Gesundheitswesen 2003; 65(5): 299-303
DOI: 10.1055/s-2003-39543
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das amtsärztliche Gesundheitszeugnis im Spannungsfeld zwischen Schweigepflicht und Datenschutz

Official Health Certificates between the legal Obligation to professional Secrecy and the Patient’s PrivacyM. Zilkens
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Publication Date:
28 May 2003 (online)

Zusammenfassung

Der Amtsarzt hat für anfordernde Stellen der öffentlichen Verwaltung ein Zeugnis anzufertigen, das alle für den jeweiligen Verwendungszweck erforderlichen Untersuchungsergebnisse enthält und die empfangende Stelle in die Lage versetzt, die ihr obliegenden Entscheidungen zu treffen, also etwa Diensttauglichkeit oder Leistungsberechtigung zu beurteilen. Die in Nordrhein-Westfalen dazu erlassene Rechtsverordnung ist aus datenschutzrechtlicher Sicht missglückt. Die Übermittlung der Daten ist im Falle einer Einwilligung des Betroffenen unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen zulässig, muss sich aber auch hier am Grundsatz der Datensparsamkeit orientieren. Eine fehlende Zustimmung indes oder gar ein entgegenstehender Wille des Betroffenen kann, soweit der Amtsarzt die oben dargestellten straf- und datenschutzrechtlichen Vorgaben beachtet und danach vorgeht, eine Blockadewirkung nicht auslösen.

Abstract

Public health officers have to write a medical certificate for public authorities requesting them to do so. This certificate is to contain all the results of medical examinations required for the respective purpose, thus enabling the recipient authorities to take the decisions incumbent on them, such as those judging fitness for service or entitlement to claim. In case the persons concerned agree, a transmission of data is admissible independent of statutory provisions. However, this should always be oriented towards minimum data transmission. Nevertheless, lack of consent or even an adverse intention of the person concerned cannot serve as a blockade in so far as the public health officer has complied with current criminal and data privacy regulations.

