Hintergrund: Die COVID-19-Pandemie hat den Fokus im und auf den Öffentlichen Gesundheitsdienst
(ÖGD) verändert. Der ÖGD rückte nicht nur in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit, sondern
auch in den Fokus der Forschung. Das Interesse an einer intensiveren Zusammenarbeit
zwischen ÖGD und Forschung war bereits vor der Pandemie vorhanden. Ausgehend von einer
Bedarfserhebung vor der Pandemie wurden die wissenschaftlichen Aktivitäten seit 2017
auf Bundesebene skizziert.
Methodik: Im Januar 2020, kurz vor Beginn der COVID-19-Pandemie, trafen sich 42 Vertretungen
von Einrichtungen des ÖGD in Baden-Württemberg von kommunaler und Landesebene mit
Vertretungen des Zentrums für Öffentliches Gesundheitswesen und Versorgungsforschung
(ZÖGV) in Tübingen im Rahmen eines World Cafés. Zu den vier Themenbereichen Gesundheitsschutz,
Gesundheitshilfen, Gesundheitsplanung und Gesundheitsberichterstattung (GBE) sowie
Gesundheitsförderung und Prävention (entsprechend des baden-württembergischen ÖGDG
§1: Ziele und Aufgaben des ÖGD) wurden im ersten Schritt von allen Teilnehmenden forschungsrelevante
Themen gesammelt, im zweiten Schritt zusammengefasst und im dritten Schritt durch
die Teilnehmenden priorisiert. Diese empirischen Erkenntnisse wurden mit der Entwicklung
der Anzahl der Abstracts und Vorträge des BVÖGD-/BZÖG-Kongresses, des bayrischen ÖGD-Kongresses
sowie des Freiburger Infektiologie- und Hygienekongresses der Jahre 2017-2023 näherungsweise
verglichen.
Ergebnisse: Beim World Café waren vor allem Personen in Leitungsfunktionen, 38 aus dem ÖGD,
4 vom ZÖGV, anwesend. Der größte Teil war ärztliches Personal, aber auch wissenschaftliches
Personal war vertreten. 24 Teilnehmende räumten der (integrierten) Versorgungsstrukturanalyse
besondere Priorität ein. Auch die Wirksamkeit des ÖGD wurde von der Hälfte (19/38)
der Teilnehmenden als relevantes Forschungsfeld eingeschätzt. Hierbei wurden die formulierten
Unterkategorien Evidenzgenerierung für die Arbeit des ÖGD (z.B. der Einschulungsuntersuchung)
von 11 Teilnehmenden, der „Health in all Policies“-Ansatz von 5 Teilnehmenden sowie
eine zielgruppengerechte Ansprache von 3 Teilnehmenden als relevante Themen eingeschätzt.
Die Gesundheitskompetenz von besonderen Zielgruppen wurde von 14 Teilnehmenden als
relevant bewertet und somit im mittleren Bereich der Priorisierung eingestuft. Von
lediglich 5 Teilnehmenden wurden ÖGD-interne Aspekte wie Ressourceneinsatz, Qualität
und vorhandene Angebote sowie die GBE hinsichtlich Datenqualität und Standards als
wichtige Forschungsthemen bewertet.
Im näherungsweisen Vergleich zeigt sich, dass die Anzahl der Abstracts und Vorträge
auf ausgewählten ÖGD-relevanten Kongressen seit Beginn der COVID-19-Pandemie gestiegen
ist. Auf den ausgewählten Kongressen gab es im Jahr 2017 kumuliert etwa 300 Vorträge
und Abstracts, im Jahr 2018 waren es etwa 200, im Jahr 2019 etwa 200 (ohne Bayrischen
ÖGD-Kongress), im Jahr 2020 unter 50 (BVÖGD/BZÖG-Kongress fiel aus), 2021 etwa 50
(BVÖGD/BZÖG-Kongress fiel aus), im Jahr 2022 etwa 200 und im Jahr 2023 gab es über
400 Vorträge und Abstracts.
Diskussion: Die Pandemie führte zu vielen Publikationen und Aktivitäten im ÖGD. Der Vergleich
macht deutlich, wie sich die Interessen und der Fokus in zeitlichem Zusammenhang mit
der Pandemie veränderten. Während vor der Pandemie die ÖDG-internen Themen im World
Café von den Teilnehmenden als wenig prioritär eingestuft wurden, sind seit Beginn
der Pandemie Forschungsfragen zur Organisation der ÖGD-Arbeit in den Vordergrund gerückt.
Wirksamkeit und Evidenzbasierung des ÖGD waren vor der Pandemie wichtig und sind es
weiterhin. Das hohe wissenschaftliche Interesse zeigt sich deutlich an der gestiegenen
Anzahl an Abstracts und Vorträgen an unterschiedlichen ÖGD-relevanten Kongressen.
Zudem steigt die Zahl von Drittmittelförderungen für Forschungsprojekte im und mit
dem ÖGD.
Schlussfolgerung: Es zeigt sich, dass sich der Fokus in manchen Bereichen im prä-/post-pandemischen
Vergleich verändert hat. So sind ÖGD-interne Aspekte wie Qualitätssteigerung oder
Ressourceneinsatz seit der COVID-19-Pandemie stärker in den Fokus gerückt. Die Generierung
von Evidenz im Bereich der öffentlichen Gesundheit ist weiterhin ein wichtiges Thema.
Die Anzahl der Abstracts und Vorträgen ist auf den ausgewählten betrachteten Kongressen
im post-pandemischem Vergleich deutlich angestiegen, was vermuten lässt, dass das
wissenschaftliche Interesse steigt.