Schlüsselwörter
Allergie - Ernährungstherapie - intestinales Immunsystem
Key words
Allergy - nutritional therapy - intestinal immune system
Abb. 1 Das in Getreiden wie Weizen enthaltene Gluten gehört zu den häufigsten Allergenen
aus Nahrungsmitteln. (© nightsphotos/Adobe Stock)
Allergien sind weit verbreitet. Bei manchen Menschen ist es eine bestimmte Pollenart,
bei anderen ein Nahrungsmittel und wieder andere reagieren auf das Gift einer Biene
allergisch: Fremdproteine werden für einen Organismus dann zu „Allergenen“, wenn sie
aufgrund eines Integritätsverlusts der Schleimhaut in die tieferen Mukosaschichten
eindringen, dort als fremde „Eindringlinge“ vom Immunsystem erkannt und mit einer
chronisch verlaufenden Entzündungs- und Abwehrreaktion bekämpft werden. Diese allergischen
Reaktionen liegen meist in der Haut oder den Schleimhäuten: die atopische Reaktion
der Neurodermitis, Rhinitis, Konjunktivitis, Bronchitis, Sinusitis sowie die unterschiedlichen
Nahrungsmittelallergien in der intestinalen Schleimhaut.
Traditionelle organspezifische Therapieansätze bemühen sich, die inflammatorischen
und immunologischen Reaktionen in dem betroffenen Areal zu behandeln. Doch greifen
solche Behandlungsweisen zu kurz, denn die Schleimhäute sind eng über das Blut- und
das mukosale Immun- und Lymphsystem miteinander verbunden. Zudem liegen der Entstehungsort
einer allergischen Reaktion und das Symptomorgan oftmals weit auseinander: So kann
die orale Aufnahme eines Allergens die entzündlichen Reaktionen in der Haut (z. B.
die Neurodermitis) verursachen oder verstärken. Zusätzlich beeinflussen alle anderen
Irritationen des inflammatorischen Systems wie Infekte und eine Imbalance des vegetativen
Nervensystems oder chronisch entzündliche Erkrankungen wie der M. Crohn das Auftreten
oder die Ausprägung allergischer Reaktionen.
Das intestinale Immunsystem und Allergien
Das intestinale Immunsystem und Allergien
Eine ganz besondere Bedeutung kommt dem intestinalen Immunsystem zu („gut associated
lymphoid tissue“ (GALT)), denn es macht den größten Teil unseres Immunsystems aus.
80 % aller Immunzellen haben hier in den Peyer’schen Plaques, in der Mesenterialwurzel
ihren Ursprung. Kein anderes Organ bildet ähnlich viele Antikörper: ein fein abgestimmtes
System aus Makrophagen, Mastzellen, B- und T-Lymphozyten, zellulären und humoralen
Immunreaktionen. Fremdproteine aus der Nahrung werden hier für einen Organismus zu
„Allergenen“, wenn sie nicht ordnungsgemäß verdaut, d. h. enzymatisch in Aminosäuren
zerlegt werden und sie aufgrund eines Integritätsverlusts der Schleimhaut in die tieferen
Mukosaschichten eindringen.
Nun zählen Verdauungsstörungen zu den häufigsten Beschwerden unserer Zeit. Veränderte
Nahrungsmittel, zu kurze und unvollständige Zubereitungen der Nahrung und veränderte
Lebensgewohnheiten beeinflussen die Verdauungsleistung. Hektik und hastiges Essen
verhindern das sorgfältige Kauen, das richtige Einspeicheln, das Aus-Schmecken, Genießen
und Aus-Kosten der Nahrung. Zu große Einzelmahlzeiten, zu viel oder zu vielerlei,
mangelnde Azidität des Magens (Cave: Antazida) oder unzureichende Enzymaktivität im
Magen oder Pankreas verhindern die fermentative Aufschlüsselung der Proteine. Auch
sind viele Nahrungsmittel zu schwer verdaulich: rohe Körner, grobes Vollkornbrot,
Salate, Fett-Gebratenes. Dies gilt insbesondere, wenn sie erst am späteren Abend gegessen
werden. Blähungen, wechselnde Stuhlgänge, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, ein „gereizter“
Darm sind die ersten und häufigsten Symptome.
