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DOI: 10.1055/s-0045-1802173
Sozialraumanalyse in Frankfurt am Main: Entwicklungen der letzten 10 Jahre der Sozialindikatoren auf Stadtteil- und Stadtbezirksebene im Abgleich mit der gesundheitlichen Lage von Einschüler*innen
Authors
In der Gesundheitsberichterstattung ist die Analyse sozialer Ungleichheiten unverzichtbar (1). Sozialdaten können mit gesundheitlichen Informationen überlagert werden, um Zusammenhänge der gesundheitlichen und der sozialen Lage zu identifizieren. Ziel der Analyse ist es, die soziale Lage der letzten 10 Jahre in Frankfurts Stadtteilen und Stadtbezirken mit der gesundheitlichen Situation der Einschulungsdaten abzugleichen, um Entwicklungslinien sowie mögliche Gentrifizierungprozesse und der damit einhergehenden veränderten Bevölkerungszusammensetzung aufzuzeigen (2).
Die soziale Lage wird aus sechs Indikatoren mittels Faktorenanalyse in SPSS zu einem Index zusammengefasst: Arbeitslosendichte, Anteil der Personen mit einem Bruttolohn unter 2000€, Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund und der Ausländer*innen, Jugendarbeitslosendichte, Anteil der Personen die Sozialleistungen beziehen, Anteil der Übergänge nicht ans Gymnasium (3). Die Gesundheit in den Stadtteilen wird mit dem kumulativen Belastungsscore dargestellt, der aus den Schuleingangsuntersuchungen erstellt wurde. Aufgrund der geringen Fallzahl wird hier ein Index mit Werten von drei Jahren gebildet. Es werden die Indikatoren Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen, Übergewicht/Adipositas, Entwicklungsauffälligkeiten, Deutschkenntnis bei Kindern mit Migrationshintergrund, Sehauffälligkeiten, Kitabesuchsdauer und Allergie miteingeschlossen und in einen Scoreindex zusammengefasst. Zusammenhangsanalysen erfolgen mittels linearer Regression. Die gleiche Berechnung wird auf Stadtbezirksebene durchgeführt, jedoch beinhaltet der Index der sozialen Lage hier drei Indikatoren, da nicht alle Indikatoren auf Stadtbezirksebene verfügbar sind bzw. nur geringe Fallzahlen haben. Eingeschlossene Indikatoren sind die Arbeitslosendichte, Anteil der Personen mit einem Bruttolohn unter 2000€ und der Anteil der nicht-deutschen Bevölkerung. Der gekürzte Index korreliert stark mit dem vorigen Index (r=0,975-0,982; p<0,001) und kann somit valide Ergebnisse liefern.
Die soziale Lage der Stadtteile in den letzten 10 Jahre wurde mit dem Kruskal-Wallis-Test auf Veränderungen überprüft (p=0,472). In einzelnen räumlichen Einheiten haben sich die sozialen Verhältnisse über die Jahre verbessert (z.B. Gallus) oder verschlechtert (z.B. Höchst). In Gallus sollte beachtet werden, dass es seit dem Bau des Europaviertels (2015) eine bessere soziale Lage aufweist (4). Bei der Betrachtung der Stadtbezirke des Stadtteils Gallus fällt auf, dass drei Stadtbezirke weiterhin eine schlechte soziale Lage aufweisen, lediglich die Stadtbezirke, die das Europaviertel bilden, weisen eine gute soziale Lage auf. Bisherige Auswertungen zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen der kumulativen Belastung der Einschüler*innen und der sozialen Lage auf Stadtteilebene in den Jahren 2017-2019 (R2=0,556) und 2020-2022 (R2=0,656). Weitere Berechnungen einzelner Jahre werden derzeit ausgewertet.
Erstmals ist eine Analyse der zeitlichen Entwicklung von sozialen und gesundheitlichen Daten über 10 Jahre auf Stadtteilebene und –bezirksebene erfolgt. Die Analyse identifizierte einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen der kumulativen Belastung und der sozialen Lage. Jedoch hat sich nur in einigen wenigen Quartieren die soziale Lage verbessert, die eindeutig mit neuen baulichen Strukturen, hochpreisigen Mieten und demzufolge anderen Bevölkerungszusammensetzungen einhergeht.
Die Stadtteile und Stadtbezirke mit schlechteren sozialen Bedingungen zeigen seit Jahren unveränderte Resultate – auch in den Gesundheitsergebnissen – und hier liegt dringender Handlungs- und Forschungsbedarf. Das aufgesetzte Aktionsbündnis gegen Kinderarmut sowie das mit hessischen Landesmitteln geförderte Projekt der Präventionsketten, die seit 2023 vom Jugend- und Sozialamt und dem Gesundheitsamt umgesetzt werden, können wertvolle Bausteine sein, um soziale Ungleichheiten abzubauen und gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern.
Publication History
Article published online:
11 March 2025
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