Rehabilitation (Stuttg) 2006; 45(1): 60-61
DOI: 10.1055/s-2005-915404
Bericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bericht über die Jahrestagung des Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Niedersachsen/Bremen „Von der Gesundheitsökonomie zur Reha-Ökonomie” am 11.11.2005 in Braunschweig

Report of the Annual Convention of the Lower Saxony/Bremen Rehabilitation Research Network on Theme „From Health Economics to Rehab Economics”, November 11, 2005 in BraunschweigF.  Petermann1
  • 1Rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsverbund Niedersachsen/Bremen (RFNB), Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. Februar 2006 (online)

Der Rehabilitationswissenschaftliche Forschungsverbund Niedersachsen/Bremen (RFNB) ist einer der bundesweit acht Forschungsverbünde, die seit 1998 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) und der Deutschen Rentenversicherung mit dem Ziel gefördert werden, die rehabilitationswissenschaftliche Forschungsinfrastruktur zu intensivieren, um die Wirksamkeit und Qualität der medizinischen Rehabilitation nachhaltig zu verbessern. Der RFNB veranstaltet regelmäßig Symposien und Jahrestagungen, jeweils mit einem aktuellen Schwerpunktthema, um die Ergebnisse der Projektarbeit einem breiten Publikum präsentieren zu können.

Am 11. November 2005 fand im Gebäude der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover in Braunschweig die diesjährige Jahrestagung des RFNB mit dem Schwerpunkt „Von der Gesundheitsökonomie zur Reha-Ökonomie” statt. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. F. Petermann (Universität Bremen) und Priv.-Doz. Dr. C. Krauth (Medizinische Hochschule Hannover) geleitet und in Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover realisiert.

In einem ersten Teil der Veranstaltung wurde das Rahmenthema durch fünf Grundsatzvorträge strukturiert, in einem zweiten Teil fand auf Umsetzungs- und Ergebnisebene die Darstellung einzelner Projekte aus dem Verbund statt.

Nach einem Grußwort des Geschäftsführers der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Dr. R. Kreikebohm, und einem Einführungsvortrag von Prof. Petermann (Sprecher des RFNB) stellte Prof. Dr. J. Wasem (Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen) die Relevanz der Ökonomie in der medizinischen Rehabilitation heraus. Nicht die „Maximal-Reha”, sondern eine optimale „Zweck-Mittel-Relation” der Angebotsstrukturen sei notwendig. Hierzu kann die Rehabilitationsökonomie als Spezialgebiet der Gesundheitsökonomie eine Entscheidungsgrundlage für einen rationalen Mitteleinsatz sein. Prof. Wasem beleuchtete die Beziehungen zwischen Reha-Leistungserbringern und Finanzierungsträgern sowie zwischen Finanzierungsträgern und Versicherten aus ökonomischer Sicht und thematisierte dabei die Unterschiede und Besonderheiten im Vergleich zu den durch die gesetzliche Krankenversicherung geprägten Strukturen. Nach grundsätzlichen methodischen Überlegungen zur Evaluation in der Rehabilitation ging der Referent auf einzelne Ergebnisse reha-ökonomischer Studien aus den Forschungsverbünden ein, insbesondere bezogen auf die verschiedenen Förderschwerpunkte wie Schulung, ambulant-stationär, Patientenklassifikationssysteme.

Dr. Krauth führte in seinem Vortrag grundlegende Überlegungen zur Kostentransparenz in der medizinischen Rehabilitation aus und stellte anschließend differenziert die gesundheitsökonomischen Ergebnisse des Förderschwerpunktes vor, insbesondere die Bereiche Patientenschulung, ambulante Rehabilitation und Nachsorge.

Der Beitrag von Dr. H. Schulz (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Arbeitsgruppe Prof. Dr. Dr. U. Koch) zum Thema „Benchmarking als Instrument der Qualitätssicherung” verdeutlichte die Bestrebungen der Kostenträger zu Maßnahmen der Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation. Dr. Schulz ging differenziert auf die vorhandenen Strukturen und Ergebnisse der Rehabilitation bei Patienten mit psychischen Erkrankungen ein und beantwortete die Frage, ob eine Risikoadjustierung für einen Klinikvergleich effizient ist. Im Anschluss diskutierten Dr. J. Rieger (Paracelsus-Kliniken) und K.-H. Glatz (Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover) in Form eines Dialogs zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer die Einflüsse des Marktes/der Politik auf die medizinische Rehabilitation. Hierbei wurden wichtige Aspekte der Zugangssteuerung und Leistungserbringung, der Leistungsqualität, Belegungssteuerung und Leitlinienentwicklung beleuchtet. Über die Ergebnisqualität und Gesundheitsökonomie verhaltensmedizinischer Psychosomatik in der Klinik berichtete Prof. Dr. M. Zielke (Universität Mannheim). Hierzu wurden eigene Studien vorgestellt und im Anschluss kritisch diskutiert.

Die Vorträge am Nachmittag widmeten sich der differenzierten Darstellung einzelner Forschungsergebnisse aus dem RFNB. So berichtete Priv.-Doz. Dr. Krauth über die Wirksamkeit und Effizienz von Nachsorgemaßnahmen aus dem Bereich der Rheumatologie. Dabei wurde eine Studie vorgestellt, die ein einwöchiges Nachsorgeprogramm einer Verlängerungswoche der Kontrollgruppe gegenüberstellte und die Kosteneinsparpotenziale der Nachsorgewoche, insbesondere aus gesellschaftspolitischer Sicht, darstellte. Dipl.-Kauffrau I. Brandes (Medizinische Hochschule Hannover) berichtete analog über die gesundheitsökonomische Evaluation einer Studie aus dem Bereich der Orthopädie. Hier konnten an einer großen Stichprobe über einen Katamnesezeitraum von fünf Jahren Aussagen über die Inanspruchnahme von Leistungen, die Lebensqualität und den Erwerbsverlauf gemacht werden.

Den Schwerpunkt des Beitrags von Priv.-Doz. Dr. B. Jäger (Medizinische Hochschule Hannover) bildeten das Ausmaß und die Ausgestaltung des Behandlungswunsches bei Patienten mit chronischem Tinnitus und die Besonderheiten der Krankheitsverarbeitung im Hinblick auf den Krankheitsverlauf. Ein Vergleich von drei Kasuistiken zeigte eindrucksvoll unterschiedliche Verläufe der Inanspruchnahme von Leistungen. Besonders herausgearbeitet und im Anschluss eingehend diskutiert wurde der Aspekt der Eigenmotivation des Patienten zur Initiierung von medizinischen Leistungen.

Ein besonderer Bereich der medizinischen Rehabilitation wurde von Priv.-Doz. Dr. M. Spranger (Neurologisches Rehazentrum Friedehorst, Bremen) beleuchtet. In seinem Beitrag wurden die Anforderungen an die neurologische Rehabilitation von Kindern unter dem Aspekt der Komplexität der unterschiedlichen Erkrankungsbilder deutlich. Es wurde die Frage bearbeitet, ob Klassifikationssysteme diesen Anforderungen gerecht werden können.

Insgesamt konnte die Veranstaltung ein breites Spektrum rehabezogener Aspekte und Fragestellungen bearbeiten. Die Komplexität, aber auch die Relevanz der Bearbeitung gesundheitsökonomischer Fragestellungen, wurden deutlich. Die Ergebnisse und Inhalte der Tagung werden 2006 in einem Tagungsband erscheinen.

Prof. Dr. Franz Petermann

Sprecher des RFNB · Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation · Universität Bremen

Grazer Straße 6

28359 Bremen

eMail: fpeterm@uni-bremen.de

    >