Bleibt die Nahrung unverdaut, wird sie von den Bakterien in tieferen Darmabschnitten
zersetzt. Faserreiche Kohlenhydrate gären, es entstehen Methanol, Butanol, Propanol
und andere Fuselalkohole und Gase: erkennbar am aufgetriebenen Leib und Blähungen.
Proteine oder Polypeptide werden durch proteolytische Keime zersetzt, sie faulen.
Es entstehen Ammoniak, vermehrt biogene Amine wie Tyramin oder Kadaverin und toxische
Abbauprodukte wie Indol, Kresol, Phenol, Skatol. Diese sind für die Pseudoallergien
verantwortlich zu machen. Sie lösen Entzündungsreaktionen in der Schleimhaut aus,
die Tight-junctions der Darmschleimhautzellen lösen sich, wir sprechen vom Leaky-gut-Syndrom,
dem Syndrom des „löchrigen Darms“.
Die Schleimhautintegrität ist gestört. Fremdeiweiße können ungehindert die Grenzfläche
penetrieren.
Eine nachhaltige Therapie allergischer Erkrankungen muss daher den Darm immer mit
behandeln, denn:
„Egal wie der Vater der Krankheit heißt, die Mutter ist immer die Ernährung.“
(chinesisches Sprichwort)
Eine nicht unerhebliche Bedeutung kommt auch dem vegetativen Nervensystem zu: Es durchzieht
in einem komplexen Netzwerk das gesamte mesenchymale Bindegewebe (Plexus submucosus
und Plexus myentericus) bis an die Epithelschicht heran und verknüpft so Haut und
Schleimhaut mit dem inneren Milieu. Hier vernetzen sich Parasympathikus und Sympathikus,
hier werden etwa 90 % des regulierenden Hormons Serotonin gebildet. Die intestinale
vegetative Balance steht in engem Zusammenhang mit den neuralen und inflammatorischen
Regulationen in der Haut und den übrigen Schleimhautorgansystemen. Störungen in der
epithelialen Schleimhaut oder chronische auch stille Entzündungen (low grade inflammations)
der Mukosa führen zu Irritationen dieses vegetativen Nervensystems, zur Einschränkung
der mikrozirkulatorischen Versorgung und Trophik der Schleimhaut und Mukosa und oftmals
zur Chronifizierung der entzündlichen Reaktionen. Dies erklärt die häufigen Exazerbationen
von Allergien unter Stressbelastungen.
Mikrobiota
Nirgendwo sonst im Körper findet ein intensiverer Kontakt mit fremden Stoffen statt,
als im Darm. Deshalb besiedelt eine äußerst leistungsstarke Schutzbarriere in Form
von gesunden Bakterien unseren Darm. Es ist eine komplexe, feinabgestimmte Bakterienflora
(Mikrobiota), die immer mehr in den Fokus der Diagnostik und Therapie tritt. Im Jejunum
ist die Kolonisation eher niedrig und es überwiegt die anaerobe Flora im eher sauren
Milieu aus Lactobazillen und Bifidobakterien, aber auch wenige anaerobe Enterokokken
sitzen hier. Im Ileum verschiebt sich die Flora in den alkalischen Bereich mit der
vermehrten Besiedelung durch anaerobe Keime (Enterokokken, Escherischia coli). Die
Konstanz der Milieubedingungen, ein hochwertiges Angebot und die vollständige Aufschlüsselung
der zugeführten Nahrung begünstigen eine gesunde komplexe Bakterienpopulation. Diese
erfüllen für den Menschen lebenswichtige Funktionen:
-
Verdauung (Aufschlüsselung der Nahrung, Fermentation, Enzymproduktion) – insbesondere
die Lactobazillen und Bifidobakterien
-
Synthese der Vitamine B6, B11, B12 und K
-
Verringerung des Säuregrads im Dickdarm (Resorption der Mineralien)
-
Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, Butyraten (für die Darmperistaltik und als
Energielieferant der Darmschleimhautzellen)
-
Bindung der Gallensäuresalze (Cholesterinmetabolismus)
-
Immunmodulation – v. a. E.-coli-Bakterien
-
Enterococcus faecalis stimuliert die Produktion und Freisetzung von sIgA
Diagnostik
Als erste diagnostische Methoden dienen uns der visuelle Eindruck der Bauchform sowie
die manuelle Untersuchung der Bauchorgane, des Spannungszustandes und der Mesenterialwurzel.
