Viszeralchirurgie 2000; 35(1): 79-80
DOI: 10.1055/s-2000-11238
DAS VISZERALCHIRURGISCHE PRÜFUNGSGESPRÄCH
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leberrundherd

P. Margreiter
  • Innsbruck
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Frage 1:Solitäre nicht-parasitäre Zysten der Leber sind angeborene Mißbildungen. Welches ist das diagnostische Verfahren der Wahl zur Abklärung dieses Rundherdes und kann eine solche unilokuläre Zyste eine Operationsindikation darstellen?

Die Sonographie stellt die Methode der Wahl zur Identifikation von Leberzysten dar. Bei einem Durchmesser von unter 1 cm können sie der CT-Untersuchung entgehen, jenseits dieser Größe können sie auch mit letzterer recht verlässlich erfasst werden. Solitäre Zysten können in seltenen Fällen groteske Ausmaße annehmen und zu einer Verdrängungssymtomatik mit Galle- und kardialem Einflussstau mit Nierenversagen, zu Atemproblemen, Subileus und Schmerzen führen. Die laparoskopische Abtragung des Zystendaches im Ausmaß von mindestens 1/3 des Zystenumfangs kann heute als Therapie der Wahl angesehen werden. Bei übergroßen Zysten mit Kavakompression sollte zur Verminderung eines Dekompressionssyndroms die Entlastung langsam und schrittweise erfolgen.

Frage 2:Von den parasitären Leberzysten sind die durch Echinokokkus verursachten die häufigsten. Wie werden sie abgeklärt und therapiert?

Diagnostisch kommt der Sonographie und der Serologie die größte Bedeutung zu. Schalenförmige Verkalkungen im Abdomenleerröntgen sind bereits auf Echinokokkus verdächtig. Sonographisch kommen eine oder mehrere Rundherde mit einer klaren Grenzkontur zur Darstellung, die leer oder aber mit echogenen Strukturen gefüllt sein können, die Tochterzysten entsprechen. Von den serologischen Untersuchungen hat der ELISA-Test die höchste Sensitivität.

Von ganz kleinen oder multiplen Zysten abgesehen, sollten Echinokokkuszysten wegen der Gefahr der Ruputur und der Sekundärinfektion chirurgisch entfernt werden. Zum Einsatz kommen in erster Linie die Zystektomie nach Devitalisierung der Scolices durch Instillation hyperosmolarer Lösungen wie 20%iger NaCl oder 40%iger Glukoselösungen und erst in zweiter Linie die Leberteilresektion.

Frage 3:Beim Hämangiom handelt es sich um den häufigsten soliden Lebertumor, der das weibliche Geschlecht bevorzugt und als kapilläre oder kavernöse Form bekannt ist. Wann ist ein chirurgisches Vorgehen indiziert und was ist dabei zu beachten?

Eine Operationsindikation ist beim Hämangiom gegeben, wenn die Diagnose mit den üblichen bildgebenden Verfahren wie Sonographie und CT vor allem bei Patienten mit einer Tumoranamnese nicht mit weitestgehender Sicherheit gestellt werden kann oder bei entsprechender Symptomatik. Eine solche ist in erster Linie bei sogenannten Riesenhämangiomen (Durchmesser mehr als 10 cm) zu erwarten. Die Gefahr einer Spontanruptur mit massiver intraabdomineller Blutung ist weit überschätzt worden wie auch kaum Fälle maligner Entartung bekannt geworden sind. Vielfach besteht eine Art Pseudokapsel, die eine vorsichtige Enukleation des Hämangioms ermöglicht. Bei großen zentral gelegenen Hämangiomen, die zwangsläufig nahe an die Lebervenen heranreichen, ist äußerst behutsam vorzugehen: alle venösen Verbindungen sind mit 7/0- und 8/0-Nahtmaterial zu umstechen. Während dieser Phase sollte der zentral-venöse Druck möglichst niedrig gehalten werden. Ein unkontrolliertes stumpfes Ausschälen ist unbedingt zu vermeiden! Reicht ein Riesenhämangiom bis an den venösen Leberhilus und ist eine klassische Resektion nicht möglich, sollte man sich die Indikation sehr genau überlegen. In Einzelfällen mit multiplen Hämangiomen wurden aber auch bereits Lebertransplantationen durchgeführt.

