Einführung
Einführung
Seit es den Australiern Marshall und Warren
[1] gelang, das Bakterium Helicobacter pylori zu kultivieren, befassen sich
zahlreiche Wissenschaftler in aller Welt mit diesem Keim, untersuchen seine Herkunft,
Struktur, die
Transmissionswege, die Prävalenz in Abhängigkeit der verschiedensten Faktoren,
seine
Bedeutung für die verschiedensten Magenerkrankungen.
So war man bis zu den 80er Jahren
der Auffassung, dass die Gastritis nur eine Gewebeveränderung sei, die durch lebenslange
Belastung der Magenschleimhaut mit Stoffen wie Alkohol, Nikotin, Kaffee und Medikamente
entsteht.
Stress, Hektik und ungesunde Ernährung wurden für die Entwicklung eines
Magengeschwürs verantwortlich gemacht.
Heute wissen wir, dass die früheren
Lehrmeinungen über die Gastritis und die Ulkus-Krankheiten in Magen und Zwölffingerdarm
unzureichend waren und dass die Theorien über die Entstehungsmechanismen des Magenkarzinoms
ergänzt werden müssen. So werden heute 95 % der
Zwölffingerdarmgeschwüre und 70 % der Magengeschwüre als Folge einer
Helicobacter-pylori-Infektion interpretiert. Die Erhöhung des Magenkarzinomrisikos
durch die
Besiedelung der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori wird allgemein mit einem
Faktor zwischen 3
und 6 angegeben [2-5].
Obwohl es bereits vielfältige Studien
zur Prävalenz von Helicobacter-pylori-Infektionen in den verschiedensten Ländern
und
Regionen gibt, die ein starkes Gefälle von 96 % in Algerien bis zu
15 % bei weißen Australiern aufzeigen, fehlen weltweit umfangreiche
Untersuchungen, die einen genauen Überblick über den Durchseuchungsgrad eines
Landes
geben können.
Diese Möglichkeit ist jetzt für Deutschland mit der
Durchführung des Bundes-Gesundheitssurveys gegeben. Mit einer derartigen Aussage
für die
Gesamtbevölkerung lassen sich gesundheitspolitische Strategien entwickeln, die
ihre
Schwerpunkte sowohl in der Infektionsprävention als auch in der Verhinderung von
Folgekrankheiten (Gastritis, Ulkus, Karzinom) sehen sollten.
Material und Methoden
Material und Methoden
Im Rahmen des Bundes-Gesundheitssurveys 1997/98
wurde an 6748 Personen im Alter von 18 bis 79 Jahren (Gesamtstichprobe: 7124)
eine
Antikörperbestimmung gegen Helicobacter pylori durchgeführt (zu Studienpopulation
und
Stichprobenauswahl siehe Bundes-Gesundheitssurvey [6]).
Es kam der
ELISA-Test (enzyme-linked immunosorbent assay) der Firma Hoffmann La Roche zur
Anwendung. Dies ist
ein Zweischritt-Assay zur Bestimmung von IgG-Antikörpern gegen Helicobacter pylori
im Serum.
Die Messung erfolgte am Analysenautomaten Cobas Core der gleichen Firma. Der Variationskoeffizient
(VK) der mitgeführten Kontrolle lag zwischen 3,5 und 7 %. Alle Angaben zur
Präanalytik sind unter [6] ausführlich beschrieben.
Es wurden
die Altersgruppen 18-29 Jahre, 30-39 Jahre, 40-49 Jahre, 50-59 Jahre,
60-69 Jahre und 70-79 Jahre gebildet. Mit Ausnahme der höchsten Altersgruppe waren
alle Gruppen beiderlei Geschlechts annähernd gleich verteilt.
Zum Rauchverhalten wurden
3 Kategorien gebildet: Habe nie geraucht, rauche selten bzw. habe früher geraucht
und rauche
täglich.
Die ärztliche Befragung hinsichtlich aufgetretener Magenerkrankungen wurde
folgendermaßen durchgeführt:
Aufgrund der zu erwartenden Ost-West-Unterschiede zum Gesundheitszustand wurde im
Survey ein disproportionaler Ansatz der Stichprobe zugunsten der neuen Bundesländer
gewählt. Um aber mit den Daten des Bundes-Gesundheitssurveys (1997/98) eine aktuelle
Aussage für die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland treffen zu
können, wurde im Survey ein entsprechender Wichtungsfaktor eingeführt [7]. Im Gegensatz zu den Prävalenzberechnungen wurden die statistischen
Tests mit ungewichteten Daten durchgeführt.