Vermehrte Gasbildung, Spannungen und Druckdolenzen über dem Bauchraum deuten auf entzündliche
Veränderungen im gastrointestinalen Organsystem hin.
Eine Untersuchung des Stuhls kann Aufschluss über die Entzündungssituation der Darmschleimhaut
geben: α-1-Antitrypsin und Calprotectin. Immunglobulin A (sIgA) wird in den Epithelzellen
als Abwehrprotein sezerniert. Zonulin wird beim Auflösen der Tight Junctions der Schleimhautzellen
vermehrt in das Darmlumen abgegeben und im Stuhl ausgeschieden und dient daher zum
Nachweis des Leaky gut.
Immunreaktionen gegen penetrierende Nahrungsproteine können im Serum nachgewiesen
werden. Hier nehmen viele Allergien ihren Anfang: Urtikaria, Ekzeme, Neurodermitis,
Kuhmilchallergien, Ei-Eiweiß-Allergien. Neben den IgE-vermittelten allergischen Sofortreaktionen
sind die Immunglobuline G für verzögerte Reaktionen verantwortlich zu machen: Kopfschmerzen,
Gelenkbeschwerden, aber auch als Verstärker (Immuntrigger) für allergische Reaktionen.
Histamin und andere biogene Amine (wie Tyramin) können im Serum, aber auch im Stuhl
spezifisch für die intestinale Bildung nachgewiesen werden. Sie deuten auf vermehrte
Fäulnisreaktionen im Darm hin.
Das Eosinophile Protein X (EPX) ist ein einfacher Marker für die Entzündungsprozesse
bei Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten. Eosinophile Granulozyten spielen
eine Schlüsselrolle im asthmatisch-allergischen Entzündungsgeschehen. Das EPX ist
ein guter Suchtest insbesondere bei Kindern zur Überprüfung der Beteiligung von Nahrungsmitteln
bei subklinischen Entzündungsreaktionen. So können erfolgreiche Eliminationsdiäten
anhand des EPX verfolgt werden.
Patientenfälle aus der Praxis
Patientenfälle aus der Praxis
Marie W. 10 Jahre
Anamnese: Neurodermitis seit dem dritten Lebensmonat. Häufig Müdigkeit und migräneartige Kopfschmerzen.
Die Mutter berichtet eine normal verlaufene Schwangerschaft und Geburt, 4 Monate voll
gestillt, anschließend hypoallergene Flaschennahrung und Aufbau zur Familienernährung.
Diese besteht hauptsächlich aus Gemüse und Rohkost, Getreideflocken/Müsli, Mischbrot
mit vegetarischen Brotaufstrichen, Sojaprodukten, wenig Schaf- oder Ziegenkäse. Die
Mutter lebt vegetarisch bis vegan und will kein Fleisch und keinen Fisch kochen bzw.
zubereiten.
Labor: IgE-vermittelte Allergie auf Ei-Eiweiß sehr hoch, auf Kuhmilch mäßig.
Diagnostik: leicht übergewichtige Patientin, teigig pastöses Gesicht, sehr weiches Bindegewebe,
Bauch gebläht und deutlich schmerzhaft bei der Palpation. Dünndarm nicht abgrenzbar.
Stuhlgang täglich, schmierig geformt, stinkend. Blähungen sehr unangenehm riechend.
Wenn sie nur ganz wenig Ei isst (z. B. auf Kindergeburtstagen im Kuchen) bekommt sie
sofort starke Hautrötungen mit quälendem Juckreiz. Auf Kuhmilch nicht ganz so stark.
Stuhldiagnostik: Deutliche Mangelbesiedelung der immunkompetenten und Verdauungskeime ([
Abb. 2
]). Wenig Entzündungszeichen: normales α-1-Antitrypsin und Calprotectin.
