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DOI: 10.1055/s-0043-1762787
Das Stufenmodell für Kinder mit Verdacht auf Dental neglect
Einleitung Erfahrungen aus zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen in Kitas und Schulen zeigen, dass trotz entsprechender Mitteilungen an die Eltern bestimmte Kinder zahnärztlich unter- bzw. unversorgt bleiben. Dieser, auch als „Dental neglect“ bezeichnete Befund ist bedeutsam, da er ein erster Hinweis auf eine Kindeswohlgefährdung sein kann. Daher wurde in 2015 im Rhein-Erft-Kreis auf Basis des Bundeskinderschutzgesetzes ein Stufenmodell zur Früherkennung von Dental neglect entwickelt.
Material und Methode Bei einem auffälligen Zahnbefund ohne bzw. geringen Anzeichen von Behandlungsmaßnahmen wird ein dreistufiges schriftliches Mahnverfahren an die Sorgeberechtigten in Gang gesetzt. Erfolgt keine Rückmeldung auf die verschiedenen Schreiben in einem jeweils definierten Zeitraum, wird der Fall an das jeweilige Jugendamt gemeldet. Da neben der Früherkennung eines Dental neglect auch die Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung der betroffenen Gruppe angestrebt wird, wurden die Nachuntersuchungsergebnisse aus den Schuljahren 2016/2017 (1) und 2017/2018 (2) evaluiert, um die Wirksamkeit des Verfahrens zu ermitteln.
Ergebnisse Sowohl in der 1. als auch in der 2. Untersuchungsphase konnte eine signifikante Verbesserung des Versorgungszustands der Zähne der betroffenen Kinder im Milch- und bleibenden Gebiss beobachtet werden. Die telefonische und schriftliche Rückmeldung der Sorgeberechtigten ergab, dass häufig Unwissenheit, Verständnisprobleme, eine Fehleinschätzung der Situation und insbesondere Zahnbehandlungsängste Hinderungsgründe für die zeitnahe zahnärztliche Versorgung der Kinder waren.
Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass der zahnärztliche Versorgungszustand von Kindern mit auffälligen Zahnbefunden im Rahmen des Stufenmodells signifikant verbessert werden konnte. Der direkte Kontakt mit den Sorgeberechtigten führte oftmals zu einem besseren Verständnis der familiären Gesamtsituation und ermöglichte individuelle Beratungen. Das Stufenmodell zeigt, dass regelmäßige Untersuchungen und Beratungen zu einer Verbesserung der Versorgungssituation beitragen können und eine weitere wichtige Kernkompetenz des Öffentlichen Zahngesundheitsdienstes darstellen. In wie weit das Stufenmodell als Frühwarnsystem für Kindeswohlgefährdung wirken kann, ist derzeit noch unklar, da keine Daten der Jugendämter vorliegen. Ein weiteres Ziel sollte daher sein, eine Grundlage für eine interdisziplinäre Datenbasis zu schaffen.
Publication History
Article published online:
08 March 2023
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Georg Thieme Verlag
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