Schicht wird vom Gerät ebenfalls als Blutfluss erfasst, sodass die
oberflächliche Gefäßstruktur – fälschlicherweise – als eine Projektion in den tieferen
Gewebeschichten erscheint. Die Folge ist, dass oberflächlich gelegene Gefäße zusätzlich
auch in OCTA-Aufnahmen tiefer gelegener Schichten dargestellt werden können. So können
im tiefen Gefäßplexus etwa Gefäßnetze des oberflächlichen Gefäßplexus erscheinen ([Abb. 1 a – c]). Durch Algorithmen können Projektionsartefakte entfernt werden, die vorher projizierten
Gefäße sind dann häufig als „Negativ“ weiterhin erkennbar, da unter den oberflächlichen
Gefäßen im tiefen Gefäßplexus keine Blutflussregistrierung erfolgt ([Abb. 1 b, c]). Es können vor allem auch in stark hyperreflektiven Schichten wie dem retinalen
Pigmentepithel (RPE) fälschlicherweise Gefäße erscheinen, die eigentlich höher liegen.
In der Regel lassen sich Projektionsartefakte bei sorgfältiger Analyse des gesamten
Datensatzes leicht identifizieren. Treten charakteristische Gefäßverläufe in mehreren
Schichten gleichzeitig auf, so ist das ein starker Hinweis auf ein Projektionsartefakt.
Im B-Scan mit Darstellung der Blutflussregistrierung erkennt man den Blutfluss in
der oberflächlichen Netzhaut und dessen Projektion bis in die tiefen Schichten ([Abb. 2]).
Abb. 1 Das OCTA einer normalen Makula mit Swept-Source-Technologie (Plex SS Elite Zeiss)
zeigt den oberflächlichen Gefäßplexus (a), der tiefe Gefäßplexus weist ohne Nachbearbeitung Projektionsartefakte von oberflächlichen
Gefäßen auf (b). Die Projektionsartefakte können mit einem speziellen Programm entfernt werden und
es zeigen sich dann die Bereiche der projizierten Gefäße dunkel (c).
Abb. 2 In dem B-Scan-Durchlauf einer normalen Netzhaut sieht man rot farbcodiert die Registrierung
des Blutflusses in den oberflächlichen Gefäßen, die bis in die unteren Schichten projiziert
werden (Pfeile).
Abschattungsartefakt (masking artifact)
Die in der OCTA gemessene zeitliche Kontrastveränderung zur Detektion eines Blutflusses
hängt zudem auch unmittelbar von der Gesamtmenge des Lichtes ab, das auf die zu untersuchende
Struktur fällt. Denn es gilt: Je stärker die absoluten zeitlichen Veränderungen des
Reflexionssignals sind, desto stärker ist der Bildkontrast an dieser Stelle. Wird
die absolute Lichtmenge durch vorgelagerte, eingetrübte Medien reduziert, so kann
dies zu Signalausfällen führen. So können bspw. Glaskörper-Floater, eine mature Katarakt
oder Glaskörperblutungen ([Abb. 3]) Abschattungsartefakte in den Netzhautschichten hervorrufen. Subretinale Blutungen
können die Visualisierung von Gefäßen in der Choriokapillaris und in der Aderhaut
beeinträchtigen. Auch sehr stark reflektive Schichten wie z. B. das RPE oder Fibrosen
oder auch sehr dicke Schichten (z. B. durch Ödeme) können durch Abschattung die Visualisierung
der darunter liegenden Schichten erschweren. Sehr großflächige Eintrübungen, wie z. B.
ein ausgeprägtes Ödem, können eine Art „Rauschen“ hervorrufen. In einzelnen oder sämtlichen
Schichten können graue Punktwolken auftreten, und die Schichten erscheinen wie verwaschen,
oder es zeigt sich eine schwarze Fläche. Die großen Gefäße sind meistens noch dargestellt.
Beispielhaft ist hier ein Patient mit zystoidem, diabetischem Makulaödem dargestellt
([Abb. 4 a – c]).
Abb. 3 Bei einem Patienten mit proliferativer diabetischer Retinopathie zeigt sich im Bereich
der Glaskörperblutung in der OCTA ein Abschattungsartefakt (a, Pfeile), korrespondierendes klinisches Bild (b).
Abb. 4 Abschattungseffekt durch eine zystoide Makulopathie, der Gefäßplexus wird regelrecht
dargestellt (a), im tiefen Gefäßplexus sieht man Abschattungen durch das Makulaödem (b), die zystoide Makulopathie stellt sich auch im B-Scan dar (c).