Abb. 2 Gastroenterologischer Laborbefund von Marie W.
Doch deutlich auch eine Antikörperbildung gegen Gliadine ([
Abb. 3
])!
Abb. 3 Spezielle gastroenterologische Diagnostik von Marie W.
Lisa P. 52 Jahre
Anamnese: Seit mehreren Jahren auftretende Urtikaria: Flushartige Rötungen zum Teil mit Quaddelbildung
im Gesicht und am Dekolleté. Stark juckend ohne Allgemeinsymptome, ohne Atembeschwerden.
Allergie bekannt auf Birkenpollen und Gräser. Die medikamentöse Behandlung mit Antihistaminika
bringt nur wenig Besserung. Die Patientin klagt über starke, auch stinkende Blähungen.
Auch die strikte Karenz histaminhaltiger und histaminausschüttender Lebensmittel (Alkohol,
altgereifte Käsesorten, Räucherfleisch/-fisch …) bringt keine nachhaltige Besserung:
„Ich weiß gar nicht mehr was ich essen darf! Jetzt esse ich doch schon low carb –
auch das hat nicht geholfen!“
Obstipation, wechselnd mit plötzlichen Diarrhöen.
Ernährungsanamnese:
-
morgens: Tee, Müsli aus Erdmandel-, Hirse- und Haferflocken mit Wasser und Quark.
-
vormittags: 1 Apfel, eine Banane und evtl. saisonales Obst
-
mittags (meist auswärts): Salat, Gemüse mit Fleisch oder Fisch
-
abends: gemischter Salat mit Schafskäse, Joghurt oder auch Fleisch
Untersuchung: Normalgewichtige Patientin, stark gurgelnde Darmgeräusche, aufgeblähter Leib. Dünndarm
stark verspannt und druckschmerzhaft, Mesenterialwurzel mit Abwehrspannung tastbar.
Labor: Histaminausscheidung im Stuhl erhöht. Die Diaminooxidase im Blut lag in der Norm.
Silke F. 43 Jahre, verheiratet zwei Kinder
Anamnese: Seit mehreren Jahren rezidivierendes trockenes Ekzem an den Handinnenflächen mit
tiefen Rissen. Die vom Hautarzt verordneten Kostisonsalbenbehandlungen bringen nur
vorübergehend Besserung.
Ernährungsanamnese: „Vollwertig und gesund“
-
morgens: Haferflocken/Müsli in Wasser eingeweicht, roh mit Joghurt und geriebenem
Apfel
-
mittags: Gemüse, Reis, Salate mit Käse, mal ein Ei
-
zwischendurch: 1–2 Obst, mal Kekse
-
abends: mal Fisch, Salat, Vollkornbrot mit Schaf- oder Ziegenkäse
Eine eigenständige Umstellung vor 3 Jahren auf eine vegane Ernährung brachte keine
Besserung, wegen zunehmender Müdigkeit und Schwäche fügte die Patientin wieder zweimal
wöchentlich Fisch und täglich Milchprodukte in den Ernährungsplan ein.
Ernährungsmedizinische Diagnostik: Deutlicher Blähbauch, verspannter druckdolenter Dünndarm, Mesenterialwurzel verdickt,
mit Abwehrspannung tastbar, Gase deutlich auskultierbar. Immer mal wieder weiche,
breiige Stuhlgänge.
Die Frage nach der Esskultur beantwortet die Patientin mit: „Ich bin ein Schnell-Esser
und Schlinger.“
Stuhluntersuchung: erhöhte Entzündungswerte: α-1-Antitrypsin und Zonulin. Darmdysbiose mit einer Vermehrung
von aeroben Fäulniskeimen und einer Verminderung der Immunflora Escherichia coli,
der Lactobazillen und Bifidobakterien.
Allergiediagnostik: keine Histaminreaktion, keine IgE-Allergie nachweisbar, IgG-Unverträglichkeit auf
Kasein und Lactglobuline der Kuh RAST-Klasse 5, Haselnuss RAST 4, Glutenhaltige Getreide
RAST 2.
