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DOI: 10.1055/s-0044-1782017
Bisphenol A in Trinkwasser aus Hausinstallationen nach Sanierung mit Epoxidharzbeschichtung
Einleitung: Viele größere Wohnobjekte mit einem Baujahr zwischen 1970 und 1980 standen nach ca. 30 Jahren der Nutzung vor der Notwendigkeit einer Sanierung der Trinkwasserinstallation. Die damals noch vorwiegend eingesetzten verzinkten Rohrleitungen zeigten, je nach Wasserqualität, korrosive Durchbrüche oder eine deutliche Reduzierung der Querschnittsflächen durch Rost- und Kalkablagerungen. Als vermeintlich kostengünstige, saubere und zeitsparende Alternative zu einer Komplettsanierung wurde vor allem in den Jahren zwischen 2005 und 2015 Rohrinnenbeschichtungen mit Epoxidharz angeboten und durchgeführt. Bei diesem Verfahren wird das Leitungssystem zunächst entleert und mit warmer Luft trockengeblasen. Anschließend erfolgt eine Reinigung der Rohrleitungen mit einem Sandstrahlverfahren, bei dem ein Sand/Luftgemisch mit hoher Geschwindigkeit durch das Leitungssystem geblasen wird. Abschließend wird ein 2-Komponenten-Epoxidharz, üblicherweise bestehend aus den zwei Substanzen Bisphenol A und Epichlorhydrin, ebenfalls mit Druckluft in das Leitungssystem gepresst. Ziel ist die komplette, gleichmäßige Beschichtung der Rohrinnenwände. Nach dem Aushärten des 2- Komponenten Harzes können die Trinkwasserleitungen wieder genutzt werden. Problematisch bei diesem Vorgehen ist die Tatsache, dass in einem weitverzweigten Trinkwassersystem weder die vollständige Reinigung noch die vollständige und gleichmäßige Beschichtung gewährleistet und kontrolliert werden können. Außerdem sind die Epoxidharze nur bis 65°C beständig, so dass thermische Desinfektionen des Trinkwassersystems (mind. 70°C, z. B. zur Beseitigung von Kontaminationen mit Legionellen) eine Zerstörung der Schutzschicht zur Folge haben. Durch ortsansässige Firmen wurden vor allem im Bereich Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe eine unbekannte Anzahl von Objekte auf dies Art und Weise saniert. Bereits 2011 hat der DVGW ein bis dahin gültiges Arbeitsblatt zur Rohrinnenbeschichtung zurückgezogen. Eine Beschichtung der Trinkwasserleitungen entspricht damit nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) und steht im Widerspruch zu den Vorgaben des § 17 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV).
Toxikologischer Hintergrund: Anlass für Studie in Baden-Württemberg Bisphenol A (BPA) ist eine endokrin wirksame Verbindung mit verschiedenen weiteren toxikologischen Wirkungen wie z. B. Tumorbildung oder die Schädigung von Leber und Nieren, die sich in Tierversuchen herausgestellt haben. Unter anderem aufgrund einer vermuteten Reproduktionstoxizität wurde Bisphenol A am 12.01.2017 in die Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe gem. Art. 59 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) aufgenommen. Die WHO hat im Jahr 2017 empfohlen, dass drei repräsentative Stoffe mit endokriner Wirkung als Maßstab in Betracht gezogen werden können, um erforderlichenfalls das Vorkommen von Stoffen mit endokriner Wirkung und die Wirksamkeit ihrer Aufbereitung zu bewerten [1]. Einer dieser Stoffe ist BPA, daneben noch Nonylphenol und β-Östradiol. Für BPA wurde von der WHO daraufhin ein Wert von 0,1 µg/L für die Betrachtung des Vorkommens im Trinkwasser festgelegt. In der neuen Trinkwasserrichtlinie 2020/2184 der Europäischen Union wurde hingegen, unter Berücksichtigung der Bewertung der EFSA aus dem Jahr 2015 [2], ein gesundheitsbasierter Parameterwert für BPA von 2,5 µg/L festgeschrieben. Nonylphenol und β-Östradiol wurden zunächst in die sogenannte Beobachtungsliste aufgenommen [1]. Nach der Richtlinie 2020/2184 sind die Mitgliedsstaaten ab dem 12. Januar 2026 verpflichtet, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, damit im Trinkwasser der Parameterwert für BPA von 2,5 µg/L eingehalten wird [1]. Dementsprechend wurde in die neue deutsche Trinkwasserverordnung 2023 den Parameterwert mit 2,5µg/L als neuer Grenzwert für Trinkwasser ausweisen und löst damit, ab dem 12. Januar 2024, die bislang zur Beurteilung heranzuziehende maximal tolerierbare Konzentration für BPA am Wasserhahn von ebenfalls 2,5 µg/L aus der Bewertungsgrundlage [3] [4] des Umweltbundesamtes (UBA) ab.