Fenstereffekt (unmasking artifact)
Umgekehrt ermöglicht ein Wegfall oberflächlicher Schichten ein besseres Eindringen
des OCT-Strahles in die tiefer gelegenen Schichten. Dies kann zu einem stärkeren Bildkontrast
führen, sodass an dieser Stelle die normale Gefäßperfusion im Vergleich zum umliegenden
Gewebe besser detektiert werden kann. So kann z. B. in Augen mit geografischer Atrophie
das Licht durch die atrophischen RPE-Bereiche deutlich besser in die darunter gelegenen
Schichten eindringen als in den nicht atrophischen Bereichen. Dadurch wird die Perfusion
der Aderhaut direkt unter den atrophischen Bereichen des RPE besser detektiert als
die Aderhautperfusion im umliegenden Gewebe und könnte daher – fälschlicherweise –
für eine Neovaskularisation gehalten werden. Eine sorgfältige Analyse des korrespondierenden
OCT-Schnittbilds sowie der OCTA-Aufnahmen aller Schichten ermöglicht allerdings i. d. R. eine
schnelle Identifizierung von Artefakten durch Fenstereffekte ([Abb. 5 a, b]).
Abb. 5 Der Fenstereffekt bei einem Patienten mit geografischer Atrophie zeigt eine deutliche
Darstellung von Aderhautgefäßen, die mit einer chorioidalen Neovaskularisation verwechselt
werden können (a). Der korrespondierende B-Scan zeigt die Blutflussregistrierung der Aderhaut (b, rot farbcodiert, Pfeile).
Verlust des Scanfokus (loss of signal)
Dieses Artefakt ist bereits von strukturellen OCT-Untersuchungen her bekannt. Es tritt
auf, wenn sich Teile der Netzhaut durch mangelnde Fokussierung oder die Konfiguration
des hinteren Augenabschnitts (z. B. Staphylom bei hoher Myopie) nicht mehr innerhalb
des Scanausschnitts befinden. Hervorgerufen werden kann dies u. a. auch durch Tumoren
oder ein ausgeprägtes Netzhautödem. Durch diese Gewebsstrukturen kommt es zu einer
abrupten Verschiebung der Netzhautebene entlang der z-Achse, sodass B-Scans nicht
mehr die Netzhaut erfassen. In den OCTA-Aufnahmen erscheinen diese Bereiche weiß oder
schwarz. Meist sind die Areale deutlich heller oder dunkler als normal oder nicht
perfundierte Bereiche und daher gut von diesen zu unterscheiden. Im korrespondierenden
OCT-Schnittbild lassen sich diese Artefakte anhand der Segmentierungslinien und der
Verlust des Scans sofort erkennen. In der farbcodierten OCTA-Darstellung der gesamten
Netzhaut stellt sich dieses Artefakt typischerweise als regenbogenartige Struktur
im Randbereich dar ([Abb. 6 a – c]). Tritt ein derartiges Artefakt auf, so empfiehlt es sich, einen kleineren Scanausschnitt
(z. B. 3 × 3 oder 6 × 6 mm) zu wählen, um für eine durchgängig korrekte Fokussierung
zu sorgen.
Abb. 6 Verlust des Scanfokus in der farbcodierten Retinatiefendarstellung in Regenbogenfarben
(Pfeil, a), in der Retinasegmentierung (Pfeil, b) und im B-Scan (Pfeil, c).
Artefakte durch Bildprozessierung
Segmentierungsartefakt (segmentation artifact)
Die automatisch vom System erstellten Segmentierungen nehmen Bezug auf Lage und Reflektivität
typischer Netzhautschichten im gesunden Auge. Insbesondere durch ausgeprägte pathologische
Veränderungen der Netzhaut oder Aderhaut kann es zu Abweichungen vom Normalbefund
kommen. Dementsprechend können typische reflektive Schichten, die zur automatischen
Segmentierung benötigt werden, nicht mehr zuverlässig vom Gerät erkannt werden. Dies
kann zu fehlerhafter automatischer Segmentierung führen und scheinbar auffällige OCTA-Aufnahmen
zur Folge haben. So können z. B. eine ausgeprägte RPE-Abhebung durch Drusen oder Fibrosierung
sowie auch ein stark ausgeprägtes Ödem dazu führen, dass typische Strukturen von der
Software nicht mehr korrekt erkannt und die automatischen Segmentierungslinien daher
fehlerhaft gesetzt werden. Auch geringe Reflexion kann zu fehlerhafter Segmentierung
führen ([Abb. 7]). Ein Hinweis auf eine falsche Segmentierung können z. B. schwarze Flecken im korrespondierenden
OCTA-Bild sein ([Abb. 8]). Auch wenn die Segmentierungslinien sehr nahe beieinander liegen oder sich gar
überkreuzen, werden häufig schwarze Areale gefunden. Es gilt daher immer, die gewählten
Segmentierungslinien im korrespondierenden OCT-Schnittbild auf Plausibilität zu prüfen
und ggf. Anpassungen der Segmentierung vorzunehmen, um eine korrekte Interpretation
zu gewährleisten. Werden Erkrankungen im zeitlichen Verlauf kontrolliert, so ist es
außerdem wichtig, dass die Segmentierungslinien jeweils an der gleichen Stelle liegen.