Der therapeutische Weg
1) „Feste Nahrung sollst du trinken – flüssige Nahrung sollst du essen.“ (Hippokrates):
Alle Nahrung muss so gegessen und gekaut werden, dass sie im Mund vollständig verspeichelt
ist. Was nicht gekaut werden kann, sollte nicht geschluckt werden. Nur so kann sie
im Magen von der Magensäure eingesaftet, im Duodenum von den Enzymen durchdrungen
und in ihre Bausteine – Proteine in Aminosäuren und Dipeptide, Kohlenhydrate in Di-
und Monosaccharide und Fette in die einzelnen Fettsäuren – zerlegt werden. Nur so
ist die Resorption im oberen Dünndarm möglich und Ileum und Colon sind von der Verdauung
entlastet. Die Intoxikation kommt zur Ruhe: Kein Leaky gut – keine Aufnahme höhermolekularer
Eiweiße – keine Immunreaktionen.
2) „Der Mensch lebt nur von der Hälfte dessen, was er isst, von der anderen leben
die Ärzte.“ (Ägypten 2000 v. Chr.):
Also: Kleinere Mahlzeiten und leicht verdauliche Lebensmittel! Zwischen die Hauptmahlzeiten
sollten kleine Zwischenmahlzeiten eingeschoben werden. Kleine Nahrungsmengen können
besser verdaut werden. Faserhaltige Nahrungsmittel wie Rohkost, Vollkorn oder gar
Müsli müssen gemieden werden. Unser Verdauungssystem bildet keine Enzyme (Zellulasen),
um die Zellhüllen aufzubrechen. Die Zellulosehülle behindert aber das Eindringen der
Verdauungssäfte in die Pflanzenzelle, die in der Zelle eingelagerten Nahrungsstoffe
können nur sehr langsam herausgelöst werden.
3) Verdauliche Zubereitung der Nahrungsmittel:
Unsere traditionelle Küche hat viele Wege gefunden, dass unsere Nahrung leicht und
gut verdaut wird:
-
Fleisch kurz braten und lange garen. Markknochen(-suppen) stunden- oder tagelang kochen.
Alle Nährstoffe werden so herausgelöst, Proteine zerlegt und für die Verdauungssäfte
zugänglich gemacht: „Es zergeht auf der Zunge“ – ein hohes Lob an die Küche.
-
Reis, Kartoffeln und Gemüse müssen so gargekocht werden, dass sie sich von der Zunge
am Gaumen zerdrücken lassen.
-
Fleisch, Fisch, Geflügel müssen zart und mürbe werden, dass sie eben „auf der Zunge
zergehen“ und sich feinstens zerkauen lassen. Kein rohes Fleisch oder rohen Fisch
essen. Ein gekochtes Ei soll zäh-weich sein; Rührei mit etwas Sahne zubereiten – es
soll weich und gallertig sein.
-
Toast und Zwieback sind deshalb leicht verdaulich, weil sie sich im Mund gut zerkleinern
lassen, und weil sie sich schon im Mund mit fermenthaltigem Speichel vollsaugen.
4) Maßhalten mit säurehaltigen Nahrungsmitteln:
Nahrungssäuren, insbesondere Obstsäuren, führen zu einem Reizzustand der Darmschleimhaut.
Nahrungssäuren lassen entzündliche Prozesse, Haut- und Schleimentzündungen sowie allergische
Entzündungen, nicht zur Ruhe kommen. Die Säuren (Natrium- und Kaliumzitrate) verbinden
sich mit Kalzium aus den Schleimhautzellen zu biologisch-inaktiven Salzen (Kalziumzitrat).
Dadurch wird der Darmschleimhaut biologisch-aktives Kalzium entzogen. Es entsteht
ein versteckter Kalziummangel, eine Verschiebung des Elektrolytgleichgewichts in den
Membranen, es kommt zu Resoptionsstörungen und Entzündungen. Durch hohen Säuregehalt
zeichnen sich aus: alles Obst, insbesondere Apfelsinen, Zitronen, Grapefruits, Beeren,
alle Obstsäfte und Weine, dann Tomaten, Spinat, Salate, Gemüse und Gemüsesäfte. Es
ist immer wieder eindrucksvoll, wie gerade das atopische Ekzem, Sinusitiden und Bronchitiden
durch Obstkarenz zur Ruhe kommen.