Aufgrund der toxikologischen Eigenschaften von BPA und des möglichen Übergangs aus mittels Epoxidharzbeschichtung sanierten Hausinstallationen ins Trinkwasser wurde eine entsprechende Studie in Baden-Württemberg initiiert. Im Jahr 2022 wurden von den Gesundheitsämtern des Landes insgesamt 76 Trinkwasserproben aus 17 Wohngebäuden genommen und im CVUA Stuttgart auf das Vorkommen von BPA untersucht. Die Auswahl der Gebäude erfolgte risikoorientiert mit Fokus auf Gebäuden mit bekannter Epoxidharzsanierung, darunter mehrere Gebäude im Rhein-Neckar-Kreis. Die Probenahme erfolgte üblicherweise in zentralen Räumen der Warmwasserbereitung (z.B. Zirkulation, Warmwasserspeicher) und an Entnahmestellen in Wohnungen (z.B. Wasserhahn in Küche oder Bad) und umfasste sowohl Kaltwasser (n=58) als auch Warmwasser (n=18). Die Analytik erfolgte mittels Direktinjektion der Proben auf einer Agilent 1290 UHPLC (Acquity UPLC BEH C18, 1.7 µm) gekoppelt mit Agilent 6460 Triple Quad.
Ergebnisse: BPA wurde nur in Warmwasserproben gefunden, in Konzentrationen bis maximal 208 µg/L. Die bislang gültige maximale Konzentration am Wasserhahn und gleichzeitig zukünftiger Grenzwert von 2,5 µg/L für BPA wurde in 86% der Warmwasserproben überschritten. In allen untersuchten Kaltwasserproben lagen die Konzentrationen hingegen unterhalb der Nachweisgrenze (<0,2 µg/L).
Hinsichtlich der von der EFSA festgelegten tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge (TDI) für BPA von 4 µg/kg Körpergewicht (KG) aus dem Jahr 2015 [2] ist folgendes festzustellen: (A) In 41% der Warmwasserproben wurde der TDI für Erwachsene (ausgehend von 2 Liter/Tag, 60 kg KG) überschritten; (B) In 62% der Warmwasser-proben wurde der TDI für Kinder (ausgehend von 1 Liter/Tag, 10 kg KG) überschritten. Allerdings ist festzuhalten, dass auch über andere Quellen Bisphenol A aufgenommen werden kann, etwa über Lebensmittel oder Bedarfsgegenstände (z. B. aus Trinkflaschen oder Thermopapier). Das Umweltbundesamt geht dementsprechend bei seinen Betrachtungen davon aus, dass die Flüssigkeitsaufnahme nur für 10% der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge verantwortlich ist [5]. Auch unter Berücksichtigung dieser Feststellung entsprach der überwiegende Anteil der untersuchten Warmwasserproben nicht den Anforderungen nach § 6 Abs. 1 der TrinkwV, wonach chemische Stoffe in Trinkwasser nicht in Konzentrationen enthalten sein dürfen, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen.
Im Hinblick auf die aktuell laufende gesundheitliche Neubewertung von BPA durch die EFSA muss davon ausgegangen werden, dass bei einem entsprechend abgesenkten TDI von nur 0,04 ng/kg Körpergewicht und Tag [6] alle Verbrauchergruppen, inkl. Erwachsene mit Normalverzehr, einem gesundheitlichen Risiko aufgrund der Anwesenheit von BPA ausgesetzt wären, sollte der Grenzwert von 2,5 µg/L in Trinkwasser überschritten sein. Die Relevanz der Befunde im Warmwasser offenbart sich vor allem bei regelmäßiger Verwendung von Warmwasser zur Zubereitung von Heißgetränken (z.B. Tee, Kaffee) oder für die Zubereitung von Speisen (vor allem Säuglingsnahrung). Das Umweltbundesamt betont immer wieder, dass Warmwasser nicht zum Trinken und für die Zubereitung von Speisen genutzt werden sollte [7]. Diese Empfehlung sollte von Verbrauchern, die Trinkwasser aus sanierten Hausinstallationen mit Epoxidharzbeschichtung nutzen, besonders berücksichtigt werden.
Behördliches Vorgehen: Im Rahmen der Untersuchungspflicht auf Legionellen gemäß §31 TrinkwV fielen Objekte mit kontinuierlichen Überschreitungen des Maßnahmewertes für Legionellen auf. Im Rahmen der Handlungspflichten gemäß § 51, Abs.1,3 TrinkwV ist für solche Objekte eine Risikoabschätzung zu erstellen. Ergab diese Risikoabschätzung einen Hinweis auf eine Beschichtung der Rohrleitungen mit Epoxidharz, ordnete das Gesundheitsamt, auf Basis § 61 Abs.1 TrinkwV gegenüber dem Betreiber eine Probenahme und Analyse auf den Stoff Bisphenol A, an. Aufgrund der Legionellen-Kontamination war es wahrscheinlich, dass eine thermische Desinfektion in dem betroffenen Objekt durchgeführt wurde, die zu einer Schädigung der Rohrinnenschichtung und in Folge zu einer erhöhten Belastung mit Bisphenol A im Trinkwasser führen kann. Die erste Probenahme erfolgte üblicherweise als Zufallsstichprobe am Rücklauf der Warmwasserzirkulation oder an einer Entnahmestelle in den Wohnungen.