Frage 4:Der nach dem Hämangiom zweithäufigste Leberrundherd ist die fokal noduläre Hyperplasie (FNH), die in 20 - 30 % multizentrisch auftritt und ebenfalls das weibliche Geschlecht deutlich bevorzugt. Gegenüber welchen Veränderungen ist die FNH differentialdiagnostisch abzugrenzen und wie wird sie therapiert?

Ein FNH-Knoten wird gegen ein gefäßreiches Adenom, gegen Regeneratknoten unterschiedlicher Ätiologie, vor allem aber gegen ein hepatozelluläres Karzinom vom fibrolamellären Typ aber auch gegenüber einer stark vaskularisierten Metastase abzugrenzen sein. Gerade das fibrolamelläre hepatozelluläre Karzinom kommt ebenfalls vorwiegend bei jüngeren Patientinnen in gesunder Leber vor. Führen alle bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Kontrastmittel-CT, MRT und Angiographie nicht zur Diagnose, ist diese mittels Stanzbiopsie zu sichern. Da maligne Degenerationen bislang nicht bekannt wurden, ist eine Operationsindikation nur bei symptomatischer FNH oder nicht gesicherter Diagnose gegeben und sollte wegen Fehlens einer Kapsel in einer klassischen Leberresektion bestehen.

Frage 5:Das Leberzelladenom ist ein vergleichsweise seltener Lebertumor, der vorwiegend bei Frauen unter oraler Kontrazeption aber auch bei Männern vor allem nach Anabolika-Abusus beobachtet wird. Mit welchen Veränderungen kann das Leberzelladenom verwechselt werden?

Mit einem hepatozellulären Karzinom, einer stark vaskularisierten Metastase sowie narbig-degenerativ veränderter FNH. Im Falle von multiplen Adenomen spricht man von einer Adenomatose, die wiederum gegen eine Metastasenleber abzugrenzen ist. Neben Ultraschall und CT kommt vor allem der Angiographie besondere diagnostische Bedeutung zu.

Frage 6:Wann besteht die Indikation zur operativen Entfernung eines Leberzelladenomes?

Kommt es nach Absetzen von Kontrazepta bzw. Anabolika zu keiner Regression, so sollten Adenome wegen der Möglichkeit der malignen Entartung sowie auch der Blutungsgefahr bei oberflächlichem Sitz entfernt werden. In Abhängigkeit vom Tumorsitz kommen sämtliche klassischen Resektionsverfahren bis zur Segmentektomie aber auch atypische Resektionen in Frage.

Frage 7:Ein Fall aus der Klinik:Bei einer 32-jährigen Frau mit jahrelanger Kontrazeptiva-Anamnese wird zur Abklärung von unklaren Oberbauchschmerzen ein CT indiziert und ein zentraler Tumor mit einem Durchmesser von 8,2 × 5,4 cm im Segment IV einer sonst unauffälligen Leber gefunden. MRT und Sonographie ergeben den Verdacht auf FNH oder Leberzelladenom. Das Alpha-Fetoprotein beträgt 6,4 µg/l (0 - 10 µg/l normal). Wie glauben Sie, wurde weiter vorgegangen?

Eine Stanzbiopsie hat den Verdacht auf ein Leberzelladenom ohne sicheren Hinweise auf Malignität ergeben. Es erfolgte trotzdem eine linksseitige Hemihepatektomie mit partieller Resektion des Segmentes V sowie die Lymphektomie des Ligamentum hepatoduodenale. Die histologische Aufarbeitung des Präparates erbrachte dann letztendlich ein hepatozelluläres Karzinom vom fibrolamellären Typ mit Befall der regionalen Lymphknoten. Dieser Fall belegt sehr deutlich, daß bei einem Leberrundherd, dessen Dignität nicht eindeutig zugeordnet werden kann, die Resektion zu erfolgen hat.