Bei dem hier verwendeten Gerät lassen sich Segmentierungsfehler manuell korrigieren.
Abb. 7 Segmentierungsartefakt bei einem B-Scan mit schwacher Reflexion (Pfeil).
Abb. 8 Segmentierungsartefakt bei einem ausgeprägten Makulaödem, das zu einer Abschattung
im tiefen Gefäßplexus führt (a) und im B-Scan den Segmentierungsfehler zeigt (b).
Duplikation von Gefäßen (doubling of retinal vessels)
Dieses Artefakt wird durch Aufnahme- und Bildprozessierungsvorgänge zum Ausgleich
von Bewegungsartefakten hervorgerufen. So werden bei Augenbewegungen bestimmte Bereiche
häufiger untersucht und eine anschließende Bildnachbearbeitung durchgeführt, um Bewegungsartefakte
zu vermeiden. In bestimmten Fällen kann dies dazu führen, dass im OCTA-Bild die Gefäße
scheinbar doppelt direkt nebeneinander versetzt erscheinen ([Abb. 9]). Diese charakteristische Verdopplung der Gefäße kann in OCTA-Aufnahmen aller Schichten
von Netzhaut und Aderhaut auftreten und lässt sich i. d. R. meist schnell als Artefakt
erkennen.
Abb. 9 Bei reduzierter Kooperation des Patienten zeigen sich Blinzelartefakte (a, weiße Pfeile) und Gefäßduplikationen (grüne Pfeile), Blinzelartefakt mit Navigationslinien
(b) und im B-Scan (c).
Artefakte, die durch Bewegungen hervorgerufen werden
Bewegungsartefakt (motion artifact)
Wie bereits beschrieben, werden in der OCTA zeitliche Kontrastveränderung detektiert
und diese einem Blutfluss zugeordnet. Dazu werden kurz hintereinander mehrere OCT-Schnittbilder
an einer Stelle der Netzhaut aufgenommen und hinsichtlich ihres Kontrasts verglichen.
Um dies zu ermöglichen, müssen die aufeinanderfolgenden B-Scans tatsächlich an exakt
der gleichen Stelle aufgenommen werden. Je nach Hersteller sorgen verschiedene Strategien
wie z. B. ein leistungsfähiger Eye-Tracker grundsätzlich für eine sehr gute Überlagerung
der B-Scans. Dennoch können Bewegungen des Patienten oder minimale Augenbewegung dazu
führen, dass 2 direkt aufeinanderfolgende B-Scans nicht mehr an der gleichen Position
erfasst werden. Sie lassen sich daher nicht mehr überlagern, an dieser Stelle entfällt
das Signal und letztlich zeigt sich dies im OCTA-Bild als eine dünne, horizontale
weiße oder schwarze Linie. An diesen Streifen wirken die Gefäße scheinbar unterbrochen
oder können seitlich versetzt erscheinen ([Abb. 9 a – c], [10], [11]). Bei massiver Ausprägung kann dies die Interpretation der OCTA-Aufnahme auch erschweren
oder selten unmöglich machen. In den allermeisten Fällen kann jedoch der Gefäßverlauf
auch bei Vorhandensein von Bewegungsartefakten gut identifiziert werden. Insbesondere
bei Patienten mit stark herabgesetztem Visus, schlechter Fixation oder schlechter
Kooperation werden Bewegungsartefakte beobachtet.
Abb. 10 Bewegungsartefakte mit weißen Linien und horizontaler Verschiebung von Gefäßen (Pfeile).
Abb. 11 Bei mangelnder Kooperation des Patienten zeigen sich Bandenbildung (dunkle und helle
Streifen) sowie Gefäßduplikationen (grüne Pfeile), Blinzelartefakte (weißer Pfeil)
und Bewegungsartefakte (gelber Pfeil).