5) Smoothies sind Lebensnahrung und sollen „gegessen“ werden:
Für eine ausreichende Vitamin- und Mineralienzufuhr empfehlen sich milde säurearme
grüne Presssäfte aus einem Slowjuicer oder Entsafter: z. B. 100–150 ml Karottensaft,
der ein besonders säurearmer, aber hochwertiger Vitamin- und Mineralstoffspender ist.
6) Eiweißarme Ernährung: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich:
Große Eiweißmengen unterhalten Entzündungsprozesse und doch muss das Angebot gerade
an essenziellen Aminosäuren ausreichend sein. Daher lautet die Empfehlung, kleine
Mengen unterschiedlicher Quellen über den Tag verteilt zu essen – das komplettiert
das Angebot der essenziellen Aminosäuren und senkt den Gesamtbedarf. Insgesamt reichen
0,6 g Eiweißzufuhr pro kg Körpergewicht aus. Voraussetzung ist, dass die Mikroflora
des Darms intakt ist und die Nahrungseiweiße nicht durch eine vermehrte proteolytische
Fäulnisflora verloren gehen.
7) Allergene und Immuntrigger meiden:
Die häufigsten Allergene aus Nahrungsmitteln sind Eier, Nüsse, Mandeln, Kuhmilch,
Gluten, Soja ([
Abb. 4
]). Da es sich bei diesen Lebensmitteln um sog. Grundnahrungsmittel handelt und sie
in vielen Nahrungsmitteln versteckt enthalten sind, empfiehlt sich eine möglichst
genaue Testung folgender Immunreaktionen: IgE, IgG1–3 und IgG4, Antigliadine, evtl.
Antitranglutaminase, um dann die individuellen Trigger gezielt zu eliminieren.
Abb. 4 Häufige Allergene.
Reagieren Patienten auf sehr viele Nahrungseiweiße allergisch und müssen diese aus
der täglichen Ernährung gestrichen werden, kann eine zeitweise Supplementierung mit
hochwertigen reinen essenziellen Aminosäuren sinnvoll sein.
Eine besondere Rolle bei allergisch-entzündlichen Erkrankungen nimmt die Kuhmilch
ein. Die darin enthaltenen Wachstumsfaktoren und Hormone unterhalten entzündliche
Vorgänge und sind deshalb grundsätzlich zu meiden.
Gluten und Gliadine, die Proteine aus Weizen und anverwandten Getreiden, sind ebenfalls
zu meiden oder zumindest stark einzuschränken. Die entstehenden Eiweiß-Zucker-Verbindungen
(Advanced Glycation Endproducts, AGEs) lassen Inflammationen und übermäßige Zytokinreaktionen
nicht zur Ruhe kommen. Insbesondere die Vollkornprodukte enthalten darüber hinaus
Amylase-Trypsin-Inhibitoren, die die Verdauung und Aufschlüsselung der Nahrung erschweren
bis unmöglich machen. Das bedeutet, dass vermehrt hochmolekulare Proteine im distalen
Dünndarm erscheinen und dort Immunreaktionen auslösen können.
Glutenhaltige Getreide dürfen aber nicht einfach durch glutenfreie Lebensmittel ersetzt
werden! Hirse, Amaranth, Quinoa sind zwar glutenfrei, doch auch gegen diese können
Immunreaktionen, besonders IgG-Unverträglichkeiten, auftreten, da sie nur sehr schwer
zu verdauen sind ([
Abb. 5
]). Bei Stuhlinspektionen sind die groben Körner immer wieder zu beobachten.
Abb. 5 Beispiel für einen Nahrungsmittelscreen.
8) Kohlenhydratärmere Nahrungsauswahl – unterschiedliche Kohlenhydrate (Getreide,
Kartoffeln und Gemüse) über den Tag verteilen – Eiweißträger nach individueller immunologischer
Verträglichkeit
Ein Beispiel für einen Tagesspeiseplan ist in [
Tab. 1
] aufgeführt.