Das Merkmal „soziale Schicht”,
das zur Beurteilung der Schichtspezifik (Unter-, Mittel- und Oberschicht) verwendet
wurde, ist
entsprechend der DAE-Empfehlung (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Epidemiologie) aus
Einkommen, Bildung
und beruflicher Position zusammengesetzt [8].
Die Variable
„Beginn Kitabesuch: 0-2 Jahre” schließt den Besuch einer
Krippeneinrichtung bis zum Alter < 3 Jahre ein.
Das Merkmal „Anzahl
Geschwister” wurde in 4 Kategorien unterteilt: Keine Geschwister (0), ein Geschwisterkind
(1), zwei Geschwister (2), drei und mehr Geschwister (3).
Die statistische Auswertung
erfolgte mittels SPSS Programmpaket Version 9.01.
Die relativen Risiken wurden mittels Odds
Ratios (OR) geschätzt, welche bekanntermaßen mit „Bias” behaftet sind. Bei
kleinen Prävalenzen (<10 %) sind diese vernachlässigbar, während
bei größeren zu berücksichtigen ist, dass der Odds Ratio die Risiken
überschätzt.
Ergebnisse
Ergebnisse
Eine einfache Häufigkeitsbetrachtung brachte folgende
Ergebnisse: Für 40 % aller untersuchten Probanden
(n = 6748) wurden Antikörper gegen Helicobacter pylori nachgewiesen. Ein
geschlechtsspezifischer Unterschied konnte weder insgesamt, noch innerhalb der
einzelnen
Altersgruppen festgestellt werden (Tab. [1]).
Tab. 1 Helicobacter-pylori-Antikörper in
Deutschland (gewichtet)
<TD VALIGN="TOP">
Helicobacter-pylori-Antikörper positiv
</TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="6">
Altersgruppen
</TD><TD VALIGN="TOP">
gesamt
</TD>
<TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP">
18-29 Jahre
</TD><TD VALIGN="TOP">
30-39 Jahre
</TD><TD VALIGN="TOP">
40-49 Jahre
</TD><TD VALIGN="TOP">
50-59 Jahre
</TD><TD VALIGN="TOP">
60-69 Jahre
</TD><TD VALIGN="TOP">
70-79 Jahre
</TD><TD VALIGN="TOP"></TD>
<TD VALIGN="TOP">
Ost
West
</TD><TD VALIGN="TOP">
25,4 %
20,8 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
38,7 %
27,5 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
54,2 %
36,9 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
55,6 %
43,0 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
64,4 %
55,3 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
67,1 %
59,0 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
48,5 %
37,9 %
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
männlich
weiblich
</TD><TD VALIGN="TOP">
23,4 %
20,1 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
29,8 %
29,6 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
40,5 %
40,7 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
44,3 %
46,7 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
56,0 %
58,2 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
63,7 %
58,6 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
39,4 %
40,6 %
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
gesamt
</TD><TD VALIGN="TOP">
21,7 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
29,7 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
40,6 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
45,5 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
57,2 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
60,5 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
40,0 %
</TD>
Im Ost-West-Vergleich treten deutlich sichtbare Differenzen in allen Gruppen
zutage (Tab. [1]). Generell weisen die Probanden aus den alten
Bundesländern (West) eine geringere Helicobacter-pylori-Prävalenz gegenüber denen
aus den neuen Bundesländern (Ost) auf. Dies kann für alle Altersgruppen bestätigt
werden. Die höchste Differenz liegt mit 17,3 % bei den 40- bis 49-Jährigen,
dann verringern sich die Unterschiede mit dem Alter kontinuierlich bis auf 8,1
%. In
der jüngsten Altersgruppe sind die Differenzen mit 4,6 % am niedrigsten. Der
deutliche Anstieg der Antikörperträger mit dem Alter ist in Ost und West analog.
