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DOI: 10.1055/s-0044-1781844
Botulismus Fall im Bezirk Hamburg-Harburg
Als häufigste Form des Botulismus tritt in Deutschland bei insgesamt wenigen Fällen pro Jahr, der Lebensmittelbotulismus auf. Verursacht wird die Erkrankung durch Botulinum Neurotoxine (BoNT). Diese Toxine werden von sporenbildenden Stäbchenbakterien der Gattung Clostridium (in den meisten Fällen durch Clostridium botulinum) gebildet. Weite Verbreitung finden die Dauerformen des Erregers (Sporen) z. B im Erdboden, in Gemüse-, Obst und Fleischerzeugnissen. Bei nicht ausreichender Erhitzung von Lebensmitteln (unter 80°C), bleiben die Sporen überlebensfähig und können unter anaeroben Bedingungen auskeimen und Toxine ausbilden. Durch den Verzehr von Toxin-kontaminierten Lebensmitteln kommt es zur Ausbildung der Botulismus-Erkrankung, gekennzeichnet durch akut entstehende Hirnnervenstörungen, Atemstörungen und eine sich rasch entwickelnde herabsteigende schlaffe Lähmung.
Am 11.07.2023 erfolgte durch ein Klinikum die §6-Meldung über den Verdacht auf Lebensmittelbotulismus bei einer 32-jährigen Patientin an die Abteilung für Infektionsschutz des Gesundheitsamtes Hamburg-Harburg. Stationär aufgenommen wurde die Patientin über die Notaufnahme, in der sie sich selbständig vorstellte, aufgrund von in der Nacht zuvor akut aufgetretener Schluck- und Atemstörung sowie Lähmungserscheinungen der oberen Extremitäten. Es erfolgte unter der genannten Verdachtsdiagnose die rasche Gabe eines Antitoxins sowie die Übernahme auf Intensivstation; hier wurde die Patientin akut beatmungspflichtig. Neben der laborchemischen Routinediagnostik wurden von der Patientin mitgebrachte Speisereste der letzten Mahlzeit bestehend aus Hackfleisch und Rosenkohl sowie Erbrochenes zur weiteren Diagnostik eingesandt. Am 19.07.2023 wurde mittels PCR-Diagnostik das Botulinum Neurotoxin Typ B im Erbrochenem und in der Mahlzeit am Konsiliarlabor für Neurotoxin-produzierende Clostridien des Robert Koch-Instituts (RKI) nachgewiesen. Darüber hinaus erfolgte mittels Maus-Bioassay der Toxinnachweis im Serum der Patientin.
Die Abteilung für Infektionsschutz begann unmittelbar nach Eingang der §6-Meldung mit den Ermittlungen zur Kausalitätsüberprüfung des Infektionsgeschehens. Zeitgleich wurden der Verbraucherschutz, die Landesstelle sowie die Sozialbehörde hinzugezogen. Darüber hinaus bestand ein regelmäßiger Austausch mit dem RKI zu den erhobenen Befunden. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Ehemann der Patientin wurden unter Einbeziehung des Verbraucherschutzes diverse Hackfleischprodukte aus dem zuletzt von der Patientin aufgesuchten Supermarkt beprobt. In keinem der Fleischprodukte konnte C. botulinum nachgewiesen werden. Daraufhin erfolgte eine Begehung des Haushaltes der Patientin durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes und Verbraucherschutzes. Dort fanden sich diverse abgelaufene Lebensmittel sowie eine Vielzahl an selbst eingelegtem Gemüse und eingefrorenem Fleisch. Es wurden 7 Lebensmittelproben aus dem Haushalt der Familie mitgenommen und zur Diagnostik eingesandt. Hierbei konnte in einer Probe aus eingefrorenem Fisch/Fleisch das Botulinum Neurotoxin nachgewiesen werden. Der Ehemann wurde daraufhin angewiesen, sämtliche eingelagerten Lebensmittel zu verwerfen. In der Zusammenschau der erhobenen Befunde wird von einem auf die Häuslichkeit begrenzten Infektionsherd ausgegangen. Die Patientin konnte nach rückläufigen Lähmungserscheinungen, jedoch weiterhin beatmungspflichtig, am 24.07.2023 in ein Rehabilitationszentrum zur Beatmungsentwöhnung verlegt werden. Am 04.09.2023 konnte die Patientin im stabilisierten Allgemeinzustand zurück in die Häuslichkeit entlassen werden.
Die Fallstudie ist ein gutes Beispiel für die überamtliche Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsämtern, Verbraucherschutz, Laboren, Kliniken und den Landes- und Bundesstellen.
Publication History
Article published online:
10 April 2024
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Georg Thieme Verlag
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