Blinzelartefakt (blink artifact)
Auch durch Blinzeln des Patienten während des Scanvorgangs kann es zu Signalverlusten
kommen. Diese stellen sich in den OCTA-Bildern aller Schichten von Netzhaut und Aderhaut
als schwarze, senkrecht zur Scanrichtung verlaufende Linien an der gleichen Position
dar ([Abb. 11]). Die Breite der Linien scheint dabei von der Dauer des Blinzelvorgangs abzuhängen.
Je nach Ausprägung kann dieses Artefakt eine Interpretation der OCTA-Aufnahmen erschweren.
Bei Systemen mit Eye-Tracker ist eine starke Beeinträchtigung des OCT-Angiogramms
jedoch selten. Auch bei forciertem Lidschluss entstehen lediglich wenige Blinzelartefakte.
Bandenbildung (banding artifact)
Verändert sich während des Aufnahmevorgangs der Abstand zwischen Gerät und Auge, so
können direkt nebeneinander gelegene B-Scans eine unterschiedliche Helligkeit aufweisen.
Dies kann im OCTA-Bild zu Bandenbildung führen, d. h. es ziehen sich breite horizontale
Streifen mit unterschiedlicher Helligkeit über die OCTA-Aufnahmen sämtlicher Schichten
der Netzhaut und Aderhaut ([Abb. 12 a, b]).
Abb. 12 Bandenbildung mit breiten dunklen und hellen Streifen. a OCTA Retina, b En-Face-Struktur.
Randduplikation oder Stretch-Artefakte (edge duplication/stretching artifact)
Hierbei handelt es sich um kurze Streifen unterschiedlicher Helligkeit, die im Randbereich
von OCTA-Aufnahmen auftreten können und dort eine Interpretation unmöglich machen.
Hervorgerufen werden sie durch periodisch auftretenden Signalverlust, z. B. durch
Mikrosakkaden.
Diskussion
Wie bereits in der Einleitung erläutert, erstellen bildgebende Verfahren idealerweise
ein Abbild der Realität. Ein Auftreten von Bildartefakten ist systemimmanent und bei
bildgebenden Verfahren jeder Art gegeben. Wie die Erfahrungen mit dieser neuen Methode
zeigen, ist daher auch die OCTA erwartungsgemäß mit verschiedenen Artefakten behaftet
– so wie grundsätzlich jedes bildgebende Verfahren. So treten auch bei der FAG (Fluoreszenzangiografie),
der Fundusfotografie und der multimodalen Bildgebung mit Laser-Scanning-Geräten und
dem strukturellen OCT Artefakte auf. Bei diesen Verfahren kommt es z. B. zu Abschattungen
durch Glaskörpertrübungen und -blutungen, während bei Aufnahmen mit Laser-Scanning-Geräten
bereits ein trockenes Auge die Bildbeurteilung durch Artefakte erheblich beeinträchtigen
kann. Der häufige Einsatz dieser etablierten Methode hat dazu geführt, dass die hier
beschriebenen Artefakte gut bekannt sind und somit das Risiko einer Fehlinterpretation
deutlich reduziert ist. Dementsprechend sind auch einige der hier im Zusammenhang
mit der OCTA beschriebenen Artefakte den Anwendern des strukturellen OCT bereits geläufig.
Wie für die strukturelle OCT bereits beschrieben, scheint sich auch für die OCTA zu
bestätigen, dass Artefakte grundsätzlich häufiger in Augen mit Pathologien zu beobachten
sind als in gesunden Augen [8], [9], [11]. So zeigen Ergebnisse anderer Publikationen wie auch unsere Erfahrungen, dass z. B.
Segmentierungsartefakte in erkrankten Augen häufiger auftreten als in gesunden Augen
[11]. Dies ist auch zu erwarten, da die als Bezugsgröße zur automatischen Segmentierung
erforderlichen Strukturen bei starken pathologischen Veränderungen von der Software
nicht mehr zuverlässig erkannt werden können. Insbesondere bei ausgeprägten pathologischen
Veränderungen der Netzhaut und Aderhaut sollten daher die Segmentierungslinien unbedingt
immer auf Plausibilität überprüft werden, um Segmentierungsartefakte auszuschließen
und eine zutreffende Bewertung sowie richtige Diagnose zu gewährleisten.