Tab. 1
Beispiel für einen Tagesspeiseplan. Als Speiseöle eignen sich Leinöl, Fischöl, Butter,
Ghee.
Frühstück
|
zwischendurch
|
Mittagessen
|
zwischendurch
|
Abendessen
|
Getreidebrei aus feinen Hirse-, Hafer-, Reisflocken mit Wasser gekocht oder: glutenfreies fein ausgemahlenes helles Brot mit Butter/Ghee
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Schaf- oder Ziegenkäse
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Fleisch/Fisch
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Kraftbrühe/Gemüsebrühe
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Fisch, Eier – auch kalt: Räucherlachs, -Forelle… oder: Gemüsesuppe
|
dazu Öl oder Butter (ggf. Ghee) oder bei Kuhmilchverträglichkeit auch Sahne ggf. etwas
süßen mit Zucker oder Dicksaft oder: ggf. mit Ei und Aufstrich, Schaf- oder Ziegenkäse, Honig
|
Banane / ein milder Apfel
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Kartoffeln oder mildes Gemüse z. B. Wurzelgemüse, weicher weißer Reis
|
glutenfreier Pudding
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Kartoffeln, Gemüse (15 g KH) oder: glutenfreies helles Brot mit Butter/Ghee/Speiseölen
|
9) Mikrobiologische Therapie
Eine individuell angepasste Mikrobiologische Therapie v. a. mit differenzierten Stämmen
der Lactobazillen und Bifidobakterien unterstützt die Genesung. Autolysate aus Kolibakterien
haben sich als hocheffiziente immunmodulatorische Therapie bewährt.
Verlauf der Patientenfälle
Verlauf der Patientenfälle
Marie W. 10 Jahre
Oberstes und erstes Ziel bei Marie war die Reduktion der Gärungsdyspepsie! Dazu musste
Marie zunächst lernen, gut zu kauen, langsam und achtsam zu essen. Die Nahrung wurde
weich gekocht: keine Rohkost, keine Körner oder ungekochte Getreideflocken. Weiterhin
Kuhmilch- und Eikarenz, aber auch glutenhaltige Lebensmittel musste Marie meiden.
Zur Deckung des Eiweißbedarfs sollte sie zartes Fleisch und Fisch in den Alltag integrieren.
Schwierigkeit: Maries Mutter sah es ein, dass Fleisch und Fisch in den Alltag integriert werden
musste, konnte es aber selbst in der Küche nicht zubereiten. Sie griff also vermehrt
auf Fertigprodukte wie Würste, Salami oder Dosenfisch zurück, oder verwies auf die
Schulküche zweimal die Woche. Nach intensiven Gesprächen gelang es dann, in der Familie
den Weg zu finden: Maries Vater fand die Zeit und Freude daran, Fleisch und Fisch
zuzubereiten.
Abb. 6 Genauso wichtig wie die Auswahl der Nahrungsmittel ist die Art der Zubereitung: Gut
durchgegarte Speisen erleichtern eine gute Verdauung. (© mizina/Adobe Stock)
Ernährung leicht verdaulich: morgens isst sie meistens einen feinen Reis- oder Hirsebrei
mit Wasser gekocht und Butter – mit Zimt und wenig Zucker, am Vormittag etwas Schaf-
oder Ziegenkäse mit einem kleinen Stück Gurke (in der Schule) mittags Fleisch oder
Fisch ca. 50–80 g meistens mit Kartoffeln und Karotten- oder Zucchinigemüse, am Nachmittag
dann einige glutenfreie feine Kekse, eine halbe Banane, abends isst sie wenig: eine
Suppe, oder auch mal ein Brot mit Butter.
Mikrobiologische Therapie: Beginnend mit Prosymbioflor (Autolysat aus Enterokokken und E.coli) für 6 Wochen
zur Immunregulation. Omnibiotic panda 1 × tägl. (Lactobazillen, Bifidobakterien) für
6 Monate. Nach 2 Monaten Colibiogen für Kinder (zur weiterführenden Immunmodulation).
Verlauf: Nach einem Monat deutliche Entspannung im Darmbereich. Bauch weich und nur wenig
druckdolent. Das Bindegewebe strafft sich, die Konzentrationsfähigkeit steigt. Die
Haut ist frei und sie reagiert nicht mehr so stark auf Ei. Kleine Mengen (z. B. auf
einem Geburtstagsfest) riefen keine Hautreaktionen mehr hervor.
