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DOI: 10.1055/s-0043-1762705
Gründung der ersten deutschen Tuberkulose Fürsorgestelle in Halle (Saale) 1899 – Die Geschichte der Tuberkulose und der Gesundheitsämter
Authors
Einleitung Um die Wende des 20. Jahrhunderts war die Volksseuche Tuberkulose auf ihrem Höhepunkt. Das Leid der meist proletarischen Erkrankten war unermesslich. Die Kritik an der Heilstättenbewegung, die durch Hermann Brehmer (1826-1889) und Peter Dettweiler (1837–1904) seit ca. 1860 initiiert worden war, wurde zunehmend lauter. Nach einem Heilstättenaufenthalt kehrten die Patienten in ihr altes Milieu, ins soziale Elend zurück. Die Ursache der Erkrankung bestand fort. Es fehlte an Nachsorge. Bei Rezidiven oder schweren Verläufen wurde die Wiederaufnahme verweigert.
Material und Methode 1899 wurde die erste deutsche Tuberkulose-Fürsorgestelle in Halle (Saale) als „Ankunfts-und Fürsorgestelle für Lungenkranke“ von Stadtrat Ernst Pütter (1864-1942) gegründet. Einem speziell ausgebildeten Tuberkulose-Fürsorgearzt oblag die klinische und radiologische Untersuchung der aus den Heilstätten Entlassenen. Er veranlasste die Untersuchung von Kontaktpersonen und führte Röntgenreihenuntersuchungen durch. Beim nichtärztlichen Personal stand die Heimfürsorgeschwester an erster Stelle. Im ständigen Austausch mit den Erkrankten, auch in deren Wohnung, „kümmerte sie sich um alles“: Wohnungsdesinfektion, Sanierung der Wohnung nach hygienischen Standards, Aufklärung zur Vermeidung einer weiteren Infektionsausbreitung, Gewährung von Ernährungshilfen, Kinderbetreuung und berufliche Wiedereingliederung.
Ergebnisse Das Konzept der Tuberkulose-Fürsorgestellen war erfolgreich. 1905 gab es in Deutschland 42, in 1938 dann 1.000 Haupt- und 500 Nebenstellen. Karl-Heinz Blümel (1880-1934) war der bedeutende Tuberkulosefürsorge-Arzt, der in Halle (Saale) ab 1912 bis zu seinem Tode 1934 eine intensive und zielgerichtete Aufbauarbeit leistete. Er führte u.a. Fortbildungskurse für Ärzte und Fürsorgeschwestern durch. Während alle Fürsorgestellen in der Zeit des Nationalsozialismus am 1.4.1935 in staatliche Gesundheitsämter umgewandelt und gleichgeschaltet wurden, blieb in Halle der „Tuberkuloseverband e.V.“ bis 1946 bestehen. Die Grundlage für die Gleichschaltung der Tuberkulose-Fürsorgestellen in staatliche Gesundheitsämter wurde mit dem „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ 1934 geschaffen.
Fazit Erst durch die Einführung der Antibiotika um 1950 ist die Tuberkulose heilbar. Deutschland ist heute ein Niedriginzidenzland. Weltweit sterben jährlich ca. 1,5 Mill. Menschen in Hochendemieländern an der Tuberkulose, weil sie in Ihrem Land keinen Zugang zu Diagnostik und Therapie haben. Die Geschichte der Tuberkulose wird erst beendet sein, wenn mit effektiven Mitteln (Diagnostika, Therapeutika und Impfung) die Tuberkulose ausgerottet werden kann.
Publication History
Article published online:
08 March 2023
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