Sprache · Stimme · Gehör 2004; 28(3): 109
DOI: 10.1055/s-2004-819012
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Versuchsplanung und Statistik”

”Research Proposal and Statistics”M. Ptok
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Publication Date:
30 August 2004 (online)

Die Worte „Versuchsplanung” und „Statistik” werden bei vielen Leserinnen und Lesern ein ungutes Gefühl erzeugen. Während man vielleicht intuitiv noch einsieht, dass Versuche, bevor man sie denn durchführt, sorgfältig geplant werden müssen, und einem auch schwant, dass man sich bei vielen Versuchen mit Fragen der Statistik auseinandersetzen muss, so beruht doch eine eventuelle Skepsis, die man gegenüber der Statistik hat, auf Dingen und Vorgänge, an die man sich zu erinnern glaubt. Gab es nicht schon viele Versuche, die angeblich eindeutig nachwiesen, dass eine Therapie A oder ein Medikament B eindeutig besser seien, als Therapie X oder Medikament Y und stellte sich nicht nachher heraus, dass alles doch ganz anders war? Dass hochkarätige Wissenschaftler ein statistisches Verfahren anwandten, ihre Kritiker aber behaupteten, das eingesetzte statistische Verfahren sei nicht geeignet, um die Ergebnisse angemessen zu würdigen? Und hat nicht Benjamin Disraeli von „Lügen, verdammten Lügen und Statistiken“ gesprochen? Hat nicht vielleicht Lord Rutherford Recht, wenn er gesagt hat: „Wenn Dein Experiment Statistik braucht, hättest Du ein besseres Experiment machen sollen”?

Sicher ist, dass die Materie „Statistik”, oder allgemein der Umgang mit Zahlen so kompliziert ist, dass auch Fachleute Mühe haben, alles zu überschauen. Hinzu kommt, dass viele Forscher, die tatsächlich Experimente durchführen, mit der Aufarbeitung der Daten bzw. mit der Vielfalt der statistischen Ansätze und deren Voraussetzungen und Grundlagen zu wenig vertraut sind.

So beschränkt sich die Planung und Auswertung eines Experiments auf das Testen einer Nullhypothese und der Erfolg wird mit dem Finden eines signifikanten Wertes gleichgesetzt. Dies hat z. B. die Amerikanische Psychologische Gesellschaft dazu veranlasst, mehr Toleranz gegenüber weniger strukturierten und weitergefassten Studien (exploratory studies) zu zeigen. Die genaue Dokumentation und Analyse der erarbeiteten Daten sei häufig wichtiger als die Annahme oder Verwerfung einer spezifischen Hypothese. Solch eine genaue Beobachtung der Ergebnisse umfasse u. a. aussagekräftige bildliche Darstellungen, Berechnungen der Durchschnitte mit Standardabweichung und Konfidenzintervallen, Dokumentation der Probengröße und Beurteilung der praktischen Bedeutung der so genannten Effektgröße. Besondere Aufmerksamkeit sollte auch den Ausreißern bei kleinen Probengrößen geschenkt werden.

Trotz all dieser Vorbehalte und Kritik wollen wir in diesem Heft doch den Versuch unternehmen, Ihnen ein wenig die Faszination von Versuchsplanung und Behandlung von Daten nahe zu bringen. Hiermit soll zweierlei erreicht werden:

Wir möchten erreichen, dass Sie, sofern Sie selbst Versuche (z. B. zur Therapieeffizienz) planen, mit einem zumindest geringen Vorwissen zu einem kompetenten Statistiker gehen und sich beraten lassen können. Wir möchten Ihren kritischen Blick schärfen, wenn Sie Publikationen lesen. Sollten Sie bisher den Teil, der sich mit der statistischen Aufarbeitung der Daten befasst hat, eher überflogen haben, so schauen Sie vielleicht nach der Lektüre dieses Heftes genauer hin und können sich so Ihre eigenen Gedanken zur Wertigkeit der Ergebnisse machen: was genau sagt z. B. eine Therapiestudie aus, in der nur zwei Patienten behandelt worden? Was sagt eine Studie aus, bei der keine Kontrollgruppe untersucht wurde? Was sagt eine Studie aus, bei der zwar an einem großen Kollektiv und mit Vergleich einer Kontrollgruppe ein signifikantes Ergebnis gefunden wurde, das Ergebnis aber für den Alltag kaum relevant ist?

Für all diejenigen, denen der hier angebotene Wissensstoff nicht ausreicht (und das werden hoffentlich viele von Ihnen sein), sei auf das gut verständliche Statistikbuch „Biostatistik” von Felix Bärlocher, Thieme-Verlag, ISBN 3-13-116 271-6 hingewiesen.

Zum Schluss noch etwas ganz Wesentliches: Herrn Prof. H. Hecker, Abteilung für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, danke ich ganz herzlich für die Beratung und konstruktive Durchsicht der Manuskripte. Ohne seine stetige, kompetente und geduldige Diskussionsbereitschaft wäre dieses Heft nicht möglich gewesen!

Prof. Dr. Dr. h. c. M. Ptok

Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Email: Ptok.Martin@MH-Hannover.de

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