Ergab sich durch die erste Analyse ein Wert>2,5 µg/L BPA, wurde eine zweite Probenahme an gleicher Stelle und an einer weiteren Stelle in der Peripherie der Trinkwasserinstallation als gestaffelte Stagnationsprobe angeordnet. Wurden die Werte durch die zweite Analyse bestätigt, erfolgte zunächst eine Anhörung des USI gemäß § 28 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) und nach Ablauf der Anhörungsfrist eine Bescheiderstellung durch das Gesundheitsamt. Darin geforderte Maßnahmen waren unter anderem ein Konsumverbot für das Warmwasser, die Information der Bewohner und letztendlich ein fristgerechter Austausch aller epoxidharzbeschichteten Trinkwasserleitungen. Zur Betonung der Wichtigkeit der geforderten Maßnahmen wurde bei Nichteinhaltung ein Zwangsgeld bis zu € 20.000 angedroht. Alle 12 Bescheide in der Zuständigkeit des Gesundheitsamtes des Rhein-Neckar-Kreises, auch zuständig für die Stadt Heidelberg, sind inzwischen rechtskräftig.
Die Sanierungssummen, welche von den einzelnen Eigentümern getragen werden müssen, liegen im Bereich von 1-3 Mio. €. Planerisch und logistisch sind solche großen Umbaumaßnahmen sehr aufwendig, weshalb die Fristsetzung zur Sanierung im Regelfall mind. 2 Jahre beträgt.
Bereits im Stadium der Anhörung erfolgten viele Rückfragen besorgter Bewohnerinnen und Bewohner beim Gesundheitsamt. Fragestellungen waren hier besonders die Umsetzung des Konsumverbotes und eventuelle Folgen einer bereits jahrelangen Aufnahme von Bisphenol A über das Trinkwasser. Auch Anfeindungen bzgl. der finanziellen Folgen der angeordneten Sanierung blieben nicht aus.
Obwohl dieses Verfahren der Rohrinnenbeschichtung nicht mehr den a.a.R.d.T. entspricht, wird es von einschlägigen Unternehmen weiter beworben.
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Literatur
- 1 RICHTLINIE (EU) 2020/2184 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
- 2 EFSA CEF Panel Scientific Opinion on the risks to public health related to the presence of bisphenol A (BPA) in foodstuffs: Executive summary. EFSA Journal 2015; 13 (01) 3978
- 3 Umweltbundesamt (2021): Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Allgemeiner Teil. Version vom 9. März 2021 unter Berücksichtigung der 2. Änderung
- 4 Umweltbundesamt (2021): Anlagen der Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Polymerspezifischer Teil. Version vom 9. März 2021 unter Berücksichtigung der 2. Änderung
- 5 Umweltbundesamt (2018): Information – neue Regelung von Bisphenol A – Konsequenzen für Materialien im Kontakt mit Trinkwasser“, publiziert am 8. März 2018
- 6 EFSA (2021): Bisphenol A: In dem Gutachtenentwurf der EFSA wird vorgeschlagen, die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge herunter zu setzen. URL:. https://www.efsa.europa.eu/en/news/bisphenol-efsa-draft-opinion-proposes-lowering-tolerable-daily-intake veröffentlicht am 15. Dezember 2021, abgerufen am 15. Juni 2022.
- 7 Umweltbundesamt (2020): Ratgeber Trinkwasser aus dem Hahn. Stand Februar 2020. URL:. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/ratgeber-trink-was-trinkwasser-aus-hahn abgerufen am 4. Oktober 2021.
Publication History
Article published online:
10 April 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
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Literatur
- 1 RICHTLINIE (EU) 2020/2184 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
- 2 EFSA CEF Panel Scientific Opinion on the risks to public health related to the presence of bisphenol A (BPA) in foodstuffs: Executive summary. EFSA Journal 2015; 13 (01) 3978
- 3 Umweltbundesamt (2021): Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Allgemeiner Teil. Version vom 9. März 2021 unter Berücksichtigung der 2. Änderung
- 4 Umweltbundesamt (2021): Anlagen der Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Polymerspezifischer Teil. Version vom 9. März 2021 unter Berücksichtigung der 2. Änderung
- 5 Umweltbundesamt (2018): Information – neue Regelung von Bisphenol A – Konsequenzen für Materialien im Kontakt mit Trinkwasser“, publiziert am 8. März 2018
- 6 EFSA (2021): Bisphenol A: In dem Gutachtenentwurf der EFSA wird vorgeschlagen, die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge herunter zu setzen. URL:. https://www.efsa.europa.eu/en/news/bisphenol-efsa-draft-opinion-proposes-lowering-tolerable-daily-intake veröffentlicht am 15. Dezember 2021, abgerufen am 15. Juni 2022.
- 7 Umweltbundesamt (2020): Ratgeber Trinkwasser aus dem Hahn. Stand Februar 2020. URL:. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/ratgeber-trink-was-trinkwasser-aus-hahn abgerufen am 4. Oktober 2021.