Lisa P. 52 Jahre
Auch Frau P. lernte vor allem neu zu kauen. Die Nahrung haben wir auf 6 Mahlzeiten
ausgewogen verteilt: Kein Vollkorn! Zu Beginn kein Salat, nach 4 Wochen wenige zarte
Blätter mittags. Jeweils ein Eiweißträger und eine kleine Beilage. Keine histaminhaltigen
Lebensmittel.
Verlauf: Nach wenigen Tagen verschwanden die Blähungen, der Stuhl normalisierte sich zusehends.
Darüber hinaus bekam die Patientin vier Colon-Hydro-Therapien zur Ausleitung und Immunregulation
und regelmäßig F.X. Mayr-Darmmassagen, die sie auch selbstständig zuhause durchzuführen
lernte. Zur Unterstützung erhielt sie eine Mikrobiologische Therapie mit Lactobazillen
und Bifidobakterien (Omnibiotic stress repair) und Injektionen von Colibiogen zur
Immunmodulation. Die Urtikaria blasste innerhalb von 14 Tagen vollständig ab, inzwischen
kann sie wieder kleine Mengen an Alkohol und altem Käse ohne Reaktionen vertragen.
Silke F. 43 Jahre
Therapeutisches Vorgehen entsprechend den allgemeinen Richtlinien: Das Vordringlichste war das Neu-Erlernen des langsamen Essens. Die Patientin nahm
an einer Kau-Schulung mit anderen Patienten teil und lernte so eine neue Ess- und
Schlucktechnik. Die Mahlzeiten wurden kleiner, der Bauch flacher.
Ernährung: Kuhmilcheiweißkarenz und Reduktion von Obstsäuren auf ein mildes Obst pro Tag. Glutenfreie
Getreide für 4 Monate (mit Ausnahme an Familienfesten max. einmal pro Woche).
Mikrobiologische Therapie: 4 Wochen Autolysat von Enterokokken und E. coli-Bakterien, 6 Monate: Lebendkeime
Lactobazillen, Bacteroides und Bifidobakterien, anschließend Autolysat aus E.coli-Bakterien
für 4 Monate zur Immunstabilisierung.
Verlauf: Nach 4 Wochen deutliche Reduktion und Abheilung des rissigen Handekzems. Nach 4 Monaten
vollständige Abheilung der Handflächen – keine anderen Ekzemherde mehr vorhanden.
Das Ganze fiel der Patientin nicht schwer, denn sie hatte zudem auch einen Zugewinn
an Kraft und Vitalität.
Konsequenzen für die ärztliche Praxis
Konsequenzen für die ärztliche Praxis
Kaum ein anderes therapeutisches Verfahren greift so grundlegend und tief in den Genesungsprozess
ein wie die Sanierung des Verdauungssystems. Sie ist Dreh- und Angelpunkt jeder naturheilkundlichen
Therapie. Wenn die intestinale Intoxikation und bakterielle Dyspepsie ausheilt, kommen
das Immunsystem und alle entzündlichen Reaktionen zur Ruhe.
Begleitend dazu können Spülungen des Verdauungsorgans (Bittersalze, hohe Einläufe
oder eine Colon-Hydro-Therapie) und eine forcierte Ausleitung über die Atemluft (Bewegung)
oder die Niere (Trinken, Nieren- und Blasentee) die Haut entlasten.
Darüber hinaus kann und muss das ganze Spektrum der naturheilkundlichen Verfahren
genutzt werden: Abgelagerte Stoffwechselschlacken müssen behutsam mobilisiert und
über Haut und Nieren ausgeschieden werden. Gerade bei Allergien haben sich körperwarme
Langzeitbäder, Sauna und maßvoller Sport bewährt. Wöchentliche Überwärmungsbäder greifen
tiefgreifend in die Regulation des Immunsystems ein. Bei regelmäßiger Anwendung kommen
überschießende allergische Reaktionen nachhaltig zur Ruhe.