Anmerkungen

  • 1 Zu dieser Problematik vgl. auch Zilkens, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBI.).  1995;  7
  • 2 Für Bundesbeamten gelten die §§ 42 ff., 46 a Bundesbeamtengesetz (BBG); auf Landesebene sind in Nordrhein-Westfalen z. B. die §§ 45 ff., 47 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) anzuwenden. 
  • 3 Vgl. § 62 Sozialgesetzbuch, 1. Buch (SGB I). 
  • 4 ln den meisten anderen Ländern sind vergleichbare Bestimmungen in den landesbeamtenrechtlichen Vorschriften enthalten. 
  • 5 Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen (ÖDGD NRW) vom 25.11.1997, Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen (GV.NRW.), 430. 
  • 6 Abgedruckt z. B. in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002, Anh. zu Kap. 1, 36; dort ist die Schweigepflicht als Schweigegebot positiv normiert. 
  • 7 So heißen die Leiter staatlicher oder kommunaler Gesundheitsämter; vgl. Laufs/Uhlenbruck, a. a. O., § 12 Rn. 16. Entsprechendes gilt naturgemäß für die nachgeordneten Ärzte im Gesundheitsamt. 
  • 8 Lenckner, in: Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch (StGB), 26. Aufl. 2001, § 203, Rn. 35. 
  • 9 Dazu Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203, Rn. 43 ff. 
  • 10 Zu den Konkurrenzen mit anderen Strafgesetzen vgl. Tröndle/Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch (StGB), 50. Aufl. 2001, § 203, Rn. 38. 
  • 11 Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203, Rn. 19, 21. 
  • 12 Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Gesundheitswesen (Gesundheitsdatenschutzgesetz - GDSG NRW) Nordrhein-Westfalen v. 22.2.1994 (SGV.NRW.2128). 
  • 13 Tröndle/Fischer, a. a. O., § 203, Rn. 29 f.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203, Rn. 29, 53 ff. 
  • 14 Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203, Rn. 54; im Besonderen: Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e. V. (Hrsg), Datenschutz und Datensicherheit im Gesundheits- und Sozialwesen, 2002, 31. 
  • 15 Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203, Rn. 52. 
  • 16 Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203, Rn. 45, 56. 
  • 17 Und zwar ex lege, ohne Disposition des Betroffenen; vgl. z. B. Plückhahn, Beendigung des Beamtenverhältnisses und Übertragbarkeit anderer Ämter bei Dienstunfähigkeit, 1999, S. 93, 102. 
  • 18 Eine Normenkollision zwischen strafrechtlichen Schweigepflicht- und Datenschutzbestimmungen tritt in der gegebenen Fallkonstellation nicht auf, so dass sich die Frage der Anwendung der Kollisionsregel des Art. 31 GG nicht stellt. Zudem werden neuerdings die Datenschutzbestimmungen als spezielle Befugnisnormen i. S. des Merkmals „unbefugt” des § 203 StGB gesehen und damit der Problembereich harmonisiert; vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, a. a. O., § 203 Rn. 53 c. 
  • 19 Vgl. dazu Schlund, in: Laufs/Uhlenbrück, a. a. O., §§ 69 ff. 
  • 20 Vgl. § 1 GDSG NRW mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen (Verf NRW). 
  • 21 Vgl. oben, Fn. 12. Für den besonderen Fall der (fach-)ärztlichen Untersuchung bei der Eingehung von Dienstverhältnissen enthält § 29 Abs. 3 S. 2 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) eine Spezialregelung, die inhaltlich dem § 24 Abs. 3 GDSG NRW und damit der hier vertretenen Position völlig entspricht; vgl. Stähler Pohler, Kommentar zum Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW), 3. Aufl. 2003, § 29 Rn. 8. 
  • 22 Patient ist nicht nur der zu Therapierende, sondern auch der zu Untersuchende; vgl. z. B. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2001. 
  • 23 Der Erforderlichkeitsbegriff im Datenschutzrecht ist stets eng auszulegen; vgl. z. B. Gola/Schomerus, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), 7. Aufl. 2002, § 9 Rn. 7, § 14 Rn. 7; Simitis (Hrsg), Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), 5. Aufl. 2003, § 14 Rn. 15 m. w. N.; Stähler/Pohler, a. a. O., § 12 Rn. 2. 
  • 24 Vom 31.7.1996, GV.NRW. Nr. 36, 296. 
  • 25 Vgl. § 7 Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT). 
  • 26 Vgl. die Kritik der Landesbeauftragten für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen (LfD NRW), 13. Bericht, 111. 
  • 27 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - amtliche Sammlung - (BVerfGE) 65, 1, 46. 
  • 28 Eine Einwilligung ist - wie dargelegt - im Falle des § 24 Abs. 3 GDSG NRW nicht erforderlich. 
  • 29 Vgl. dazu LfD NRW, 9. Bericht, 68 f. und 10. Bericht, 93 ff. 
  • 30 Die früheren Forderungen des LfD NRW stimmen im Ergebnis weitgehend überein mit den jetzigen Bestimmungen des GDSG NRW; vgl. 11. Bericht, 70 f. 
  • 31 Insoweit ist sie ebenso wie die Spezialität Gesetzeskonkurrenz; vgl. z. B. Rüthers, Rechtstheorie, 1999, Rn. 771. 
  • 32 Zit. Nach Laufs/Uhlenbruck, a. a. O., Anh. zu Kap. 1, 36. 
  • 33 Schlund, in: Laufs/Uhlenbruck, a. a. O., § 69, Rn. 13. 
  • 34 Wie schon im römischen Recht gilt hier: volenti non fit iniuria. 
  • 35 Vgl. dazu z. B. Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, a. a. O., § 139 Rn. 28 ff. 
  • 36 Judikatur zu dieser Frage ist nicht ersichtlich. Zum Meinungsstand in der Literatur vgl. Lopacki, Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 1992, 193. Der Gedanke, bei verweigerter Einwilligung Sanktionen entsprechend § 66 Abs. 3 SGB l aus dem Gesichtspunkt mangelnder Mitwirkung greifen zu lassen, führt nicht das grundsätzliche Problem weiter, da es z. B. im Zwangspensionierungsverfahren nicht um die Gewährung von Sozialleistungen, sondern um die damit nicht vergleichbare Zahlung von Beamtenbezügen geht. 
  • 37 Vgl. etwa Timm, Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht, 1988, 108; Schuegraf, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1961, 961; Juncker, ZBR 1968, 33. 
  • 38 Vgl. Dyes/Karstädt, NJW 1961, 2050 f.; Wilhelm, ZBR 1965, 339; Lilie, Medizinische Datenverarbeitung, Schweigepflicht und Persönlichkeitsrecht im deutschen und amerikanischen Recht, 1980, 104. 
  • 39 Vgl. die gesetzlichen Formulierungen in § 24 Abs. 3 GDSG NRW sowie in § 29 Abs. 3 S. 2 DSG NRW; zur letzteren Norm Stähler/Pohler, a. a. O., § 29 Rn. 8. 
  • 40 Vgl. Wiese, Deutsches Ärzteblatt 1982 (Ausgabe C), 66 ff.; dies darf wiederum nicht dazu führen, dass dem Betroffenen die Akteneinsicht in diesen Umschlag gemäß § 18 DSG NRW verwehrt wird. 
  • 41 Vgl. § 24 Abs. 1 GDSG NRW. 

Dr. jur. Martin Zilkens

Büro Oberbürgermeister

40200 Düsseldorf

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