Tab. [2] zeigt die Probanden mit positiven bzw. negativen
Helicobacter-pylori-Antikörperbefunden in Abhängigkeit von der sozialen Schicht
[9]. Sowohl in Ost als auch in West weisen die Untersuchten, die der
Unterschicht zugeordnet wurden, eine deutlich höhere Prävalenzrate im Vergleich
zu den
höheren sozialen Schichten auf. Im Osten beträgt die Differenz der Unter- zur
Oberschicht
13,5 %, im Westen sogar 23,4 %. Interessant ist, dass es in den neuen
Bundesländern zwischen Mittel- und Oberschicht keinen nennenswerten Unterschied
bezüglich
der Infektionsrate gibt (0,9 %), während er im Westen stark ausgeprägt ist
(12 %).
Tab. 2 Helicobachter-pylori-Antikörper in
Abhängigkeit von der sozialen Schicht (gewichtet)
<TD VALIGN="TOP">
Helicobacter-pylori-Antikörper positiv
</TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="3">
soziale Schicht
</TD><TD VALIGN="TOP">
gesamt
</TD>
<TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP">
Unterschicht
</TD><TD VALIGN="TOP">
Mittelschicht
</TD><TD VALIGN="TOP">
Oberschicht
</TD><TD VALIGN="TOP"></TD>
<TD VALIGN="TOP">
Ost
West
gesamt
</TD><TD VALIGN="TOP">
57,9 %
49,0 %
50,9 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
45,3 %
37,6 %
39,3 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
44,4 %
25,6 %
28,9 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
48,2 %
37,5 %
39,6 %
</TD>
Der Besuch einer Kinderkrippe bzw. Kindertagesstätte der Probanden bis zu
einem Alter von 3 Jahren wurde erfasst. 15,5 % aller Surveyteilnehmer aus den
östlichen Bundesländern haben eine Kinderkrippe besucht (in den alten Bundesländern
waren es nur 2,5 %). Davon wiederum waren rund 36 % im Osten und ca.
47 % im Westen Antikörperträger gegen Helicobacter pylori.
Den
Einfluss der Geschwisterzahl auf die Infektionsrate lässt Abb. [1] erkennen. Bei allen Probanden steigt die Prävalenz mit zunehmender
Geschwisterzahl, wobei generell die Teilnehmer aus den neuen Bundesländern eine
um mindestens
10 % höhere Rate aufweisen.
Abb. 1 Prävalenz von Helicobacter-pylori-Antikörpern in
Abhängigkeit von der Anzahl der Geschwister
Der Zusammenhang zwischen positivem Helicobacter-pylori-Antikörper und
Gastritis bzw. Ulkus zeigt sich in Tab. [3]. Hier sind die erwarteten
Häufigkeiten bei fehlendem Einfluss der Antikörper auf die entsprechenden
Magenerkrankungen den tatsächlich gefundenen gegenübergestellt.
Tab. 3 Zusammenhang von
Helicobacter-pylori-Antikörpern mit Angaben zu Magenerkrankungen
<TD VALIGN="TOP" COLSPAN="2">
</TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="4">
Helicobacter-pylori-Antikörper
(%)
</TD>
<TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="2">
erwartet
</TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="2">
ermittelt
</TD>
<TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP">
positiv
</TD><TD VALIGN="TOP">
negativ
</TD><TD VALIGN="TOP">
positiv
</TD><TD VALIGN="TOP">
negativ
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Gastritis
</TD><TD VALIGN="TOP">
ja
nein
</TD><TD VALIGN="TOP">
41,1
41,1
</TD><TD VALIGN="TOP">
58,9
58,9
</TD><TD VALIGN="TOP">
46,2
39,6
</TD><TD VALIGN="TOP">
53,8
60,4
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Ulkus
</TD><TD VALIGN="TOP">
ja
nein
</TD><TD VALIGN="TOP">
41,1
41,1
</TD><TD VALIGN="TOP">
58,9
58,9
</TD><TD VALIGN="TOP">
61,2
39,4
</TD><TD VALIGN="TOP">
38,8
60,6
</TD>
1567 von den 6748 Probanden gaben bei der ärztlichen Befragung an, dass sie
gegenwärtig oder zu einem früheren Zeitpunkt eine Gastritis haben oder hatten.
Bei
46 % dieser Probanden wurde ein positiver Antikörpernachweis erbracht.
Von
den 529 Untersuchten, die ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür angegeben hatten,
wiesen 61 % einen positiven Antikörper gegen Helicobacter pylori auf.