Frage 8:Jeder Leberrundherd ist in erster Linie gegen einen primären Lebertumor - in 80 - 90 % handelt es sich um hepatozelluläre Karzinome, in etwa 10% um cholangiozelluläre Karzinome, der Rest verteilt sich auf eine Reihe seltener Malignome - abzugrenzen. Welche Befundkonstellation spricht für ein HCC und wie kann die Diagnose erhärtet werden?

Wird ein Leberrundherd bei einem Patienten mit chronischer Hepatitis B- oder C-Virusinfektion bzw. Leberzirrhose gefunden, wird man an das Vorliegen eines primären Lebermalignoms denken. Ein Alpha-Fetoproteinwert von über 2000 IU/ml ist praktisch beweisend für ein HCC, wobei bedacht werden muß, daß etwa 20 - 30 % der HCC's ohne Erhöhung des Alpha-Fetoproteins einhergehen und ein CCC aber auch ein HCC vom fibrolamellären Typ zu keinem Anstieg des Alpha-Fetoproteins führen. Sonographie, CT und MRT können mit einem Auflösungsvermögen von 10 mm in der Abklärung als weitgehend gleichwertig betrachtet werden. Mit der intraoperativen Sonographie gelingt der Nachweis von 5 mm großen Läsionen. Noch günstiger ist das Auflösungsvermögen der Angiographie, mit der es vor allem gelingt, ein HCC in einer zirrhotischen Leber von Regeneratknoten zu differenzieren. Wegen der Gefahr des „needle track seeding” sollte nach Möglichkeit auf eine Nadelbiopsie verzichtet und diese nur dann eingesetzt werden, wenn alle Befunde und bildgebenden Verfahren bei einer Konstellation mit sinnvoller Therapiemöglichkeit eine Diagnose nicht zulassen.

Frage 9:Wie wird man ein solitäres HCC therapieren?

Anzustreben ist die Resektion mit einem allseitigen tumorfreien Parenchymsaum, wobei bei primär solitären Lebertumoren die früher geforderte Dicke von 1 cm in Fällen mit nicht-zirrhotischer Leber meist eingehalten werden kann. In Frage kommen alle klassischen Resektionsmöglichkeiten bis zur erweiterten rechts- oder linksseitigen Hemihepatektomie gegebenenfalls nach vorheriger Augmentation des zu erhaltenden Leberanteiles durch Pfortaderembolisation. Grundsätzlich anders verhält sich die Situation beim HCC in einer zirrhotischen Leber. Bei entsprechender Leberfunktionsreserve kann durchaus eine resezierende Maßnahme in Erwägung gezogen werden. Aus der Tatsache, daß innerhalb von drei Jahren über 90 % dieser Tumoren rezidivieren bzw. an anderer Stelle auftreten, haben wir für diese Fälle die Indikation zur Transplantation abgeleitet, vorausgesetzt, daß extrahepatisch keine Tumormanifestationen und keine Gefäßinvasion nachzuweisen ist, wobei beide trotz intensivster Bemühungen oftmals erst intra- bzw. postoperativ festgestellt werden können.

Frage 10:Die Leber ist das am häufigsten von Metastasen betroffene parenchymatöse Organ, wobei Lebermetastasen meist multipel auftreten jedoch auch als solitäre Leberrundherde gefunden werden. Da sowohl Echogenität, Homogenität und Kontur im Ultraschall in Abhängigkeit von Primärtumor und Größe sehr stark variieren, sollte die Sonographie durch CT oder MRT ergänzt werden. Welche weiterführenden Untersuchungen sind zu veranlassen?

Bei bekanntem Primärtumor empfiehlt sich die Bestimmung der spezifischen Tumormarker, bei fortbestehender diagnostischer Unsicherheit ist wegen der Bedeutung der Diagnose für den Patienten aber auch der sich ergebenden therapeutischen Konsequenzen eine histologische Abklärung mittels Nadelbiopsie unerläßlich.

Prof. Dr. R. Margreiter

Klinische Abteilung für Transplantationschirurgie

Anichstr. 356020 InnsbruckÖsterreich

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