Während Bewegungsartefakte, Blinzelartefakte und Randduplikation deutlich als Störung
der OCTA-Aufnahmen auszumachen sind und daher i. d. R. leicht als Artefakte zu identifizieren
sind, können Segmentierungs-, Projektions- und Abschattungsartefakte sowie Fenstereffekte
dazu führen, dass auffällige Strukturen scheinbar in Schichten auftreten, in denen
sie in der Realität nicht vorliegen. Insbesondere auf diese Artefakte sollte daher
bei der Analyse der OCTA-Daten geachtet werden, um eine korrekte klinische Bewertung
sicherzustellen.
So sollte etwa die Möglichkeit von Projektionsartefakten bei der Interpretation der
OCTA-Daten grundsätzlich in Betracht gezogen werden. Wie auch von Spaide et al. bereits
beschrieben, treten Projektionsartefakte vor allem in Bereichen mit darüber liegenden
Gefäßen häufig auf [5]. Daher sollte durch eine Analyse des gesamten OCTA-Datensatzes kritisch geprüft
werden, ob identische, charakteristische Gefäßmuster in mehreren Netzhautschichten
wiederholt auftreten.
Grundsätzlich können sehr stark getrübte Medien die Interpretation der OCTA-Aufnahmen
deutlich erschweren. Dies gilt allerdings ohnehin auch für andere bildgebende Verfahren
wie etwa die FAG, bei der z. B. durch Glaskörperhämorrhagie ebenfalls die Interpretation
der Aufnahmen meist erheblich erschwert ist.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass trotz Vorliegen diverser Artefakte doch in fast
allen Fällen eine gute qualitative Beurteilung der OCTA-Aufnahmen möglich ist und
ganz wesentliche Erkenntnisse zum Status verschiedener Erkrankungen des hinteren Augenabschnitts
liefert.
Um OCTA-Aufnahmen zuverlässig und klinisch zutreffend zu bewerten, ist neben einem
genauen Verständnis der Netzhautmorphologie auch ein gutes Verständnis über Entstehung
und Auswirkungen von Bildartefakten außerordentlich wichtig. Die Interpretation erfordert
wie bei allen anderen bildgebenden Verfahren der Netzhaut viel Erfahrung.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass bei der OCTA erwartungsgemäß wie
bei jedem anderen bildgebenden Verfahren auch Artefakte auftreten. Dennoch lassen
sich die OCTA-Aufnahmen bez. der Fragestellung qualitativ fast immer gut auswerten
und liefern uns unverzichtbare Erkenntnisse zu Morphologie und Perfusionsstatus von
Netzhaut und Aderhaut. Bei guter Kenntnis der möglichen Artefakte und entsprechender
kritischer Datenanalyse ist eine korrekte Bewertung der OCTA-Aufnahmen gut möglich,
um eine exakte klinische Diagnose zu stellen.
Wichtige Artefakte erkennen – Empfehlungen für die klinische Praxis
-
Grundsätzlich sollte der gesamte OCT-/OCTA-Datensatz zur Bewertung herangezogen werden;
eine sorgfältige und vergleichende Analyse auch unter Berücksichtigung der Anamnese,
des ophthalmoskopischen Befunds und der Fundusaufnahme ist unerlässlich.
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Es sollte immer bedacht werden, dass Bereiche mit einem sehr langsamen oder schnellen
Blutfluss (z. B. Mikroaneurysmen) in der OCTA nicht darstellbar sind.
-
Der ausgewählte Segmentierungsbereich sollte immer auf Plausibilität geprüft und ggf.
korrigiert werden. Ungenauigkeiten in der (automatischen) Segmentierung können die
Ursache auffällig veränderter OCTA-Befunde sein.
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Treten identische, charakteristische Gefäßmuster in mehreren Netzhautschichten wiederholt
auf, so kann es sich in einer Schicht um ein Projektionsartefakt handeln.
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Ist bekannt, dass eingetrübte Medien wie z. B. Glaskörpertrübungen, Glaskörperblutungen,
mature Katarakt oder ein ausgeprägtes Ödem vorliegen (Fundusfotografie bzw. OCT-Schnittbild
prüfen), sollte bei der Interpretation der OCTA-Aufnahmen auf mögliche Abschattungsartefakte
in den Schichten geachtet werden, die unterhalb dieser Strukturen liegen.
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Bei Erkrankungen, die einen lokalen Ausfall bestimmter Netzhautschichten zur Folge
haben (z.B. geografische Atrophie), ist bei der klinischen Bewertung der OCTA-Aufnahmen
zu beachten, dass es in den darunter liegenden Schichten in diesen Bereichen zu einer
Signalverstärkung kommen kann, die fälschlicherweise als Neovaskularisation interpretiert
werden kann.