Die
Chi2-Tests ergaben für beide Variablen einen hochsignifikanten Zusammenhang mit
dem Nachweis
von Helicobacter-pylori-Antikörpern.
Ein Einfluss des Rauchens auf die
Prävalenzrate der Helicobacter-pylori-Infektion wurde bei dieser eindimensionalen
Betrachtungsweise nicht festgestellt (Chi2-Test nicht signifikant).
Die Berücksichtigung
mehrerer gleichzeitig wirkender Einflüsse erfordert die Anwendung multivariater
Modelle.
Zunächst wurde zur Abschätzung des Risikos, eine Helicobacter-pylori-Infektion
zu
bekommen, eine logistische Regression mit den Variablen Geschlecht, Ost/West,
Alter, soziale
Schicht und Rauchgewohnheiten durchgeführt. Dabei wurden paarweise Interaktionseffekte
zwischen diesen Variablen berücksichtigt.
In Tab. [4] sind
diese Ergebnisse zusammengestellt. Ein Geschlechtsunterschied war nicht nachweisbar.
Die
Bevölkerung in den neuen Bundesländern hat ein höheres Risiko, eine
Helicobacter-pylori-Infektion zu bekommen als die Bevölkerung in den westlichen
Bundesländern (OR = 2,2). Das Risiko ist für die Unterschicht
(Gesamtdeutschland) um das 2,9fache und das der Mittelschicht um das 1,8fache
höher als das
der Oberschicht. Rauchen hat in diesem Modell keinen signifikanten Einfluss auf
eine Infektion.
Tab. 4 Relative Risiken für die
Helicobacter-pylori-Infektion
<TD VALIGN="TOP">
</TD><TD VALIGN="TOP">
OR
</TD><TD VALIGN="TOP">
p
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Geschlecht (männlich)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Geschlecht (weiblich)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,08
</TD><TD VALIGN="TOP">
0,62
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Bundesländer (Ost)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Bundesländer (West)
</TD><TD VALIGN="TOP">
0,46
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (18-29 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (30-39 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,96
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (40-49 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
3,28
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (50-59 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
4,25
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (60-69 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
6,32
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (70-79 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
6,96
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schichtindex (Unterschicht)
</TD><TD VALIGN="TOP">
2,88
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schichtindex (Mittelschicht)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,77
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,01
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schichtindex (Oberschicht)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Rauchen (nie)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Rauchen (gelegentlich o. früher)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,03
</TD><TD VALIGN="TOP">
0,91
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Rauchen (täglich)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,18
</TD><TD VALIGN="TOP">
0,39
</TD>
In einem zweiten Schritt wurde, wiederum in einem logistischen
Regressionsmodell, der Einfluss der Helicobacter-pylori-Infektion auf Ulkus und
Gastritis
untersucht. Geschlecht, Ost/West, Alter, Schichtindex und Rauchen wurden als Kovariaten
in
dieses Modell mit aufgenommen. Die Ergebnisse sind in Tab. [5]
dargestellt.
Tab. 5 Untersuchte Einflussgrößen
auf Ulkus und Gastritis
<TD VALIGN="TOP">
</TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="2">
Ulkus
</TD><TD VALIGN="TOP" COLSPAN="2">
Gastritis
</TD>
<TD VALIGN="TOP"></TD><TD VALIGN="TOP">
OR
</TD><TD VALIGN="TOP">
p
</TD><TD VALIGN="TOP">
OR
</TD><TD VALIGN="TOP">
p
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Geschlecht (männlich)
Geschlecht
(weiblich)
Bundesländer (Ost)
Bundesländer (West)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
0,73
1,00
1,19
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,01
< 0,09
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
1,38
1,00
1,29
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Alter (18-29 Jahre)
Alter (30-39
Jahre)
Alter (40-49 Jahre)
Alter (50-59 Jahre)
Alter
(60-69 Jahre)
Alter (70-79 Jahre)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
2,59
4,88
9,69
9,96
11,34
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,001
< 0,0001
< 0,0001
< 0,0001
< 0,0001
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
1,82
2,22
2,92
3,16
2,60
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
< 0,0001
< 0,0001
< 0,0001
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Schichtindex (Unterschicht)
Schichtindex
(Mittelschicht)
Schichtindex (Oberschicht)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,46
1,46
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,05
< 0,01
</TD><TD VALIGN="TOP">
0,77
0,87
1,00
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,01
0,0610
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Rauchen (nie)
Rauchen (gelegentlich o.
früher)
Rauchen (täglich)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
1,63
2,25
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
< 0,0001
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,00
1,52
1,47
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
< 0,0001
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Helicobacter-pylori-Ak (positiv)
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,79
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,0001
</TD><TD VALIGN="TOP">
1,18
</TD><TD VALIGN="TOP">
< 0,01
</TD>
Der Einfluss einer Helicobacter-pylori-Infektion auf das Entstehen eines Magen-
bzw. Zwölffingerdarmgeschwürs wird durch ein OR von 1,8 ersichtlich.
Das Risiko, an
einem Ulkus zu erkranken, steigt konstant mit dem Alter an und wird auch durch
das Rauchen
maßgeblich beeinflusst (OR = 2,2). Eine Abhängigkeit von der
Schichtzugehörigkeit ist erkennbar; so ist das Risiko, einen Ulkus zu bekommen,
für die
Probanden der Unter- und Mittelschicht um das 1,5fache höher im Vergleich zu denen
der
Oberschicht.
Der Einfluss der Variablen auf das Entstehen einer Gastritis ist generell
bedeutend schwächer. So kann nur eine geringfügige Abhängigkeit zwischen angegebener
Magenschleimhautentzündung und Antikörperträgern registriert werden
(OR = 1,2).
Diskussion und Schlussfolgerungen
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die durchschnittliche Prävalenz von
Probanden mit positivem Antikörper gegen Helicobacter pylori ist 40 % und
entspricht damit dem europäischen Mittelwert [10]
[21]. Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern wurde nicht festgestellt. Dies
steht weitgehend in Übereinstimmung mit der Literatur, allerdings gibt es auch
Autoren
[11], die eine höhere Prävalenz bei Männern
registrierten.
Eine Abhängigkeit der Infektionsrate vom Alter scheint offensichtlich
(Tab. [1]). Der Anstieg erfolgt kontinuierlich von
21,7 % in der jüngsten Gruppe bis auf 60,5 % bei den
70-79-Jährigen. Diese Kontinuität ist für Ost und West analog. Da eigentlich
auch alle anderen nationalen und internationalen Studien [12-15] einen
Anstieg der Helicobacter-pylori-Infektion mit dem Alter beobachten, könnte der
Schluss nahe
liegen, dass die Ansteckungsrate unter älteren Menschen besonders hoch ist. Dies
erscheint
jedoch unlogisch. Angesichts von Untersuchungen, die belegen, dass eine Infektion
wahrscheinlich
bereits in der frühen Kindheit [14]
[16]
[17] erfolgt (und unbehandelt auch bestehen bleibt),
muss der kontinuierliche Anstieg als Kohortenphänomen interpretiert werden. Dies
bedeutet,
dass die Infektionsrate der heute 50- oder 60-Jährigen in ihrer Kindheit höher
lag als es
bei den jetzt 20- oder 30-Jährigen der Fall war. Festgestellt hat man dies überwiegend
dadurch, dass Probandenkollektive, die über 10 Jahre lang beobachtet wurden
[13]
[18], nur geringfügige Neuinfektionen
aufwiesen (durchschnittlich 0,3 % pro Jahr). So wurden 600 Teilnehmer des Spandauer
Gesundheitstests (Freiwilligenuntersuchung im Berliner Bezirk Spandau), die zwischen
1982 und 1995
mindestens fünfmal im Abstand von 2 Jahren auf Helicobacter-pylori-Antikörper
untersucht
worden sind, zur Berechnung der Neuinfektionsrate herangezogen [19].
Über die Hälfte dieser Probanden wies ein negatives Testergebnis über den gesamten
Beobachtungszeitraum auf. Diese wurden zu denen mit einer erfolgten Neuinfektion
(8 Teilnehmer) in
Beziehung gesetzt, daraus ergab sich eine jährliche Infektionsrate von nur
0,2 %.
Bekannt ist die Abhängigkeit der Infektionsrate vom
sozioökonomischen Status. Die Aussagen in der Literatur beziehen sich auf die
verschiedensten
Parameter, wie hygienische Bedingungen (Vorhandensein eines Badezimmers, einer
Toilette etc. in der
Wohnung), Bildung und Einkommen [20]. In der vorliegenden Studie wurde das
Merkmal „soziale Schicht” gebildet, das sich aus Einkommen, Bildung und beruflicher
Position zusammensetzt und eine Unterteilung in 3 Schichten: Unter-, Mittel- und
Oberschicht
ermöglicht. Bei gesamtdeutscher Betrachtung zeigt sich, dass die Unterschicht
mit
50,9 % Antikörperträgern weit über den beiden höheren Schichten
(39,3 bzw. 28,9 %) liegt. Eine umfangreiche europäische Studie, an der sich 17
Populationen beteiligten [21], kam zu ähnlichen Ergebnissen. So betrug
hierbei die Infektionsrate der Personen mit hoher Bildung 34 % im Vergleich zu
62 % derer, die nur eine niedrige Ausbildung erfahren hatten. Einen analogen Effekt
stellten die Autoren auch in Abhängigkeit vom Familieneinkommen fest. Zwischen
den Probanden
aus den neuen (Ost) und den alten Bundesländern (West) sind statistisch gesicherte
Differenzen
in allen 3 Schichten nachweisbar. Die Infektionsrate der Probanden „Ost” ist generell
höher als die der Probanden „West” (Tab. [2]). Die
größten Unterschiede liegen mit 18,8 % in der Oberschicht, dann folgt die
Unterschicht mit 8,9 %, die Differenz der Probanden aus den Mittelschichten
beträgt dagegen nur 7,7 %. Die Ergebnisse der logistischen Regression
unterstützen und präzisieren diese Aussage: Die Bevölkerung in den neuen
Bundesländern hat somit ein 2,2fach höheres Risiko, eine Helicobacter-pylori-Infektion
zu
bekommen als die Bevölkerung in den westlichen Bundesländern. Das ermittelte Risiko
für die Unterschicht (Ost und West) liegt um den Faktor 2,9 über dem der Oberschicht
(Tab. [4]). Da, wie bereits oben ausgeführt, die Infektion
überwiegend in der Kindheit erfolgt und meistens ohne Therapie lebenslang erhalten
bleibt,
werden auch diese Ost-West-Unterschiede unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinigung
Deutschlands
noch lange sichtbar sein. Hygienische Bedingungen und die Ernährungsweise, die
in die
„soziale Schicht” aufgrund von Einkommen und Bildung einfließen, sind sicher
als Hauptursachen für die gefundenen Differenzen anzusehen. Der erwartete Einfluss
des
Kinderkrippenbesuches der Probanden aus den östlichen Ländern auf die Infektionsrate
konnte nicht bestätigt werden. Von diesen 1364 untersuchten Surveyteilnehmern
gaben nur
15,5 % (alte Bundesländer: 2,5 %) an, eine Kinderkrippe besucht zu
haben. Dies korreliert nicht mit den Angaben in den Statistischen Jahrbüchern
der DDR -
dort variieren die Zahlen zwischen 9,1 % (1955) und 72,7 % (1985). Die
prozentuale Verteilung der Helicobacter-Antikörperträger innerhalb der Krippen-
bzw.
Kitabesucher liegt dagegen bei 36 % im Osten und 47 % im Westen.
Allerdings sind die geringen Fallzahlen nicht repräsentativ, um Rückschlüsse auf
die
Gesamtbevölkerung anstellen zu können. Auch der Einfluss der Geschwisterzahl trägt
nicht zur Klärung der Unterschiede zwischen den Prävalenzen in Ost und West bei.
Denn
während in den alten Bundesländern der Anteil der Probanden mit 3 und mehr Geschwistern
fast 10 % über dem in den neuen Ländern liegt (1 oder 2 Geschwister bilden
keinen wesentlichen Unterschied zwischen Ost und West), ist die Antikörper-Prävalenzrate
im Westen deutlich niedriger (Abb. [1]). Die Prävalenz der
H.p.-positiven Probanden ist generell im Osten höher, die Differenzen liegen in
Abhängigkeit von der Anzahl der Geschwister zwischen 11 und 14 %.
Die
Helicobacter-pylori-induzierte Gastritis ist mit 80 bis 90 % aller Gastritiden
die
häufigste Gastritis weltweit [22]. 1567 Probanden gaben im Rahmen der
ärztlichen Befragung an, eine Gastritis zu haben, aber nur bei rund 46 % wurden
auch Helicobacter-pylori-Antikörper ermittelt (Tab. [3]). Dieses
Ergebnis muss nicht im Widerspruch zu obiger Aussage stehen, weil eine Probandenaussage
ohne
klinische Befundung gerade bei dieser Krankheit nicht eindeutig sein muss. So
wird z. B. bei
einer diagnostizierten atrophischen Gastritis, insbesondere bei älteren Patienten,
häufig
keine Besiedelung der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori mehr beobachtet
[23-25]. Die Wissenschaftler erklären dies mit dem Verschwinden der
Keime aus atrophischen und metaplastischen Bereichen, weil diese in einem solchen
Milieu auf
längere Zeit nicht persistieren können.
Der Zusammenhang zwischen einer
Helicobacter-pylori-Infektion und einem angegebenen Ulkus ist mit 61 % zwar
eindeutiger als bei der Gastritis (Tab. [3]), liegt aber doch deutlich
unter den Literaturwerten. Aber auch hier muss die fehlende klinische Diagnostik,
wenn auch sicher
im geringeren Maße, berücksichtigt werden. Die durchgeführte logistische Regression
mit der Zielstellung der Risikoabschätzung, eine Gastritis bzw. eine Ulkus-Krankheit
zu
bekommen, lässt erkennen, dass in diesem Modell die Einflussgrößen Alter und
Rauchen einen höheren Stellenwert als die Helicobacter-pylori-Infektion besitzen
(Tab. [5]).
Der Faktor Rauchen hat bei der eindimensionalen
Betrachtungsweise keinen Einfluss auf die Besiedelung der Magenschleimhaut mit
Helicobacter pylori.
Dies korreliert auch mit den meisten Literaturangaben. Da die Infektion überwiegend
in der
Kindheit erfolgt, ist das eigene Rauchverhalten aus Altersgründen wenig relevant.
Interessanter wäre die Betrachtung der Rauchgewohnheiten im Umfeld des damaligen
Kindes
(Eltern, Geschwister). Dieser Gedanke ist dann allerdings auch für die „soziale
Schicht” umzusetzen, denn die Schichtzugehörigkeit zwischen Kindheit und
Erwachsenenalter kann durchaus differieren.
Nach dem heutigen Wissensstand liegt in den
industrialisierten Ländern die jährliche Reinfektionsquote nur zwischen 0,3 und
2 %. Diese Tatsache wäre ein Grund, eine Eradikationstherapie an Kindern und
Jugendlichen bei positivem Helicobacter-pylori-Befund durchzuführen, um einer
Entwicklung der
H.p.-Folgekrankheiten wie Gastritis, Ulkus und Karzinom vorzubeugen. In dem vom
Robert-Koch-Institut geplanten Kinder- und Jugendsurvey sollen auch die
Helicobacter-pylori-Antikörperträger im Alter von 0 bis 18 Jahren ermittelt werden.
Die
geplante Stichprobe von 20 000 Probanden wird eine repräsentative Aussage über
den
Durchseuchungsgrad bei Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland
ermöglichen
und somit einen wesentlichen Beitrag zur Therapiefrage (national und international)
liefern
können.
Der Bundesgesundheitssurvey ermittelte bei 40 % der Probanden
positive Antikörper gegen Helicobacter pylori. Dieses Ergebnis lässt allerdings
keine
Schlussfolgerungen hinsichtlich einer vorliegenden akuten oder chronischen Infektion
zu, auch eine
überstandene Infektion (Immunisierung) ist nicht auszuschließen. Deshalb müsste
jetzt eigentlich bei diesen Antikörperträgern klinisch (endoskopisch) überprüft
werden, ob die Notwendigkeit einer Therapie gegeben ist.
Da jedes Jahr etwa 1 Million
Deutsche an einer Helicobacter-pylori-Gastritis und deren Folgen erkranken und
die
Behandlungskosten auf ca. 4 Milliarden DM geschätzt werden [25] -
nach neueren Berechnungen ermöglichen die Eradikationstherapien eine Einsparung
von 3,2 bzw.
3,8 Milliarden DM [26]
[27] -, sollte auch der
ökonomische Aspekt bei der Entscheidung über eine derartige Prophylaxe in Betracht
gezogen werden.